Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 8 SB 4098/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4813/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 21.12.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).
Die 1958 geborene Klägerin beantragte bei dem Landratsamt A. (LRA) am 30.12.2011 (Blatt 6 VA) erstmals die Feststellung des GdB.
Das LRA zog die Befundberichte des Dr. D. vom 14.12.2011 (Blatt 12 VA) und vom 24.11.2011 (Blatt 10) bei, zu denen Dr. L. die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 25.01.2012 erstattete (Blatt 15 VA). Gestützt hierauf stellte das LRA mit Bescheid vom 26.01.2012 (Blatt 17 VA) einen GdB von 30 seit dem 01.01.1998 fest und berücksichtigte folgende Funktionsbeeinträchtigungen: - chronische Leberentzündung (Teil-GdB 30) - chronisch-venöse Insuffizienz beidseits (Teil-GdB 10)
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin am 09.02.2012 Widerspruch (Blatt 20 VA) und machte geltend, dass sie an einer chronischen Viruserkrankung mit mäßiger Funktionsstörung leide. Ihre Grundstimmung sei depressiv, sie könne ihren Alltag und die Erledigung verschiedener Aufgaben nur mit viel Mühe ertragen. Der GdB betrage mindestens 50.
Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.03.2012 (Blatt 25 VA) zurück, da keine neuen Befunde ersichtlich seien.
Am 14.11.2013 (Blatt 29 VA) beantragte die Klägerin die Neufeststellung des GdB. Vorgelegt wurde der Entlassungsbericht der stationären Rehabilitation in der Rehaklinik o. vom 17.04.2013 (Blatt 35 VA) sowie der Befundbericht des Hals-Nasen-Ohrenarztes Dr. W. vom 09.04.2013 (Blatt 37). Dr. L. erstattete die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 22.11.2013 (Blatt 39 VA) und empfahl aufgrund einer Schwerhörigkeit beidseits (Teil-GdB 50) die Feststellung eines GdB von 50 ab dem 01.04.2013.
Mit Bescheid vom 02.12.2013 (Blatt 43 VA) hob das LRA den Bescheid vom 26.01.2012 auf und stellte einen GdB von 50 ab dem 01.04.2013 sowie das Merkzeichen RF fest. Die Feststellung der Merkzeichen G, Gl, B, H, aG und Bl wurde abgelehnt.
Am 30.03.2015 stellte die Klägerin einen Neufeststellungsantrag (Blatt 50 VA) und machte geltend, dass ein beidseitiger Tinnitus vorliege und erhebliche Beschwerden im Wirbelsäulenbereich gegeben seien. In Folge der Erkrankungen sei eine deutliche Einschränkung des Gehvermögens gegeben, es sei ein GdB von wenigstens 80 festzustellen sowie das Merkzeichen G. Der Formblattantrag ging am 01.04.2015 bei dem LRA ein (Blatt 55 VA).
Das LRA holte den Befundbericht des Orthopäden Dr. W. vom 12.01.2015 (Blatt 66 VA), das Audiogramm des Hals-Nasen-Ohrenarztes Dr. W. vom 12.06.2015 (Blatt 71 VA) und den Befundschein des Dr. K. vom 10.08.2015 (Blatt 90 VA) ein. Dr. L. erstattete die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 07.09.2015 (Blatt 93 VA) und empfahl die Feststellung eines GdB von 70 seit dem 30.03.2015. Ergänzend führte sie aus, dass eine hirnorganische Beeinträchtigung aufgrund der Rötelnembryopathie nicht nachgewiesen sei, die Voraussetzungen für die Merkzeichen G und aG sowie aG light seien nicht ableitbar.
Mit Bescheid vom 16.10.2015 (Blatt 99) hob das LRA den Bescheid vom 02.12.2013 auf und stellte einen GdB von 70 ab dem 30.03.2015 fest. Die Feststellung der Merkzeichen G und aG wurde abgelehnt.
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin am 22.10.2015 Widerspruch und legte Befundberichte des Universitätsklinikums U. vom 11.02.2002 (Blatt 106 VA) und 11.03.2003 (Blatt 108 VA) vor. Dr. R. erstattete die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 03.12.2015 (Blatt 118 VA) und legte dar, dass die vorgelegten Unterlagen aus 2008 und früher seien, sodass sich hieraus keine neuen Erkenntnisse ergeben würden, eine deutliche Einschränkung des Gehvermögens sowie eine psychische Störung seien nicht dokumentiert. Die ausgeheilte Hepatitis C begründe keinen Teil-GdB von wenigstens 10 mehr, die geltend gemachten Ohrgeräusche seien nicht nachgewiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2015 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.10.2015 zurück und führte zur Begründung aus, dass mit dem Bescheid dem Neufeststellungsantrag insoweit entsprochen worden sei, als der GdB auf 70 erhöht worden sei. Eine weitergehende Verschlechterung gegenüber den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 02.12.2013 zu Grunde lagen, sei nicht gegeben.
Am 28.12.2015 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Das SG holte die sachverständigen Zeugenaussagen des Dr. K. vom 23.02.2016 (Allgemeinmedizin- Blatt 27/36 SG-Akte), des Dr. W. vom 23.02.2016 (Hals- Nasen- Ohrenarzt – Blatt 37/40 SG-Akte), des Dr. W. vom 17.02.2016 (Orthopädie – Blatt 25/26 SG-Akte) und des Prof. Dr. D. vom 01.03.2016 (Gastroenterologie- Blatt 41/44 SG-Akte) ein. Weiterhin holte das SG auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG das Sachverständigengutachten des Dr. K. vom 05.08.2016 (Blatt 58 ff. SG-Akte) ein, zu dem der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. S. vom 17.10.2016 (Blatt 77 SG-Akte) vorlegte. Dieser führte aus, dass über das Vorliegen einer psychischen Störung über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus nichts bekannt sei. Befund- und Behandlungsunterlagen eines behandelnden Psychiaters würden nicht vorliegen, eine spezifische Behandlung erfolge offensichtlich nicht. Eine bei psychischen Beeinträchtigungen unbedingt notwendige Längsschnittbetrachtung sei somit nicht möglich, die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode sei aufgrund einer einmaligen Untersuchung und ohne konkrete Diskussion der Kriterien fraglich.
Die Klage wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 21.12.2016 ab und führte zur Begründung aus, dass im Funktionssystem Gehör ein Teil-GdB von 70 anzusetzen sei, da eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beidseits mit Tinnitus vorliege. Der Tinnitus, für den keine erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen nachgewiesen seien, führe nicht zu einer weiteren Erhöhung des Teil-GdB. Für die Beeinträchtigungen im Funktionssystem Rumpf sei ein Teil-GdB von 10 anzunehmen, nachdem Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen gegeben seien. Für Beeinträchtigungen im Funktionssystem Gehirn sei kein Teil-GdB festzustellen, da es schon an einer fachärztlichen Behandlung fehle. Auch seitens der Hausärzte würden insoweit keine relevanten Einschränkungen mitgeteilt. Gegen das Sachverständigengutachten des Dr. K. bestünden schon methodische Bedenken, nachdem der Ehemann bei der Untersuchung und Exploration anwesend gewesen sei. Woraus Dr. K. schlussfolgere, dass die von ihm angenommene Depression bereits seit 30.03.2015 bestehe, sei nicht nachvollziehbar, vielmehr habe dieser selbst angegeben, dass bisher keine Feststellungen auf psychiatrischem Gebiet erfolgt seien. Damit sei auch nicht nachvollziehbar, wie Dr. K. zu der Einschätzung gelange, dass sich seit 2013 eine aktuell mittelgradige Depression sowie eine Angststörung und eine soziale Phobie entwickelt habe.
Gegen den am 23.12.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 27.12.2016 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Sie macht geltend, dass Dr. K. im Rahmen seiner umfassenden Untersuchung zu dem richtigen Ergebnis komme, dass ein GdB von 80 vorliege. Dieser Auffassung sei das SG aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht gefolgt, des Weiteren liege ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs vor, da ausdrücklich beantragt worden sei, einen Verhandlungstermin anzuberaumen. Dem sei das SG nicht gefolgt, sodass ein wesentlicher Verfahrensverstoß vorliege.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 21.12.2016 sowie den Bescheid des Beklagten vom 16.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2015 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, einen GdB von 80 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Auf Anfrage des Senats hat die Klägerin mitgeteilt (Schriftsatz vom 17.03.2017 – Blatt 20 SG-Akte), dass eine nervenärztliche Behandlung nicht stattfinde. Der Senat hat Beweis erhoben durch die Einholung einer sachverständigen Zeugenaussage bei dem MVZ für Hämatologie und Onkologie U. (Dr. S. - K., Blatt 63 Senatsakte).
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 16.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin kann die Feststellung eines höheren GdB als eines solchen von 70 nicht beanspruchen, der Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Der Senat kann einen wesentlichen Verfahrensmangel nicht feststellen. Zwar ist der Verfahrensakte des SG nicht zu entnehmen, welchen genauen Inhalt die richterliche Verfügung vom 17.11.2016, deren Zugang durch das Empfangsbekenntnis des Klägervertreters vom 24.11.2016 (Blatt 78a SG-Akte) nachgewiesen ist, hatte, jedoch ist der Senat aufgrund der mit Paraphe versehenen richterlichen Anweisung vom 03.11.2016 für die Geschäftsstelle, "Hinweis § 105 SGG" zu erteilen – ausgeführt am 17.11.2016 (Bl. 78 der SG-Akte) –, und des Schriftsatzes des Klägerbevollmächtigten vom 28.11.2016, mit dem Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung (Blatt 79 SG-Akte), davon überzeugt, dass die Beteiligten ordnungsgemäß zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden sind. Eine Zustimmung zu der Verfahrensweise sieht die Verfahrensordnung nicht vor und der Antrag, einen Verhandlungstermin anzuberaumen, begründet weder einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör noch einen Verfahrensfehler. Die anwaltlich vertretene Klägerin war nicht gehindert, innerhalb der gesetzten Frist schriftlich eine inhaltliche Stellungnahme abzugeben, sodass es nicht darauf ankommt, dass nicht ansatzweise erkennbar ist, zu welchem Sachverhalt die Klägerin keine Gelegenheit gehabt haben sollte, sich zu äußern.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 48 Absatz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), der bestimmt, dass der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsaktes vorlagen, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche wesentliche Änderung, die einen höheren GdB als 70 begründet, wie ihn der Beklagte angenommen hat, konnte der Senat nicht feststellen. Wesentlich ist eine Änderung für die GdB-Feststellung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören, zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG Urteil vom 10.09.1997 – 9 RVs 15/96, BSGE 81, 50). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden. Hinsichtlich der bisher nicht festgesetzten, geltend gemachten Merkzeichen ist die Feststellung nach den Grundsätzen einer Erstfeststellung zu treffen.
Rechtsgrundlage für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX (§ 152 SGB IX) in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234), da maßgeblicher Zeitpunkt bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist, wobei es für laufende Leistungen auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum ankommt, für den die Leistungen begehrt werden; das anzuwendende Recht richtet sich nach der materiellen Rechtslage (Keller in: Meyer- Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 54 RdNr. 34). Nachdem § 241 Abs. 2 SGB IX lediglich eine (Übergangs-)Vorschrift im Hinblick auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz enthält, ist materiell-rechtlich das SGB IX in seiner derzeitigen Fassung anzuwenden.
Nach dessen § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderung solche Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt nach § 2 Abs.1 Satz 2 SGB IX liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des Grades der Behinderung, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Soweit noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Damit gilt weiterhin die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), deren Anlage zu § 2 die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG) beinhalten. Diese stellen – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX) anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX). Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, auch solche, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB, sondern der Gesamt-GdB ist durch einen Vergleich der im zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen – bei Feststellung der Schwerbehinderung ist der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen – zu bestimmen. Maßgeblich sind damit grundsätzlich weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 – L 8 SB 5215/13 – juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nämlich nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.
Auf hals-nasen-ohrenärztlichem Fachgebiet besteht bei der Klägerin eine beiderseitige, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit, wie der Senat der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. W. vom 23.02.2016 entnimmt, die nach der Tabelle VG Nr. 5.2.4 einen GdB von 70 bedingt. Soweit Dr. W. zusätzlich einen Tinnitus beschreibt, rechtfertigt sich hieraus kein höherer GdB, da VG Nr. 5.3. bestimmt, dass Ohrgeräusche ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen einen GdB von 0 – 10 bedingen. Solche psychischen Begleiterscheinungen konnte der Senat nicht feststellen, auch Dr. W. geht von solchen nicht aus und gelangt zu der Einschätzung eines GdB von 70.
Für die Wirbelsäule kann kein höherer Teil-GdB als 10 berücksichtigt werden. Nach den VG Teil B 18.9 ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 -, veröffentlicht in juris und im Internet sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z. B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist eine GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt, die jedoch bei der Klägerin nicht vorliegen und auch nicht geltend gemacht werden. Gestützt auf die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. W. vom 17.02.2016 (Blatt 25 SG-Akte) stellt der Senat fest, dass bei der Klägerin eine Verschmälerung des Bandscheibenraumes, eine Osteochondrose und Spondylose in Höhe L5/S1 besteht, sowie eine leichtgradige skoliotische Verbiegung nach rechts im Lumbothorakalbereich. Die Beweglichkeit bei Seitneigung ist schmerzhaft eingeschränkt, der Finger-Boden-Abstand wird mit 10 cm angegeben, Motorik und Sensibilität als unauffällig beschrieben und Parästhesien sowie Lähmungen verneint. Auch unter Berücksichtigung des Druckschmerzes und der Tonuserhöhung im Bereich der LWS liegen Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen vor, die einen Teil-GdB von 10 bedingen, wie ihn Dr. W. und Dr. L. ebenfalls angenommen haben.
Von Einschränkungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet, die einen weiteren Teil-GdB von wenigstens 20 begründen, konnte sich der Senat nicht überzeugen. Nach den VG Teil B 3.7 ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten. Dem Rehaentlassungsbericht der Klinik o. vom 17.04.2013 entnimmt der Senat, dass die Psyche als geordnet beschrieben wird, zum Verlauf der Rehabilitation wird ausgeführt, dass Ziel der Maßnahme die allgemeine psychophysische Stabilisierung gewesen ist und zur Stabilisierung psychovegetativer Funktionen und zur Verbesserung der allgemeinen Entspannungsfähigkeit die Teilnahme an einem psychologisch geführten Gruppenkurs zur Tiefmuskelentspannung erfolgte. Zum Rehabilitationsergebnis ist dargelegt, dass sich die Klägerin am Ende der Rehamaßnahme wieder besser belastbar und auch konditionell etwas gekräftigt gefühlt hat, eine Empfehlung für eine Weiterbehandlung auf psychiatrischem Fachgebiet lässt sich dem Bericht ebenso wenig entnehmen, wie eine entsprechende Medikation. Im Nachgang zu dem Entlassungsbericht kann der Senat eine psychiatrische Behandlung nicht feststellen, eine solche findet bis heute nicht statt, wie die Klägerin zuletzt im Schriftsatz vom 20.03.2017 (Blatt 20 Senatsakte) bestätigt hat. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. H. hat in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 23.02.2016 (Blatt 27 SG-Akte) Veränderungen im Gesundheitszustand verneint, keine Befunde auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet benannt und darauf hingewiesen, dass die Klägerin sich wegen unterschiedlichster Beschwerden, meist ohne Progression, vorgestellt hat. Aufgrund der fehlenden ärztlichen Behandlung kann nicht davon ausgegangen werden, dass das diagnostizierte seelische Leiden der Klägerin über eine leichtere psychische Störung hinausgegangen ist und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellte (dazu vgl. Senatsurteil vom 17.12.2010 - L 8 SB 1549/10, juris RdNr. 31). Ein entsprechender Leidensdruck der Klägerin, der bei einer stärker behindernden psychischen Störung zu erwarten wäre, findet sich nicht. Umstände, die der fehlenden Behandlung eine andere Indizwirkung zukommen lassen, wie z. B. die Nichtgenehmigung der Behandlung seitens der Krankenkasse oder eine lange Wartezeit vor der Behandlung, sind nicht ersichtlich.
Aus dem Sachverständigengutachten des Dr. K. ergibt sich nichts anderes. Seine GdB-Bewertung überzeugt den Senat nicht, denn der von ihm erhobene psychische Befund lässt keine stärker behindernde, einen GdB von 30 rechtfertigende Einschränkung der Klägerin erkennen. In der Exploration erlebte der Sachverständige die Klägerin freundlich zugewandt, kooperativ, niedergestimmt, nervös, kognitiv und psychomotorisch verlangsamt mit eingeschränkter affektiver Schwingungsfähigkeit bei angstvoll depressiver Grundstimmung, jedoch wach, zu allen Qualitäten ausreichend orientiert. Die Aufmerksamkeit, Konzentration und Mnestik waren ungestört. Das formale Denken war einfach strukturiert, aber geordnet. Die Klägerin erschien verlangsamt mit Grübelzwang, Gedankenkreisen und mit inhaltlichen Insuffizienzgefühlen, generalisierte Ängste mit innerer Unruhe, Anspannung und dem Gefühl ständiger Besorgnis, einer Sozialphobie, keine Ich-Störungen, keine Wahrnehmungsstörung, Antrieb und Psychomotorik etwas gemindert, Stimmung depressiv, nervös, ängstlich keine akute Suizidalität. Abgesehen davon, dass der psychopathologische Befund Wiederholungen (z.B. Depressivität, Nervosität, Ängstlichkeit) enthält, was auf eine ungenaue Überarbeitung von verwendeten Textbausteinen hindeutet, scheint die Diagnose einer mittelschweren Depressionen allein auf das Ergebnis des erhobenen psychometrischen Testverfahrens gestützt zu sein. Der nur "etwas geminderte" Antrieb und die nur "etwas geminderte" Psychomotorik sind nicht ohne weiteres vereinbar mit einer angeblich akuten mittelschweren Depression. Auch der Umfang des Grübelzwangs, des Gedankenkreisens und der Insuffizienzgefühle werden nicht mitgeteilt. Die vom Sachverständigen erhobene soziale Phobie wird allein auf die Beschwerdeangaben der Klägerin gestützt. Diese werden auch im Hinblick auf das Testverfahren unkritisch übernommen, obgleich Anlass zur nervenärztlichen Bewertung der Angaben bestanden hätte. So wird der Widerspruch in den Beschwerdenangaben, unter Antriebs- und Konzentrationsstörungen (mit Grübelzwang und Gedankenkreisen) zu leiden, zu dem vom Sachverständigen selbst erhobenen Befund ungestörter Aufmerksamkeit, Konzentration und Mnestik, nicht thematisiert, auch finden sich teilweise in den erhobenen Befunden widersprüchliche Beschreibungen, so wird die Klägerin einerseits introvertiert, schüchtern, kognitiv und psychomotorisch verlangsamt (Bl. 3 des Gutachtens) andererseits aber auch freundlich zugewandt und kooperativ geschildert. Trotz der diagnostizierten mittelgradigen Depression wird bestätigt, dass eine fachärztliche Behandlung auf psychiatrischem Fachgebiet weder in der Vergangenheit stattgefunden hat, noch gegenwärtig stattfindet. Bei diesem Befund hätte es einer tiefergehenden Auseinandersetzung bedurft, weshalb eine solche nicht in Anspruch genommen wurde oder wird. Soweit der Sachverständige auf eine depressive Symptomatik seit 1996/1997 infolge einer Inteferongabe verweist, stützt sich diese nur auf die Angaben der Klägerin, wie auch die übrige Befunderhebung. Den Umstand, dass bereits dem Widerspruchsschreiben der Klägerin vom 05.03.2012 (Blatt 22 VA) zu entnehmen ist, dass die Klägerin ihre Stimmung für missmutig, teilnahmslos und depressiv gehalten hat (Blatt 22 VA), ohne dass insoweit eine ärztliche Behandlung in Anspruch genommen oder ein entsprechender Befund dokumentiert worden ist, wird von Dr. K. ebenso wenig berücksichtigt, wie die Tatsache, dass der nachfolgende Rehaentlassungsbericht vom 17.04.2013 (Blatt 35 VA) eine relevante depressive Symptomatik gerade nicht bestätigt hat. In diesem wird vielmehr mitgeteilt, dass nach dem Aufnahmebefund die Psyche geordnet war und im Abschnitt "Beschwerdevorbringen" ist die Angabe der Klägerin angeführt, sie komme ganz gut zurecht. Damit übereinstimmend lässt sich dem Entlassungsbericht entnehmen, dass die Klägerin regelmäßig und motiviert an den verordneten Therapie- und Trainingsmöglichkeiten teilgenommen hat (Blatt 31 VA), sodass sich eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht begründen lässt. Woraus sich eine relevante Verschlechterung im Gesundheitszustand bis zum Untersuchungstermin bei Dr. K. ergeben sollte, kann dem Gutachten ebenfalls nicht entnommen werden. Vielmehr sind im Vordruck zum Neufeststellungsantrag vom 01.04.2015 Einschränkungen auf neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet nicht angegeben worden und solche finden sich auch nicht in den danach zu den Akten gelangten Arztbriefen der behandelnden Ärzte. Zwar ließ die Klägerin über ihren Bevollmächtigten durchgehend nur wenig spezifiziert "psychische Belastungen" angeben, so im anwaltlichen Antragschreiben vom 27.03.2015 (Bl. 50 VA), im Widerspruchsschreiben vom 21.10.2015 (Bl. 102/103 VA) und auch in der Klageschrift vom 23.12.2015, wobei gerade die im Rechtsbehelfsverfahren gerügte Nichtberücksichtigung psychischer Leiden nach dem Verfahrensgang eine Konkretisierung erfordert hätte, was wiederum dafür spricht, dass psychische Beeinträchtigungen selbst nicht als so bedeutend erachtet werden. Daher ist die Bewertung des Dr. K. anhand seiner selbst erhobenen Befunde nicht nachvollziehbar und es ist auch nicht zu erkennen, wie von ihm der GdB aus den VG abgeleitet wurde. Entsprechendes gilt dafür, dass Dr. S. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.10.2016 zu Recht darauf hingewiesen hat, dass es einer Längsschnittbetrachtung bedarf, wie aus VG Teil A 2 f) folgt. Dort ist nämlich bestimmt, dass Schwankungen im Gesundheitszustand mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen ist und bei der GdB-Beurteilung von dem durchschnittlichen Ausmaß der Beeinträchtigung ausgegangen werden muss. Eine einmalige, bei der Untersuchung durch Dr. K. erkennbare depressive Verstimmung – selbst in der von Dr. K. angenommenen Ausprägung einer mittelschweren Depression – ergäbe daher in der Längsschnittbetrachtung, da bisher nur einmal und auch nicht als fortbestehend dokumentiert, keine GdB-relevante Beeinträchtigung. Doch selbst wenn dies eine GdB-Bewertung von wenigstens 20 rechtfertigen würde, würde sich dies nicht auf den Gesamt-GdB auswirken, da GdB-Werte von 20 nicht regelhaft den Gesamt-GdB erhöhen und die eingeschränkte Alltagsaktivität, wie sie von Dr. K. in seinem Gutachten umschrieben ist, auch durch die Taubheit mitbedingt ist und die allenfalls nachgewiesene, zeitweise vorhandene depressive Stimmungslage den bereits mit einem GdB 70 erfassten Behinderungszustand nicht maßgeblich beeinflusst.
Einer Vernehmung des Dr. K. , wie von der Klägerin beantragt (Blatt 23 Senatsakte), zur Höhe des GdB bedurfte es nicht, da es sich bei der Höhe des GdB vorliegend gerade nicht um eine Tatsache handelt, wie die Klägerin meint, sondern um eine rechtliche Bewertung, die vom Senat vorzunehmen ist.
Nachdem es sich bei der Einschätzung des GdB nicht allein um eine medizinische Frage, sondern bei feststehendem medizinischen Befund nur noch um eine rechtliche Bewertung handelt, die dann nicht dem medizinischen Sachverständigen obliegt, kommt es darauf, wie Dr. K. den GdB oder dass er ihn mit wenigstens 80 einschätzt, nicht entscheidungserheblich an. Ob und zu welchen medizinischen Tatsachen der Sachverständige noch weiter gehört werden sollte, ist von der Klägerin nicht unter Beweis gestellt worden. Der Senat sieht sich zu einer ergänzenden Befragung des Sachverständigen auch nicht von Amts wegen veranlasst. Denn Lücken oder Unklarheiten aus Sicht des Sachverständigen sind nicht erkennbar. Der Senat konnte im Rahmen seiner Beweiswürdigung das Gutachten ohne offen gebliebene Fragen zu den Befunden oder gutachterlichen Folgerungen auswerten.
Soweit der Einschätzung des GdB auf 50 mit Bescheid vom 02.12.2013 ein Teil-GdB von 30 für eine chronische Leberentzündung zu Grunde gelegt wurde, kann ein solcher nicht mehr berücksichtigt werden. Der sachverständigen Zeugenauskunft des Gastroenterologen Prof. Dr. D. vom 01.03.2016 (Blatt 41 SG-Akte) entnimmt der Senat nämlich, dass die medikamentöse Behandlung der chronischen Hepatitis C zu einer kompletten Ausheilung geführt hat.
Hinsichtlich der Thrombozytopenie entnimmt der Senat der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. S. -K. vom 11.12.2017 (Blatt 38 Senatsakte), dass durch diese keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung besteht, da eine klinisch relevante Blutungsneigung bei den zuletzt festgestellten Thrombozytenwerten auszuschließen ist. Ein höherer Teil-GdB als 10 kann daher, in Übereinstimmung mit dem sachverständigen Zeugen, nicht berücksichtigt werden.
Nachdem die Klägerin die Feststellung eines höheren GdB als 70 nicht beanspruchen kann, konnte die Berufung keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).
Die 1958 geborene Klägerin beantragte bei dem Landratsamt A. (LRA) am 30.12.2011 (Blatt 6 VA) erstmals die Feststellung des GdB.
Das LRA zog die Befundberichte des Dr. D. vom 14.12.2011 (Blatt 12 VA) und vom 24.11.2011 (Blatt 10) bei, zu denen Dr. L. die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 25.01.2012 erstattete (Blatt 15 VA). Gestützt hierauf stellte das LRA mit Bescheid vom 26.01.2012 (Blatt 17 VA) einen GdB von 30 seit dem 01.01.1998 fest und berücksichtigte folgende Funktionsbeeinträchtigungen: - chronische Leberentzündung (Teil-GdB 30) - chronisch-venöse Insuffizienz beidseits (Teil-GdB 10)
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin am 09.02.2012 Widerspruch (Blatt 20 VA) und machte geltend, dass sie an einer chronischen Viruserkrankung mit mäßiger Funktionsstörung leide. Ihre Grundstimmung sei depressiv, sie könne ihren Alltag und die Erledigung verschiedener Aufgaben nur mit viel Mühe ertragen. Der GdB betrage mindestens 50.
Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.03.2012 (Blatt 25 VA) zurück, da keine neuen Befunde ersichtlich seien.
Am 14.11.2013 (Blatt 29 VA) beantragte die Klägerin die Neufeststellung des GdB. Vorgelegt wurde der Entlassungsbericht der stationären Rehabilitation in der Rehaklinik o. vom 17.04.2013 (Blatt 35 VA) sowie der Befundbericht des Hals-Nasen-Ohrenarztes Dr. W. vom 09.04.2013 (Blatt 37). Dr. L. erstattete die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 22.11.2013 (Blatt 39 VA) und empfahl aufgrund einer Schwerhörigkeit beidseits (Teil-GdB 50) die Feststellung eines GdB von 50 ab dem 01.04.2013.
Mit Bescheid vom 02.12.2013 (Blatt 43 VA) hob das LRA den Bescheid vom 26.01.2012 auf und stellte einen GdB von 50 ab dem 01.04.2013 sowie das Merkzeichen RF fest. Die Feststellung der Merkzeichen G, Gl, B, H, aG und Bl wurde abgelehnt.
Am 30.03.2015 stellte die Klägerin einen Neufeststellungsantrag (Blatt 50 VA) und machte geltend, dass ein beidseitiger Tinnitus vorliege und erhebliche Beschwerden im Wirbelsäulenbereich gegeben seien. In Folge der Erkrankungen sei eine deutliche Einschränkung des Gehvermögens gegeben, es sei ein GdB von wenigstens 80 festzustellen sowie das Merkzeichen G. Der Formblattantrag ging am 01.04.2015 bei dem LRA ein (Blatt 55 VA).
Das LRA holte den Befundbericht des Orthopäden Dr. W. vom 12.01.2015 (Blatt 66 VA), das Audiogramm des Hals-Nasen-Ohrenarztes Dr. W. vom 12.06.2015 (Blatt 71 VA) und den Befundschein des Dr. K. vom 10.08.2015 (Blatt 90 VA) ein. Dr. L. erstattete die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 07.09.2015 (Blatt 93 VA) und empfahl die Feststellung eines GdB von 70 seit dem 30.03.2015. Ergänzend führte sie aus, dass eine hirnorganische Beeinträchtigung aufgrund der Rötelnembryopathie nicht nachgewiesen sei, die Voraussetzungen für die Merkzeichen G und aG sowie aG light seien nicht ableitbar.
Mit Bescheid vom 16.10.2015 (Blatt 99) hob das LRA den Bescheid vom 02.12.2013 auf und stellte einen GdB von 70 ab dem 30.03.2015 fest. Die Feststellung der Merkzeichen G und aG wurde abgelehnt.
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin am 22.10.2015 Widerspruch und legte Befundberichte des Universitätsklinikums U. vom 11.02.2002 (Blatt 106 VA) und 11.03.2003 (Blatt 108 VA) vor. Dr. R. erstattete die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 03.12.2015 (Blatt 118 VA) und legte dar, dass die vorgelegten Unterlagen aus 2008 und früher seien, sodass sich hieraus keine neuen Erkenntnisse ergeben würden, eine deutliche Einschränkung des Gehvermögens sowie eine psychische Störung seien nicht dokumentiert. Die ausgeheilte Hepatitis C begründe keinen Teil-GdB von wenigstens 10 mehr, die geltend gemachten Ohrgeräusche seien nicht nachgewiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2015 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.10.2015 zurück und führte zur Begründung aus, dass mit dem Bescheid dem Neufeststellungsantrag insoweit entsprochen worden sei, als der GdB auf 70 erhöht worden sei. Eine weitergehende Verschlechterung gegenüber den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 02.12.2013 zu Grunde lagen, sei nicht gegeben.
Am 28.12.2015 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Das SG holte die sachverständigen Zeugenaussagen des Dr. K. vom 23.02.2016 (Allgemeinmedizin- Blatt 27/36 SG-Akte), des Dr. W. vom 23.02.2016 (Hals- Nasen- Ohrenarzt – Blatt 37/40 SG-Akte), des Dr. W. vom 17.02.2016 (Orthopädie – Blatt 25/26 SG-Akte) und des Prof. Dr. D. vom 01.03.2016 (Gastroenterologie- Blatt 41/44 SG-Akte) ein. Weiterhin holte das SG auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG das Sachverständigengutachten des Dr. K. vom 05.08.2016 (Blatt 58 ff. SG-Akte) ein, zu dem der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. S. vom 17.10.2016 (Blatt 77 SG-Akte) vorlegte. Dieser führte aus, dass über das Vorliegen einer psychischen Störung über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus nichts bekannt sei. Befund- und Behandlungsunterlagen eines behandelnden Psychiaters würden nicht vorliegen, eine spezifische Behandlung erfolge offensichtlich nicht. Eine bei psychischen Beeinträchtigungen unbedingt notwendige Längsschnittbetrachtung sei somit nicht möglich, die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode sei aufgrund einer einmaligen Untersuchung und ohne konkrete Diskussion der Kriterien fraglich.
Die Klage wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 21.12.2016 ab und führte zur Begründung aus, dass im Funktionssystem Gehör ein Teil-GdB von 70 anzusetzen sei, da eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beidseits mit Tinnitus vorliege. Der Tinnitus, für den keine erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen nachgewiesen seien, führe nicht zu einer weiteren Erhöhung des Teil-GdB. Für die Beeinträchtigungen im Funktionssystem Rumpf sei ein Teil-GdB von 10 anzunehmen, nachdem Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen gegeben seien. Für Beeinträchtigungen im Funktionssystem Gehirn sei kein Teil-GdB festzustellen, da es schon an einer fachärztlichen Behandlung fehle. Auch seitens der Hausärzte würden insoweit keine relevanten Einschränkungen mitgeteilt. Gegen das Sachverständigengutachten des Dr. K. bestünden schon methodische Bedenken, nachdem der Ehemann bei der Untersuchung und Exploration anwesend gewesen sei. Woraus Dr. K. schlussfolgere, dass die von ihm angenommene Depression bereits seit 30.03.2015 bestehe, sei nicht nachvollziehbar, vielmehr habe dieser selbst angegeben, dass bisher keine Feststellungen auf psychiatrischem Gebiet erfolgt seien. Damit sei auch nicht nachvollziehbar, wie Dr. K. zu der Einschätzung gelange, dass sich seit 2013 eine aktuell mittelgradige Depression sowie eine Angststörung und eine soziale Phobie entwickelt habe.
Gegen den am 23.12.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 27.12.2016 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Sie macht geltend, dass Dr. K. im Rahmen seiner umfassenden Untersuchung zu dem richtigen Ergebnis komme, dass ein GdB von 80 vorliege. Dieser Auffassung sei das SG aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht gefolgt, des Weiteren liege ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs vor, da ausdrücklich beantragt worden sei, einen Verhandlungstermin anzuberaumen. Dem sei das SG nicht gefolgt, sodass ein wesentlicher Verfahrensverstoß vorliege.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 21.12.2016 sowie den Bescheid des Beklagten vom 16.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2015 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, einen GdB von 80 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Auf Anfrage des Senats hat die Klägerin mitgeteilt (Schriftsatz vom 17.03.2017 – Blatt 20 SG-Akte), dass eine nervenärztliche Behandlung nicht stattfinde. Der Senat hat Beweis erhoben durch die Einholung einer sachverständigen Zeugenaussage bei dem MVZ für Hämatologie und Onkologie U. (Dr. S. - K., Blatt 63 Senatsakte).
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 16.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin kann die Feststellung eines höheren GdB als eines solchen von 70 nicht beanspruchen, der Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Der Senat kann einen wesentlichen Verfahrensmangel nicht feststellen. Zwar ist der Verfahrensakte des SG nicht zu entnehmen, welchen genauen Inhalt die richterliche Verfügung vom 17.11.2016, deren Zugang durch das Empfangsbekenntnis des Klägervertreters vom 24.11.2016 (Blatt 78a SG-Akte) nachgewiesen ist, hatte, jedoch ist der Senat aufgrund der mit Paraphe versehenen richterlichen Anweisung vom 03.11.2016 für die Geschäftsstelle, "Hinweis § 105 SGG" zu erteilen – ausgeführt am 17.11.2016 (Bl. 78 der SG-Akte) –, und des Schriftsatzes des Klägerbevollmächtigten vom 28.11.2016, mit dem Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung (Blatt 79 SG-Akte), davon überzeugt, dass die Beteiligten ordnungsgemäß zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden sind. Eine Zustimmung zu der Verfahrensweise sieht die Verfahrensordnung nicht vor und der Antrag, einen Verhandlungstermin anzuberaumen, begründet weder einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör noch einen Verfahrensfehler. Die anwaltlich vertretene Klägerin war nicht gehindert, innerhalb der gesetzten Frist schriftlich eine inhaltliche Stellungnahme abzugeben, sodass es nicht darauf ankommt, dass nicht ansatzweise erkennbar ist, zu welchem Sachverhalt die Klägerin keine Gelegenheit gehabt haben sollte, sich zu äußern.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 48 Absatz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), der bestimmt, dass der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsaktes vorlagen, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche wesentliche Änderung, die einen höheren GdB als 70 begründet, wie ihn der Beklagte angenommen hat, konnte der Senat nicht feststellen. Wesentlich ist eine Änderung für die GdB-Feststellung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören, zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG Urteil vom 10.09.1997 – 9 RVs 15/96, BSGE 81, 50). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden. Hinsichtlich der bisher nicht festgesetzten, geltend gemachten Merkzeichen ist die Feststellung nach den Grundsätzen einer Erstfeststellung zu treffen.
Rechtsgrundlage für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX (§ 152 SGB IX) in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234), da maßgeblicher Zeitpunkt bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist, wobei es für laufende Leistungen auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum ankommt, für den die Leistungen begehrt werden; das anzuwendende Recht richtet sich nach der materiellen Rechtslage (Keller in: Meyer- Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 54 RdNr. 34). Nachdem § 241 Abs. 2 SGB IX lediglich eine (Übergangs-)Vorschrift im Hinblick auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz enthält, ist materiell-rechtlich das SGB IX in seiner derzeitigen Fassung anzuwenden.
Nach dessen § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderung solche Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt nach § 2 Abs.1 Satz 2 SGB IX liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des Grades der Behinderung, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Soweit noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Damit gilt weiterhin die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), deren Anlage zu § 2 die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG) beinhalten. Diese stellen – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX) anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX). Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, auch solche, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB, sondern der Gesamt-GdB ist durch einen Vergleich der im zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen – bei Feststellung der Schwerbehinderung ist der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen – zu bestimmen. Maßgeblich sind damit grundsätzlich weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 – L 8 SB 5215/13 – juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nämlich nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.
Auf hals-nasen-ohrenärztlichem Fachgebiet besteht bei der Klägerin eine beiderseitige, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit, wie der Senat der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. W. vom 23.02.2016 entnimmt, die nach der Tabelle VG Nr. 5.2.4 einen GdB von 70 bedingt. Soweit Dr. W. zusätzlich einen Tinnitus beschreibt, rechtfertigt sich hieraus kein höherer GdB, da VG Nr. 5.3. bestimmt, dass Ohrgeräusche ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen einen GdB von 0 – 10 bedingen. Solche psychischen Begleiterscheinungen konnte der Senat nicht feststellen, auch Dr. W. geht von solchen nicht aus und gelangt zu der Einschätzung eines GdB von 70.
Für die Wirbelsäule kann kein höherer Teil-GdB als 10 berücksichtigt werden. Nach den VG Teil B 18.9 ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 -, veröffentlicht in juris und im Internet sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z. B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist eine GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt, die jedoch bei der Klägerin nicht vorliegen und auch nicht geltend gemacht werden. Gestützt auf die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. W. vom 17.02.2016 (Blatt 25 SG-Akte) stellt der Senat fest, dass bei der Klägerin eine Verschmälerung des Bandscheibenraumes, eine Osteochondrose und Spondylose in Höhe L5/S1 besteht, sowie eine leichtgradige skoliotische Verbiegung nach rechts im Lumbothorakalbereich. Die Beweglichkeit bei Seitneigung ist schmerzhaft eingeschränkt, der Finger-Boden-Abstand wird mit 10 cm angegeben, Motorik und Sensibilität als unauffällig beschrieben und Parästhesien sowie Lähmungen verneint. Auch unter Berücksichtigung des Druckschmerzes und der Tonuserhöhung im Bereich der LWS liegen Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen vor, die einen Teil-GdB von 10 bedingen, wie ihn Dr. W. und Dr. L. ebenfalls angenommen haben.
Von Einschränkungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet, die einen weiteren Teil-GdB von wenigstens 20 begründen, konnte sich der Senat nicht überzeugen. Nach den VG Teil B 3.7 ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten. Dem Rehaentlassungsbericht der Klinik o. vom 17.04.2013 entnimmt der Senat, dass die Psyche als geordnet beschrieben wird, zum Verlauf der Rehabilitation wird ausgeführt, dass Ziel der Maßnahme die allgemeine psychophysische Stabilisierung gewesen ist und zur Stabilisierung psychovegetativer Funktionen und zur Verbesserung der allgemeinen Entspannungsfähigkeit die Teilnahme an einem psychologisch geführten Gruppenkurs zur Tiefmuskelentspannung erfolgte. Zum Rehabilitationsergebnis ist dargelegt, dass sich die Klägerin am Ende der Rehamaßnahme wieder besser belastbar und auch konditionell etwas gekräftigt gefühlt hat, eine Empfehlung für eine Weiterbehandlung auf psychiatrischem Fachgebiet lässt sich dem Bericht ebenso wenig entnehmen, wie eine entsprechende Medikation. Im Nachgang zu dem Entlassungsbericht kann der Senat eine psychiatrische Behandlung nicht feststellen, eine solche findet bis heute nicht statt, wie die Klägerin zuletzt im Schriftsatz vom 20.03.2017 (Blatt 20 Senatsakte) bestätigt hat. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. H. hat in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 23.02.2016 (Blatt 27 SG-Akte) Veränderungen im Gesundheitszustand verneint, keine Befunde auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet benannt und darauf hingewiesen, dass die Klägerin sich wegen unterschiedlichster Beschwerden, meist ohne Progression, vorgestellt hat. Aufgrund der fehlenden ärztlichen Behandlung kann nicht davon ausgegangen werden, dass das diagnostizierte seelische Leiden der Klägerin über eine leichtere psychische Störung hinausgegangen ist und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellte (dazu vgl. Senatsurteil vom 17.12.2010 - L 8 SB 1549/10, juris RdNr. 31). Ein entsprechender Leidensdruck der Klägerin, der bei einer stärker behindernden psychischen Störung zu erwarten wäre, findet sich nicht. Umstände, die der fehlenden Behandlung eine andere Indizwirkung zukommen lassen, wie z. B. die Nichtgenehmigung der Behandlung seitens der Krankenkasse oder eine lange Wartezeit vor der Behandlung, sind nicht ersichtlich.
Aus dem Sachverständigengutachten des Dr. K. ergibt sich nichts anderes. Seine GdB-Bewertung überzeugt den Senat nicht, denn der von ihm erhobene psychische Befund lässt keine stärker behindernde, einen GdB von 30 rechtfertigende Einschränkung der Klägerin erkennen. In der Exploration erlebte der Sachverständige die Klägerin freundlich zugewandt, kooperativ, niedergestimmt, nervös, kognitiv und psychomotorisch verlangsamt mit eingeschränkter affektiver Schwingungsfähigkeit bei angstvoll depressiver Grundstimmung, jedoch wach, zu allen Qualitäten ausreichend orientiert. Die Aufmerksamkeit, Konzentration und Mnestik waren ungestört. Das formale Denken war einfach strukturiert, aber geordnet. Die Klägerin erschien verlangsamt mit Grübelzwang, Gedankenkreisen und mit inhaltlichen Insuffizienzgefühlen, generalisierte Ängste mit innerer Unruhe, Anspannung und dem Gefühl ständiger Besorgnis, einer Sozialphobie, keine Ich-Störungen, keine Wahrnehmungsstörung, Antrieb und Psychomotorik etwas gemindert, Stimmung depressiv, nervös, ängstlich keine akute Suizidalität. Abgesehen davon, dass der psychopathologische Befund Wiederholungen (z.B. Depressivität, Nervosität, Ängstlichkeit) enthält, was auf eine ungenaue Überarbeitung von verwendeten Textbausteinen hindeutet, scheint die Diagnose einer mittelschweren Depressionen allein auf das Ergebnis des erhobenen psychometrischen Testverfahrens gestützt zu sein. Der nur "etwas geminderte" Antrieb und die nur "etwas geminderte" Psychomotorik sind nicht ohne weiteres vereinbar mit einer angeblich akuten mittelschweren Depression. Auch der Umfang des Grübelzwangs, des Gedankenkreisens und der Insuffizienzgefühle werden nicht mitgeteilt. Die vom Sachverständigen erhobene soziale Phobie wird allein auf die Beschwerdeangaben der Klägerin gestützt. Diese werden auch im Hinblick auf das Testverfahren unkritisch übernommen, obgleich Anlass zur nervenärztlichen Bewertung der Angaben bestanden hätte. So wird der Widerspruch in den Beschwerdenangaben, unter Antriebs- und Konzentrationsstörungen (mit Grübelzwang und Gedankenkreisen) zu leiden, zu dem vom Sachverständigen selbst erhobenen Befund ungestörter Aufmerksamkeit, Konzentration und Mnestik, nicht thematisiert, auch finden sich teilweise in den erhobenen Befunden widersprüchliche Beschreibungen, so wird die Klägerin einerseits introvertiert, schüchtern, kognitiv und psychomotorisch verlangsamt (Bl. 3 des Gutachtens) andererseits aber auch freundlich zugewandt und kooperativ geschildert. Trotz der diagnostizierten mittelgradigen Depression wird bestätigt, dass eine fachärztliche Behandlung auf psychiatrischem Fachgebiet weder in der Vergangenheit stattgefunden hat, noch gegenwärtig stattfindet. Bei diesem Befund hätte es einer tiefergehenden Auseinandersetzung bedurft, weshalb eine solche nicht in Anspruch genommen wurde oder wird. Soweit der Sachverständige auf eine depressive Symptomatik seit 1996/1997 infolge einer Inteferongabe verweist, stützt sich diese nur auf die Angaben der Klägerin, wie auch die übrige Befunderhebung. Den Umstand, dass bereits dem Widerspruchsschreiben der Klägerin vom 05.03.2012 (Blatt 22 VA) zu entnehmen ist, dass die Klägerin ihre Stimmung für missmutig, teilnahmslos und depressiv gehalten hat (Blatt 22 VA), ohne dass insoweit eine ärztliche Behandlung in Anspruch genommen oder ein entsprechender Befund dokumentiert worden ist, wird von Dr. K. ebenso wenig berücksichtigt, wie die Tatsache, dass der nachfolgende Rehaentlassungsbericht vom 17.04.2013 (Blatt 35 VA) eine relevante depressive Symptomatik gerade nicht bestätigt hat. In diesem wird vielmehr mitgeteilt, dass nach dem Aufnahmebefund die Psyche geordnet war und im Abschnitt "Beschwerdevorbringen" ist die Angabe der Klägerin angeführt, sie komme ganz gut zurecht. Damit übereinstimmend lässt sich dem Entlassungsbericht entnehmen, dass die Klägerin regelmäßig und motiviert an den verordneten Therapie- und Trainingsmöglichkeiten teilgenommen hat (Blatt 31 VA), sodass sich eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht begründen lässt. Woraus sich eine relevante Verschlechterung im Gesundheitszustand bis zum Untersuchungstermin bei Dr. K. ergeben sollte, kann dem Gutachten ebenfalls nicht entnommen werden. Vielmehr sind im Vordruck zum Neufeststellungsantrag vom 01.04.2015 Einschränkungen auf neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet nicht angegeben worden und solche finden sich auch nicht in den danach zu den Akten gelangten Arztbriefen der behandelnden Ärzte. Zwar ließ die Klägerin über ihren Bevollmächtigten durchgehend nur wenig spezifiziert "psychische Belastungen" angeben, so im anwaltlichen Antragschreiben vom 27.03.2015 (Bl. 50 VA), im Widerspruchsschreiben vom 21.10.2015 (Bl. 102/103 VA) und auch in der Klageschrift vom 23.12.2015, wobei gerade die im Rechtsbehelfsverfahren gerügte Nichtberücksichtigung psychischer Leiden nach dem Verfahrensgang eine Konkretisierung erfordert hätte, was wiederum dafür spricht, dass psychische Beeinträchtigungen selbst nicht als so bedeutend erachtet werden. Daher ist die Bewertung des Dr. K. anhand seiner selbst erhobenen Befunde nicht nachvollziehbar und es ist auch nicht zu erkennen, wie von ihm der GdB aus den VG abgeleitet wurde. Entsprechendes gilt dafür, dass Dr. S. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.10.2016 zu Recht darauf hingewiesen hat, dass es einer Längsschnittbetrachtung bedarf, wie aus VG Teil A 2 f) folgt. Dort ist nämlich bestimmt, dass Schwankungen im Gesundheitszustand mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen ist und bei der GdB-Beurteilung von dem durchschnittlichen Ausmaß der Beeinträchtigung ausgegangen werden muss. Eine einmalige, bei der Untersuchung durch Dr. K. erkennbare depressive Verstimmung – selbst in der von Dr. K. angenommenen Ausprägung einer mittelschweren Depression – ergäbe daher in der Längsschnittbetrachtung, da bisher nur einmal und auch nicht als fortbestehend dokumentiert, keine GdB-relevante Beeinträchtigung. Doch selbst wenn dies eine GdB-Bewertung von wenigstens 20 rechtfertigen würde, würde sich dies nicht auf den Gesamt-GdB auswirken, da GdB-Werte von 20 nicht regelhaft den Gesamt-GdB erhöhen und die eingeschränkte Alltagsaktivität, wie sie von Dr. K. in seinem Gutachten umschrieben ist, auch durch die Taubheit mitbedingt ist und die allenfalls nachgewiesene, zeitweise vorhandene depressive Stimmungslage den bereits mit einem GdB 70 erfassten Behinderungszustand nicht maßgeblich beeinflusst.
Einer Vernehmung des Dr. K. , wie von der Klägerin beantragt (Blatt 23 Senatsakte), zur Höhe des GdB bedurfte es nicht, da es sich bei der Höhe des GdB vorliegend gerade nicht um eine Tatsache handelt, wie die Klägerin meint, sondern um eine rechtliche Bewertung, die vom Senat vorzunehmen ist.
Nachdem es sich bei der Einschätzung des GdB nicht allein um eine medizinische Frage, sondern bei feststehendem medizinischen Befund nur noch um eine rechtliche Bewertung handelt, die dann nicht dem medizinischen Sachverständigen obliegt, kommt es darauf, wie Dr. K. den GdB oder dass er ihn mit wenigstens 80 einschätzt, nicht entscheidungserheblich an. Ob und zu welchen medizinischen Tatsachen der Sachverständige noch weiter gehört werden sollte, ist von der Klägerin nicht unter Beweis gestellt worden. Der Senat sieht sich zu einer ergänzenden Befragung des Sachverständigen auch nicht von Amts wegen veranlasst. Denn Lücken oder Unklarheiten aus Sicht des Sachverständigen sind nicht erkennbar. Der Senat konnte im Rahmen seiner Beweiswürdigung das Gutachten ohne offen gebliebene Fragen zu den Befunden oder gutachterlichen Folgerungen auswerten.
Soweit der Einschätzung des GdB auf 50 mit Bescheid vom 02.12.2013 ein Teil-GdB von 30 für eine chronische Leberentzündung zu Grunde gelegt wurde, kann ein solcher nicht mehr berücksichtigt werden. Der sachverständigen Zeugenauskunft des Gastroenterologen Prof. Dr. D. vom 01.03.2016 (Blatt 41 SG-Akte) entnimmt der Senat nämlich, dass die medikamentöse Behandlung der chronischen Hepatitis C zu einer kompletten Ausheilung geführt hat.
Hinsichtlich der Thrombozytopenie entnimmt der Senat der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. S. -K. vom 11.12.2017 (Blatt 38 Senatsakte), dass durch diese keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung besteht, da eine klinisch relevante Blutungsneigung bei den zuletzt festgestellten Thrombozytenwerten auszuschließen ist. Ein höherer Teil-GdB als 10 kann daher, in Übereinstimmung mit dem sachverständigen Zeugen, nicht berücksichtigt werden.
Nachdem die Klägerin die Feststellung eines höheren GdB als 70 nicht beanspruchen kann, konnte die Berufung keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
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