L 4 KR 4924/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 631/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4924/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. November 2017 wird verworfen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von EUR 63,07; vorrangig ist die Statthaftigkeit der Berufung zu klären.

Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 23. Oktober 2014 stellte die Beklagte das Ruhen der Leistungsansprüche vom 30. Oktober 2014 bis einschließlich 11. April 2016 fest.

Facharzt für Orthopädie B. verordnete dem Kläger unter dem 10. November 2015 eine Kniebandage "Bort StabilGen Eco". Den ihm hierfür vom Sanitätshaus K. mit Rechnung vom 18. Januar 2016 in Rechnung gestellten Betrag von EUR 63,07 zahlte der Kläger (Quittung vom 8. April 2016).

Mit Schreiben vom 1. Mai 2016 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter anderem die Erstattung der ihm hierfür entstandenen Kosten zuzüglich einer pauschalen Erstattung von Kosten in Höhe von EUR 15,00.

Mit Bescheid vom 11. Mai 2016, vom Kläger ausweislich handschriftlicher Anmerkung erhalten am 13. Mai 2016, lehnte die Beklagte unter anderem eine Kostenerstattung der Kniebandage mit der Begründung ab, zum Zeitpunkt der Verordnung habe sein Leistungsanspruch geruht.

Der Kläger erhob am 16. März 2017 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) mit dem Begehren, die Beklagte zur Entscheidung über seinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. Mai 2016 bezüglich der Kostenübernahme für die Kniebandage zu verurteilen. Er habe innerhalb der Monatsfrist hiergegen Widerspruch durch Einwurf des Widerspruchsschreibens am 13. Mai 2016 bei einer Geschäftsstelle der Beklagten in Balingen eingelegt, über den die Beklagte trotz Aufforderungsschreibens seines Prozessbevollmächtigten vom 24. November 2016 ohne zureichenden Grund nicht entschieden habe.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Ein Widerspruch sei bei ihr nicht eingegangen. In dem beim SG anhängig gewesenen Verfahren S 1 KR 1799/16 sei lediglich ein "Zettelvermerk" vorgelegt worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 23. November 2017 wies das SG die Klage ab. Die vom Kläger erhobene Untätigkeitsklage sei bereits unzulässig, da es an der zwingend erforderlichen Einlegung eines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 11. Mai 2016 fehle. Der Kläger habe zwar angegeben, ein Widerspruchsschreiben am 13. Mai 2016 bei der Geschäftsstelle der Beklagten in Balingen eingeworfen zu haben, jedoch weder einen entsprechenden Nachweis erbracht, noch eine Kopie seines Widerspruchsschreibens vorgelegt. In dem anhängig gewesenen Verfahren S 1 KR 1799/16 sei vom Kläger zwar in Kopie der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2016 mit einem angehefteten, mit "Widerspruch" überschriebenen, Notizzettel vorgelegt worden. Auch dies beweise jedoch nicht, dass damit bei der Beklagten ein Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. Mai 2016 eingelegt worden sei. Vielmehr habe der Sohn des Klägers im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 12. April 2017 im Verfahren S 1 KR 1799/16 hierzu angegeben, bei dem Notizzettel handele es sich um eine Merkstütze für ihn selbst. Der Sohn des Klägers, der auch hier sämtliche Verfahrenshandlungen für seinen Vater vorgenommen habe, räume damit selbst ein, dass dieser Notizzettel keine Widerspruchseinlegung, sondern lediglich eine Gedächtnisstütze für einen noch einzulegenden Widerspruch darstelle. An der noch im Verfahren S 1 KR 1799/16 zugunsten des Klägers erfolgten Annahme, bei dem an das Schreiben der Beklagten vom 11. Mai 2016 angehefteten Notizzettel handele es sich um einen Widerspruch, werde nicht mehr festgehalten. In der Rechtsmittelbelehrung nannte der Gerichtsbescheid das Rechtsmittel der Berufung.

Gegen den ihm am 29. November 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29. Dezember 2017 unter sinngemäßer Wiederholung seines bisherigen Vortrags beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt und die Beklagte zur Kostenerstattung in Höhe von EUR 63,07 "+ Säumniszuschläge" aufgefordert. Die Beklagte führe selbst im (vorgelegten) Schreiben vom 9. Mai 2017 aus, der Notizzettel sei als Widerspruch zu werten.

Der Kläger beantragt (teilweise sachgerecht gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. November 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seinen "Widerspruch vom 13. Mai 2016" gegen den Bescheid vom 11. Mai 2016 bezüglich der Kostenübernahme für die Kniebandage zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Sie verweist auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Gründe des Gerichtsbescheides. Der Kläger könne keinen Beweis darüber führen, dass er gegen den Bescheid vom 11. Mai 2017 Widerspruch eingelegt habe.

Mit Schreiben vom 6. Februar 2018 hat der Senat den Kläger darauf hingewiesen, dass die Berufung nicht zulässig sei, weil sie der – bislang nicht erfolgten – Zulassung bedurft hätte.

Der Kläger hat anschließend erklärt, die Berufung sei zulässig und Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellt.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Akte des SG im Verfahren S 1 KR 1799/16 sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung des Klägers ist unzulässig und daher gemäß § 158 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verwerfen.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier anwendbaren, ab 1. April 2008 geltenden Fassung, bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil bzw. – wenn wie vorliegend das SG durch Gerichtsbescheid entschied – in dem Gerichtsbescheid (§ 105 Abs. 2 Satz 1 SGG) des SGs, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, EUR 750,00 nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Betreffen die zu erlassenden Verwaltungsakte Geld-, Dienst- oder Sachleistungen, die einen Wert von EUR 750,00 nicht übersteigen, unterliegt auch die Untätigkeitsklage der Berufungsbeschränkung (ständige Rechtsprechung, z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 10. Oktober 2017 – B 12 KR 3/16 R – juris, Rn. 13).

Nach den für die Bestimmung des Beschwerdewertes maßgeblichen Ausführungen in der Berufungsschrift verlangt der Kläger die Bescheidung wegen der Zahlung von EUR 63,07. Mit dem Betrag von EUR 63,07 ist der für eine statthafte Berufung erforderliche Beschwerdewert von EUR 750,00 (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) nicht überschritten. Auch betrifft die Berufung nicht Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), weil es der Sache nach um die (einmalige) Kostenerstattung für eine Kniebandage geht.

Das SG hat die Berufung auch nicht zugelassen. Eine solche Zulassung ist weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheides vom 23. November 2017 erfolgt. Die beigefügte (und unzutreffende) Rechtsmittelbelehrung, nach der der Gerichtsbescheid mit der Berufung angefochten werden könnte, stellt keine Berufungszulassung dar (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSG, Beschluss vom 6. Oktober 2011 – B 9 SB 45/11 B – juris, Rn. 12).

Die Berufung ist ferner auch deshalb unzulässig, weil der Kläger beim SG mündliche Verhandlung beantragt hat (§ 105 Abs. 2 Satz 2 SGG). Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet nach § 105 Abs. 2 Satz 3 SGG mündliche Verhandlung statt. Der Antrag auf mündliche Verhandlung geht einem Rechtsmittel – hier der Berufung des Klägers – vor (BSG, Beschluss vom 17. November 2015 – B 1 KR 130/14 B – juris, Rn. 12). Der Gerichtsbescheid ist als möglicher Überprüfungsgegenstand eines zweitinstanzlichen Rechtsmittelverfahrens rechtlich nicht mehr existent, weil er nach § 105 Abs. 3 Halbsatz 2 SGG durch den Antrag auf Verhandlung als nicht ergangen gilt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

3. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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