L 8 R 4400/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 938/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 R 4400/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 07.11.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich, im Wege des Überprüfungsverfahrens, gegen die Verrechnung seiner Rente mit rückständigen Beitragsansprüchen der Beklagten.

Der 1945 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich rentenversichert. Seit dem 01.08.2002 bezog er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (Bescheid vom 11.12.2002) und seit dem 01.02.2010 bezieht er Regelaltersrente.

Mit Schreiben vom 19.07.2012 teilte die AOK, als für den Kläger zuständige Kranken- und Pflegekasse, der Beklagten mit, dass der Kläger als nicht versicherungspflichtig geführt werde, sodass das KVdR- Verhältnis zu überprüfen sei.

Mit Bescheid vom 27.07.2012 berechnete die Beklagte die Regelaltersrente ab dem 01.02.2010 neu und stellte für die Zeit vom 01.02.2010 bis 31.08.2012 eine Überzahlung von 3.069,42 EUR fest, die zurückgefordert werde. Zur Begründung des Bescheides führte sie aus, dass sich das Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnis geändert habe. Der monatliche Zahlbetrag ab dem 01.09.2012 belaufe sich auf 884,12 EUR.

Mit Bescheid vom 30.07.2012 berechnete die Beklagte die Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.01.2008 neu und stellte eine Überzahlung für die Zeit vom 01.01.2008 bis 31.01.2010 in Höhe von 2.393,74 EUR fest, die zu erstatten sei. Zur Begründung verwies sie ebenfalls auf die bestehende Versicherungspflicht und darauf, dass die eigentlich ab 2002 zu leistenden Beiträge im Hinblick auf die Verjährungsfrist nicht zurückgefordert würden.

Mit Bescheid vom 26.09.2012 berechnete die Beklagte die Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.01.2008 im Hinblick auf die nachgewiesene Elterneigenschaft neu und stellte eine Nachzahlung von 58,55 EUR fest, die nicht ausgezahlt wurde.

Mit weiterem Bescheid vom 11.10.2012 wurde die Regelaltersrente neu berechnet und eine Nachzahlung von 81,90 EUR festgestellt, die ebenfalls nicht zur Auszahlung gelangte. Der Zahlbetrag belief sich ab 01.12.2012 auf 886,59 EUR.

Mit Schreiben vom 31.10.2012 hörte die Beklagte den Kläger zu einer Aufrechnung der mit Bescheid vom 27.07.2012 und Bescheid vom 30.07.2012 festgestellten Überzahlung (insgesamt 5.322,71 EUR) an und wies darauf hin, dass nach § 255 Absatz 2 SGB V eine Verpflichtung zum Einbehalt der Pflichtbeiträge bestehe, von der Einbehaltung könne nur abgesehen werden, wenn Hilfebedürftigkeit im Sinne der Sozialhilfe eintrete.

Mit Rentenbescheid vom 23.11.2012 stellte die Beklagte einen monatlichen Zahlbetrag von 735,60 EUR ab dem 01.01.2013 fest und führte zur Begründung aus, dass monatlich 150,00 EUR einbehalten würden, da aufgrund der rückwirkenden Pflichtversicherung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung die Beitragsanteile aus der Rente an die Krankenkasse abzuführen seien. Die dadurch entstandene Überzahlung (Bescheide vom 27.07.2012 und 30.07.2012) werde durch den monatlichen Einbehalt von 150,00 EUR erledigt.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 29.11.2012 Widerspruch und machte geltend, dass ihm eine höhere Rente zustehe.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.02.2013 zurück und führte zur Begründung aus, dass aufgrund des Rentenbezuges seit dem 01.08.2002 Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung bestehe. Beiträge seien jedoch keine abgeführt worden, sodass im Zeitraum vom 01.08.2002 bis 31.08.2012 eine Überzahlung von 5.463,16 EUR entstanden sei, die nicht verjährt und mit den Bescheiden vom 27.07.2012 und 30.07.2012 geltend gemacht worden sei. Für die Zeit vor dem 01.01.2008 würden keine Beiträge nachgefordert, da diese verjährt seien. Durch die Nachzahlungen gemäß Bescheid vom 26.09.2012 und 11.10.2012, die mit den Überzahlungen verrechnet worden seien, verbleibe ein Restbetrag von 5.322,71 EUR. Die rückständigen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung seien nach § 255 Absatz 2 SGB V bzw. nach § 60 Absatz 1 SGB XI iVm. § 255 Absatz 2 SGB V aus der weiterhin zu zahlenden Rente in den Grenzen des § 51 Absatz 2 SGB I einzubehalten. Hierbei stehe dem Rentenversicherungsträger kein Ermessen zu, Vertrauensschutzgesichtspunkte seien ebenfalls nicht zu beachten. Der Gesetzgeber habe in § 51 Absatz 2 SGB I festgelegt, dass die Nachweispflicht hinsichtlich der Sozialhilfebedürftigkeit beim Schuldner und Leistungsberechtigten liege. Der Kläger sei vor dem Einbehalt gemäß § 24 SGB X angehört worden, Nachweise über die Hilfebedürftigkeit seien bis heute nicht vorgelegt worden, sodass der Einbehalt zu Recht erfolgt sei.

Der Landkreis C. , als für den Kläger zuständiger Träger der Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), bescheinigte unter dem 08.03.2013 einen sozialhilferechtlichen Bedarf von 562,00 EUR, bestehend aus 382,00 EUR Regelsatz und 180,00 EUR Miete (Blatt 79 der Verwaltungsakte).

Gegen den Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 20.03.2013 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe, welches die Klage mit Urteil vom 28.08.2013 abwies. Die gegen das Urteil gerichtete Berufung (LSG Baden- Württemberg, L 5 R 4342/13) blieb ohne Erfolg (Beschluss vom 31.03.2015).

Mit am 06.10.2015 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben (vom 29.09.2015) machte der Kläger geltend, dass die ab 2013 einbehaltenen Beiträge überhöht seien. Es bleibe unberücksichtigt, dass er verheiratet sei und der sozialhilferechtliche Bedarf in der Bescheinigung des Landratsamtes C. vom 08.03.2013 nicht korrekt bemessen worden sei. Es errechne sich ab dem 01.01.2015 ein Bedarf in Höhe von 1.055,00 EUR monatlich, ein Einbehalt für zu viel erhaltene Rente scheide daher aus. Darüber hinaus sei die Pflegeversicherung nicht korrekt berechnet worden, da er nicht kinderlos sei.

Mit Schreiben vom 09.10.2015 forderte die Beklagte den Kläger zur Vorlage einer Bedarfsbescheinigung sowie eines Nachweises über die Ehe auf. Der Einbehalt von 150,00 EUR werde weiterhin für angemessen gehalten, auf das Berufungsurteil des LSG Baden- Württemberg werde Bezug genommen. Der Pflegeversicherungsbeitrag werde bereits in zutreffender Höhe berücksichtigt.

Hierzu nahm der Kläger dahingehend Stellung (Schreiben vom 24.10.2015), dass er monatlich 140,00 EUR an seine Ehefrau überweise, die Kosten des Geldtransfers beliefen sich auf 14,50 EUR. Im Haushalt der Ehefrau lebten ihr 19-jähriger Sohn und ihre 16-jährige Tochter, beide Kinder stammten aus erster Ehe. Der Bedarf von 1.028,02 EUR könne aus der Rente der Rentenversicherung mit 768,49 EUR und der Betriebsrente von 142,23 EUR nicht gedeckt werden.

Mit Bescheid vom 05.11.2015 lehnte die Beklagte eine Überprüfung des Bescheides ab, sodass es bei einer monatlichen Verrechnung von 150,00 EUR verbleibe. Mit dem Schreiben sei nach wie vor keine Bedarfsbescheinigung vorgelegt worden, der letzte nachgewiesene Bedarf sei weiterhin der Bescheinigung des Landratsamtes C. von 2013 zu entnehmen, wobei sich aus dieser keine Hilfebedürftigkeit bei einem monatlichen Einbehalt von 150,00 EUR ergebe. Bei Vorlage einer nachvollziehbaren aktuellen Bedarfsbescheinigung werde die Angelegenheit erneut überprüft.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 16.11.2015 Widerspruch, den er unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 24.10.2015 begründete.

Im Widerspruchsverfahren wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass gemäß § 51 SGB I der Leistungsberechtigte nachwiesen müsse, dass durch die Verrechnung Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB XII eintrete. Der Nachweis werde grundsätzlich durch eine Bedarfsbescheinigung des Sozialhilfe- oder Grundsicherungsträgers erbracht.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2016 zurück und führte zur Begründung aus, dass eine Überprüfungspflicht nur dann eintrete, wenn dem Versicherungsträger die Rechtswidrigkeit der bisherigen Entscheidung bekannt werde, hierzu müsse der Berechtigte näher darlegen, dass sich die Grundlagen des Bescheides geändert hätten oder falsch bewertet worden seien. Die rückständigen Beiträge seien aus der zu zahlenden Rente in den Grenzen des § 51 Absatz 2 SGB I einzubehalten, eine Bedarfsbescheinigung sei trotz Aufforderung nicht vorgelegt worden. Die schriftsätzlich dargestellte finanzielle Situation erlaube zwar Rückschlüsse auf Einkommen und Ausgaben, stelle aber keinen Nachweis für den Eintritt von Sozialhilfebedürftigkeit dar. Die letzte Bedarfsbescheinigung sei am 08.03.2013 ausgestellt worden, seinerzeit habe sich der Bedarf auf 562,00 EUR belaufen, bei einem monatlichen Einbehalt von 150,00 EUR verbleibe ein Betrag von 767,46 EUR, sodass keine Hilfebedürftigkeit eintrete. Damit würden die Voraussetzungen für eine Rücknahme der früheren Entscheidung nicht vorliegen, der Bescheid vom 05.11.2015 sei sachlich und rechtlich nicht zu beanstanden.

Gegen den Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 18.03.2016 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) und machte geltend, dass bestritten werde, dass eine Überzahlung der Rente erfolgt sei. Im Übrigen seien Rückzahlungsansprüche jedenfalls verjährt und er habe bereits mit Schreiben vom 10.06.2013 mitgeteilt, dass er seiner Ehefrau Unterhalt schulde. Der Verweis auf die Bedarfsbescheinigung überzeuge nicht, da der Sozialhilfeträger nicht befugt sei, die Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Ehefrau zu prüfen. Berücksichtigt würden von vornherein nur im Inland lebende unterhaltsberechtigte Personen.

Mit Verfügung vom 27.09.2016 wies das SG den Kläger auf den fehlenden Nachweis der Sozialhilfebedürftigkeit, auf die widersprüchlichen Angaben, insbesondere im Hauptsache- und PKH-Verfahren sowie auf die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid hin. Mit Gerichtsbescheid vom 07.11.2016 wies das SG die Klage ab.

Gegen den am 10.11.2016 dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 28.11.2016 Berufung zum Landessozialgericht Baden- Württemberg (LSG) eingelegt. Er macht geltend, dass seine Ehefrau nicht in Deutschland lebe, sodass für diese keine Leistungen beantragt werden könnten, mithin eine Bedarfsbescheinigung nicht ausgestellt werden könne. Dass er seiner Ehefrau Unterhalt schulde und zahle, sei bereits nachgewiesen worden. Die Zahlung setze sich zusammen aus einem Betrag von 140,00 EUR Unterhalt und einer Gebühr in Höhe von 14,50 EUR. Weiter sei bereits nachgewiesen worden, dass er im Schnitt 13,02 EUR monatlich für Medikamente ausgebe. Dass er nicht regelmäßig monatlich 150,00 EUR Unterhalt zahle, hänge damit zusammen, dass er dazu finanziell nicht in der Lage sei, nachdem die Beklagte die Rente einbehalte. Im Übrigen zahle er auch Unterhalt an seinen Sohn, der studiere.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 07.11.2016 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 05.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2016 abzuändern sowie den Bescheid vom 23.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2013 ab dem 01.01.2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und teilt ergänzend mit, dass letztmals im Oktober 2016 ein Betrag von 143,74 EUR einbehalten worden sei, seit Oktober 2016 werde die Rente wieder in voller Höhe ausgezahlt.

Mit Beschluss vom 28.11.2017 hat der Senat den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Der Zulässigkeit der Berufung steht nicht entgegen, dass der letzte Einbehalt im Oktober 2016 erfolgt ist und damit schon im Zeitpunkt der Erhebung der Berufung im November 2016 die Rente vollständig zur Auszahlung kam.

Die Berufung ist jedoch unbegründet, weil insoweit die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig geworden ist. Durch die Tilgung der Forderung der Beklagten hat sich der Verwaltungsakt, der den monatlichen Einbehalt und die Verrechnung mit den Beitragsrückständen verfügt, erledigt. Zwar tritt eine Erledigung des Verwaltungsaktes nicht allein wegen dessen Vollziehung ein, solange diese zumindest für die Zukunft rückgängig gemacht werden kann (BSG, Urteil vom 08.05.2007 - B 2 U 10/06 R, juris RdNr. 24). Vorliegend ist aber die mit bestandskräftigen Bescheiden vom 27.07.2012 und 30.07.2012 dem Grunde nach und in der Höhe festgestellte Forderung nach § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen, denn die gemäß §§ 387, 388 BGB erklärte Aufrechnung ist durch den Einbehalt vollzogen. Ein rechtliches und wirtschaftliches Interesse an einer Klage auf eine Zugunstenentscheidung nach § 44 SGB X auf rückwirkende Änderung der Zahlungsmodalität "Aufrechnung" für eine bereits erloschene Forderung besteht nicht. Die Beseitigung einer die Sozialhilfebedürftigkeit verursachenden Notlage, wie vom Kläger geltend gemacht, in der Vergangenheit ist mit der Anfechtungsklage nicht zu erreichen.

Darüber hinaus ist die Berufung jedoch auch materiell unbegründet. Das SG hat die Klage in der Sache zu Recht abgewiesen, der angefochtene Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 05.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2016, mit dem die Beklagte die Überprüfung des Bescheides vom 23.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2013 abgelehnt hat. Das Begehren des Klägers ist im Wege der reinen Anfechtungsklage zu verfolgen, da durch die Aufhebung des Bescheides vom 23.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2013 die ursprüngliche Bewilligung von Leistungen (ohne Einbehalt) wieder auflebt, mithin der Rechtsgrund für den Einbehalt der Leistungen entfallen würde. Einer gesonderten Verpflichtungsklage auf Aufhebung der Bescheide bedarf es nicht (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18; Senatsurteil vom 25.01.2013 - L 8 U 4645/11 -, juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 44 Absatz 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Dieser bestimmt, dass der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht nicht erhoben worden sind. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, § 44 Absatz 1 Satz 2 SGB X. Aus dem Verfügungssatz des Bescheides geht eindeutig hervor, dass die Beklagte eine Überprüfung des Bescheides vom 23.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2013 vorgenommen hat, auch wenn der Bescheid nicht ausdrücklich genannt ist. Die Überprüfung hat sich, wie aus der Begründung des Bescheides ersichtlich, nur auf den monatlichen Einbehalt von 150,00 EUR bezogen, die die Rückforderung betreffenden Bescheide sind nicht überprüft worden. Eine Entscheidung darüber, ob in den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 20.02.2013 zu Grunde lagen, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, die eine Änderung des Bescheides nach § 48 SGB X rechtfertigen könnte, hat die Beklagte nicht getroffen, sodass solche Änderungen nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Der Anwendungsbereich des § 44 Absatz 1 SGB X beschränkt sich nach dem Wortlaut der Vorschrift auf Verwaltungsakte, die bereits im Zeitpunkt des Erlasses rechtswidrig waren und deren Rechtswidrigkeit nicht erst nachträglich eingetreten ist (Baumeister in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Auflage 2017, § 44 RdNr.52).

Der Umstand, dass der Kläger sein Überprüfungsbegehren dahin beschränkt hat, dass er eine Aufhebung des Bescheides erst ab dem 01.01.2015 beansprucht, ändert an dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage nichts. Der Kläger ist nicht gehindert, den Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, selbst wenn sich dessen Rechtswidrigkeit herausstellen sollte, bis zum 31.12.2014 zu akzeptieren.

Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab hat die Beklagte den Überprüfungsantrag zu Recht abgelehnt. Rechtsgrundlage des überprüften Bescheides ist § 255 Absatz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Dieser bestimmt, dass wenn bei der Zahlung der Rente die Einbehaltung von Beiträgen nach Absatz 1 unterblieben ist, die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung einzubehalten sind, wobei § 51 Absatz 2 des Ersten Buches entsprechend gilt. § 255 Absatz 2 SGB V stellt eine Regelung für die Fallkonstellation dar, dass rückwirkend die Krankenversicherungspflicht des Rentenbeziehers festgestellt wird, ein Ermessensspielraum der Rentenversicherungsträger für die Nacherhebung von Beiträgen besteht nicht (Peters in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, § 255 RdNr. 37 ff.). Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben, nachdem der Kläger seit 2002 Erwerbsminderungsrente und ab 2010 Regelaltersrente bezogen hat, ohne dass seine bestehende Versicherungspflicht berücksichtigt und der entsprechende Einbehalt vorgenommen worden wäre. Dass der Kläger jedenfalls ab 2008 kranken- und pflegeversicherungspflichtig gewesen ist und durch die nicht abgeführten Beiträge Überzahlungen entstanden sind, ist durch die bestandskräftigen Bescheide vom 27.07.2012 und 30.07.2012 bindend festgestellt. Eine inhaltliche Prüfung durch den Senat kommt insoweit nicht in Betracht, sodass der Vortrag des Klägers dahingehend, dass keine Überzahlungen eingetreten seien, nicht entscheidungsrelevant ist. Entsprechendes gilt für den Vortrag, dass die Pflegeversicherungsbeiträge der Höhe nach unzutreffend berechnet seien, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die Beklagte mit den Bescheiden vom 26.09.2012 und 30.11.2012 bereits eine Korrektur der Beitragsberechnung vorgenommen und die errechneten Nachzahlungen mit den Überzahlungen verrechnet hat.

Dem Einbehalt steht, der gemäß § 255 Absatz 1 SGB V entsprechend anzuwendende, § 51 Absatz 2 SGB I nicht entgegen. Dieser bestimmt, dass der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen auf zu Unrecht erbrachte Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch gegen Ansprüche auf laufende Leistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen kann, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buchen über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch wird.

Der Senat ist davon überzeugt, dass durch den Einbehalt von 150,00 EUR eine Hilfebedürftigkeit nicht eintritt, nachdem sich der maßgebliche Bedarf im Jahr 2013, ausweislich der Bedarfsbescheinigung des Landkreises C. vom 08.03.2013 auf 562,00 belaufen hat, während der monatliche Rentenzahlbetrag 886,59 EUR betrug. Der nach Abzug des Einbehalts verbleibende Betrag lag damit, unabhängig von der Frage, ob dem Kläger ein Mehrbedarf für Medikamente anzuerkennen ist (§ 30 SGB XII) oder nicht, deutlich über dem sozialhilferechtlichen Bedarf. Im Übrigen muss berücksichtigt werden, dass der Kläger neben der Rente der Beklagten noch eine Betriebsrente bezieht, die ebenfalls anzurechnendes Einkommen darstellt.

Abgesehen davon, dass die Differenz zwischen dem Sozialhilfebedarf und dem Rentenzahlbetrag nach Einbehalt ausreicht, um die geltend gemachten Unterhaltszahlungen an die Ehefrau leisten zu können, überzeugen die Ausführungen des Klägers, dass die die Ehefrau keine Berücksichtigung finden könne, nicht. Zwar ist es zutreffend, dass die Ehefrau, die wohl weder bei dem Kläger noch in Deutschland lebt, keinen eigenen Leistungsanspruch haben kann, indessen ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, Unterhaltszahlungen an die Ehefrau bei der Leistungsberechnung nach dem SGB XII zu berücksichtigen. Allerdings handelt es sich hierbei keinesfalls um einen zusätzlichen Bedarf, sondern höchstens um einen Absetzbetrag von dem zu berücksichtigenden Einkommen (§ 82 Absatz 2 SGB XII), wobei hier, auch wenn eine dem § 11b Absatz 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II entsprechende Vorschrift im SGB XII fehlt, nur die Absetzung von titulierten Unterhaltsansprüchen in Frage kommt, nicht aber von freiwillig gezahlten Unterhalt (Lücking in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 82 RdNr. 26 f.)

Auf die vom Kläger vorgenommenen Bedarfsberechnungen für das Jahr 2015 kommt es im Hinblick auf den Streitgegenstand nicht an, da Änderungen in den Verhältnissen nicht zu prüfen sind. Dies kann letztlich auch deshalb dahinstehen, da die widersprüchlichen Angaben des Klägers, auf die bereits das SG hingewiesen hat, ungeeignet sind, eine Überzeugungsbildung dahingehend zu ermöglichen, dass durch den Einbehalt eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII eintreten würde (vgl. Senatsbeschluss vom 28.11.2017 - PKH -). Ermessensfehler, die sich wegen der nur entsprechenden Anwendung von § 51 Absatz 2 SGB I im Rahmen des § 255 Absatz 2 SGB V nur auf die Höhe des Einbehalts beziehen könnten, sind nicht gegeben und vom Kläger nicht geltend gemacht worden.

Unabhängig davon stehen einem Anspruch auf Aufhebung des Bescheides die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) entgegen. Diese beherrschen das gesamte Rechtssystem und sind auch im Bereich des Sozialrechts zu beachten. Sie sind eine der Rechtslage immanente Beschränkung und brauchen grundsätzlich nicht im Wege der Einrede geltend gemacht zu werden. Das Gericht muss sie von Amts wegen berücksichtigen und zugunsten der begünstigten Partei zum Tragen bringen. Sie gelten im materiellen Recht ebenso wie für das Verfahrensrecht (Landessozialgericht für das Land Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 27.06.2014 - L 14 R 543/13, juris RdNr. 2). Ein Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben ist insbesondere dann anzunehmen, wenn etwas gefordert wird, was umgehend wieder zu erstatten ist – dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est – (vgl. BSG, Urteil vom 23.08.2013 - B 8 SO 17/12 R, juris RdNr. 15, Senatsurteil vom 20.02.2015 – L 8 AL 2518/14 –, juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de; BGH, Urteil vom 09.02.2012 - VII ZR 31/11, juris RdNr. 17;), wie dies vorliegend der Fall wäre. Durch eine Aufhebung des Bescheides über die Verrechnung und den Renteneinbehalt würde – unterstellt die Forderung der Beklagten würde damit wieder aufleben – zwar eine Nachzahlungspflicht der Beklagten hinsichtlich der einbehaltenen Rentenbeträge entstehen, gleichzeitig wäre jedoch die Tilgung der (bestandskräftig) festgestellten Forderungen insoweit hinfällig, sodass die Zahlungspflicht des Klägers wieder aufleben würde und die Beklagte die Nachzahlung gegen die Forderungen aufrechnen könnte. Da der einmalige Geldbetrag der Nachzahlung durch die Beklagte als einmaliges Einkommen des Klägers sozialhilferechtlich neutral wäre, stünde dem Zugriff der Beklagten auf dieses Einkommen nichts im Wege. Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schreiben vom 14.12.2012, 09.01.2013 und das Schreiben des Rentenversicherungsträgers vom 27.07.2012 lassen nicht erkennen, dass der in den genannten Bescheiden festgesetzte Rückforderungsbetrag nicht bestandskräftig geworden ist.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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