Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 97/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3649/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ergeht in Ausführung eines rechtskräftigen Urteils ein Ausführungsbescheid, so ist eine hiergegen gerichtete Klage nur insoweit zulässig, als sie sich gegen die in der Ausführung liegende Regelung richtet; im Übrigen besteht Bindungswirkung aufgrund des (ersten) Urteils.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. August 2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung überzahlter Witwerrente in Höhe von 5.399,94 EUR.
Nach dem Tod seiner Ehefrau am 14.10.1994 gewährte die Beklagte dem 1954 geborenen Kläger mit Bescheid vom 07.08.1995 ab dem 14.10.1994 große Witwerrente. Ab dem 01.10.2008 ruhte der Anspruch wegen der Höhe des anzurechnenden Erwerbseinkommens des Klägers.
Mit Schreiben vom 12.06.2013 beantragte der Kläger die Neuberechnung der Witwerrente ab dem 12.06.2013, da er am Vortrag durch seinen Arbeitgeber fristlos gekündigt worden sei. Auf Nachfrage der Beklagten teilte er mit Schreiben vom 28.06.2013 mit, keine Einkünfte zu haben; Arbeitslosengeld sei beantragt, aber noch nicht bewilligt worden. Mit Bescheid vom 01.07.2013 gewährte die Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit R., ab dem 12.06.2013 Arbeitslosengeld für 720 Kalendertage in Höhe eines täglichen Leistungsbetrags von 39,89 EUR.
Mit Bescheid vom 12.07.2013 berechnete die Beklagte die bisherige große Witwerrente ab dem 01.01.2013 neu und gewährte für die Zeit ab 01.09.2013 laufend monatlich 447,94 EUR; nach Abzug des Beitragsanteils zur Krankenversicherung (36,73 EUR) und des Beitrags zur Pflegeversicherung (9,18 EUR) errechnete sich ein monatlicher Zahlbetrag von 402,03 EUR. Die Nachzahlung für die Zeit vom 01.01.2009 bis zum 31.08.2013 betrug 1.058,04 EUR. Ab dem 12.06.2013 treffe die Rente nicht mehr mit Einkommen zusammen, ab dem 01.07.2013 werde kein Einkommen mehr angerechnet. Am 24.09.2013 erfolgte eine Neuberechnung der Witwerrente wegen der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten; die monatliche Rente wurde ab dem 01.11.2014 mit 472,58 EUR errechnet, nach Abzug des Beitragsanteils zur Krankenversicherung (38,75 EUR) und zur Pflegeversicherung (9,69 EUR) betrug der monatliche Zahlbetrag 424,14 EUR. Einkommen wurde auch weiterhin nicht angerechnet.
Am 30.01.2015 teilte der Kläger mit, seit Dezember 2014 wieder ein regelmäßiges Einkommen in Höhe von ca. 1.900,00 EUR netto zu haben. Im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Prozesses wurde die Kündigung rückwirkend zum 12.06.2013 aufgehoben; im November 2014 erfolgte die Nachzahlung des Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber für die Zeit vom 12.06.2013 bis 30.11.2014. Auf Anforderung der Beklagten legte der Arbeitgeber des Klägers Verdienstbescheinigungen vor, aus denen sich durchgehende monatliche Zahlungen auch für die Zeit vom 12.06.2013 bis 31.10.2014 ergeben. Der Arbeitgeber teilte zugleich mit, das Arbeitslosengeld für die Zeit vom 12.06.2013 bis 31.10.2014 sei zurücküberwiesen worden.
Mit Bescheid vom 20.05.2015 berechnete die Beklagte die große Witwerrente des Klägers neu und hob den Bewilligungsbescheid vom 12.07.2013 und die Folgebescheide für die Zeit ab dem 12.06.2013 auf. Die durch den Kläger zu erstattende Überzahlung wurde für die Zeit vom 01.10.1997 bis 30.06.2015 in Höhe von 10.159,50 EUR festgesetzt. Bei der Berechnung des anzurechnenden Einkommens legte sie auch für die Zeit vom 12.06.2013 bis 31.10.2014 das durch den Arbeitgeber mitgeteilte Einkommen aus dem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zugrunde; wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf den Bescheid vom 20.05.2015 und insbesondere dessen Anlagen 1 und 8 Bezug genommen. Der hiergegen am 09.06.2015 erhobene Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2015 zurückgewiesen. Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG – S 9 R 3291/15). Mit Urteil vom 29.02.2016 hob das SG den Bescheid vom 20.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.09.2015 auf, soweit die Beklagte für die Berechnung der Witwerrente in der Zeit vom 12.06.2013 bis 30.09.2014 ein höheres anzurechnendes Einkommen als das vom Kläger bezogene Arbeitslosengeld zugrunde gelegt hat. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, Rechtsgrundlage für die mit Bescheid vom 20.05.2015 vorgenommene Änderung der Rentenbewilligung vom 12.07.2013 sei § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Die Gewährung der Witwerrente sei teilweise rechtswidrig gewesen, weil die Beklagte kein Einkommen berücksichtigt habe, obwohl der Kläger Arbeitslosengeld bezogen habe. Verfügbares Einkommen des Klägers sei in der Zeit von Juni 2013 bis Oktober 2014 lediglich das ihm tatsächlich in dieser Zeit gewährte Arbeitslosengeld, nicht hingegen sein Arbeitseinkommen, das er erst als Nachzahlung im November 2014 erhalten habe, gewesen. Die Einkommensminderung durch das im Vergleich zum Arbeitseinkommen niedrigere Arbeitslosengeld sei auch bereits vom Zeitpunkt ihres Eintritts an (als wesentlich) zu berücksichtigen, weil das Einkommen um wenigstens 10 v.H. geringer sei als das bisher berücksichtigte Einkommen. Soweit die Beklagte mit Bescheid vom 12.07.2013 Witwerrente ohne die Berücksichtigung von Einkommen – hier des Arbeitslosengelds – gewährt habe, habe der Kläger hierauf nicht schutzwürdig vertrauen dürfen. Denn der Bescheid habe den Hinweis enthalten, dass Einkommen sich auf Rente auswirke, und der Kläger habe auch aus der Vergangenheit gewusst, dass bei Erzielung von Einkommen kein Anspruch auf Auszahlung der Rente bestehe. Das Entgeltersatzeinkommen sei zu berücksichtigen, solange diese Leistung gezahlt werde; im Oktober 2014 habe nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts festgestanden, dass das Arbeitsverhältnis weiter bestanden habe, und der Anspruch auf Arbeitslohn sei realisierbar gewesen. Anspruch auf Arbeitslosengeld habe nicht mehr bestanden und es sei anschließend die Nachzahlung des Lohns erfolgt.
Mit Bescheid vom 20.06.2016 berechnete die Beklagte "aufgrund des Urteils vom 29.02.2016" die große Witwerrente ab dem 12.06.2013 neu. Für die Zeit vom 12.06.2013 bis 31.07.2016 errechnete sie eine Überzahlung in Höhe von 5.399,94 EUR, die vom Kläger zu erstatten sei. Wegen der Berechnung der Rente und der Ermittlung des anzurechnenden Einkommens im Einzelnen wird auf die Anlage "Berechnung der Rente" Bezug genommen. In einer weiteren Anlage führte die Beklagte unter der Überschrift "weitere Bescheidaussagen" aus: "Der Rentenbescheid vom 12.07.2013 sowie die daraus resultierenden Folgebescheide werden hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 12.06.2013 nach § 45 SGB X zurückgenommen; die entstandene Überzahlung (vgl. Anlage "Berechnung der Rente) ist von Ihnen nach § 50 SGB X zu erstatten. Die Rücknahme des Rentenbescheides sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft ist zulässig, weil Sie sich zum einen auf Vertrauen in den Bestand des Rentenbescheides nicht berufen können (§ 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X) und zum anderen die Fristen des § 45 Abs. 3 bzw. Abs. 4 SGB X nicht abgelaufen sind. Auch die vorzunehmende Ermessensausübung führte zu keinem anderen Ergebnis. Bei der Vertrauensschutzprüfung sowie bei der Ausübung unseres Ermessens wurden sämtliche bekannten Umstände beachtet, um eine Bescheidrücknahme zu Ihren Ungunsten zu vermeiden. Diese waren jedoch nicht dazu geeignet, von der Bescheidrücknahme abzusehen. Auf Vertrauen in den Bestand des Rentenbescheids können Sie sich nicht berufen, weil der genannte Bescheid den Hinweis enthielt, dass Einkommen Einfluss auf die Rentenhöhe hat. Sie wussten somit, dass sich das von Ihnen erzielte Einkommen unmittelbar auf die Höhe Ihrer Rente auswirkt und diese insoweit unzutreffend ist. Auch im Wege des Ermessens halten wir die Bescheidrücknahme für gerechtfertigt, weil eine unbillige Härte in der Rücknahme des Bescheids nicht erkannt werden kann." Auf Seite 4 des Bescheides findet sich unter der Überschrift "Ihr Recht" folgender Hinweis: "Gegen diesen Bescheid können Sie innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe schriftlich Widerspruch erheben. Den Widerspruch richten Sie bitte an die Deutsche Rentenversicherung Bund, B. (Postanschrift B.). Sie können diese Stelle auch aufsuchen und Ihren Widerspruch schriftlich aufnehmen lassen. Dieser Bescheid ergeht aufgrund des Urteils vom 29.02.2016. Der Rechtsbehelf gegen diesen Bescheid ist nur zulässig, soweit er sich gegen die Urteilsausführung richtet. Der Widerspruch kann sich nur gegen Sachverhalte richten, die erst mit diesem Bescheid neu festgestellt worden sind."
Hiergegen erhob der Kläger am 14.07.2016 Widerspruch und berief sich zur Begründung auf Vertrauensschutz. Ferner sei den Anforderungen an die Darlegung der Ermessensausübung in keiner Weise genüge getan worden. Der Bescheid weise außerdem in der Ermittlung des anzurechnenden Einkommens für die Zeit ab 01.10.2014 aus, dass das Erwerbsersatzeinkommen weggefallen sei. Dies sei nachweislich falsch. Die Arbeitslosengeldzahlung sei erst zum 01.11.2014 eingestellt worden. Soweit in die Berechnung ab 01.10.2014 3.199,32 EUR als Arbeitsentgelt für Oktober 2014 aus einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgewiesen seien, sei dies unzutreffend, da die Berufungsverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht erst am 17.10.2014 stattgefunden habe; die Gehaltszahlungen seien erst ab 28.11.2014 wieder erbracht worden.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2016 zurück. Da keine prozessuale Partei Berufung gegen das Urteil vom 29.02.2016 eingelegt habe, sei es rechtskräftig geworden und müsse auch bei der verwaltungsseitigen Umsetzung in Form eines Rentenbescheids Beachtung finden, auch wenn später die Richtigkeit des Richterspruchs in Zweifel gezogen werde. Gleiches gelte für den Erstattungsanspruch auf die Überzahlung, der sich durch das Ergebnis des Rechtsstreits von 10.159,50 EUR auf 5.399,94 EUR reduziert habe. Indem das SG die Klage zum Teil abgewiesen habe, habe es die Berechtigung der gegen den Kläger geltend gemachten Forderung dem Grunde nach, wenn auch nicht in der Höhe, bestätigt. Soweit der Kläger mit dem Widerspruch die rechtskräftig festgestellte Verpflichtung zur Erstattung angreife, seien die Einwendungen als unzulässig zu betrachten, denn der angefochtene Bescheid habe nicht dem Zweck gedient, darüber erneut zu entscheiden. Dies folge auch aus der Rechtsbehelfsbelehrung.
Hiergegen hat der Kläger am 10.01.2017 Klage beim SG erhoben und vorgetragen, in der Begründung des Urteils vom 29.02.2016 habe das Gericht gesagt, verfügbares Einkommen sei in der Zeit von Juni 2013 bis Oktober 2014 lediglich das dem Kläger gewährte Arbeitslosengeld gewesen. Es sei deswegen falsch, dass die Klage hinsichtlich der Einkommensanrechnung für Oktober abgewiesen worden sei. Es sei im Urteil nirgends zu finden, dass das Gericht den Rückforderungsanspruch der Beklagten bestätigt habe. Das Gericht habe sich auch nicht zur Frage des Ermessens geäußert. Festzustellen sei, dass er sich auf Vertrauensschutz berufen dürfe. Er beantrage, das Gericht möge feststellen, dass die Beklagte auf Grund ihrer Untätigkeit, erst ab dem 20.05.2015 einen Rückforderungsanspruch hat, da er allen ihm zumutbaren Mitwirkungspflichten nachgekommen sei und darauf vertrauen durfte, dass die Neuberechnung zum 01.07.2015 erfolgen würde. Ein standardisierter Hinweis, dass Einkommen ggf. die Zahlung bzw. die Höhe der Zahlung beeinflusse, entspreche in keiner Weise den rechtlichen Anforderungen eines individuellen Bescheides, da dadurch der Vertrauensschutz schon per se ausgehebelt würde.
Mit Terminsbestimmung der Kammervorsitzenden vom 20.07.2017 ist Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 22.08.2017 bestimmt worden. Das persönliche Erscheinen des Klägers ist angeordnet worden. Ein Empfangsbekenntnis über den Erhalt der Beklagten findet sich auf Bl. 18 der SG-Akte, ein Nachweis für den Zugang der Ladung beim Kläger nicht.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Vorsitzende festgestellt, dass für den Kläger niemand erschienen ist und darauf hingewiesen, dass der Kläger mit Ladung vom 20.07.2017 zum Termin geladen worden und sein persönliches Erscheinen angeordnet worden ist. Der Kläger habe für sein heutiges Nichterscheinen keine Entschuldigung vorgebracht. Mit Beschluss ist das persönliche Erscheinen des Klägers dann aufgehoben worden.
Mit Urteil vom 22.08.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig. Gemäß § 141 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei eine neue Klage über denselben Gegenstand zwischen denselben Beteiligten nicht zulässig. Das SG habe mit Urteil vom 29.02.2016 in dem Verfahren S 9 R 3291/15 rechtskräftig entschieden, dass der Bescheid vom 20.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.09.2015 aufgehoben wird, soweit die Beklagte für die Berechnung der Witwerrente in der Zeit vom 12.06.2013 bis zum 30.09.2014 ein höheres anzurechnendes Einkommen als das vom Kläger bezogene Arbeitslosengeld zugrunde gelegt hat. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden. Eine erneute Entscheidung sei mithin unzulässig, weshalb die Klage keinen Erfolg habe.
Gegen das ihm am 29.08.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.09.2017 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die Urteilsbegründungen des SG ließen nicht erkennen, dass die Kammern dem Untersuchungsgrundsatz nachgekommen seien. Vielmehr stelle sich die Frage, ob möglicherweise ein Verstoß im Sinne von § 258a StGB gegeben sei. Er habe den Bewilligungsbescheid über Arbeitslosengeld am Tag des Erhalts weitergleitet. Die Rente sei daher in Kenntnis des Arbeitslosengeldbezugs bewilligt worden. In den Bescheiden seien die Ermessensgründe nicht genannt worden. Die Rechtmäßigkeit bzw. Wirksamkeit sowohl der Verwaltungsakte als auch der Urteile gemäß Art. 20 Abs. 3 GG sei nach seiner Auffassung nicht gegeben; diese seien nichtig. Die Beklagte betitle die Bescheide auch ausschließlich mit "Rentenbescheid"; daraus sei für den Laien nicht erkennbar, ob es sich um eine Zahlung oder Rückzahlung handle. Formal richtig sei wohl eher Aufhebungsbescheid. Die Beklagte habe auf Grund des Urteils vom 29.02.2016 in ihrem Bescheid vom 20.06.2016 erneut ihre Entscheidung mit § 45 Abs. 2 Satz 3 und § 45 Abs. 3 bzw. Abs. 4 SGB X begründet. In der Rechtsmittelbelehrung werde eindeutig auf die Möglichkeit des Widerspruchs gegen diesen Bescheid hingewiesen. Das bedeute, dass genau die Frage der Rückzahlungspflicht ungeachtet des Urteils vom 29.02.2016 (und seiner Un-/Wirksamkeit) erneut eröffnet werde. Es sei nicht klar, wogegen sonst man Widerspruch einlegen und ihn begründen könnte. Der Widerspruchsbescheid entbehre ebenfalls jeder Begründung, was zur Nichtigkeit führen müsse.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. August 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und die Gründe des angefochtenen Urteils.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist aber nicht begründet.
1. Zunächst liegen die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Urteils vom 22.08.2017 und die Zurückverweisung der Sache an das SG nicht vor. Gemäß § 159 Abs. 1 SGG in der ab 01.01.2012 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011 (BGBl. I, S. 3057) kann das LSG durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn das SG die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden (Nr. 1) oder das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist (Nr. 2). Wesentlich ist der Mangel, wenn die Entscheidung auf ihm beruhen kann (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., 2017, § 159 Rdnr. 3a). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Das SG hat nicht zu Unrecht durch Prozessurteil entschieden und der Kläger rügt auch keinen Mangel, aufgrund dessen eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.
Ein Verfahrensmangel liegt vor. Das SG hat den Anspruch des Klägers auf ordnungsgemäße Mitteilung des Termins zur mündlichen Verhandlung (§ 110 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 63 Abs. 1 Satz 2 SGG) und hierdurch auch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 62 SGG) verletzt. Dieser gewährleistet, dass die Beteiligten zum gerichtlichen Verfahren herangezogen werden und Gelegenheit erhalten, sich vor Erlass der Entscheidung zum Prozessstoff zu äußern (BSG, Urteile vom 23.06.2016 – B 14 AS 25/16 B – und vom 02.03.2010 – B 5 R 440/09 B –, Juris, m.w.N.). Das Gebot des rechtlichen Gehörs erfordert, dass den Beteiligten ausreichend Gelegenheit zur Abgabe sachgemäßer Erklärungen gegeben werden muss, dies vor allem in der mündlichen Verhandlung (vgl. nur BSG, Urteil vom 19.03.1991 – 2 RU 28/90 – und Urteil vom 22.08.2000 – B 2 U 15/00 R –, Juris, m.w.N.). Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, müssen die Beteiligten die Möglichkeit haben, daran teilzunehmen. Diese Möglichkeit hatte der Kläger nicht, weil er die Terminbenachrichtigung zu dem Termin am 22.08.2017 nicht (nachweisbar) erhalten hat.
Zwar müssen Terminbestimmungen und Ladungen nach § 63 Abs. 1 Satz 2 SGG (in der Fassung des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17.08.2001 – BGBl I 2144) nicht (mehr) zugestellt werden; es genügt schon die Bekanntgabe, etwa durch einfachen Brief – wie hier durch die Vorsitzende verfügt – oder durch Einwurfeinschreiben. Es liegt jedoch weiterhin vorrangig in der Verantwortung des Gerichts, den Anspruch auf rechtliches Gehör sicherzustellen. Dieses muss sich – je nach den Gegebenheiten des Einzelfalls – gegebenenfalls Gewissheit darüber verschaffen, ob ein für die Wahrung des rechtlichen Gehörs bedeutsames, aber mit einfachem Brief übersandtes Schreiben den Beteiligten auch tatsächlich erreicht hat (BSG, Urteil vom 23.05.2013 – B 4 AS 247/12 B –, Juris).
Dass der Kläger die Terminmitteilung nicht erhalten hat, ergibt sich aus seinem Berufungsvorbringen. In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 22.08.2017 findet sich zwar der Hinweis der Vorsitzenden, der Kläger sei mit Ladung vom 20.07.2017 geladen worden und das persönliche Erscheinen sei angeordnet worden. Ein Nachweis über den Erhalt des Schreibens findet sich in der Akte des SG nicht; wohingegen die Beklagte den Zugang durch Empfangsbekenntnis bestätigt hat. Es kann auch nicht regelmäßig allein aufgrund des bloßen Absendens einer Terminmitteilung gefolgert werden, dass dieses Schreiben den Beteiligten auch erreicht hat. Wird auf eine förmliche Zustellung mit Nachweis des Erhalts des Zugangs über die Terminmitteilung oder Ladung zu einem Verhandlungstermin verzichtet, muss sich das SG – je nach den Besonderheiten des Falls – damit befassen, ob dieses Schreiben den Beteiligten auch erreicht hat und sich ggf. Gewissheit darüber verschaffen, dass dieses zugegangen ist (BSG, Urteil vom 23.05.2013, a.a.O.). Da bislang keine Auffälligkeiten bei der Übersendung von Briefen erkennbar waren und der Kläger insbesondere auch das ihm mit Postzustellungsurkunde zugestellte Urteil unproblematisch erhalten hat, sind keine Auffälligkeiten oder Unregelmäßigkeiten ersichtlich, die ein schlichtes Bestreiten des Zugangs nicht ausreichen lassen würden.
Wegen des besonderen Rechtswertes der mündlichen Verhandlung ist auch davon auszugehen, dass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, die einen Verfahrensbeteiligten daran hindert, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, für die Entscheidung ursächlich geworden ist (BSG, Urteil vom 23.05.2013, a.a.O.). Gründe, die eine Ursächlichkeit des gerügten Verfahrensfehlers für das angefochtene Urteil ausschließen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Verfahrensmangel ist daher auch wesentlich, da das Urteil des SG auf ihm beruhen kann.
Eine Zurückverweisung an das SG kommt dennoch nicht in Betracht, da wegen des Verfahrensmangels keine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Eine Beweisaufnahme ist nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/6764, Seite 27) dann umfangreich und aufwändig, wenn sie einen erheblichen Einsatz personeller und sächlicher Mittel erfordert, wobei die Umstände des Einzelfalls entscheidend sind. Eine solche Beweisaufnahme ist im vorliegenden Fall, bei dem der Sachverhalt keiner weiteren Ermittlung, etwa durch Einholung umfangreicher Sachverständigengutachten oder umfangreicher Zeugenbefragung, bedarf, nicht erforderlich. Eine Zurückverweisung an das SG nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kommt daher nicht in Betracht.
2. Das SG hat die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 20.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.12.2016 im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist nicht begründet.
Bei dem angefochtenen Bescheid vom 20.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.12.2016 handelt es sich um einen reinen Ausführungsbescheid und nicht um einen Zweitbescheid. Ein echter Zweitbescheid liegt dann vor, wenn die Behörde nach erneuter Sachprüfung eine erneute Sachentscheidung trifft. Ausführungsbescheide treffen demgegenüber grundsätzlich keine Regelung im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X, soweit die Behörde nur der im Urteil auferlegten Verpflichtung entspricht. Maßgebend bei der Auslegung eines Verwaltungsaktes ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl. zu den Auslegungsgrundsätzen u.a. BSG, Urteil vom 13.08.2014 – B 6 KA 38/13 –, Juris mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden keine erneute eigene Sachprüfung durchgeführt, sondern lediglich das Grundurteil des SG vom 29.02.2016 umgesetzt. Zwar erwecken die Überschrift "Rentenbescheid" und die Anlage "Weitere Bescheidaussagen" den Eindruck, als habe die Beklagte eine erneute Prüfung der Höhe des Witwerrentenanspruchs des Klägers ab dem 12.06.2013 durchgeführt. Insbesondere in der Anlage wird der Rentenbescheid vom 12.07.2013 erneut aufgehoben und es finden sich erneut Ausführungen zu den §§ 45 und 50 SGB X sowie Ermessenserwägungen. Allerdings weist die Beklagte bereits im ersten Satz des Bescheides darauf hin, dass die Neuberechnung "aufgrund des Urteils vom 29.02.2016" erfolgt. In der Rechtsbehelfsbelehrung wird nochmals ausdrücklich drauf hingewiesen, dass der Bescheid aufgrund des Urteils vom 29.02.2016 ergeht und ein Rechtsbehelf gegen diesen Bescheid nur zulässig ist, soweit er sich gegen die Urteilsausführung und gegen Sachverhalte richtete, die erst mit diesem Bescheid neu festgestellt worden sind. Aus der Sicht eines verständigen Beteiligten ist der Bescheid daher als Ausführungsbescheid zu verstehen; eine erneute Sachprüfung hinsichtlich der Rechtsgrundlagen für die Aufhebung und Erstattung ist – wie die Beklagte insbesondere in der Rechtsbehelfsbelehrung deutlich gemacht hat – nicht erfolgt. Ist das Urteil – wie hier – zu unbestimmt und für die Feststellung der Aufhebung und Erstattung noch eine Konkretisierung durch eine Regelung im Sinne eines Verwaltungsaktes erforderlich, kommt dem Ausführungsbescheid eine Regelungsfunktion zu, die ihm die Eigenschaft eines Verwaltungsaktes im Sinne von § 31 SGB X verleiht (BSG, Beschluss vom 18.09.2003 – B 9 V 82/02 B –, Juris). Da dieser Bescheid wiederum nur das rechtskräftige Urteil ausführt, ist er, sofern er keine vom Urteilsausspruch abweichende Regelung trifft, mangels eigenen Regelungsgehaltes nicht zulässigerweise anfechtbar (vgl. von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., 2014, § 31, Rdnr. 30a). Gerichtlich überprüfbar ist allein, ob die Behörde das Urteil zutreffend umgesetzt hat.
Eine Regelungsfunktion hinsichtlich der Aufhebung und Erstattung dem Grunde nach kommt den angefochtenen Bescheiden damit nicht zu. Der Kläger kann sich daher auch nicht mehr mit Erfolg gegen die Aufhebung und Erstattung als solche wenden; insoweit kommt dem Urteil des SG vom 29.02.2016 Bindungswirkung zu. Gemäß § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. Eine neue Klage über denselben Streitgegenstand ist nicht zulässig (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 141 Rdnr. 6a m.w.N.). Die Rechtskraft eines Urteils soll verhindern, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht wird; das Gericht ist im Folgeverfahren an einer erneuten Sachprüfung gehindert (BSG, Beschluss vom 23.10.2014 – B 11 AL 52/14 B –, Juris). Das Urteil des SG vom 29.02.2016 ist, da die Beteiligten hiergegen kein Rechtsmittel eingelegt haben, rechtskräftig geworden. Der Inhalt eines formell rechtskräftigen Urteils und damit der Umfang der Rechtskraft ist der Entscheidung im Ganzen zu entnehmen; maßgebend ist insbesondere die Urteilsformel. Nur wenn die Urteilsformel den Inhalt der Entscheidung nicht mit Sicherheit erkennen lässt, können die Entscheidungsgründe, unter Umständen auch das Beteiligtenvorbringen ergänzend zur Bestimmung herangezogen werden (BSG, Beschluss vom 25.08.2014 – B 11 AL 138/13 B –, Juris). Materielle Rechtskraft bedeutet, dass die Entscheidung für das Gericht und die an dieser Entscheidung Beteiligten – somit auch für den Kläger – in der Sache bindend ist. Das Ergebnis des Vorprozesses wirkt insoweit präjudiziell, d.h. das Gericht, in dessen Verfahren das Ergebnis des Vorprozesses eine Vorfrage des geltend gemachten Anspruchs betrifft, hat den Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung zugrunde zu legen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., § 141 Rdnr. 6d). Das SG hat in dem Urteil vom 29.02.2016 – zumindest inzident durch die Klageabweisung im Übrigen – in der Sache bindend über die Ansprüche des Klägers entschieden, insbesondere bindend festgestellt, dass über das Arbeitslosengeld hinaus in der Zeit vom 12.06.2013 bis 30.09.2014 kein Einkommen anzurechnen war; aus der Klageabweisung im Übrigen lässt sich auch die bindende Feststellung entnehmen, dass die Erstattungsforderung dem Grunde nach zu Recht geltend gemacht wurde. Soweit der Kläger sich auch in diesem Verfahren darauf beruft, dass die Voraussetzungen der §§ 45, 48, 50 SGB X nicht vorlagen, ist er mit diesem Vorbringen wegen der Präjudizialität des genannten Urteils ausgeschlossen.
Die Klage ist daher nur insoweit zulässig, als sie sich gegen die Ausführung des Urteils richtet. Die Ausführung des Grundurteils durch die angefochtenen Bescheide ist nicht zu beanstanden ist. Die Beklagte hat für die Zeit vom 12.06.2013 bis 30.09.2014 ihrer Berechnung, die sich der Anlage zum Bescheid vom 20.06.2016 entnehmen lässt und auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, entsprechend dem Tenor des Urteils vom 29.02.2016 lediglich das Arbeitslosengeld als Einkommen zu Grunde gelegt und damit das Urteil in nicht zu beanstandender Weise umgesetzt; dies ist durch den Kläger auch nicht bestritten worden.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung überzahlter Witwerrente in Höhe von 5.399,94 EUR.
Nach dem Tod seiner Ehefrau am 14.10.1994 gewährte die Beklagte dem 1954 geborenen Kläger mit Bescheid vom 07.08.1995 ab dem 14.10.1994 große Witwerrente. Ab dem 01.10.2008 ruhte der Anspruch wegen der Höhe des anzurechnenden Erwerbseinkommens des Klägers.
Mit Schreiben vom 12.06.2013 beantragte der Kläger die Neuberechnung der Witwerrente ab dem 12.06.2013, da er am Vortrag durch seinen Arbeitgeber fristlos gekündigt worden sei. Auf Nachfrage der Beklagten teilte er mit Schreiben vom 28.06.2013 mit, keine Einkünfte zu haben; Arbeitslosengeld sei beantragt, aber noch nicht bewilligt worden. Mit Bescheid vom 01.07.2013 gewährte die Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit R., ab dem 12.06.2013 Arbeitslosengeld für 720 Kalendertage in Höhe eines täglichen Leistungsbetrags von 39,89 EUR.
Mit Bescheid vom 12.07.2013 berechnete die Beklagte die bisherige große Witwerrente ab dem 01.01.2013 neu und gewährte für die Zeit ab 01.09.2013 laufend monatlich 447,94 EUR; nach Abzug des Beitragsanteils zur Krankenversicherung (36,73 EUR) und des Beitrags zur Pflegeversicherung (9,18 EUR) errechnete sich ein monatlicher Zahlbetrag von 402,03 EUR. Die Nachzahlung für die Zeit vom 01.01.2009 bis zum 31.08.2013 betrug 1.058,04 EUR. Ab dem 12.06.2013 treffe die Rente nicht mehr mit Einkommen zusammen, ab dem 01.07.2013 werde kein Einkommen mehr angerechnet. Am 24.09.2013 erfolgte eine Neuberechnung der Witwerrente wegen der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten; die monatliche Rente wurde ab dem 01.11.2014 mit 472,58 EUR errechnet, nach Abzug des Beitragsanteils zur Krankenversicherung (38,75 EUR) und zur Pflegeversicherung (9,69 EUR) betrug der monatliche Zahlbetrag 424,14 EUR. Einkommen wurde auch weiterhin nicht angerechnet.
Am 30.01.2015 teilte der Kläger mit, seit Dezember 2014 wieder ein regelmäßiges Einkommen in Höhe von ca. 1.900,00 EUR netto zu haben. Im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Prozesses wurde die Kündigung rückwirkend zum 12.06.2013 aufgehoben; im November 2014 erfolgte die Nachzahlung des Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber für die Zeit vom 12.06.2013 bis 30.11.2014. Auf Anforderung der Beklagten legte der Arbeitgeber des Klägers Verdienstbescheinigungen vor, aus denen sich durchgehende monatliche Zahlungen auch für die Zeit vom 12.06.2013 bis 31.10.2014 ergeben. Der Arbeitgeber teilte zugleich mit, das Arbeitslosengeld für die Zeit vom 12.06.2013 bis 31.10.2014 sei zurücküberwiesen worden.
Mit Bescheid vom 20.05.2015 berechnete die Beklagte die große Witwerrente des Klägers neu und hob den Bewilligungsbescheid vom 12.07.2013 und die Folgebescheide für die Zeit ab dem 12.06.2013 auf. Die durch den Kläger zu erstattende Überzahlung wurde für die Zeit vom 01.10.1997 bis 30.06.2015 in Höhe von 10.159,50 EUR festgesetzt. Bei der Berechnung des anzurechnenden Einkommens legte sie auch für die Zeit vom 12.06.2013 bis 31.10.2014 das durch den Arbeitgeber mitgeteilte Einkommen aus dem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zugrunde; wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf den Bescheid vom 20.05.2015 und insbesondere dessen Anlagen 1 und 8 Bezug genommen. Der hiergegen am 09.06.2015 erhobene Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2015 zurückgewiesen. Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG – S 9 R 3291/15). Mit Urteil vom 29.02.2016 hob das SG den Bescheid vom 20.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.09.2015 auf, soweit die Beklagte für die Berechnung der Witwerrente in der Zeit vom 12.06.2013 bis 30.09.2014 ein höheres anzurechnendes Einkommen als das vom Kläger bezogene Arbeitslosengeld zugrunde gelegt hat. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, Rechtsgrundlage für die mit Bescheid vom 20.05.2015 vorgenommene Änderung der Rentenbewilligung vom 12.07.2013 sei § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Die Gewährung der Witwerrente sei teilweise rechtswidrig gewesen, weil die Beklagte kein Einkommen berücksichtigt habe, obwohl der Kläger Arbeitslosengeld bezogen habe. Verfügbares Einkommen des Klägers sei in der Zeit von Juni 2013 bis Oktober 2014 lediglich das ihm tatsächlich in dieser Zeit gewährte Arbeitslosengeld, nicht hingegen sein Arbeitseinkommen, das er erst als Nachzahlung im November 2014 erhalten habe, gewesen. Die Einkommensminderung durch das im Vergleich zum Arbeitseinkommen niedrigere Arbeitslosengeld sei auch bereits vom Zeitpunkt ihres Eintritts an (als wesentlich) zu berücksichtigen, weil das Einkommen um wenigstens 10 v.H. geringer sei als das bisher berücksichtigte Einkommen. Soweit die Beklagte mit Bescheid vom 12.07.2013 Witwerrente ohne die Berücksichtigung von Einkommen – hier des Arbeitslosengelds – gewährt habe, habe der Kläger hierauf nicht schutzwürdig vertrauen dürfen. Denn der Bescheid habe den Hinweis enthalten, dass Einkommen sich auf Rente auswirke, und der Kläger habe auch aus der Vergangenheit gewusst, dass bei Erzielung von Einkommen kein Anspruch auf Auszahlung der Rente bestehe. Das Entgeltersatzeinkommen sei zu berücksichtigen, solange diese Leistung gezahlt werde; im Oktober 2014 habe nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts festgestanden, dass das Arbeitsverhältnis weiter bestanden habe, und der Anspruch auf Arbeitslohn sei realisierbar gewesen. Anspruch auf Arbeitslosengeld habe nicht mehr bestanden und es sei anschließend die Nachzahlung des Lohns erfolgt.
Mit Bescheid vom 20.06.2016 berechnete die Beklagte "aufgrund des Urteils vom 29.02.2016" die große Witwerrente ab dem 12.06.2013 neu. Für die Zeit vom 12.06.2013 bis 31.07.2016 errechnete sie eine Überzahlung in Höhe von 5.399,94 EUR, die vom Kläger zu erstatten sei. Wegen der Berechnung der Rente und der Ermittlung des anzurechnenden Einkommens im Einzelnen wird auf die Anlage "Berechnung der Rente" Bezug genommen. In einer weiteren Anlage führte die Beklagte unter der Überschrift "weitere Bescheidaussagen" aus: "Der Rentenbescheid vom 12.07.2013 sowie die daraus resultierenden Folgebescheide werden hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 12.06.2013 nach § 45 SGB X zurückgenommen; die entstandene Überzahlung (vgl. Anlage "Berechnung der Rente) ist von Ihnen nach § 50 SGB X zu erstatten. Die Rücknahme des Rentenbescheides sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft ist zulässig, weil Sie sich zum einen auf Vertrauen in den Bestand des Rentenbescheides nicht berufen können (§ 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X) und zum anderen die Fristen des § 45 Abs. 3 bzw. Abs. 4 SGB X nicht abgelaufen sind. Auch die vorzunehmende Ermessensausübung führte zu keinem anderen Ergebnis. Bei der Vertrauensschutzprüfung sowie bei der Ausübung unseres Ermessens wurden sämtliche bekannten Umstände beachtet, um eine Bescheidrücknahme zu Ihren Ungunsten zu vermeiden. Diese waren jedoch nicht dazu geeignet, von der Bescheidrücknahme abzusehen. Auf Vertrauen in den Bestand des Rentenbescheids können Sie sich nicht berufen, weil der genannte Bescheid den Hinweis enthielt, dass Einkommen Einfluss auf die Rentenhöhe hat. Sie wussten somit, dass sich das von Ihnen erzielte Einkommen unmittelbar auf die Höhe Ihrer Rente auswirkt und diese insoweit unzutreffend ist. Auch im Wege des Ermessens halten wir die Bescheidrücknahme für gerechtfertigt, weil eine unbillige Härte in der Rücknahme des Bescheids nicht erkannt werden kann." Auf Seite 4 des Bescheides findet sich unter der Überschrift "Ihr Recht" folgender Hinweis: "Gegen diesen Bescheid können Sie innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe schriftlich Widerspruch erheben. Den Widerspruch richten Sie bitte an die Deutsche Rentenversicherung Bund, B. (Postanschrift B.). Sie können diese Stelle auch aufsuchen und Ihren Widerspruch schriftlich aufnehmen lassen. Dieser Bescheid ergeht aufgrund des Urteils vom 29.02.2016. Der Rechtsbehelf gegen diesen Bescheid ist nur zulässig, soweit er sich gegen die Urteilsausführung richtet. Der Widerspruch kann sich nur gegen Sachverhalte richten, die erst mit diesem Bescheid neu festgestellt worden sind."
Hiergegen erhob der Kläger am 14.07.2016 Widerspruch und berief sich zur Begründung auf Vertrauensschutz. Ferner sei den Anforderungen an die Darlegung der Ermessensausübung in keiner Weise genüge getan worden. Der Bescheid weise außerdem in der Ermittlung des anzurechnenden Einkommens für die Zeit ab 01.10.2014 aus, dass das Erwerbsersatzeinkommen weggefallen sei. Dies sei nachweislich falsch. Die Arbeitslosengeldzahlung sei erst zum 01.11.2014 eingestellt worden. Soweit in die Berechnung ab 01.10.2014 3.199,32 EUR als Arbeitsentgelt für Oktober 2014 aus einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgewiesen seien, sei dies unzutreffend, da die Berufungsverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht erst am 17.10.2014 stattgefunden habe; die Gehaltszahlungen seien erst ab 28.11.2014 wieder erbracht worden.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2016 zurück. Da keine prozessuale Partei Berufung gegen das Urteil vom 29.02.2016 eingelegt habe, sei es rechtskräftig geworden und müsse auch bei der verwaltungsseitigen Umsetzung in Form eines Rentenbescheids Beachtung finden, auch wenn später die Richtigkeit des Richterspruchs in Zweifel gezogen werde. Gleiches gelte für den Erstattungsanspruch auf die Überzahlung, der sich durch das Ergebnis des Rechtsstreits von 10.159,50 EUR auf 5.399,94 EUR reduziert habe. Indem das SG die Klage zum Teil abgewiesen habe, habe es die Berechtigung der gegen den Kläger geltend gemachten Forderung dem Grunde nach, wenn auch nicht in der Höhe, bestätigt. Soweit der Kläger mit dem Widerspruch die rechtskräftig festgestellte Verpflichtung zur Erstattung angreife, seien die Einwendungen als unzulässig zu betrachten, denn der angefochtene Bescheid habe nicht dem Zweck gedient, darüber erneut zu entscheiden. Dies folge auch aus der Rechtsbehelfsbelehrung.
Hiergegen hat der Kläger am 10.01.2017 Klage beim SG erhoben und vorgetragen, in der Begründung des Urteils vom 29.02.2016 habe das Gericht gesagt, verfügbares Einkommen sei in der Zeit von Juni 2013 bis Oktober 2014 lediglich das dem Kläger gewährte Arbeitslosengeld gewesen. Es sei deswegen falsch, dass die Klage hinsichtlich der Einkommensanrechnung für Oktober abgewiesen worden sei. Es sei im Urteil nirgends zu finden, dass das Gericht den Rückforderungsanspruch der Beklagten bestätigt habe. Das Gericht habe sich auch nicht zur Frage des Ermessens geäußert. Festzustellen sei, dass er sich auf Vertrauensschutz berufen dürfe. Er beantrage, das Gericht möge feststellen, dass die Beklagte auf Grund ihrer Untätigkeit, erst ab dem 20.05.2015 einen Rückforderungsanspruch hat, da er allen ihm zumutbaren Mitwirkungspflichten nachgekommen sei und darauf vertrauen durfte, dass die Neuberechnung zum 01.07.2015 erfolgen würde. Ein standardisierter Hinweis, dass Einkommen ggf. die Zahlung bzw. die Höhe der Zahlung beeinflusse, entspreche in keiner Weise den rechtlichen Anforderungen eines individuellen Bescheides, da dadurch der Vertrauensschutz schon per se ausgehebelt würde.
Mit Terminsbestimmung der Kammervorsitzenden vom 20.07.2017 ist Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 22.08.2017 bestimmt worden. Das persönliche Erscheinen des Klägers ist angeordnet worden. Ein Empfangsbekenntnis über den Erhalt der Beklagten findet sich auf Bl. 18 der SG-Akte, ein Nachweis für den Zugang der Ladung beim Kläger nicht.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Vorsitzende festgestellt, dass für den Kläger niemand erschienen ist und darauf hingewiesen, dass der Kläger mit Ladung vom 20.07.2017 zum Termin geladen worden und sein persönliches Erscheinen angeordnet worden ist. Der Kläger habe für sein heutiges Nichterscheinen keine Entschuldigung vorgebracht. Mit Beschluss ist das persönliche Erscheinen des Klägers dann aufgehoben worden.
Mit Urteil vom 22.08.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig. Gemäß § 141 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei eine neue Klage über denselben Gegenstand zwischen denselben Beteiligten nicht zulässig. Das SG habe mit Urteil vom 29.02.2016 in dem Verfahren S 9 R 3291/15 rechtskräftig entschieden, dass der Bescheid vom 20.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.09.2015 aufgehoben wird, soweit die Beklagte für die Berechnung der Witwerrente in der Zeit vom 12.06.2013 bis zum 30.09.2014 ein höheres anzurechnendes Einkommen als das vom Kläger bezogene Arbeitslosengeld zugrunde gelegt hat. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden. Eine erneute Entscheidung sei mithin unzulässig, weshalb die Klage keinen Erfolg habe.
Gegen das ihm am 29.08.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.09.2017 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die Urteilsbegründungen des SG ließen nicht erkennen, dass die Kammern dem Untersuchungsgrundsatz nachgekommen seien. Vielmehr stelle sich die Frage, ob möglicherweise ein Verstoß im Sinne von § 258a StGB gegeben sei. Er habe den Bewilligungsbescheid über Arbeitslosengeld am Tag des Erhalts weitergleitet. Die Rente sei daher in Kenntnis des Arbeitslosengeldbezugs bewilligt worden. In den Bescheiden seien die Ermessensgründe nicht genannt worden. Die Rechtmäßigkeit bzw. Wirksamkeit sowohl der Verwaltungsakte als auch der Urteile gemäß Art. 20 Abs. 3 GG sei nach seiner Auffassung nicht gegeben; diese seien nichtig. Die Beklagte betitle die Bescheide auch ausschließlich mit "Rentenbescheid"; daraus sei für den Laien nicht erkennbar, ob es sich um eine Zahlung oder Rückzahlung handle. Formal richtig sei wohl eher Aufhebungsbescheid. Die Beklagte habe auf Grund des Urteils vom 29.02.2016 in ihrem Bescheid vom 20.06.2016 erneut ihre Entscheidung mit § 45 Abs. 2 Satz 3 und § 45 Abs. 3 bzw. Abs. 4 SGB X begründet. In der Rechtsmittelbelehrung werde eindeutig auf die Möglichkeit des Widerspruchs gegen diesen Bescheid hingewiesen. Das bedeute, dass genau die Frage der Rückzahlungspflicht ungeachtet des Urteils vom 29.02.2016 (und seiner Un-/Wirksamkeit) erneut eröffnet werde. Es sei nicht klar, wogegen sonst man Widerspruch einlegen und ihn begründen könnte. Der Widerspruchsbescheid entbehre ebenfalls jeder Begründung, was zur Nichtigkeit führen müsse.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. August 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und die Gründe des angefochtenen Urteils.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist aber nicht begründet.
1. Zunächst liegen die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Urteils vom 22.08.2017 und die Zurückverweisung der Sache an das SG nicht vor. Gemäß § 159 Abs. 1 SGG in der ab 01.01.2012 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011 (BGBl. I, S. 3057) kann das LSG durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn das SG die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden (Nr. 1) oder das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist (Nr. 2). Wesentlich ist der Mangel, wenn die Entscheidung auf ihm beruhen kann (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., 2017, § 159 Rdnr. 3a). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Das SG hat nicht zu Unrecht durch Prozessurteil entschieden und der Kläger rügt auch keinen Mangel, aufgrund dessen eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.
Ein Verfahrensmangel liegt vor. Das SG hat den Anspruch des Klägers auf ordnungsgemäße Mitteilung des Termins zur mündlichen Verhandlung (§ 110 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 63 Abs. 1 Satz 2 SGG) und hierdurch auch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 62 SGG) verletzt. Dieser gewährleistet, dass die Beteiligten zum gerichtlichen Verfahren herangezogen werden und Gelegenheit erhalten, sich vor Erlass der Entscheidung zum Prozessstoff zu äußern (BSG, Urteile vom 23.06.2016 – B 14 AS 25/16 B – und vom 02.03.2010 – B 5 R 440/09 B –, Juris, m.w.N.). Das Gebot des rechtlichen Gehörs erfordert, dass den Beteiligten ausreichend Gelegenheit zur Abgabe sachgemäßer Erklärungen gegeben werden muss, dies vor allem in der mündlichen Verhandlung (vgl. nur BSG, Urteil vom 19.03.1991 – 2 RU 28/90 – und Urteil vom 22.08.2000 – B 2 U 15/00 R –, Juris, m.w.N.). Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, müssen die Beteiligten die Möglichkeit haben, daran teilzunehmen. Diese Möglichkeit hatte der Kläger nicht, weil er die Terminbenachrichtigung zu dem Termin am 22.08.2017 nicht (nachweisbar) erhalten hat.
Zwar müssen Terminbestimmungen und Ladungen nach § 63 Abs. 1 Satz 2 SGG (in der Fassung des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17.08.2001 – BGBl I 2144) nicht (mehr) zugestellt werden; es genügt schon die Bekanntgabe, etwa durch einfachen Brief – wie hier durch die Vorsitzende verfügt – oder durch Einwurfeinschreiben. Es liegt jedoch weiterhin vorrangig in der Verantwortung des Gerichts, den Anspruch auf rechtliches Gehör sicherzustellen. Dieses muss sich – je nach den Gegebenheiten des Einzelfalls – gegebenenfalls Gewissheit darüber verschaffen, ob ein für die Wahrung des rechtlichen Gehörs bedeutsames, aber mit einfachem Brief übersandtes Schreiben den Beteiligten auch tatsächlich erreicht hat (BSG, Urteil vom 23.05.2013 – B 4 AS 247/12 B –, Juris).
Dass der Kläger die Terminmitteilung nicht erhalten hat, ergibt sich aus seinem Berufungsvorbringen. In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 22.08.2017 findet sich zwar der Hinweis der Vorsitzenden, der Kläger sei mit Ladung vom 20.07.2017 geladen worden und das persönliche Erscheinen sei angeordnet worden. Ein Nachweis über den Erhalt des Schreibens findet sich in der Akte des SG nicht; wohingegen die Beklagte den Zugang durch Empfangsbekenntnis bestätigt hat. Es kann auch nicht regelmäßig allein aufgrund des bloßen Absendens einer Terminmitteilung gefolgert werden, dass dieses Schreiben den Beteiligten auch erreicht hat. Wird auf eine förmliche Zustellung mit Nachweis des Erhalts des Zugangs über die Terminmitteilung oder Ladung zu einem Verhandlungstermin verzichtet, muss sich das SG – je nach den Besonderheiten des Falls – damit befassen, ob dieses Schreiben den Beteiligten auch erreicht hat und sich ggf. Gewissheit darüber verschaffen, dass dieses zugegangen ist (BSG, Urteil vom 23.05.2013, a.a.O.). Da bislang keine Auffälligkeiten bei der Übersendung von Briefen erkennbar waren und der Kläger insbesondere auch das ihm mit Postzustellungsurkunde zugestellte Urteil unproblematisch erhalten hat, sind keine Auffälligkeiten oder Unregelmäßigkeiten ersichtlich, die ein schlichtes Bestreiten des Zugangs nicht ausreichen lassen würden.
Wegen des besonderen Rechtswertes der mündlichen Verhandlung ist auch davon auszugehen, dass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, die einen Verfahrensbeteiligten daran hindert, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, für die Entscheidung ursächlich geworden ist (BSG, Urteil vom 23.05.2013, a.a.O.). Gründe, die eine Ursächlichkeit des gerügten Verfahrensfehlers für das angefochtene Urteil ausschließen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Verfahrensmangel ist daher auch wesentlich, da das Urteil des SG auf ihm beruhen kann.
Eine Zurückverweisung an das SG kommt dennoch nicht in Betracht, da wegen des Verfahrensmangels keine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Eine Beweisaufnahme ist nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/6764, Seite 27) dann umfangreich und aufwändig, wenn sie einen erheblichen Einsatz personeller und sächlicher Mittel erfordert, wobei die Umstände des Einzelfalls entscheidend sind. Eine solche Beweisaufnahme ist im vorliegenden Fall, bei dem der Sachverhalt keiner weiteren Ermittlung, etwa durch Einholung umfangreicher Sachverständigengutachten oder umfangreicher Zeugenbefragung, bedarf, nicht erforderlich. Eine Zurückverweisung an das SG nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kommt daher nicht in Betracht.
2. Das SG hat die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 20.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.12.2016 im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist nicht begründet.
Bei dem angefochtenen Bescheid vom 20.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.12.2016 handelt es sich um einen reinen Ausführungsbescheid und nicht um einen Zweitbescheid. Ein echter Zweitbescheid liegt dann vor, wenn die Behörde nach erneuter Sachprüfung eine erneute Sachentscheidung trifft. Ausführungsbescheide treffen demgegenüber grundsätzlich keine Regelung im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X, soweit die Behörde nur der im Urteil auferlegten Verpflichtung entspricht. Maßgebend bei der Auslegung eines Verwaltungsaktes ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl. zu den Auslegungsgrundsätzen u.a. BSG, Urteil vom 13.08.2014 – B 6 KA 38/13 –, Juris mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden keine erneute eigene Sachprüfung durchgeführt, sondern lediglich das Grundurteil des SG vom 29.02.2016 umgesetzt. Zwar erwecken die Überschrift "Rentenbescheid" und die Anlage "Weitere Bescheidaussagen" den Eindruck, als habe die Beklagte eine erneute Prüfung der Höhe des Witwerrentenanspruchs des Klägers ab dem 12.06.2013 durchgeführt. Insbesondere in der Anlage wird der Rentenbescheid vom 12.07.2013 erneut aufgehoben und es finden sich erneut Ausführungen zu den §§ 45 und 50 SGB X sowie Ermessenserwägungen. Allerdings weist die Beklagte bereits im ersten Satz des Bescheides darauf hin, dass die Neuberechnung "aufgrund des Urteils vom 29.02.2016" erfolgt. In der Rechtsbehelfsbelehrung wird nochmals ausdrücklich drauf hingewiesen, dass der Bescheid aufgrund des Urteils vom 29.02.2016 ergeht und ein Rechtsbehelf gegen diesen Bescheid nur zulässig ist, soweit er sich gegen die Urteilsausführung und gegen Sachverhalte richtete, die erst mit diesem Bescheid neu festgestellt worden sind. Aus der Sicht eines verständigen Beteiligten ist der Bescheid daher als Ausführungsbescheid zu verstehen; eine erneute Sachprüfung hinsichtlich der Rechtsgrundlagen für die Aufhebung und Erstattung ist – wie die Beklagte insbesondere in der Rechtsbehelfsbelehrung deutlich gemacht hat – nicht erfolgt. Ist das Urteil – wie hier – zu unbestimmt und für die Feststellung der Aufhebung und Erstattung noch eine Konkretisierung durch eine Regelung im Sinne eines Verwaltungsaktes erforderlich, kommt dem Ausführungsbescheid eine Regelungsfunktion zu, die ihm die Eigenschaft eines Verwaltungsaktes im Sinne von § 31 SGB X verleiht (BSG, Beschluss vom 18.09.2003 – B 9 V 82/02 B –, Juris). Da dieser Bescheid wiederum nur das rechtskräftige Urteil ausführt, ist er, sofern er keine vom Urteilsausspruch abweichende Regelung trifft, mangels eigenen Regelungsgehaltes nicht zulässigerweise anfechtbar (vgl. von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., 2014, § 31, Rdnr. 30a). Gerichtlich überprüfbar ist allein, ob die Behörde das Urteil zutreffend umgesetzt hat.
Eine Regelungsfunktion hinsichtlich der Aufhebung und Erstattung dem Grunde nach kommt den angefochtenen Bescheiden damit nicht zu. Der Kläger kann sich daher auch nicht mehr mit Erfolg gegen die Aufhebung und Erstattung als solche wenden; insoweit kommt dem Urteil des SG vom 29.02.2016 Bindungswirkung zu. Gemäß § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. Eine neue Klage über denselben Streitgegenstand ist nicht zulässig (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 141 Rdnr. 6a m.w.N.). Die Rechtskraft eines Urteils soll verhindern, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht wird; das Gericht ist im Folgeverfahren an einer erneuten Sachprüfung gehindert (BSG, Beschluss vom 23.10.2014 – B 11 AL 52/14 B –, Juris). Das Urteil des SG vom 29.02.2016 ist, da die Beteiligten hiergegen kein Rechtsmittel eingelegt haben, rechtskräftig geworden. Der Inhalt eines formell rechtskräftigen Urteils und damit der Umfang der Rechtskraft ist der Entscheidung im Ganzen zu entnehmen; maßgebend ist insbesondere die Urteilsformel. Nur wenn die Urteilsformel den Inhalt der Entscheidung nicht mit Sicherheit erkennen lässt, können die Entscheidungsgründe, unter Umständen auch das Beteiligtenvorbringen ergänzend zur Bestimmung herangezogen werden (BSG, Beschluss vom 25.08.2014 – B 11 AL 138/13 B –, Juris). Materielle Rechtskraft bedeutet, dass die Entscheidung für das Gericht und die an dieser Entscheidung Beteiligten – somit auch für den Kläger – in der Sache bindend ist. Das Ergebnis des Vorprozesses wirkt insoweit präjudiziell, d.h. das Gericht, in dessen Verfahren das Ergebnis des Vorprozesses eine Vorfrage des geltend gemachten Anspruchs betrifft, hat den Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung zugrunde zu legen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., § 141 Rdnr. 6d). Das SG hat in dem Urteil vom 29.02.2016 – zumindest inzident durch die Klageabweisung im Übrigen – in der Sache bindend über die Ansprüche des Klägers entschieden, insbesondere bindend festgestellt, dass über das Arbeitslosengeld hinaus in der Zeit vom 12.06.2013 bis 30.09.2014 kein Einkommen anzurechnen war; aus der Klageabweisung im Übrigen lässt sich auch die bindende Feststellung entnehmen, dass die Erstattungsforderung dem Grunde nach zu Recht geltend gemacht wurde. Soweit der Kläger sich auch in diesem Verfahren darauf beruft, dass die Voraussetzungen der §§ 45, 48, 50 SGB X nicht vorlagen, ist er mit diesem Vorbringen wegen der Präjudizialität des genannten Urteils ausgeschlossen.
Die Klage ist daher nur insoweit zulässig, als sie sich gegen die Ausführung des Urteils richtet. Die Ausführung des Grundurteils durch die angefochtenen Bescheide ist nicht zu beanstanden ist. Die Beklagte hat für die Zeit vom 12.06.2013 bis 30.09.2014 ihrer Berechnung, die sich der Anlage zum Bescheid vom 20.06.2016 entnehmen lässt und auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, entsprechend dem Tenor des Urteils vom 29.02.2016 lediglich das Arbeitslosengeld als Einkommen zu Grunde gelegt und damit das Urteil in nicht zu beanstandender Weise umgesetzt; dies ist durch den Kläger auch nicht bestritten worden.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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