Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 Al 97/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 242/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 35/99 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Arbeitnehmer im Sinne von § 141b Abs.1 Satz 1 AFG ist auch ein unter den Schutz der Richtlinie 80/987/EWG fallender Arbeitnehmer, der keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und seine Tätigkeit in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union ausgeübt hat.
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 4. Juni 1997 und der Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 1996 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis 31. März 1996 dem Grunde nach Konkursausfallgeld zu zahlen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch auf Konkursausfallgeld (Kaug) streitig.
Der am ...1941 geborene Kläger, französischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Frankreich, beantragte am 13.03.1996 Kaug. Er war als Leiter des Verbindungsbüros in Frankreich bei der Fa ... Werkzeugmaschinen AG, Berlin, beschäftigt gewesen. Im Anstellungsvertrag war als Dienstsitz der Wohnsitz des Klägers vereinbart. Darin erklärte der Kläger sein "ausdrückliches Einverständnis, innerhalb der Firma ... eine seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechende Tätigkeit zu übernehmen ..." (Nr.2). Die Arbeitszeit richtete sich laut Anstellungsvertrag nach den allgemeinen betrieblichen Regelungen für Führungskräfte und nach den Erfordernissen des Betriebes "mit der Maßgabe, daß die französische Feiertagsregelung" gelten sollte (Nr.3). Das in französischer Währung ausgewiesene Bruttojahresgehalt von 364.000 FF war vom Kläger in Frankreich selbst zu versteuern, die Sozialversicherungsbeiträge hatte er an die entsprechenden Einzugsstellen selbst abzuführen. Der nach französischem Recht auf den Arbeitgeber entfallende Anteil war von ihm vierteljährlich in Rechnung zu stellen (Nr.6). Schließlich sollte ergänzend das für Personen mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland anwendbare Recht Anwendung finden (Nr.21). Nach einem außergerichtlichen Vergleich vom 11.12.1995 endete das Arbeitsverhältnis aufgrund der Schließung des Büros in Paris am 31.05.1996. Am 01.04.1996 wurde über das Vermögen der Fa ... das Konkursverfahren eröffnet.
Mit Bescheid vom 13.06.1996 lehnte die Beklagte den Kaug-Antrag des Klägers ab; der Konkursverwalter habe in der Verdienstbescheinigung kein ausstehendes Arbeitsentgelt für den maßgeblichen Konkursausfallgeldzeitraum vom 01.01.1996 bis 31.03.1996 bescheinigt. Da die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mit Erfüllung des Vergleiches vom 11.12.1995 abgegolten seien, bestehe kein Anspruch auf Kaug.
Den Widerspruch des Klägers vom 09.07.1996, den er damit begründete, daß lt. Vergleich das Arbeitsentgelt fortzuzahlen gewesen sei, was jedoch tatsächlich ab 01.01.1996 nicht mehr geschehen sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.1996 als unbegründet zurück; der Bescheid sei, wenn auch nur im Ergebnis, richtig gewesen. Der Kläger habe keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Auch habe der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Arbeitsentgeltanspruches bzw. des ihm zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses nicht im Inland gelegen. Er sei nicht Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland, sei bei Abschluß des Arbeitsvertrages in Frankreich wohnhaft gewesen und habe diesen Wohnsitz beibehalten. Laut Anstellungsvertrag sei sein Dienstsitz mit seinem Wohnsitz identisch gewesen. Für das Arbeitsverhältnis habe zumindest nicht ausschließlich deutsches Arbeitsrecht gegolten.
Gegen den am 14.11.1996 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 12.02.1997 Klage zum Sozialgericht Nürnberg; er sei als Arbeitnehmer für eine deutsche Firma mit Sitz in Deutschland tätig gewesen, für den Abschluß eines Arbeitsvertrages wie für die Geltung seines Arbeitsverhältnisses sei gemäß § 21 seines Arbeitsvertrages deutsches Arbeitsrecht maßgeblich gewesen. Es widerspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, anzunehmen, daß eine deutsche Firma, die ihre sämtlichen Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse nach deutschem Recht gestalte und sich an den Vorschriften des deutschen Arbeitsrechts orientiere, bei einem Vertrag mit einem französischen Staatsbürger das Arbeitsverhältnis gänzlich anders, d.h. überwiegend nach französischen Maßstäben ausrichte. Vielmehr dominierten auch in seinem Arbeitsverhältnis die Grundsätze des deutschen Arbeitsrechts. Daß das Arbeitsentgelt letztlich nach französischem Recht versteuert bzw. auch Versicherungsbeiträge danach abgeführt worden sein, könne nicht angeführt werden. Dies berühre nicht das Entstehen des Entgeltanspruches an sich, sondern lediglich dessen weitere Verwendung durch den Arbeitnehmer selbst. Demzufolge liege sowohl der Schwerpunkt der rechtlichen als auch der tatsächlichen Merkmale in Deutschland. So sei der Vertrag in deutscher Sprache abgefaßt. Sämtliche Korrespondenz mündlicher oder schriftlicher Art sei deutsch geführt worden. Er sei direkt dem Verkaufsleiter der Firma in Deutschland unterstellt gewesen. Er habe dort seine Geschäftstätigkeit darzustellen und entsprechende Direktiven in Empfang zu nehmen gehabt. Trotz der räumlichen Ungebundenheit haben sich die Arbeitszeit und ihre Einteilung nach den allgemeinen betrieblichen Regelungen für Führungskräfte des Arbeitgebers gerichtet, was ebenfalls für eine enge Integration in den Betrieb in Deutschland spreche. Entscheidend sei aber, daß die Versagung des Konkursausfallgeldes im vorliegenden Fall eine Verletzung des EWG-Vertrages und der dort verankerten Prinzipien darstelle, wobei insbesondere an die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu denken sei. Das Konkursausfallgeld werde gezahlt, weil ein inländischer Betrieb in Deutschland in Konkurs gefallen sei, da es eben den Entgeltanspruch des Arbeitnehmers gegen den in Konkurs gefallenen Betrieb, also den Arbeitgeber, ersetzen solle. Dieser Schutz zu Gunsten des Arbeitnehmers dürfe nicht nur für inländische Arbeitnehmer gelten, wenn dem AFG kein diskriminierender Charakter eigen sein solle. Das wäre aber der Fall, wenn Arbeitnehmer aus Mitgliedstaaten von diesem Schutz ausgeschlossen würden.
Mit Urteil vom 04.06.1997 wies das Sozialgericht Nürnberg die Klage ab; zwar würde an sich der Wohnsitz in Frankreich einem Anspruch auf Kaug nicht entgegenstehen, wenn der Kläger als Grenzgänger für die Fa ... tätig geworden oder er von der Firma ... für einen bestimmten Zeitraum nach Frankreich entsandt worden wäre. Beides liege jedoch nicht vor.
Gegen das am 26.06.1997 zugestellte Urteil legte der Kläger am 25.07.1997 Berufung ein; Art.48 EWG-Vertrag führe nicht nur zur Anwendbarkeit des AFG auf den Kläger, sondern verbiete darüber hinaus sogar die Anwendung des Wohnsitzgrundsatzes und des Ausstrahlungsgrundsatzes. Art.48 Abs.2 des EWG-Vertrages sowie Art.7 Abs.2 der VO 1612/68 sähen eine Abschaffung der unterschiedlichen Behandlung von europäischen Arbeitnehmern gerade im Hinblick auf Sozialleistungen vor. Dennoch resultiere aus dem Wohnsitzgrundsatz im Sinne des SGB I und dem Ausstrahlungsgrundsatz des SGB IV eine solche unterschiedliche Behandlung. Dies gelte jedenfalls dann, wenn diese jeweiligen Grundsätze auf Sozialleistungen angewandt würden, deren unmittelbarer Bezugspunkt und Schutzzweck nicht lediglich an der Ermöglichung einer Existenz im jeweiligen Mitgliedstaat ausgerichtet sei, sondern darüber hinausgehe. Dies werde besonders deutlich am Beispiel des Kaug, welches den Arbeitnehmer vornehmlich davor schützen solle, selbst seine Ansprüche auf Entgeltzahlung verfolgen zu müssen. Dieser Schutzzweck, der dem französischen Arbeitnehmer ebenso zugute kommen müsse, wie dem deutschen, werde durch die Anwendung der obengenannten Grundsätze unterlaufen. Das internationale Insolvenzrecht sei längst nicht dahingehend gediehen, daß ein inländischer Konkurs im Ausland automatisch anerkannt würde. Dem Kläger stehe somit nach französischem Recht kein Anspruch auf Kaug zu.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.06. 1997 und den Bescheid der Beklagten vom 13.06.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10. 1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 01.01.1996 bis 31.03.1996 dem Grunde nach Konkursausfallgeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, daß ein Anspruch des Klägers aus den im Ersturteil genannten Gründen verneint werden müsse.
Beide Beteiligten erklärten sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Beigezogen waren die Kaug-Akte der Beklagten und die erstinstanzliche Verfahrensakte. Wegen des Sachverhalts wird ergänzend auf die beigezogenen Akten und die Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 151 Abs.1, 143 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); insbesondere bedurfte sie nicht der besonderen Zulassung gemäß § 144 Abs.1 SGG, weil der Wert des streitigen Anspruchs auf Kaug 1.000,- DM übersteigt.
Das Rechtsmittel ist auch begründet.
Mit der zutreffenden kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs.4 SGG) begehrt der Kläger Kaug dem Grunde nach.
Gemäß §§ 141a, 141b Abs.1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Kaug, der bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat. Die Vorschriften des AFG über das Kaug waren auch nach Inkrafttreten des SGB III bis 31.12.1998 weiterhin anzuwenden und wurden durch die Vorschriften über das Insolvenzgeld erst mit Wirkung zum 01.01.1999 abgelöst (Art.83 Abs.5 AFRG vom 24.03.1997, BGBl. I, 594). Vorliegend ist ein Anspruch streitig, der den Voraussetzungen nach noch zeitlich vor Inkrafttreten dieser neuen Vorschriften liegt.
Die Voraussetzungen für den Kaug-Anspruch nach §§ 141a ff. AFG sind erfüllt. Der Kläger hatte als Arbeitnehmer bei der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers aus den letzten, der Eröffnung des Konkursverfahrens vorangehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses, nämlich vom 01.01.1996 bis 31.03.1996, noch Anspruch auf Arbeitsentgelt (§ 141b Abs.1 S.1 AFG). Dabei handelt es sich um einen Anspruch im Sinne des § 141b Abs.2 AFG, wobei die Qualität als Masseschuld nach § 59 Abs.1 Nr.3a Konkursordnung nicht dadurch beeinträchtigt wird, daß der Kläger weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (vgl. BSG vom 21.09.1983, SozR 4100 § 141b Nr.28 = SGb 1984, 362).
Der Anspruch des Klägers auf Kaug besteht unabhängig davon, daß er seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich hatte, und unabhängig davon, daß er in dieser Zeit nicht Grenzgänger im Sinne von Art.71 Abs.1b ii. EWG-VO 1408/71 war. Nach § 30 Abs.1 SGB I gelten die Vorschriften des SGB für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben, somit in der Bunderepublik Deutschland. Da das AFG zu den besonderen Teilen des SGB gehört (Art.II § 1 Nr.2 SGB I), gilt dies grundsätzlich auch für das Kaug-Recht. Allerdings läßt der Vorbehalt des § 30 Abs.2 und § 37 SGB I die Möglichkeit zu, daß der Wohnsitz oder ständige Aufenthalt durch andere Anknüpfungspunkte teilweise oder vollständig verdrängt wird (von Maydell, GK-SGB I, 3.Auflage, Rdnr.64 zu § 30). Dies geschieht unter anderem durch das geschriebene oder ungeschriebene sogenannte internationale Sozialrecht, das mit seinen sogenannten Kollisionsnormen bezweckt, die eigene nationale Rechtsordnung an die Besonderheiten der Sachverhalte mit Auslandsberührung anzupassen (vgl. von Maydell, a.a.O., Rdnr.27 zu § 30; BSG vom 21.09.1983, SozR 4100 § 141b Nr.28, S.108). Zu diesen Kollisionsnormen des nationalen Rechts zählen insbesondere die §§ 4 und 5 SGB IV.
Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für die Anwendung der Vorschriften der §§ 141a ff. AFG bei einer Beschäftigung mit Auslandsberührung darauf an, ob der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale dieses Arbeitsverhältnisses im Inland lag (BSG vom 21.09.1983, a.a.O. BSG vom 21.02.1984, SozR 4100 § 141b Nr.31 = BSGE 56, 201 = SGb 85, 208; BSG vom 23.02.1994, SozR 3-4100 § 141b Nr.9 = Breith. 1995, 150). Ausgehend davon, daß § 30 Abs.1 SGB I Kaug grundsätzlich im Inland wohnenden Arbeitnehmern zugute kommt, nimmt das BSG unter Anwendung des in § 4 SGB IV i.V.m. § 173a AFG geregelten Grundsatzes der Ausstrahlung einen Kaug-Schutz bei ins Ausland entsandten Arbeitnehmern an. Voraussetzung dafür ist jedoch, daß die in § 4 SGB IV enthaltene Voraussetzung gegeben ist, daß die im Ausland beschäftigte Person - jedenfalls ursprünglich - in ein Gebiet außerhalb des Geltungsbereiches des AFG entsandt worden war (BSG vom 23.02.1994, a.a.O.; BSG vom 27.05.1986, SozR 2100 § 4 Nr.3 = BSGE 60, 96).
Nach der Entscheidung des BSG vom 21.09.1983 (SozR 4100 § 141b Nr.28) kann ein Kaug-Anspruch aber auch dann bestehen, wenn nicht alle Voraussetzungen einer "Entsendung" erfüllt sind, so etwa, wenn der Arbeitnehmer im Ausland eingestellt worden ist, ohne einen inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zu haben. Da der wesentliche Anknüpfungspunkt der arbeitsrechtliche Entgeltanspruch ist, wird der Arbeitnehmer jedenfalls auch dann von der Kaug-Versicherung erfaßt, wenn insoweit erhebliche Berührungspunkte zur deutschen Rechtsordnung bestehen, aus denen zu folgern ist, daß der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers im Inland lag.
Vorliegend läßt sich mit der erforderlichen Klarheit ein solcher Schwerpunkt nicht ausmachen. Als Berührungspunkte zur französischen Rechtsordnung bei der vertraglichen Ausgestaltung des Anstellungsverhältnisses sind die Übernahme der französischen Feiertagsregelung, die Vereinbarung des Entgelts in französischer Währung, die Versteuerung und Abführung der Sozialversicherungsbeiträge und die Einhaltung der nach französischem Recht vorgeschriebenen arbeitsmedizinischen Untersuchungspflicht anzunehmen. Diese Nennung von Einzelpunkten macht andererseits deutlich, daß im übrigen - und somit grundsätzlich - deutsches Recht gelten sollte. Dem entspricht die Geltungsklausel Nr.21 des Anstellungsvertrages. Dennoch entsprach das Gesamtbild, unter Berücksichtigung der Einstellung, des Zwecks seiner Tätigkeit, des Dienstsitzes und der angelegten Dauer der Auslandstätigkeit demjenigen einer Ortskraft.
Ein Kaug-Anspruch besteht nach der Rechtsprechung des BSG auch dann, wenn die Voraussetzungen der Entsendung mangels vorheriger Inlandsbeschäftigung nicht erfüllt sind, der rechtliche und tatsächliche Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses wegen der Beschäftigung beim inländischen Arbeitgeber gleichwohl im Inland liegt. Denn unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 5 SGB IV (Einstrahlung) ist das Kaug-Recht auf eine geplante Beschäftigung des Betroffenen im Inland anwendbar (BSG vom 23.02.1994, a.a.O.). Gegenstand des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber war dagegen eine ausschließliche Tätigkeit in Frankreich. Allerdings bestand die Verpflichtung zur Übernahme einer entsprechenden Tätigkeit innerhalb der Firma (Nr.2 Anstellungsvertrag). Auch war die ursprüngliche Klausel einer ausschließlichen Verwendung in Frankreich (Nr.12 Abs.4 Anstellungsvertrag) gestrichen worden. Eine Tätigkeit in Deutschland war somit prinzipiell nicht ausgeschlossen, wenn auch nicht aktuell geplant oder beabsichtigt.
Die im Sinne dieser Rechtsprechung aufgezeigten Indizien sind nicht ausreichend, um einen Anspruch des Klägers zu begründen. Dies kann jedoch letztlich dahinstehen, da die Anspruchsvoraussetzungen für den Kaug-Anspruch im Lichte der EWG-Richtlinie über den Schutz des Arbeitnehmers bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers auszulegen sind.
Der Ausschluß eines Anspruchs des Klägers auf Kaug würde eine Verletzung des Art.48 EWG-Vertrag darstellen. Der aus Art.48 EWG-Vertrag erwachsenen Herstellung der Freizügigkeit ist entsprechend Art.49 EWG-Vertrag im wesentlichen durch die EWG-VO Nr.1408/71, EWG-VO 574/92 und EWG-VO Nr.1612/68 fortschreitend entsprochen worden. Hierzu zählt auch die Richtlinie des Rates vom 20.10.1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (Amtsblatt der EG vom 28.10.1980 Nr.L 283/23). Durch diese sogenannte EWG-Insolvenzrichtlinie soll der Arbeitnehmerschutz bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers gesichert und entsprechend einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Gemeinschaft angenähert werden.
Nach Art.3 der Richtlinie 80/987/EWG müssen die Mitgliedsstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit die Garantieeinrichtungen die Befriedigung der nichterfüllten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen, die das Arbeitsentgelt für den vor einem bestimmten Zeitpunkt liegenden Zeitraum betreffen, sicherstellen. Die Richtlinie vom 20.10.1980 bedarf zu ihrer Geltung der Umsetzung in nationales Recht. Bei Nichtumsetzung oder unvollständiger bzw. fehlerhafter Umsetzung der Richtlinie haftet ein Mitgliedsstaat für die Schäden, die dem einzelnen dadurch entstehen (EuGH vom 19.11. 1991 - Rs. C-6/90 und 9/90 -, NJW 1992, 165; EuGH vom 16.12. 1993 - Rs. C-334/92 - NJW 1994, 921). Der deutsche Gesetzgeber ging erkennbar davon aus, daß durch die bereits mit Gesetz über das Konkursausfallgeld vom 17.07.1974 (BGBl.I 1481) in das AFG eingefügten Kaug-Normen eine der Richtlinie entsprechende Regelung geschaffen war. Denn der Gesetzgeber hat zahlreiche Änderungen des AFG nach 1980 - darunter auch Kaug-Vorschriften - vorgenommen, ohne sich veranlaßt zu sehen, eine Anpassung an die Erfordernisse der Richtlinie durchzuführen.
Die geltenden Kaug-Vorschriften enthalten keine dem § 30 Abs.1 SGB I vorrangige Vorschrift über den Geltungsbereich. Anspruchsberechtigt ist nach § 141b Abs.1 Satz 1 AFG ein "Arbeitnehmer". Der Arbeitnehmerbegriff ist im AFG nicht selbständig definiert. Im Kaug-Recht wird vielmehr regelmäßig auf den Arbeitnehmerbegriff zurückgegriffen, wie er nach den Grundsätzen des Arbeitsrechts (vgl. BSG vom 08.04.1992, SozR 3-4100 § 141a AFG) für die §§ 13, 101 Abs.1 und § 168 Abs.1 AFG entwickelt wurde (vgl. BSG vom 11.03.1976, BSGE 41, 229 = SozR 4100, § 101 Nr.1; BSG vom 29.07.1982, SozR 2100 § 7 Nr.7; Peters-Lange in Gagel, AFG, § 141a Rdnr.4). Wesentliches Merkmal ist danach die Beschäftigung in persönlicher Abhängigkeit. In diesem Sinne ist der Kläger offensichtlich Arbeitnehmer, wie der Arbeitsvertrag und seine Durchführung ausweisen und wie zudem unter den Beteiligten auch nicht streitig ist. Für den Begriff in diesem Sinne ist unerheblich, wo der Wohnort des Arbeitnehmers ist und wo die Tätigkeit ausgeübt wird. Da es sich beim Kaug um eine eigenständige Leistung handelt, muß allerdings der räumliche Anwendungsbereich autonom bestimmt werden (von Maydell, GK-SGB I, 3. Auflage, Rdnr.96 zu § 30; Birk in Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, 1975, 605, 643).
Dem internationalen Sozialrecht sind auch die Sachnormen zuzurechnen. Sie bestimmen nicht ausschließlich das anwendbare Recht, sondern enthalten eine materielle Regelung, etwa die einer Bestimmung über eine Leistungsgewährung bei Auslandsaufenthalt (vgl. von Maydell, Zeitschrift für Sozialreform, 1972, S.264). Als eine solche Sachnorm muß § 141b Abs.1 Satz 1 AFG verstanden werden, und zwar in dem Sinne, daß der Kläger als ein durch die Richtlinie 80/987/EWG geschützter Arbeitnehmer gegenüber der Beklagten als Garantieeinrichtung des Staates einen Anspruch auf Kaug hat, in dessen Gebiet gemäß Art.2 Abs.1 der Richtlinie die Eröffnung des Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung beschlossen und die Beiträge für den Arbeitgeber erhoben wurden.
Der EuGH hatte in seiner Entscheidung vom 17.09.1997 (Rs. C-117 /96, EuGHE I 1997, 5017 = NZA 1997, 1155) über die zuständige Garantieeinrichtung für die Ansprüche einer Arbeitnehmerin zu entscheiden, die in Dänemark wohnte und für einen - später zahlungsunfähigen - englischen Arbeitgeber ausschließlich außerhalb Großbritanniens tätig gewesen war. Der EuGH hat in dieser Entscheidung ausgeführt, daß die Richtlinie 80/987/EWG den Arbeitnehmern, die Opfer der Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers geworden sind, ein Mindestmaß an Schutz gewähren will, ohne daß sie (insbesondere in Art.1 I der Richtlinie) ihren Anwendungsbereich auf den Fall beschränkt, daß der Wohnort des Arbeitnehmers oder der Ort, in dem er seine Arbeitnehmertätigkeit ausübt, nicht mit dem Ort der Niederlassung übereinstimmt. Die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts, so der EuGH, das im übrigen die Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft gewährleistet und damit Sachverhalte fördert, die einen Auslandsbezug aufweisen, erfordert diese Auslegung der Richtlinie, die nach ihrer zweiten Begründungserwägung darauf gerichtet ist, die zwischen den Mitgliedern bestehenden Unterschiede zu verringern, die sich auf das Funktionieren des gemeinsamen Marktes unmittelbar auswirken können. Aus der Systematik der Richtlinie entwickelt sodann der EuGH die Antwort nach der zuständigen Garantieeinrichtung, wobei einmal der Mittelpunkt des Insolvenzverfahrens und zum anderen die für den zahlungsunfähigen Arbeitgeber zuständige Stelle für die Beitragserhebung als bestimmend herangezogen wurden.
Der Kläger fällt als französischer Staatsbürger und Arbeitnehmer eines Arbeitgebers mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat unter den Schutz der Richtlinie 80/987/EWG, mit der die Mitgliedstaaten verpflichtet wurden, Bestimmungen zu schaffen, die die Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen und insbesondere die Zahlung ihrer nicht erfüllten Ansprüche unter Berücksichtigung der Notwendigkeit einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Gemeinschaft gewährleisten. Dieser Schutz kann für den Kläger nur erreicht werden, wenn die deutschen Schutzvorschriften so ausgelegt werden, daß der Anspruch des Klägers durch diese nicht ausgeschlossen wird. Denn die Bestimmung des Begriffs des Arbeitnehmers ist nach Art.2 II Richtlinie 80/98 7/EWG dem einzelstaatlichen Recht überlassen.
Der Kläger kann als anspruchsberechtigter Arbeitnehmer im Sinne des § 141 b Abs.1 Satz 1 AFG Kaug erhalten. Dieser Versicherungsschutz kommt ihm unter Berufung auf die Bestimmungen der Richtlinie 80/987/EWG zu.
Jedes nationale Gericht hat bei der Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts davon auszugehen, daß der Staat die Absicht hatte, den sich aus der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen in vollem Umfang nachzukommen. Das nationale Gericht muß, soweit es bei der Anwendung des nationalen Rechts - gleich, ob es sich um vor- oder nach der Richtlinie erlassene Vorschriften handelt - dieses Recht auslegt, seine Auslegung soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie ausrichten, um das von ihr verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Art.189 Abs.3 EWGV nachzukommen. Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung gilt für ein nationales Gericht besonders dann, wenn ein Mitgliedstaat der Ansicht war, daß die bereits geltenden Vorschriften seines nationalen Rechts den Anforderungen der betreffenden Richtlinie genügen (so EuGH Urteil vom 16.12.1993 - Rs. C-334/92 - , NJW 1994, 921; vgl. auch EuGH vom 05.10.1994 - RS. C - 165/91 -, SozR 3-6083 Art.4 Nr.8). Daß der deutsche Gesetzgeber dieser Ansicht war, wurde bereits ausgeführt. Als eigenständige Versicherungsleistung widerspricht eine eigenständige Auslegung des Anspruchsberechtigten im Kaug-Recht nicht den übrigen Leistungsbereichen des AFG. Sie widerspricht auch nicht dem vom BSG herausgestellten Anknüpfungspunkt des arbeitsrechtlichen Entgeltanspruchs. Vor allem entspricht sie dem Schutzgedanken zur Sicherung der nicht erfüllten Ansprüche bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nach europarechtlichen Maßstäben. Als Arbeitnehmer im Sinne des § 141b Abs.1 Satz 1 AFG ist folglich auch ein Arbeitnehmer anzusehen, der wie der Kläger als Angehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und der seine Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der EU ausübt.
Dementsprechend war das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg aufzuheben und unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide dem Kläger Konkursausfallgeld dem Grunde nach zuzusprechen.
Gemäß §§ 124 Abs.2, 153 Abs.1 SGG konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; entsprechend dem Verfahrensausgang ist danach die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Da der Frage einer derartig erweiterten Auslegung der Anspruchsberechtigten im Kaug-Recht grundsätzliche Bedeutung zukommt, war die Revision gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 SGG zuzulassen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch auf Konkursausfallgeld (Kaug) streitig.
Der am ...1941 geborene Kläger, französischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Frankreich, beantragte am 13.03.1996 Kaug. Er war als Leiter des Verbindungsbüros in Frankreich bei der Fa ... Werkzeugmaschinen AG, Berlin, beschäftigt gewesen. Im Anstellungsvertrag war als Dienstsitz der Wohnsitz des Klägers vereinbart. Darin erklärte der Kläger sein "ausdrückliches Einverständnis, innerhalb der Firma ... eine seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechende Tätigkeit zu übernehmen ..." (Nr.2). Die Arbeitszeit richtete sich laut Anstellungsvertrag nach den allgemeinen betrieblichen Regelungen für Führungskräfte und nach den Erfordernissen des Betriebes "mit der Maßgabe, daß die französische Feiertagsregelung" gelten sollte (Nr.3). Das in französischer Währung ausgewiesene Bruttojahresgehalt von 364.000 FF war vom Kläger in Frankreich selbst zu versteuern, die Sozialversicherungsbeiträge hatte er an die entsprechenden Einzugsstellen selbst abzuführen. Der nach französischem Recht auf den Arbeitgeber entfallende Anteil war von ihm vierteljährlich in Rechnung zu stellen (Nr.6). Schließlich sollte ergänzend das für Personen mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland anwendbare Recht Anwendung finden (Nr.21). Nach einem außergerichtlichen Vergleich vom 11.12.1995 endete das Arbeitsverhältnis aufgrund der Schließung des Büros in Paris am 31.05.1996. Am 01.04.1996 wurde über das Vermögen der Fa ... das Konkursverfahren eröffnet.
Mit Bescheid vom 13.06.1996 lehnte die Beklagte den Kaug-Antrag des Klägers ab; der Konkursverwalter habe in der Verdienstbescheinigung kein ausstehendes Arbeitsentgelt für den maßgeblichen Konkursausfallgeldzeitraum vom 01.01.1996 bis 31.03.1996 bescheinigt. Da die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mit Erfüllung des Vergleiches vom 11.12.1995 abgegolten seien, bestehe kein Anspruch auf Kaug.
Den Widerspruch des Klägers vom 09.07.1996, den er damit begründete, daß lt. Vergleich das Arbeitsentgelt fortzuzahlen gewesen sei, was jedoch tatsächlich ab 01.01.1996 nicht mehr geschehen sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.1996 als unbegründet zurück; der Bescheid sei, wenn auch nur im Ergebnis, richtig gewesen. Der Kläger habe keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Auch habe der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Arbeitsentgeltanspruches bzw. des ihm zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses nicht im Inland gelegen. Er sei nicht Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland, sei bei Abschluß des Arbeitsvertrages in Frankreich wohnhaft gewesen und habe diesen Wohnsitz beibehalten. Laut Anstellungsvertrag sei sein Dienstsitz mit seinem Wohnsitz identisch gewesen. Für das Arbeitsverhältnis habe zumindest nicht ausschließlich deutsches Arbeitsrecht gegolten.
Gegen den am 14.11.1996 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 12.02.1997 Klage zum Sozialgericht Nürnberg; er sei als Arbeitnehmer für eine deutsche Firma mit Sitz in Deutschland tätig gewesen, für den Abschluß eines Arbeitsvertrages wie für die Geltung seines Arbeitsverhältnisses sei gemäß § 21 seines Arbeitsvertrages deutsches Arbeitsrecht maßgeblich gewesen. Es widerspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, anzunehmen, daß eine deutsche Firma, die ihre sämtlichen Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse nach deutschem Recht gestalte und sich an den Vorschriften des deutschen Arbeitsrechts orientiere, bei einem Vertrag mit einem französischen Staatsbürger das Arbeitsverhältnis gänzlich anders, d.h. überwiegend nach französischen Maßstäben ausrichte. Vielmehr dominierten auch in seinem Arbeitsverhältnis die Grundsätze des deutschen Arbeitsrechts. Daß das Arbeitsentgelt letztlich nach französischem Recht versteuert bzw. auch Versicherungsbeiträge danach abgeführt worden sein, könne nicht angeführt werden. Dies berühre nicht das Entstehen des Entgeltanspruches an sich, sondern lediglich dessen weitere Verwendung durch den Arbeitnehmer selbst. Demzufolge liege sowohl der Schwerpunkt der rechtlichen als auch der tatsächlichen Merkmale in Deutschland. So sei der Vertrag in deutscher Sprache abgefaßt. Sämtliche Korrespondenz mündlicher oder schriftlicher Art sei deutsch geführt worden. Er sei direkt dem Verkaufsleiter der Firma in Deutschland unterstellt gewesen. Er habe dort seine Geschäftstätigkeit darzustellen und entsprechende Direktiven in Empfang zu nehmen gehabt. Trotz der räumlichen Ungebundenheit haben sich die Arbeitszeit und ihre Einteilung nach den allgemeinen betrieblichen Regelungen für Führungskräfte des Arbeitgebers gerichtet, was ebenfalls für eine enge Integration in den Betrieb in Deutschland spreche. Entscheidend sei aber, daß die Versagung des Konkursausfallgeldes im vorliegenden Fall eine Verletzung des EWG-Vertrages und der dort verankerten Prinzipien darstelle, wobei insbesondere an die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu denken sei. Das Konkursausfallgeld werde gezahlt, weil ein inländischer Betrieb in Deutschland in Konkurs gefallen sei, da es eben den Entgeltanspruch des Arbeitnehmers gegen den in Konkurs gefallenen Betrieb, also den Arbeitgeber, ersetzen solle. Dieser Schutz zu Gunsten des Arbeitnehmers dürfe nicht nur für inländische Arbeitnehmer gelten, wenn dem AFG kein diskriminierender Charakter eigen sein solle. Das wäre aber der Fall, wenn Arbeitnehmer aus Mitgliedstaaten von diesem Schutz ausgeschlossen würden.
Mit Urteil vom 04.06.1997 wies das Sozialgericht Nürnberg die Klage ab; zwar würde an sich der Wohnsitz in Frankreich einem Anspruch auf Kaug nicht entgegenstehen, wenn der Kläger als Grenzgänger für die Fa ... tätig geworden oder er von der Firma ... für einen bestimmten Zeitraum nach Frankreich entsandt worden wäre. Beides liege jedoch nicht vor.
Gegen das am 26.06.1997 zugestellte Urteil legte der Kläger am 25.07.1997 Berufung ein; Art.48 EWG-Vertrag führe nicht nur zur Anwendbarkeit des AFG auf den Kläger, sondern verbiete darüber hinaus sogar die Anwendung des Wohnsitzgrundsatzes und des Ausstrahlungsgrundsatzes. Art.48 Abs.2 des EWG-Vertrages sowie Art.7 Abs.2 der VO 1612/68 sähen eine Abschaffung der unterschiedlichen Behandlung von europäischen Arbeitnehmern gerade im Hinblick auf Sozialleistungen vor. Dennoch resultiere aus dem Wohnsitzgrundsatz im Sinne des SGB I und dem Ausstrahlungsgrundsatz des SGB IV eine solche unterschiedliche Behandlung. Dies gelte jedenfalls dann, wenn diese jeweiligen Grundsätze auf Sozialleistungen angewandt würden, deren unmittelbarer Bezugspunkt und Schutzzweck nicht lediglich an der Ermöglichung einer Existenz im jeweiligen Mitgliedstaat ausgerichtet sei, sondern darüber hinausgehe. Dies werde besonders deutlich am Beispiel des Kaug, welches den Arbeitnehmer vornehmlich davor schützen solle, selbst seine Ansprüche auf Entgeltzahlung verfolgen zu müssen. Dieser Schutzzweck, der dem französischen Arbeitnehmer ebenso zugute kommen müsse, wie dem deutschen, werde durch die Anwendung der obengenannten Grundsätze unterlaufen. Das internationale Insolvenzrecht sei längst nicht dahingehend gediehen, daß ein inländischer Konkurs im Ausland automatisch anerkannt würde. Dem Kläger stehe somit nach französischem Recht kein Anspruch auf Kaug zu.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.06. 1997 und den Bescheid der Beklagten vom 13.06.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10. 1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 01.01.1996 bis 31.03.1996 dem Grunde nach Konkursausfallgeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, daß ein Anspruch des Klägers aus den im Ersturteil genannten Gründen verneint werden müsse.
Beide Beteiligten erklärten sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Beigezogen waren die Kaug-Akte der Beklagten und die erstinstanzliche Verfahrensakte. Wegen des Sachverhalts wird ergänzend auf die beigezogenen Akten und die Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 151 Abs.1, 143 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); insbesondere bedurfte sie nicht der besonderen Zulassung gemäß § 144 Abs.1 SGG, weil der Wert des streitigen Anspruchs auf Kaug 1.000,- DM übersteigt.
Das Rechtsmittel ist auch begründet.
Mit der zutreffenden kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs.4 SGG) begehrt der Kläger Kaug dem Grunde nach.
Gemäß §§ 141a, 141b Abs.1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Kaug, der bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat. Die Vorschriften des AFG über das Kaug waren auch nach Inkrafttreten des SGB III bis 31.12.1998 weiterhin anzuwenden und wurden durch die Vorschriften über das Insolvenzgeld erst mit Wirkung zum 01.01.1999 abgelöst (Art.83 Abs.5 AFRG vom 24.03.1997, BGBl. I, 594). Vorliegend ist ein Anspruch streitig, der den Voraussetzungen nach noch zeitlich vor Inkrafttreten dieser neuen Vorschriften liegt.
Die Voraussetzungen für den Kaug-Anspruch nach §§ 141a ff. AFG sind erfüllt. Der Kläger hatte als Arbeitnehmer bei der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers aus den letzten, der Eröffnung des Konkursverfahrens vorangehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses, nämlich vom 01.01.1996 bis 31.03.1996, noch Anspruch auf Arbeitsentgelt (§ 141b Abs.1 S.1 AFG). Dabei handelt es sich um einen Anspruch im Sinne des § 141b Abs.2 AFG, wobei die Qualität als Masseschuld nach § 59 Abs.1 Nr.3a Konkursordnung nicht dadurch beeinträchtigt wird, daß der Kläger weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (vgl. BSG vom 21.09.1983, SozR 4100 § 141b Nr.28 = SGb 1984, 362).
Der Anspruch des Klägers auf Kaug besteht unabhängig davon, daß er seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich hatte, und unabhängig davon, daß er in dieser Zeit nicht Grenzgänger im Sinne von Art.71 Abs.1b ii. EWG-VO 1408/71 war. Nach § 30 Abs.1 SGB I gelten die Vorschriften des SGB für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben, somit in der Bunderepublik Deutschland. Da das AFG zu den besonderen Teilen des SGB gehört (Art.II § 1 Nr.2 SGB I), gilt dies grundsätzlich auch für das Kaug-Recht. Allerdings läßt der Vorbehalt des § 30 Abs.2 und § 37 SGB I die Möglichkeit zu, daß der Wohnsitz oder ständige Aufenthalt durch andere Anknüpfungspunkte teilweise oder vollständig verdrängt wird (von Maydell, GK-SGB I, 3.Auflage, Rdnr.64 zu § 30). Dies geschieht unter anderem durch das geschriebene oder ungeschriebene sogenannte internationale Sozialrecht, das mit seinen sogenannten Kollisionsnormen bezweckt, die eigene nationale Rechtsordnung an die Besonderheiten der Sachverhalte mit Auslandsberührung anzupassen (vgl. von Maydell, a.a.O., Rdnr.27 zu § 30; BSG vom 21.09.1983, SozR 4100 § 141b Nr.28, S.108). Zu diesen Kollisionsnormen des nationalen Rechts zählen insbesondere die §§ 4 und 5 SGB IV.
Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für die Anwendung der Vorschriften der §§ 141a ff. AFG bei einer Beschäftigung mit Auslandsberührung darauf an, ob der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale dieses Arbeitsverhältnisses im Inland lag (BSG vom 21.09.1983, a.a.O. BSG vom 21.02.1984, SozR 4100 § 141b Nr.31 = BSGE 56, 201 = SGb 85, 208; BSG vom 23.02.1994, SozR 3-4100 § 141b Nr.9 = Breith. 1995, 150). Ausgehend davon, daß § 30 Abs.1 SGB I Kaug grundsätzlich im Inland wohnenden Arbeitnehmern zugute kommt, nimmt das BSG unter Anwendung des in § 4 SGB IV i.V.m. § 173a AFG geregelten Grundsatzes der Ausstrahlung einen Kaug-Schutz bei ins Ausland entsandten Arbeitnehmern an. Voraussetzung dafür ist jedoch, daß die in § 4 SGB IV enthaltene Voraussetzung gegeben ist, daß die im Ausland beschäftigte Person - jedenfalls ursprünglich - in ein Gebiet außerhalb des Geltungsbereiches des AFG entsandt worden war (BSG vom 23.02.1994, a.a.O.; BSG vom 27.05.1986, SozR 2100 § 4 Nr.3 = BSGE 60, 96).
Nach der Entscheidung des BSG vom 21.09.1983 (SozR 4100 § 141b Nr.28) kann ein Kaug-Anspruch aber auch dann bestehen, wenn nicht alle Voraussetzungen einer "Entsendung" erfüllt sind, so etwa, wenn der Arbeitnehmer im Ausland eingestellt worden ist, ohne einen inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zu haben. Da der wesentliche Anknüpfungspunkt der arbeitsrechtliche Entgeltanspruch ist, wird der Arbeitnehmer jedenfalls auch dann von der Kaug-Versicherung erfaßt, wenn insoweit erhebliche Berührungspunkte zur deutschen Rechtsordnung bestehen, aus denen zu folgern ist, daß der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers im Inland lag.
Vorliegend läßt sich mit der erforderlichen Klarheit ein solcher Schwerpunkt nicht ausmachen. Als Berührungspunkte zur französischen Rechtsordnung bei der vertraglichen Ausgestaltung des Anstellungsverhältnisses sind die Übernahme der französischen Feiertagsregelung, die Vereinbarung des Entgelts in französischer Währung, die Versteuerung und Abführung der Sozialversicherungsbeiträge und die Einhaltung der nach französischem Recht vorgeschriebenen arbeitsmedizinischen Untersuchungspflicht anzunehmen. Diese Nennung von Einzelpunkten macht andererseits deutlich, daß im übrigen - und somit grundsätzlich - deutsches Recht gelten sollte. Dem entspricht die Geltungsklausel Nr.21 des Anstellungsvertrages. Dennoch entsprach das Gesamtbild, unter Berücksichtigung der Einstellung, des Zwecks seiner Tätigkeit, des Dienstsitzes und der angelegten Dauer der Auslandstätigkeit demjenigen einer Ortskraft.
Ein Kaug-Anspruch besteht nach der Rechtsprechung des BSG auch dann, wenn die Voraussetzungen der Entsendung mangels vorheriger Inlandsbeschäftigung nicht erfüllt sind, der rechtliche und tatsächliche Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses wegen der Beschäftigung beim inländischen Arbeitgeber gleichwohl im Inland liegt. Denn unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 5 SGB IV (Einstrahlung) ist das Kaug-Recht auf eine geplante Beschäftigung des Betroffenen im Inland anwendbar (BSG vom 23.02.1994, a.a.O.). Gegenstand des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber war dagegen eine ausschließliche Tätigkeit in Frankreich. Allerdings bestand die Verpflichtung zur Übernahme einer entsprechenden Tätigkeit innerhalb der Firma (Nr.2 Anstellungsvertrag). Auch war die ursprüngliche Klausel einer ausschließlichen Verwendung in Frankreich (Nr.12 Abs.4 Anstellungsvertrag) gestrichen worden. Eine Tätigkeit in Deutschland war somit prinzipiell nicht ausgeschlossen, wenn auch nicht aktuell geplant oder beabsichtigt.
Die im Sinne dieser Rechtsprechung aufgezeigten Indizien sind nicht ausreichend, um einen Anspruch des Klägers zu begründen. Dies kann jedoch letztlich dahinstehen, da die Anspruchsvoraussetzungen für den Kaug-Anspruch im Lichte der EWG-Richtlinie über den Schutz des Arbeitnehmers bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers auszulegen sind.
Der Ausschluß eines Anspruchs des Klägers auf Kaug würde eine Verletzung des Art.48 EWG-Vertrag darstellen. Der aus Art.48 EWG-Vertrag erwachsenen Herstellung der Freizügigkeit ist entsprechend Art.49 EWG-Vertrag im wesentlichen durch die EWG-VO Nr.1408/71, EWG-VO 574/92 und EWG-VO Nr.1612/68 fortschreitend entsprochen worden. Hierzu zählt auch die Richtlinie des Rates vom 20.10.1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (Amtsblatt der EG vom 28.10.1980 Nr.L 283/23). Durch diese sogenannte EWG-Insolvenzrichtlinie soll der Arbeitnehmerschutz bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers gesichert und entsprechend einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Gemeinschaft angenähert werden.
Nach Art.3 der Richtlinie 80/987/EWG müssen die Mitgliedsstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit die Garantieeinrichtungen die Befriedigung der nichterfüllten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen, die das Arbeitsentgelt für den vor einem bestimmten Zeitpunkt liegenden Zeitraum betreffen, sicherstellen. Die Richtlinie vom 20.10.1980 bedarf zu ihrer Geltung der Umsetzung in nationales Recht. Bei Nichtumsetzung oder unvollständiger bzw. fehlerhafter Umsetzung der Richtlinie haftet ein Mitgliedsstaat für die Schäden, die dem einzelnen dadurch entstehen (EuGH vom 19.11. 1991 - Rs. C-6/90 und 9/90 -, NJW 1992, 165; EuGH vom 16.12. 1993 - Rs. C-334/92 - NJW 1994, 921). Der deutsche Gesetzgeber ging erkennbar davon aus, daß durch die bereits mit Gesetz über das Konkursausfallgeld vom 17.07.1974 (BGBl.I 1481) in das AFG eingefügten Kaug-Normen eine der Richtlinie entsprechende Regelung geschaffen war. Denn der Gesetzgeber hat zahlreiche Änderungen des AFG nach 1980 - darunter auch Kaug-Vorschriften - vorgenommen, ohne sich veranlaßt zu sehen, eine Anpassung an die Erfordernisse der Richtlinie durchzuführen.
Die geltenden Kaug-Vorschriften enthalten keine dem § 30 Abs.1 SGB I vorrangige Vorschrift über den Geltungsbereich. Anspruchsberechtigt ist nach § 141b Abs.1 Satz 1 AFG ein "Arbeitnehmer". Der Arbeitnehmerbegriff ist im AFG nicht selbständig definiert. Im Kaug-Recht wird vielmehr regelmäßig auf den Arbeitnehmerbegriff zurückgegriffen, wie er nach den Grundsätzen des Arbeitsrechts (vgl. BSG vom 08.04.1992, SozR 3-4100 § 141a AFG) für die §§ 13, 101 Abs.1 und § 168 Abs.1 AFG entwickelt wurde (vgl. BSG vom 11.03.1976, BSGE 41, 229 = SozR 4100, § 101 Nr.1; BSG vom 29.07.1982, SozR 2100 § 7 Nr.7; Peters-Lange in Gagel, AFG, § 141a Rdnr.4). Wesentliches Merkmal ist danach die Beschäftigung in persönlicher Abhängigkeit. In diesem Sinne ist der Kläger offensichtlich Arbeitnehmer, wie der Arbeitsvertrag und seine Durchführung ausweisen und wie zudem unter den Beteiligten auch nicht streitig ist. Für den Begriff in diesem Sinne ist unerheblich, wo der Wohnort des Arbeitnehmers ist und wo die Tätigkeit ausgeübt wird. Da es sich beim Kaug um eine eigenständige Leistung handelt, muß allerdings der räumliche Anwendungsbereich autonom bestimmt werden (von Maydell, GK-SGB I, 3. Auflage, Rdnr.96 zu § 30; Birk in Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, 1975, 605, 643).
Dem internationalen Sozialrecht sind auch die Sachnormen zuzurechnen. Sie bestimmen nicht ausschließlich das anwendbare Recht, sondern enthalten eine materielle Regelung, etwa die einer Bestimmung über eine Leistungsgewährung bei Auslandsaufenthalt (vgl. von Maydell, Zeitschrift für Sozialreform, 1972, S.264). Als eine solche Sachnorm muß § 141b Abs.1 Satz 1 AFG verstanden werden, und zwar in dem Sinne, daß der Kläger als ein durch die Richtlinie 80/987/EWG geschützter Arbeitnehmer gegenüber der Beklagten als Garantieeinrichtung des Staates einen Anspruch auf Kaug hat, in dessen Gebiet gemäß Art.2 Abs.1 der Richtlinie die Eröffnung des Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung beschlossen und die Beiträge für den Arbeitgeber erhoben wurden.
Der EuGH hatte in seiner Entscheidung vom 17.09.1997 (Rs. C-117 /96, EuGHE I 1997, 5017 = NZA 1997, 1155) über die zuständige Garantieeinrichtung für die Ansprüche einer Arbeitnehmerin zu entscheiden, die in Dänemark wohnte und für einen - später zahlungsunfähigen - englischen Arbeitgeber ausschließlich außerhalb Großbritanniens tätig gewesen war. Der EuGH hat in dieser Entscheidung ausgeführt, daß die Richtlinie 80/987/EWG den Arbeitnehmern, die Opfer der Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers geworden sind, ein Mindestmaß an Schutz gewähren will, ohne daß sie (insbesondere in Art.1 I der Richtlinie) ihren Anwendungsbereich auf den Fall beschränkt, daß der Wohnort des Arbeitnehmers oder der Ort, in dem er seine Arbeitnehmertätigkeit ausübt, nicht mit dem Ort der Niederlassung übereinstimmt. Die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts, so der EuGH, das im übrigen die Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft gewährleistet und damit Sachverhalte fördert, die einen Auslandsbezug aufweisen, erfordert diese Auslegung der Richtlinie, die nach ihrer zweiten Begründungserwägung darauf gerichtet ist, die zwischen den Mitgliedern bestehenden Unterschiede zu verringern, die sich auf das Funktionieren des gemeinsamen Marktes unmittelbar auswirken können. Aus der Systematik der Richtlinie entwickelt sodann der EuGH die Antwort nach der zuständigen Garantieeinrichtung, wobei einmal der Mittelpunkt des Insolvenzverfahrens und zum anderen die für den zahlungsunfähigen Arbeitgeber zuständige Stelle für die Beitragserhebung als bestimmend herangezogen wurden.
Der Kläger fällt als französischer Staatsbürger und Arbeitnehmer eines Arbeitgebers mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat unter den Schutz der Richtlinie 80/987/EWG, mit der die Mitgliedstaaten verpflichtet wurden, Bestimmungen zu schaffen, die die Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen und insbesondere die Zahlung ihrer nicht erfüllten Ansprüche unter Berücksichtigung der Notwendigkeit einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Gemeinschaft gewährleisten. Dieser Schutz kann für den Kläger nur erreicht werden, wenn die deutschen Schutzvorschriften so ausgelegt werden, daß der Anspruch des Klägers durch diese nicht ausgeschlossen wird. Denn die Bestimmung des Begriffs des Arbeitnehmers ist nach Art.2 II Richtlinie 80/98 7/EWG dem einzelstaatlichen Recht überlassen.
Der Kläger kann als anspruchsberechtigter Arbeitnehmer im Sinne des § 141 b Abs.1 Satz 1 AFG Kaug erhalten. Dieser Versicherungsschutz kommt ihm unter Berufung auf die Bestimmungen der Richtlinie 80/987/EWG zu.
Jedes nationale Gericht hat bei der Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts davon auszugehen, daß der Staat die Absicht hatte, den sich aus der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen in vollem Umfang nachzukommen. Das nationale Gericht muß, soweit es bei der Anwendung des nationalen Rechts - gleich, ob es sich um vor- oder nach der Richtlinie erlassene Vorschriften handelt - dieses Recht auslegt, seine Auslegung soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie ausrichten, um das von ihr verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Art.189 Abs.3 EWGV nachzukommen. Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung gilt für ein nationales Gericht besonders dann, wenn ein Mitgliedstaat der Ansicht war, daß die bereits geltenden Vorschriften seines nationalen Rechts den Anforderungen der betreffenden Richtlinie genügen (so EuGH Urteil vom 16.12.1993 - Rs. C-334/92 - , NJW 1994, 921; vgl. auch EuGH vom 05.10.1994 - RS. C - 165/91 -, SozR 3-6083 Art.4 Nr.8). Daß der deutsche Gesetzgeber dieser Ansicht war, wurde bereits ausgeführt. Als eigenständige Versicherungsleistung widerspricht eine eigenständige Auslegung des Anspruchsberechtigten im Kaug-Recht nicht den übrigen Leistungsbereichen des AFG. Sie widerspricht auch nicht dem vom BSG herausgestellten Anknüpfungspunkt des arbeitsrechtlichen Entgeltanspruchs. Vor allem entspricht sie dem Schutzgedanken zur Sicherung der nicht erfüllten Ansprüche bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nach europarechtlichen Maßstäben. Als Arbeitnehmer im Sinne des § 141b Abs.1 Satz 1 AFG ist folglich auch ein Arbeitnehmer anzusehen, der wie der Kläger als Angehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und der seine Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der EU ausübt.
Dementsprechend war das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg aufzuheben und unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide dem Kläger Konkursausfallgeld dem Grunde nach zuzusprechen.
Gemäß §§ 124 Abs.2, 153 Abs.1 SGG konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; entsprechend dem Verfahrensausgang ist danach die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Da der Frage einer derartig erweiterten Auslegung der Anspruchsberechtigten im Kaug-Recht grundsätzliche Bedeutung zukommt, war die Revision gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 SGG zuzulassen.
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