L 13 R 3312/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 2176/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 3312/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. August 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Einbehaltung des Zusatzbeitrags zur Krankenversicherung der Rentner im Streit.

Die Klägerin bezieht seit dem 1. Juli 2007 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (Bescheid vom 12. Juni 2007). Mit Bescheid vom 12. Februar 2016 berechnete die Beklagte die Altersrente mit Wirkung ab 1. März 2016 neu. Hierbei zog die Beklagte von der monatlichen Rente (1183,99 EUR) neben dem Beitragsanteil des Rentners zur Krankenversicherung (86,43 EUR) und dem Beitrag des Rentners zur Pflegeversicherung (27,82 EUR) einen Zusatzbeitrag zur Krankenkasse von 15,98 EUR ab, sodass sich ein monatlicher Rentenzahlbetrag von 1053,76 EUR ergab. Den hiergegen, vom Bevollmächtigten der Klägerin nicht begründeten Widerspruch vom 17. März 2016 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2016 zurück.

Am 24. Mai 2016 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Die Erhebung des Zusatzbeitrags sei verfassungswidrig. Hierbei hat sich der Bevollmächtigte der Klägerin auf eine Rede des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 2005 beim Deutschen Juristentag bezogen, wonach dieser dem Gesetzgeber gegenüber bezüglich weiterer Belastungen für Rentner mahnend den Zeigefinger erhoben habe. In den letzten Jahren seien die Rentenanwartschaften um 35 % ausgehöhlt worden, das sei zu viel und verstoße gegen Art. 14 GG. Es seien weitere Belastungen zu erwarten.

Mit Gerichtsbescheid vom 10. August 2016 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es die Rechtsgrundlagen für die Erhebung des Zusatzbeitrags zur Krankenkasse und deren Einbehalt durch die gesetzlichen Rentenversicherungsträger dargelegt und verfassungsrechtliche Bedenken bezüglich des Einbehalts des Zusatzbeitrags verneint. Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheids Bezug genommen.

Gegen den am 12. August 2016 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 2. September 2016 eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung wird vorgetragen, mit der Einführung der Rechtsgrundlage für die Erhebung des Zusatzbeitrags zur Krankenkasse (§ 242 SGB V) habe der Gesetzgeber einen verfassungswidrigen Eingriff in Art. 14 GG vorgenommen. Die Ermächtigungsgrundlage des §§ 242 SGB V sei zu weit gefasst und führe zu einer "eigenmächtigen Willfährigkeit" der gesetzlichen Krankenkassen. Insoweit verstoße § 242 SGB V bereits gegen Art. 14 GG. "Zu diskutieren" sei ferner ein Verstoß gegen Art. 3 GG aufgrund der unterschiedlichen Belastungen der Bürger wegen unterschiedlicher Finanzierungssituationen der Krankenkassen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. August 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 12. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2016 zu verurteilen, ihr Rente ohne Abzug des Zusatzbeitrages zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat mit Beschluss vom 24. Mai 2010 die N. zum Verfahren beigeladen. Sie hat keinen Antrag gestellt, jedoch ausgeführt, dass die Klägerin in der Krankenversicherung der Rentner versichert sei. Die Beiträge würden von der Beklagten eingezogen und abgeführt. Der Zusatzbeitrag dürfe und müsse erhoben werden, wenn dies erforderlich sei. Die Beigeladene habe einen Zusatzbeitrag erhoben, dieser sei auch von der Klägerin zu zahlen. Die konkrete Höhe sei in der Satzung festgelegt. Die Satzung sei in der jeweils gültigen Fassung vom Bundesversicherungsamt genehmigt und ordnungsgemäß veröffentlicht worden. Die Regelung sei verbindlich.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie auf die Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsagesetz (SGG) statthafte und ansonsten zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente nach § 228 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch fünftes Buch (SGB V) zu tragen haben, sind von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit den von den Trägern der Rentenversicherung zu tragenden Beiträgen an die Deutsche Rentenversicherung Bund für die Krankenkasse mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkasse zu zahlen (§ 255 Abs. 1 S. 1 SGB V). Der Beitragsbemessung versicherungspflichtiger Rentner werden gemäß § 237 S. 1 SGB V 1. der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen und 3. das Arbeitseinkommen zugrunde gelegt. Für Versicherungspflichtige findet für die Bemessung der Beiträge aus Renten der gesetzlichen Rentenversicherung der allgemeine Beitragssatz nach § 241 SGB V Anwendung (§ 247 S. 1 SGB V). Soweit der Finanzbedarf einer Krankenkasse durch die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfond nicht gedeckt ist, hat sie in ihrer Satzung zu bestimmen, dass von ihren Mitgliedern ein einkommensabhängiger Zusatzbeitrag erhoben wird (§ 242 Abs. 1 S. 1 SGB V). Veränderungen des Zusatzbeitrags gelten jeweils vom ersten Tag des zweiten auf die Veränderung folgenden Kalendermonats an (§ 247 S. 3, 1. HS SGB V).

Die beigeladene Krankenkasse hat nach § 9 seit der 1. Januar 2015 geltenden Fassung festgelegt, dass die Krankenkasse von ihren Mitgliedern einen einkommensabhängigen Zusatzbeitrag gemäß § 242 Abs. 1 SGB V erhebt. Die Höhe des Zusatzbeitrages wurde auf 0,9 % der monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds festgelegt. Diese Satzung ist vom Bundesversicherungsamt mit Bescheid vom 15. Dezember 2014 genehmigt worden. Ab dem 1. Januar 2016 hat die beigeladene die Höhe des Zusatzbeitragssatzes auf 1,35 % monatlich der beitragspflichtigen Einnahmen des Mitgliedes festgelegt. Diese Nachtragssatzung ist vom Bundesversicherungsamt am 15. Dezember 2015 genehmigt worden.

Die Beklagte hatte daher diesen Zusatzbeitrag einzubehalten. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berechnung liegen nicht vor und wurden auch nicht geltend gemacht.

Der Senat sieht keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Erhebung des Zusatzbeitrages. Das Bundessozialgericht (BSG) hat zu der vor dem 1. Januar 2015 geltenden Rechtslage bereits ausgeführt, dass die Regelung zur Erhebung des Zusatzbeitrags keinen verfassungsrechtlichen Bedenken obliegt (BSG, Urteile vom 21. Januar 2009, B 12 R 1/07 R und vom 18. Juli 2007, B 12 R 21/06 R, beide in Juris). Nachdem der Gesetzgeber im Gegensatz zu der zuvor geltenden Rechtslage einen einkommensabhängigen Zusatzbeitrag geregelt hat wurde auch die individuelle Leistungsfähigkeit des Versicherten berücksichtigt. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 GG) ist ebenso wenig erkennbar wie diejenige des Artikels 14 Grundgesetz. Die Regelung entspricht einer rechtmäßigen Inhalts- und Schrankenbestimmung. Es ist ferner nicht erkennbar, dass aufgrund einer Kumulierung finanzieller Belastungen der Rentner, der Gesetzgeber mit der Erhebung des Zusatzbeitrags eine Inhalts- und Schrankenbestimmung verfassungswidrig überschritten hätte. Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Gerichtsbescheid Bezug genommen.

Da das SG demnach die Klage zu Recht abgewiesen hat, war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 193 SGG Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 12. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved