Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 1588/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2315/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.05.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Kosten des im Berufungsverfahrens auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG eingeholten Sachverständigengutachtens von Dr. A. vom 05.02.2017 sowie die damit im Zusammenhang stehenden baren Auslagen der Klägerin werden nicht auf die Staatskasse übernommen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Klägerin das Merkzeichen "G" zuzuerkennen ist.
Die 1955, bei der zuletzt mit Bescheid vom 19.10.2007 ein GdB 60 festgestellt worden war, geborene Klägerin hatte am 18.04.2011 (Blatt 182 VA) -erneut- die Feststellung des Merkzeichens "G" beantragt unter Vorlage des Entlassungsberichtes der W.-Z. Kliniken vom 13.04.2011 (Blatt 186 VA) über den stationären Aufenthalt vom 21.03.2011 bis 02.04.2011. In diesem wurde ausgeführt, dass belastungsabhängige Kniegelenksschmerzen zur Aufnahme geführt hätten, diese seien als Folge der progredienten Pangonarthrose zu sehen, die Beweglichkeit im Knie sei noch ausreichend. Das LRA zog den Befundbericht des Facharztes für Innere Medizin Dr. S. (Blatt 209) bei, der ergänzend Berichte über weitere Untersuchungen vorlegte. Nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. W. (Blatt 221 VA) lehnte das LRA den Antrag auf Neufeststellung des GdB und die Feststellung des Merkzeichens "G" mit Bescheid vom 06.07.2011 (Blatt 214 VA) ab.
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin am 20.07.2011 Widerspruch und begehrte die Feststellung des Merkzeichens "G" (Blatt 216 VA).
Das LRA holte den Befundbericht des Dr. V. vom 05.10.2011 (Blatt 223 VA) ein, in dem dieser auf einen Zustand nach Innenbandläsion rechtes Kniegelenk und eine Innenmeniskusläsion am linken Kniegelenk verwies und die Gehstrecke der Klägerin mit ca. 30 Minuten angab. Gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme der Dr. M.-T. (Blatt 224 VA) wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2011 (Blatt 229) zurück. In dem sich anschließenden Klageverfahren (Sozialgericht Stuttgart, S 25 SB 6895/11) wurde vergleichsweise ein GdB von 70 ab dem 18.04.2011 festgestellt, den Vergleich führte das LRA mit Bescheid vom 31.05.2012 (Blatt 236 VA) aus.
Am 12.04.2013 beantragte die Klägerin erneut die Feststellung des Merkzeichens "G" unter Vorlage des Entlassungsberichtes der W.-Z. Kliniken über den stationären Aufenthalt vom 12.03.2013 bis 26.03.2013 (Blatt 244 VA). Darin wurde ausgeführt, dass eine freie Beweglichkeit der Hüftgelenke ohne Einschränkung der Innenrotation sowie einem Bewegungsausmaß der Kniegelenke in Streckung/Beugung von 0-0-120° bestanden habe.
Das LRA holte den Befundbericht des Dr. S. vom 27.05.2013 (Blatt 247 VA) ein, in dem dieser angab, dass die Gehstrecke der Klägerin normal und die Gehsicherheit in Anbetracht der Schmerzen unauffällig sei.
Gestützt auf die versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. K. vom 04.08.2013 (Blatt 265) und des Dr. W. vom 05.10.2013 (Blatt 268 VA) lehnte das LRA den Antrag auf Feststellung des Merkzeichens "G" mit Bescheid vom 23.10.2013 ab.
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin am 04.11.2013 (Blatt 271 VA) Widerspruch, den der Beklagte nach Einholung der Befundberichte des Dr. P. vom 20.12.2013 (Blatt 277 VA) und des Dr. V. (Blatt 281 VA) sowie der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Dr. B. vom 19.02.2014 (Blatt 283 VA) mit Widerspruchsbescheid vom 24.02.2014 (Blatt 288 VA) zurückwies. Zur Begründung führte er aus, dass die Auswertung der ärztlichen Unterlagen ergeben habe, dass die sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Wirbelsäule für sich allein keinen GdB von wenigstens 50 bedingten. Darüber hinaus seien die Funktionsbeeinträchtigungen an den unteren Gliedmaßen auch mit einer Versteifung des Hüftgelenks, einer Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung nicht vergleichbar. Keine der an den Beinen und an der Lendenwirbelsäule festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen wirke sich auf die Gehfähigkeit in besonderem Maße aus.
Gegen den Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 04.03.2014 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Das SG vernahm Dr. S. (Innere Medizin - Blatt 17/60 SG-Akte) und Dr. V. (Orthopädie - Blatt 67/69 SG-Akte) schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. S. beschrieb eine Gebrauchseinschränkung beider Beine bei Kniegelenkschmerz links mit Schmerz im Ober- und Unterschenkel. Eine schmerzfreie Bewegung der Knie sei nicht möglich, der Einbeinstand links nicht durchführbar. Dr. V. gab Dauerschmerzen im Bereich des linken Kniegelenks mit Überstreckschmerz sowie einer eingeschränkten Beugefähigkeit an, es bestünden deutliche Einschränkungen der Gehfähigkeit, sodass übliche Gehstrecken nicht mehr bewältigt werden könnten. Das SG beauftragte den Orthopäden Dr. H. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens, der in seinem Gutachten vom 21.01.2015 eine funktionell bedeutsame Arthrose im linken Kniegelenk mäßigen Ausmaßes feststellte und eine bedeutsame Strukturschädigung der Wirbelsäule verneinte. Die Empfindungsstörungen und Missempfindungen im linken Bein seien keinem definierbaren Körperschaden zuzuordnen, es hätten unübersehbare Verdeutlichungstendenzen bestanden. Die biomechanische Belastbarkeit des linken Kniegelenkes sei eingeschränkt, sodass Auswirkungen auf die Steh- und Gehfähigkeit bestünden. Die Veränderungen seien aber nicht so massiv, dass die Klägerin nicht mehr in Lage wäre, eine Wegstrecke von 2 km im Ortsverkehr innerhalb einer halben Stunde zurückzulegen. Nach ergänzender Stellungnahme des Dr. H. vom 17.03.2015 (Blatt 115 ff. SG-Akte) holte das SG das neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten vom 14.08.2015 des Dr. P. ein. Dieser diagnostizierte eine schwere histrionische Störung im Rahmen einer komplexen Persönlichkeitsstörung und verneinte aus neurologisch-psychiatrischer Sicht eine objektivierbare Gehbehinderung. Der Teil-GdB auf seinem Fachgebiet sei mit 50 zu bewerten, die Klägerin sei bei der Untersuchung in der Lage gewesen, eine Strecke von etwa 200 m bis zum geparkten Auto ohne Stock mit relativ unauffälligem Gangbild zurückzulegen. Die Klage wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 19.05.2016 ab, da keine erhebliche Einschränkung der Gehfähigkeit der Klägerin bestehe, wie sich aus den Sachverständigengutachten des Dr. H. und des Dr. P. ergebe. Die von der Klägerin hiergegen erhobenen Einwände überzeugten nicht.
Gegen den am 23.05.2016 zustellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 23.06.2016 Berufung zum Landessozialgericht Baden- Württemberg (LSG) eingelegt. Sie macht geltend, dass sie ein dauerhaftes Taubheitsgefühl im linken Knie habe, weshalb sie bereits zweimal gestürzt sei, sie leide sowohl beim Gehen wie auch nachts unter starken Schmerzen, die wegen der Nebenwirkungen der Schmerzmittel nicht mehr behandelt werden könnten. Die Schmerzen rührten auch von einem eingeklemmten Nerv im Rückenbereich und Bandscheibenproblemen her. Sie hat den Entlassungsbericht der W. -Z. -Klinik vom 29.06.2016 vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.05.2016 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2014 zu verpflichten, das Merkzeichen "G" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat der Senat Beweis erhoben durch die Einholung des orthopädischen Sachverständigengutachtens vom 05.02.2017 des Dr. A ... Dieser hat ausgeführt, dass die Untersuchung beider Kniegelenke eine Arthrose des inneren und äußeren Kniegelenkspaltes gezeigt habe, im Bereich des linken Kniegelenkes liege eine akute Reizerscheinung vor, sodass es glaubhaft sei, dass die Klägerin Wegstrecken von 2 km in einer halben Stunde nicht mehr zurücklegen könne. Erschwerend komme die Arthrose in beiden Hüftgelenken und die Erkrankung der Wirbelsäule hinzu, die zu einer claudicatio-spinalis-Symptomatik führe, also nach 50m ein Schmerz im linken Bein auftrete, der die Klägerin nicht weitergehen lasse. Seit dem 30.01.2017 bestehe eine relevante Einschränkung der Gehfähigkeit, den Zeitraum davor könne er nicht beurteilen. Bei den bisherigen Beurteilungen seien die Erkrankungen der Hüftgelenke und der Lendenwirbelsäule nicht so ausgeprägt gewesen.
Zu dem Sachverständigengutachten hat der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 17.03.2017 vorgelegt, in der dieser ausgeführt hat, dass relevante Bewegungseinschränkungen der Hüftgelenke nicht dokumentiert seien, im Bereich beider Kniegelenke sei eine leichte Ergussbildung beschrieben, ebenfalls ohne relevante Bewegungseinschränkung. Der Senat hat von Dr. V. und dem jetzt die Klägerin nachbehandelnden Dr. A. Befundberichte beigezogen (Bl. 75/88 und 89/90 des Senatsakte). Die Klägerin hat das Attest von Dr. V. vom 18.08.2017 und den Arztbrief des Radiologen Dr. S. vom 21.08.2017 vorgelegt (Bl. 92/94 der Senatsakte). Hierzu hat der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. R. vom 06.11.2017 vorgelegt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Absatz 2 SGG einverstanden erklärt (Bl. 104 und 105 der Senatsakte).
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Absatz 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, der Bescheid des Beklagten vom 23.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin kann die Feststellung des Merkzeichens "G" nicht beanspruchen.
Rechtsgrundlage für die GdB- Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234), da maßgeblicher Zeitpunkt bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist, wobei es für laufende Leistungen auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum ankommt, für den die Leistungen begehrt werden; das anzuwendende Recht richtet sich nach der materiellen Rechtslage (Keller in: Meyer- Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 54 RdNr. 34). Nachdem § 224 Absatz 2 SGB IX lediglich eine (Übergangs-) Vorschrift im Hinblick auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz enthält, ist materiell-rechtlich das SGB IX in seiner derzeitigen Fassung anzuwenden. Nach § 228 Abs. 1 S. 1 SGB IX (in der neuen Fassung) sind schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von den Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, im Nahverkehr unentgeltlich zu befördern. Nach § 229 Abs. 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurück zu gelegt werden. Diese Voraussetzungen sind inhaltsgleich mit den bis 31.12.2017 geltenden Rechtsgrundsätzen zum Nachteilsausgleich "G".
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des Grades der Behinderung, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Soweit noch keine Verordnung nach § 153 Absatz 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Absatz 1 des Bundesversorgungsgesetzes und der auf Grund des § 30 Absatz 16 des Bundesversorgungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend, § 241 Absatz 5 SGB IX. Nach der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteil vom 22.05.2015 - L 8 SB 70/13, juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de) hat der Gesetzgeber mit der Übergangsregelung des § 159 Absatz 7 SGB IX ab dem 15.01.2015 wirksam und mit hinreichend bestimmtem Gesetzeswortlaut eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "G" geschaffen, die jedoch keine Rückwirkung entfaltet und erst mit dem Datum des Inkrafttretens am 15.01.2015 wirksam ist. Durch die Übergangsvorschrift des § 241 Absatz 5 SGB IX, der auf die gemäß § 30 Absatz 16 des Bundesversorgungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung verweist, besteht somit auch über den 31.12.2017 hinaus eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Anwendung der Regelungen zum Merkzeichens "G" in den versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG), sodass auf diese Kriterien der VG abzustellen ist.
Gemäß den Grundsätzen der VG Teil D 1b) Satz 1 für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für Nachteilsausgleiche ist ein schwerbehinderter Mensch in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, der infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Für die Bewegungseinschränkung ist nicht die Dauerhaftigkeit entscheidend (BSG, Urteil vom 11.8.2015 - B 9 SB 2/14 R -, juris). Bei der Prüfung der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen vorliegen, kommt es zudem nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - d.h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden (VG Teil D 1b) Satz 2). Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (VG Teil D 1b) Sätze 3, 4). Nähere Umschreibungen für einzelne Krankheitsbilder und Behinderungen enthalten die VG Teil D 1 d), e) und f). Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind nach den VG Teil D 1 d) als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z.B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen. Besonderheiten gelten für hirnorganische Anfälle - VG Teil D 1e) - und Orientierungsstörungen infolge von Sehstörungen, Hörstörungen oder geistiger Behinderung - VG Teil D 1f) -.
Die VG beschreiben in Teil D 1 d) bis f) Regelfälle, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt anzusehen sind und die bei der Beurteilung einer dort nicht erwähnten Behinderung als Vergleichsmaßstab dienen können. Die VG geben an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, bevor angenommen werden kann, dass ein Behinderter infolge einer Einschränkung des Gehvermögens "in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist". Damit tragen die VG dem Umstand Rechnung, dass das menschliche Gehvermögen keine statische Messgröße ist, sondern von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird. Darunter sind neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaige Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens (ökonomische Beanspruchung der Muskulatur, Gehtempo und Rhythmus) sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, zu nennen. Von diesen Faktoren filtern die VG all jene heraus, die nach dem Gesetz außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des schwerbehinderten Menschen im Straßenverkehr nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung seines Gehvermögens, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen (BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 7/06 R -, juris, zu den mit den VG vergleichbaren AHP; BSG, Beschluss vom 17.08.2010 - B 9 SB 32/10 B -, juris, zu den VG und AHP).
Bei der Klägerin liegen im Bereich der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule weder Beeinträchtigungen vor, die einen GdB von wenigstens 50 bedingen, noch wirken sich die vorhandenen Beeinträchtigungen auf die Gehfähigkeit besonders aus.
Durch Bescheid vom 31.05.2012 (Ausführung des Vergleichs vom 04.05.2012) ist bei der Klägerin ein GdB von 70 seit dem 18.04.2011 festgestellt, wobei der Beklagte für Bandscheibenschäden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Fibromyalgiesyndrom und Schwindel einen Teil-GdB von 30 sowie für Gebrauchseinschränkungen beider Beide bei degenerativen Gelenkveränderungen und Funktionsstörungen durch Fußfehlform einen Teil-GdB von 20 angenommen hat.
Der Senat kann sich aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme nicht davon überzeugen, dass die Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der unteren Gliedmaßen wenigstens einen GdB von 50 bedingen.
Gestützt auf das Sachverständigengutachten Dr. H. konnte der Senat bei der Klägerin das Bestehen einer schmerzhaften Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule mit ausstrahlenden Schmerzen und Empfindungsstörungen im linken Bein feststellen, wobei die daraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen als mittelgradig einzustufen sind. Im MRT der Lendenwirbelsäule vom 02.05.2013 (Blatt 48 SG-Akte) zeigte sich an L3/L4, L4/L5 und L5/S1 jeweils kein Prolaps und kein Sequester, an L4/L5 waren breitflächige Protusionen gegeben, eine Einengung der Neuroforamina bestand nicht. Die in den W.-Z. Kliniken während des stationären Aufenthalts vom 12.03.2013 bis 26.03.2013 durchgeführte neurologische Konsiliaruntersuchung (Bericht Blatt 43 SG-Akte) ergab keine zu objektivierenden Paresen, die Arm- und Beineigenreflexe waren mittellebhaft auslösbar, das Vibrationsempfinden an den Zehen wird rechts etwas schwächer als links beschrieben, ansonsten bestand bei einem Finger-Boden-Abstand von 15 cm kein objektivierbares sensibles Defizit. Der geäußerte Verdacht auf eine Wurzelkompression aufgrund der geringen Wurzelsymptomatik L5 konnte durch das MRT nicht bestätigt werden. Den radiologischen Befund wertet der Sachverständige Dr. H. nachvollziehbar als unter Berücksichtigung des Lebensalters nicht krankhaft einzustufen, bei seiner Untersuchung bestand keine auffällige Seitverbiegung der Lendenwirbelsäule bei normaler Lendenlordose. Die Rumpfvorneigung war nur bis 30° möglich, jedoch zeigte sich bei Komplexbewegungen (An- und Auskleiden) keine vergleichbar massive Einschränkung. Eine wesentliche Veränderung ergibt sich aus dem MRT der Lendenwirbelsäule vom 01.02.2017 (Blatt 77 Senatsakte) nicht. Zwar werden Bandscheibendegenerationen mit Höhenminderung beschrieben, die Neuroforamina waren an L3/L4 und L5/S1 frei und bei L4/L5 nur gering eingeengt. Dementsprechend konnte der Neurologe Dr. P. ein allenfalls leichtes L5/S1- Syndrom links feststellen und hat Wirbelsäulengymnastik und Schwimmen sowie eine Verhaltenstherapie empfohlen (Blatt 86 ff. Senatsakte). Nichts anderes ergibt sich aus dem Sachverständigengutachten des Dr. A. , der ebenfalls eine diffuse Druck- und Klopfschmerzhaftigkeit der Lendenwirbelsäule und Schmerzanhaben der Klägerin beschreibt. Soweit der Sachverständige aus der neurologischen Untersuchung in den W.-Z. -Kliniken und dem MRT auf eine relevante Einschränkung der Gehstrecke schließt, die nach Angaben der Klägerin bei nur 50 m liege, überzeugt dies den Senat nicht. Den Berichten der W. -Z. -Kliniken über die Aufenthalte 2013 und 2014 (12.03.2013 bis 26.0.32013, Blatt 43 SG-Akte; 20.05.2014 bis 31.05.2014, Blatt 59 SG-Akte) kann nämlich jeweils entnommen werden, dass aktivierende Physiotherapie, Wassergymnastik, Tai-Chi, medizinische Trainingstherapie, Nordic Walking und detonisierende Maßnahmen durchgeführt worden sind, was mit einer Einschränkung der Gehstrecke auf 50 m nicht zu vereinbaren ist. Dass sich die W. -Z. -Kliniken veranlasst gesehen haben, den Entlassungsbericht über die stationäre Behandlung 2015 im Nachhinein zu korrigieren (Blatt 169 SG-Akte) stützt die Befundinterpretation des Dr. A. hinsichtlich der Befunde aus 2013 nicht, im Übrigen basieren die Ausführungen der W. -Z. -Kliniken zu der eingeschränkten Gehstrecke nur auf den Angaben der Klägerin, objektivierte Befunde werden nicht mitgeteilt. Im Übrigen konnte der neurologische Sachverständige Dr. P. auf seinem Fachgebiet keine Ursachen für eine Einschränkung der Gehfähigkeit feststellen und hat darüber hinaus dargelegt, dass die Klägerin eine Strecke von circa 200 Metern bis zum Auto mit relativ unauffälligem Gangbild zurücklegen konnte. Letztlich hat weder der Sachverständige Dr. H. noch der Sachverständige Dr. A. eine relevante Muskelverminderung im Bereich der unteren Extremitäten beschrieben.
Wesentliche Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Hüftgelenke konnte der Senat nicht feststellen. Trotz der von Dr. A. beschriebenen Coxarthrose bestanden keine wesentlichen Bewegungseinschränkungen (Untersuchung Dr. H.: Beugung/Streckung 130-0-0°; Abspreizen/Heranführen 45-0-35°; Auswärts/einwärts drehen 40-0-35°; Untersuchung Dr. A.: Streckung/Beugung 0-0-120°, Abspreizen/Heranführen 30-0-20° Auswärts/einwärts drehen 30-0-10°).
Weiter konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass im Bereich der Kniegelenke Funktionsbeeinträchtigungen in einem Ausmaß bestehen, dass die Gehfähigkeit relevant beeinträchtigt wäre. Zwar lässt sich den Befundberichten das Bestehen einer Gonarthrose entnehmen und hat sich diese durch die röntgenologischen Untersuchungen des Dr. A. bestätigt, jedoch kann aus dem Röntgenbefund allein, wie Dr. A. meint, nicht auf das Ausmaß der Beeinträchtigung geschlossen werden. Dr. H. konnte weder links noch rechts einen eindeutigen Erguss feststellen, die Kniegelenke der Klägerin konnten im Sitzen bis etwa 100° gebeugt und vollständig gestreckt werden. Auf beiden Seiten waren keine sicheren Reibegeräusche zu tasten. Die Beweglichkeit für Beugung/Streckung lag bei 145-0-0°. Soweit die Klägerin eine Gefühlsminderung unterhalb des Knies geklagt hat, weist Dr. H. darauf hin, dass die angegebene Gefühlsstörung nicht mit einem peripheren Nervenverlauf oder einer zentralen Nervenwurzelaufgliederung korreliert. Zwar ist mit Dr. H. davon auszugehen, dass bei nachgewiesenen Strukturschäden die biomechanische Belastbarkeit vorwiegend des linken Kniegelenkes deutlich eingeschränkt ist, sodass keine mittelschweren oder schweren Lasten mehr getragen und keine Arbeiten im Knien verrichtet werden können, ein Einfluss auf das Zurücklegen der üblichen Wegstrecken aber nicht besteht. Auch Dr. A. beschreibt eine leichte intraartikuläre Ergussbildung, die durch das MRT vom 21.08.2017 bestätigt wird – jetzt mit der Beschreibung einer deutlichen Ergussbildung – (Blatt 94 Senatsakte), links mehr als rechts, die Seitenbänder beider Kniegelenke waren fest, ein schmerzfreies Durchbewegen der Kniegelenke ohne Belastung war möglich. Letztlich ergibt sich aus dem Attest des Dr. V. vom 18.08.2017 (Blatt 93 Senatsakte), also zeitgleich zum MRT Befund vom 21.08.2017, dass die noch bestehende Schwellung im rechten Kniegelenk nur zu einer endgradigen schmerzhaften Bewegungseinschränkung führt. Die Beurteilung des Versorgungsarztes Dr. R. vom 06.11.2017, dass sich aus der Zusammenschau des MRT-Befundes vom 21.08.2017 und der Befunderhebung von Dr. V. vom 18.08.2017 keine funktionellen Einschränkungen der Kniegelenke für das Merkzeichen G ergeben, ist für den Senat daher überzeugend.
Besonders schwere Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die einen GdB von unter 50 als ausreichend erscheinen lassen, konnte der Senat ebenfalls nicht feststellen. Ein Zustand, der einer Versteifung von Hüft- oder Kniegelenken vergleichbar wäre, liegt bei der Klägerin nicht vor.
Die Klägerin leidet auch weder unter hirnorganischen Anfällen (VG Teil D 1 e) noch sind Störungen der Orientierungsfähigkeit (VG Teil D 1 f) gegeben.
Ein Anspruch der Klägerin auf Feststellung des Merkzeichens "G" besteht auch über die Regelbeispiele der VG Teil D 1 d) bis f) hinaus nicht. Zwar besteht ein Anspruch auf die Zuerkennung des Merkzeichens "G" über die genannten Regelbeispiele hinaus auch bei einem schwerbehinderten Menschen, der nach Prüfung des einzelnen Falles aufgrund anderer Erkrankungen mit gleich schweren Auswirkungen auf die Gehfunktion und die zumutbare Wegstrecke dem beispielshaft aufgeführten Personenkreis gleichzustellen ist. Denn die VG Teil D 1 enthalten keine abschließende Listung in Betracht kommender Behinderungen aus dem Formenkreis einzelner medizinischer Fachrichtungen, sondern erfassen etwa auch psychische Behinderungen (BSG, Urteil vom 11.08.2015 - B 9 SB 1/14 R -, juris) oder nach der Listung in Betracht kommender Behinderungen im Zusammenwirken mit funktionellen Auswirkungen einer Adipositas per magna (BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 7/06 R -, juris).
Andere, von den Regelbeispielen der VG Teil D 1 nicht erfasste Erkrankungen mit gleich schweren Auswirkungen auf die Gehfunktion und die zumutbare Wegstrecke sind bei der Klägerin jedoch nicht festzustellen, weshalb die Klägerin dem beispielhaft aufgeführten Personenkreis nicht gleichgestellt werden kann. Insbesondere ergeben sich solche nicht auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet.
Zwar kann der Senat, gestützt auf das Sachverständigengutachten des Dr. P. , feststellen, dass bei der Klägerin von dem Vorliegen einer schweren histrionischen Störung im Rahmen einer komplexen Persönlichkeitsstörung und einer somatoformen Schmerzstörung auszugehen ist, durch die die von Dr. H. beschriebenen und auch von Dr. P. festgestellten Verdeutlichungstendenzen zu erklären sind, jedoch hat der Sachverständige überzeugend dargelegt, dass auch unter Berücksichtigung der Vorbefunde, keine psychogene Gangstörung diagnostiziert werden kann.
Die Klägerin kann daher die Feststellung des Merkzeichens "G" nicht beanspruchen, sodass die Berufung zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Die Kosten des gemäß § 109 Absatz 1 SGG bei Dr. A. eingeholten Sachverständigengutachtens, über die als Gerichtskosten der Senat in Ausübung des ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zustehenden Ermessens von Amts wegen auch mit der Kostenentscheidung im Urteil entscheiden kann (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 1 U 3854/06 KO-B -, juris; Urteil des Senats vom 23.11.2012 - L 8 U 3868/11 -, unveröffentlicht), waren nicht auf die Staatskasse zu übernehmen. Die Kosten eines Gutachtens nach § 109 SGG können nur dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von wesentlicher Bedeutung war und zu seiner Erledigung beigetragen bzw. zusätzliche für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht hat. Es muss sich, gemessen am Prozessziel, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben und dementsprechend die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblich gefördert haben (Senatsurteil vom 24.11.2017 – L 8 SB 4828/15). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben, da das Gutachten die Sachaufklärung, wie aus den obigen Darlegungen folgt, nicht wesentlich gefördert und keine neuen entscheidungserheblichen Gesichtspunkte erbracht hat.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Kosten des im Berufungsverfahrens auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG eingeholten Sachverständigengutachtens von Dr. A. vom 05.02.2017 sowie die damit im Zusammenhang stehenden baren Auslagen der Klägerin werden nicht auf die Staatskasse übernommen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Klägerin das Merkzeichen "G" zuzuerkennen ist.
Die 1955, bei der zuletzt mit Bescheid vom 19.10.2007 ein GdB 60 festgestellt worden war, geborene Klägerin hatte am 18.04.2011 (Blatt 182 VA) -erneut- die Feststellung des Merkzeichens "G" beantragt unter Vorlage des Entlassungsberichtes der W.-Z. Kliniken vom 13.04.2011 (Blatt 186 VA) über den stationären Aufenthalt vom 21.03.2011 bis 02.04.2011. In diesem wurde ausgeführt, dass belastungsabhängige Kniegelenksschmerzen zur Aufnahme geführt hätten, diese seien als Folge der progredienten Pangonarthrose zu sehen, die Beweglichkeit im Knie sei noch ausreichend. Das LRA zog den Befundbericht des Facharztes für Innere Medizin Dr. S. (Blatt 209) bei, der ergänzend Berichte über weitere Untersuchungen vorlegte. Nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. W. (Blatt 221 VA) lehnte das LRA den Antrag auf Neufeststellung des GdB und die Feststellung des Merkzeichens "G" mit Bescheid vom 06.07.2011 (Blatt 214 VA) ab.
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin am 20.07.2011 Widerspruch und begehrte die Feststellung des Merkzeichens "G" (Blatt 216 VA).
Das LRA holte den Befundbericht des Dr. V. vom 05.10.2011 (Blatt 223 VA) ein, in dem dieser auf einen Zustand nach Innenbandläsion rechtes Kniegelenk und eine Innenmeniskusläsion am linken Kniegelenk verwies und die Gehstrecke der Klägerin mit ca. 30 Minuten angab. Gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme der Dr. M.-T. (Blatt 224 VA) wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2011 (Blatt 229) zurück. In dem sich anschließenden Klageverfahren (Sozialgericht Stuttgart, S 25 SB 6895/11) wurde vergleichsweise ein GdB von 70 ab dem 18.04.2011 festgestellt, den Vergleich führte das LRA mit Bescheid vom 31.05.2012 (Blatt 236 VA) aus.
Am 12.04.2013 beantragte die Klägerin erneut die Feststellung des Merkzeichens "G" unter Vorlage des Entlassungsberichtes der W.-Z. Kliniken über den stationären Aufenthalt vom 12.03.2013 bis 26.03.2013 (Blatt 244 VA). Darin wurde ausgeführt, dass eine freie Beweglichkeit der Hüftgelenke ohne Einschränkung der Innenrotation sowie einem Bewegungsausmaß der Kniegelenke in Streckung/Beugung von 0-0-120° bestanden habe.
Das LRA holte den Befundbericht des Dr. S. vom 27.05.2013 (Blatt 247 VA) ein, in dem dieser angab, dass die Gehstrecke der Klägerin normal und die Gehsicherheit in Anbetracht der Schmerzen unauffällig sei.
Gestützt auf die versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. K. vom 04.08.2013 (Blatt 265) und des Dr. W. vom 05.10.2013 (Blatt 268 VA) lehnte das LRA den Antrag auf Feststellung des Merkzeichens "G" mit Bescheid vom 23.10.2013 ab.
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin am 04.11.2013 (Blatt 271 VA) Widerspruch, den der Beklagte nach Einholung der Befundberichte des Dr. P. vom 20.12.2013 (Blatt 277 VA) und des Dr. V. (Blatt 281 VA) sowie der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Dr. B. vom 19.02.2014 (Blatt 283 VA) mit Widerspruchsbescheid vom 24.02.2014 (Blatt 288 VA) zurückwies. Zur Begründung führte er aus, dass die Auswertung der ärztlichen Unterlagen ergeben habe, dass die sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Wirbelsäule für sich allein keinen GdB von wenigstens 50 bedingten. Darüber hinaus seien die Funktionsbeeinträchtigungen an den unteren Gliedmaßen auch mit einer Versteifung des Hüftgelenks, einer Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung nicht vergleichbar. Keine der an den Beinen und an der Lendenwirbelsäule festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen wirke sich auf die Gehfähigkeit in besonderem Maße aus.
Gegen den Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 04.03.2014 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Das SG vernahm Dr. S. (Innere Medizin - Blatt 17/60 SG-Akte) und Dr. V. (Orthopädie - Blatt 67/69 SG-Akte) schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. S. beschrieb eine Gebrauchseinschränkung beider Beine bei Kniegelenkschmerz links mit Schmerz im Ober- und Unterschenkel. Eine schmerzfreie Bewegung der Knie sei nicht möglich, der Einbeinstand links nicht durchführbar. Dr. V. gab Dauerschmerzen im Bereich des linken Kniegelenks mit Überstreckschmerz sowie einer eingeschränkten Beugefähigkeit an, es bestünden deutliche Einschränkungen der Gehfähigkeit, sodass übliche Gehstrecken nicht mehr bewältigt werden könnten. Das SG beauftragte den Orthopäden Dr. H. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens, der in seinem Gutachten vom 21.01.2015 eine funktionell bedeutsame Arthrose im linken Kniegelenk mäßigen Ausmaßes feststellte und eine bedeutsame Strukturschädigung der Wirbelsäule verneinte. Die Empfindungsstörungen und Missempfindungen im linken Bein seien keinem definierbaren Körperschaden zuzuordnen, es hätten unübersehbare Verdeutlichungstendenzen bestanden. Die biomechanische Belastbarkeit des linken Kniegelenkes sei eingeschränkt, sodass Auswirkungen auf die Steh- und Gehfähigkeit bestünden. Die Veränderungen seien aber nicht so massiv, dass die Klägerin nicht mehr in Lage wäre, eine Wegstrecke von 2 km im Ortsverkehr innerhalb einer halben Stunde zurückzulegen. Nach ergänzender Stellungnahme des Dr. H. vom 17.03.2015 (Blatt 115 ff. SG-Akte) holte das SG das neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten vom 14.08.2015 des Dr. P. ein. Dieser diagnostizierte eine schwere histrionische Störung im Rahmen einer komplexen Persönlichkeitsstörung und verneinte aus neurologisch-psychiatrischer Sicht eine objektivierbare Gehbehinderung. Der Teil-GdB auf seinem Fachgebiet sei mit 50 zu bewerten, die Klägerin sei bei der Untersuchung in der Lage gewesen, eine Strecke von etwa 200 m bis zum geparkten Auto ohne Stock mit relativ unauffälligem Gangbild zurückzulegen. Die Klage wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 19.05.2016 ab, da keine erhebliche Einschränkung der Gehfähigkeit der Klägerin bestehe, wie sich aus den Sachverständigengutachten des Dr. H. und des Dr. P. ergebe. Die von der Klägerin hiergegen erhobenen Einwände überzeugten nicht.
Gegen den am 23.05.2016 zustellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 23.06.2016 Berufung zum Landessozialgericht Baden- Württemberg (LSG) eingelegt. Sie macht geltend, dass sie ein dauerhaftes Taubheitsgefühl im linken Knie habe, weshalb sie bereits zweimal gestürzt sei, sie leide sowohl beim Gehen wie auch nachts unter starken Schmerzen, die wegen der Nebenwirkungen der Schmerzmittel nicht mehr behandelt werden könnten. Die Schmerzen rührten auch von einem eingeklemmten Nerv im Rückenbereich und Bandscheibenproblemen her. Sie hat den Entlassungsbericht der W. -Z. -Klinik vom 29.06.2016 vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.05.2016 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2014 zu verpflichten, das Merkzeichen "G" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat der Senat Beweis erhoben durch die Einholung des orthopädischen Sachverständigengutachtens vom 05.02.2017 des Dr. A ... Dieser hat ausgeführt, dass die Untersuchung beider Kniegelenke eine Arthrose des inneren und äußeren Kniegelenkspaltes gezeigt habe, im Bereich des linken Kniegelenkes liege eine akute Reizerscheinung vor, sodass es glaubhaft sei, dass die Klägerin Wegstrecken von 2 km in einer halben Stunde nicht mehr zurücklegen könne. Erschwerend komme die Arthrose in beiden Hüftgelenken und die Erkrankung der Wirbelsäule hinzu, die zu einer claudicatio-spinalis-Symptomatik führe, also nach 50m ein Schmerz im linken Bein auftrete, der die Klägerin nicht weitergehen lasse. Seit dem 30.01.2017 bestehe eine relevante Einschränkung der Gehfähigkeit, den Zeitraum davor könne er nicht beurteilen. Bei den bisherigen Beurteilungen seien die Erkrankungen der Hüftgelenke und der Lendenwirbelsäule nicht so ausgeprägt gewesen.
Zu dem Sachverständigengutachten hat der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 17.03.2017 vorgelegt, in der dieser ausgeführt hat, dass relevante Bewegungseinschränkungen der Hüftgelenke nicht dokumentiert seien, im Bereich beider Kniegelenke sei eine leichte Ergussbildung beschrieben, ebenfalls ohne relevante Bewegungseinschränkung. Der Senat hat von Dr. V. und dem jetzt die Klägerin nachbehandelnden Dr. A. Befundberichte beigezogen (Bl. 75/88 und 89/90 des Senatsakte). Die Klägerin hat das Attest von Dr. V. vom 18.08.2017 und den Arztbrief des Radiologen Dr. S. vom 21.08.2017 vorgelegt (Bl. 92/94 der Senatsakte). Hierzu hat der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. R. vom 06.11.2017 vorgelegt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Absatz 2 SGG einverstanden erklärt (Bl. 104 und 105 der Senatsakte).
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Absatz 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, der Bescheid des Beklagten vom 23.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin kann die Feststellung des Merkzeichens "G" nicht beanspruchen.
Rechtsgrundlage für die GdB- Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234), da maßgeblicher Zeitpunkt bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist, wobei es für laufende Leistungen auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum ankommt, für den die Leistungen begehrt werden; das anzuwendende Recht richtet sich nach der materiellen Rechtslage (Keller in: Meyer- Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 54 RdNr. 34). Nachdem § 224 Absatz 2 SGB IX lediglich eine (Übergangs-) Vorschrift im Hinblick auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz enthält, ist materiell-rechtlich das SGB IX in seiner derzeitigen Fassung anzuwenden. Nach § 228 Abs. 1 S. 1 SGB IX (in der neuen Fassung) sind schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von den Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, im Nahverkehr unentgeltlich zu befördern. Nach § 229 Abs. 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurück zu gelegt werden. Diese Voraussetzungen sind inhaltsgleich mit den bis 31.12.2017 geltenden Rechtsgrundsätzen zum Nachteilsausgleich "G".
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des Grades der Behinderung, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Soweit noch keine Verordnung nach § 153 Absatz 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Absatz 1 des Bundesversorgungsgesetzes und der auf Grund des § 30 Absatz 16 des Bundesversorgungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend, § 241 Absatz 5 SGB IX. Nach der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteil vom 22.05.2015 - L 8 SB 70/13, juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de) hat der Gesetzgeber mit der Übergangsregelung des § 159 Absatz 7 SGB IX ab dem 15.01.2015 wirksam und mit hinreichend bestimmtem Gesetzeswortlaut eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "G" geschaffen, die jedoch keine Rückwirkung entfaltet und erst mit dem Datum des Inkrafttretens am 15.01.2015 wirksam ist. Durch die Übergangsvorschrift des § 241 Absatz 5 SGB IX, der auf die gemäß § 30 Absatz 16 des Bundesversorgungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung verweist, besteht somit auch über den 31.12.2017 hinaus eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Anwendung der Regelungen zum Merkzeichens "G" in den versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG), sodass auf diese Kriterien der VG abzustellen ist.
Gemäß den Grundsätzen der VG Teil D 1b) Satz 1 für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für Nachteilsausgleiche ist ein schwerbehinderter Mensch in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, der infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Für die Bewegungseinschränkung ist nicht die Dauerhaftigkeit entscheidend (BSG, Urteil vom 11.8.2015 - B 9 SB 2/14 R -, juris). Bei der Prüfung der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen vorliegen, kommt es zudem nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - d.h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden (VG Teil D 1b) Satz 2). Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (VG Teil D 1b) Sätze 3, 4). Nähere Umschreibungen für einzelne Krankheitsbilder und Behinderungen enthalten die VG Teil D 1 d), e) und f). Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind nach den VG Teil D 1 d) als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z.B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen. Besonderheiten gelten für hirnorganische Anfälle - VG Teil D 1e) - und Orientierungsstörungen infolge von Sehstörungen, Hörstörungen oder geistiger Behinderung - VG Teil D 1f) -.
Die VG beschreiben in Teil D 1 d) bis f) Regelfälle, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt anzusehen sind und die bei der Beurteilung einer dort nicht erwähnten Behinderung als Vergleichsmaßstab dienen können. Die VG geben an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, bevor angenommen werden kann, dass ein Behinderter infolge einer Einschränkung des Gehvermögens "in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist". Damit tragen die VG dem Umstand Rechnung, dass das menschliche Gehvermögen keine statische Messgröße ist, sondern von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird. Darunter sind neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaige Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens (ökonomische Beanspruchung der Muskulatur, Gehtempo und Rhythmus) sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, zu nennen. Von diesen Faktoren filtern die VG all jene heraus, die nach dem Gesetz außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des schwerbehinderten Menschen im Straßenverkehr nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung seines Gehvermögens, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen (BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 7/06 R -, juris, zu den mit den VG vergleichbaren AHP; BSG, Beschluss vom 17.08.2010 - B 9 SB 32/10 B -, juris, zu den VG und AHP).
Bei der Klägerin liegen im Bereich der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule weder Beeinträchtigungen vor, die einen GdB von wenigstens 50 bedingen, noch wirken sich die vorhandenen Beeinträchtigungen auf die Gehfähigkeit besonders aus.
Durch Bescheid vom 31.05.2012 (Ausführung des Vergleichs vom 04.05.2012) ist bei der Klägerin ein GdB von 70 seit dem 18.04.2011 festgestellt, wobei der Beklagte für Bandscheibenschäden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Fibromyalgiesyndrom und Schwindel einen Teil-GdB von 30 sowie für Gebrauchseinschränkungen beider Beide bei degenerativen Gelenkveränderungen und Funktionsstörungen durch Fußfehlform einen Teil-GdB von 20 angenommen hat.
Der Senat kann sich aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme nicht davon überzeugen, dass die Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der unteren Gliedmaßen wenigstens einen GdB von 50 bedingen.
Gestützt auf das Sachverständigengutachten Dr. H. konnte der Senat bei der Klägerin das Bestehen einer schmerzhaften Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule mit ausstrahlenden Schmerzen und Empfindungsstörungen im linken Bein feststellen, wobei die daraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen als mittelgradig einzustufen sind. Im MRT der Lendenwirbelsäule vom 02.05.2013 (Blatt 48 SG-Akte) zeigte sich an L3/L4, L4/L5 und L5/S1 jeweils kein Prolaps und kein Sequester, an L4/L5 waren breitflächige Protusionen gegeben, eine Einengung der Neuroforamina bestand nicht. Die in den W.-Z. Kliniken während des stationären Aufenthalts vom 12.03.2013 bis 26.03.2013 durchgeführte neurologische Konsiliaruntersuchung (Bericht Blatt 43 SG-Akte) ergab keine zu objektivierenden Paresen, die Arm- und Beineigenreflexe waren mittellebhaft auslösbar, das Vibrationsempfinden an den Zehen wird rechts etwas schwächer als links beschrieben, ansonsten bestand bei einem Finger-Boden-Abstand von 15 cm kein objektivierbares sensibles Defizit. Der geäußerte Verdacht auf eine Wurzelkompression aufgrund der geringen Wurzelsymptomatik L5 konnte durch das MRT nicht bestätigt werden. Den radiologischen Befund wertet der Sachverständige Dr. H. nachvollziehbar als unter Berücksichtigung des Lebensalters nicht krankhaft einzustufen, bei seiner Untersuchung bestand keine auffällige Seitverbiegung der Lendenwirbelsäule bei normaler Lendenlordose. Die Rumpfvorneigung war nur bis 30° möglich, jedoch zeigte sich bei Komplexbewegungen (An- und Auskleiden) keine vergleichbar massive Einschränkung. Eine wesentliche Veränderung ergibt sich aus dem MRT der Lendenwirbelsäule vom 01.02.2017 (Blatt 77 Senatsakte) nicht. Zwar werden Bandscheibendegenerationen mit Höhenminderung beschrieben, die Neuroforamina waren an L3/L4 und L5/S1 frei und bei L4/L5 nur gering eingeengt. Dementsprechend konnte der Neurologe Dr. P. ein allenfalls leichtes L5/S1- Syndrom links feststellen und hat Wirbelsäulengymnastik und Schwimmen sowie eine Verhaltenstherapie empfohlen (Blatt 86 ff. Senatsakte). Nichts anderes ergibt sich aus dem Sachverständigengutachten des Dr. A. , der ebenfalls eine diffuse Druck- und Klopfschmerzhaftigkeit der Lendenwirbelsäule und Schmerzanhaben der Klägerin beschreibt. Soweit der Sachverständige aus der neurologischen Untersuchung in den W.-Z. -Kliniken und dem MRT auf eine relevante Einschränkung der Gehstrecke schließt, die nach Angaben der Klägerin bei nur 50 m liege, überzeugt dies den Senat nicht. Den Berichten der W. -Z. -Kliniken über die Aufenthalte 2013 und 2014 (12.03.2013 bis 26.0.32013, Blatt 43 SG-Akte; 20.05.2014 bis 31.05.2014, Blatt 59 SG-Akte) kann nämlich jeweils entnommen werden, dass aktivierende Physiotherapie, Wassergymnastik, Tai-Chi, medizinische Trainingstherapie, Nordic Walking und detonisierende Maßnahmen durchgeführt worden sind, was mit einer Einschränkung der Gehstrecke auf 50 m nicht zu vereinbaren ist. Dass sich die W. -Z. -Kliniken veranlasst gesehen haben, den Entlassungsbericht über die stationäre Behandlung 2015 im Nachhinein zu korrigieren (Blatt 169 SG-Akte) stützt die Befundinterpretation des Dr. A. hinsichtlich der Befunde aus 2013 nicht, im Übrigen basieren die Ausführungen der W. -Z. -Kliniken zu der eingeschränkten Gehstrecke nur auf den Angaben der Klägerin, objektivierte Befunde werden nicht mitgeteilt. Im Übrigen konnte der neurologische Sachverständige Dr. P. auf seinem Fachgebiet keine Ursachen für eine Einschränkung der Gehfähigkeit feststellen und hat darüber hinaus dargelegt, dass die Klägerin eine Strecke von circa 200 Metern bis zum Auto mit relativ unauffälligem Gangbild zurücklegen konnte. Letztlich hat weder der Sachverständige Dr. H. noch der Sachverständige Dr. A. eine relevante Muskelverminderung im Bereich der unteren Extremitäten beschrieben.
Wesentliche Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Hüftgelenke konnte der Senat nicht feststellen. Trotz der von Dr. A. beschriebenen Coxarthrose bestanden keine wesentlichen Bewegungseinschränkungen (Untersuchung Dr. H.: Beugung/Streckung 130-0-0°; Abspreizen/Heranführen 45-0-35°; Auswärts/einwärts drehen 40-0-35°; Untersuchung Dr. A.: Streckung/Beugung 0-0-120°, Abspreizen/Heranführen 30-0-20° Auswärts/einwärts drehen 30-0-10°).
Weiter konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass im Bereich der Kniegelenke Funktionsbeeinträchtigungen in einem Ausmaß bestehen, dass die Gehfähigkeit relevant beeinträchtigt wäre. Zwar lässt sich den Befundberichten das Bestehen einer Gonarthrose entnehmen und hat sich diese durch die röntgenologischen Untersuchungen des Dr. A. bestätigt, jedoch kann aus dem Röntgenbefund allein, wie Dr. A. meint, nicht auf das Ausmaß der Beeinträchtigung geschlossen werden. Dr. H. konnte weder links noch rechts einen eindeutigen Erguss feststellen, die Kniegelenke der Klägerin konnten im Sitzen bis etwa 100° gebeugt und vollständig gestreckt werden. Auf beiden Seiten waren keine sicheren Reibegeräusche zu tasten. Die Beweglichkeit für Beugung/Streckung lag bei 145-0-0°. Soweit die Klägerin eine Gefühlsminderung unterhalb des Knies geklagt hat, weist Dr. H. darauf hin, dass die angegebene Gefühlsstörung nicht mit einem peripheren Nervenverlauf oder einer zentralen Nervenwurzelaufgliederung korreliert. Zwar ist mit Dr. H. davon auszugehen, dass bei nachgewiesenen Strukturschäden die biomechanische Belastbarkeit vorwiegend des linken Kniegelenkes deutlich eingeschränkt ist, sodass keine mittelschweren oder schweren Lasten mehr getragen und keine Arbeiten im Knien verrichtet werden können, ein Einfluss auf das Zurücklegen der üblichen Wegstrecken aber nicht besteht. Auch Dr. A. beschreibt eine leichte intraartikuläre Ergussbildung, die durch das MRT vom 21.08.2017 bestätigt wird – jetzt mit der Beschreibung einer deutlichen Ergussbildung – (Blatt 94 Senatsakte), links mehr als rechts, die Seitenbänder beider Kniegelenke waren fest, ein schmerzfreies Durchbewegen der Kniegelenke ohne Belastung war möglich. Letztlich ergibt sich aus dem Attest des Dr. V. vom 18.08.2017 (Blatt 93 Senatsakte), also zeitgleich zum MRT Befund vom 21.08.2017, dass die noch bestehende Schwellung im rechten Kniegelenk nur zu einer endgradigen schmerzhaften Bewegungseinschränkung führt. Die Beurteilung des Versorgungsarztes Dr. R. vom 06.11.2017, dass sich aus der Zusammenschau des MRT-Befundes vom 21.08.2017 und der Befunderhebung von Dr. V. vom 18.08.2017 keine funktionellen Einschränkungen der Kniegelenke für das Merkzeichen G ergeben, ist für den Senat daher überzeugend.
Besonders schwere Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die einen GdB von unter 50 als ausreichend erscheinen lassen, konnte der Senat ebenfalls nicht feststellen. Ein Zustand, der einer Versteifung von Hüft- oder Kniegelenken vergleichbar wäre, liegt bei der Klägerin nicht vor.
Die Klägerin leidet auch weder unter hirnorganischen Anfällen (VG Teil D 1 e) noch sind Störungen der Orientierungsfähigkeit (VG Teil D 1 f) gegeben.
Ein Anspruch der Klägerin auf Feststellung des Merkzeichens "G" besteht auch über die Regelbeispiele der VG Teil D 1 d) bis f) hinaus nicht. Zwar besteht ein Anspruch auf die Zuerkennung des Merkzeichens "G" über die genannten Regelbeispiele hinaus auch bei einem schwerbehinderten Menschen, der nach Prüfung des einzelnen Falles aufgrund anderer Erkrankungen mit gleich schweren Auswirkungen auf die Gehfunktion und die zumutbare Wegstrecke dem beispielshaft aufgeführten Personenkreis gleichzustellen ist. Denn die VG Teil D 1 enthalten keine abschließende Listung in Betracht kommender Behinderungen aus dem Formenkreis einzelner medizinischer Fachrichtungen, sondern erfassen etwa auch psychische Behinderungen (BSG, Urteil vom 11.08.2015 - B 9 SB 1/14 R -, juris) oder nach der Listung in Betracht kommender Behinderungen im Zusammenwirken mit funktionellen Auswirkungen einer Adipositas per magna (BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 7/06 R -, juris).
Andere, von den Regelbeispielen der VG Teil D 1 nicht erfasste Erkrankungen mit gleich schweren Auswirkungen auf die Gehfunktion und die zumutbare Wegstrecke sind bei der Klägerin jedoch nicht festzustellen, weshalb die Klägerin dem beispielhaft aufgeführten Personenkreis nicht gleichgestellt werden kann. Insbesondere ergeben sich solche nicht auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet.
Zwar kann der Senat, gestützt auf das Sachverständigengutachten des Dr. P. , feststellen, dass bei der Klägerin von dem Vorliegen einer schweren histrionischen Störung im Rahmen einer komplexen Persönlichkeitsstörung und einer somatoformen Schmerzstörung auszugehen ist, durch die die von Dr. H. beschriebenen und auch von Dr. P. festgestellten Verdeutlichungstendenzen zu erklären sind, jedoch hat der Sachverständige überzeugend dargelegt, dass auch unter Berücksichtigung der Vorbefunde, keine psychogene Gangstörung diagnostiziert werden kann.
Die Klägerin kann daher die Feststellung des Merkzeichens "G" nicht beanspruchen, sodass die Berufung zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Die Kosten des gemäß § 109 Absatz 1 SGG bei Dr. A. eingeholten Sachverständigengutachtens, über die als Gerichtskosten der Senat in Ausübung des ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zustehenden Ermessens von Amts wegen auch mit der Kostenentscheidung im Urteil entscheiden kann (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 1 U 3854/06 KO-B -, juris; Urteil des Senats vom 23.11.2012 - L 8 U 3868/11 -, unveröffentlicht), waren nicht auf die Staatskasse zu übernehmen. Die Kosten eines Gutachtens nach § 109 SGG können nur dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von wesentlicher Bedeutung war und zu seiner Erledigung beigetragen bzw. zusätzliche für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht hat. Es muss sich, gemessen am Prozessziel, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben und dementsprechend die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblich gefördert haben (Senatsurteil vom 24.11.2017 – L 8 SB 4828/15). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben, da das Gutachten die Sachaufklärung, wie aus den obigen Darlegungen folgt, nicht wesentlich gefördert und keine neuen entscheidungserheblichen Gesichtspunkte erbracht hat.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
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