L 4 KR 171/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 KR 65/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 171/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 3/02 BH
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 21. September 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Kostenübernahme bzw. -erstattung für eine Invitro-Fertilisation (IVF), mit einer intracytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI).

Die am 1967 geborene Klägerin ist bei der Beklagten versichert. Sie bezieht nach ihren Angaben Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Sie hat drei Kinder und es wurde bei ihr eine Sterilisierung durchgeführt. Ihre Ehe ist geschieden, sie gibt an, derzeit in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zu leben.

Sie beantragte mit einem Schreiben des Zentrums für Gynäkologische Endokrinologie, Reproduktionsmedizin und Humangenetik (Prof.Dr.S.) vom 24.01.2001 bei der Beklagten eine IVF. Die Beklagte holte eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK, Gutachter Frauenarzt und Sozialmediziner Dr.M.) ein, der unter Bezugnahme auf die "Richtlinien über künstliche Befruchtung" ausführte, dass nach einer Sterilisation grundsätzlich kein Anspruch auf Leistungen der künstlichen Befruchtung bestehe. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.02.2001 die Kostenübernahme für eine IVF-Behandlung in Verbindung mit einer ICSI ab.

Die Klägerin machte mit dem Widerspruch vom 22.02.2001 geltend, sie sei von ihrem früheren Ehemann zur Sterilisierung gezwungen worden. Sie und ihr Lebenspartner hätten einen dringenden Kinderwunsch. Mit Schreiben vom 12.03.2001 teilte die Bayerische Landesärztekammer Prof.Dr.S. mit, die dort eingerichtete Kommission "Künstliche Befruchtung" habe über den Antrag der Klägerin und ihres Lebenspartners beraten und ihn positiv beschieden; im Hinblick auf die geschilderten Umstände würden keine Bedenken gegen Maßnahmen zur IVF bestehen. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.03.2001 wies die Beklagte den Widerspruch u.a. mit der Begründung zurück, die verbindlichen "Richtlinien über künstliche Befruchtung" des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen sähen Leistungen zur künstlichen Befruchtung nur vor, wenn sie im homologen System durchgeführt würden, wenn also die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollten, miteinander verheiratet seien. Es dürften ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden. Nach einer Sterilisation bestehe grundsätzlich kein Anspruch auf Leistungen zur künstlichen Befruchtung. Die Klägerin habe im Übrigen mit der Unfruchtbarmachung bewusst und gewollt einen Eingriff in der Absicht vornehmen lassen, künftig keine Kinder mehr haben zu wollen. Ein in dieser Absicht künftiger Lebensgestaltung herbeigeführter Zustand der Unfruchtbarkeit sei keine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherungen und, die Folge einer solchen Entscheidung abzufangen, sei nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung. Unabhängig davon würden Leistungen zur künstlichen Befruchtung nur dann gewährt, wenn die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nähmen, miteinander verheiratet seien. Nichteheliche Partnerschaften oder Lebensgemeinschaften seien von Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft ausgeschlossen.

Die Klägerin hat mit der Klage vom 28.03.2001 beim Sozialgericht Regensburg (SG) wieder geltend gemacht, sie sei durch ihren früheren Ehemann zur Sterilisation gezwungen worden; die Beklagte finanziere auch Abtreibungen, so dass sie die Kosten für die beantragte Leistung zu übernehmen habe.

Das SG hat nach Anhörung der Klägerin mit Gerichtsbescheid vom 21.09.2001 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, nach der gesetzlichen Regelung scheitere der Anspruch auf Kostenübernahme für eine künstliche Befruchtung daran, dass die Klägerin mit ihrem Lebenspartner nicht verheiratet sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 09.10. 2001, mit der sie noch einmal geltend macht, sie sei zur Sterilisation gezwungen worden, verfüge nur über ein geringes Einkommen und beabsichtige eine neue Eheschließung.

Die Klägerin hat den vom Senat angesetzten Erörterungstermin am 17.01.2002 nicht wahrgenommen und über ihre Frauenärztin Dr.W. mitteilen lassen, bei ihr bestehe eine Schwangerschaft in der 35. Woche. Sie hat am 21.01.2002 schriftlich mitgeteilt, eine Eheschließung mit ihrem Lebenspartner sei geplant. Prof. Dr.S. hat mit der Rechnung vom 06.06.2001 für die Behandlung vom 12.02.2001 bis 28.05.2001 insgesamt 1.937,31 DM und die Anästhesistin Dr.M. hat mit der Rechnung vom 11.06.2001 311,78 DM verlangt. Ferner hat das Hormonlabor Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin mit der Rechnung vom 29.06.2001 von der Klägerin 150,48 DM (Toxoplasmose) und Prof. Dr.S. für die Kosten eines ärztlichen Attestes mit der Rechnung vom 03.04.2001 20,00 DM gefordert. Die übrigen von der Klägerin vorgelegten Rechnungen betreffen ihren Lebenspartner.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Regensburg vom 21.09.2001 sowie des Bescheides vom 12.02.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03. 2001 zu verurteilen, die Kosten der ärztlichen Behandlung der künstlichen Befruchtung und sonstiger ärztlicher Maßnahmen in Höhe von insgesamt 1.480,13 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den hier im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung maßgebenden Wert von 1.000,00 DM (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGG a.F.).

Die Berufung ist unbegründet.

Soweit die Klägerin ihren Lebenspartner betreffende Rechnungen vorgelegt hat, geht der Senat davon aus, dass dies auf einem Versehen beruht. Die Klage wäre unzulässig, da insoweit die Beklagte ein Verwaltungsverfahren noch nicht durchgeführt hat (§ 54 Abs.1, 4 SGG).

Bezüglich der Kostenerstattung der übrigen ärztlichen Leistungen ist die Berufung unbegründet. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden.

Gemäß § 13 Abs.3 Sozialgesetzbuch V (SGB V) setzt die Kostenerstattung entweder voraus, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch der Klägerin für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Im vorliegenden Fall spricht nichts für die Annahme der Unaufschiebbarkeit der Leistung, z.B. für das Vorliegen eines Notfalles oder einer Systemstörung. Derartige Gründe werden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

Die Beklagte hat die Leistung der künstlichen Befruchtung (§ 27a SGB V) auch nicht zu Unrecht abgelehnt. Nach dieser gesetzlichen Vorschrift, an die die Beklagte und das Gericht gebunden sind, setzen die medizinischen Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft u.a. voraus, dass die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind und ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden. Der Gesetzgeber hat diese Leistung auf Ehepaare mit der Begründung beschränkt, dass der Staat verpflichtet ist Ehe und Familie zu fördern (Art.6 Grundgesetz). Damit kann diese Leistung durch nichteheliche Lebensgemeinschaften zu Lasten der Krankenkasse nicht in Anspruch genommen werden (Kasseler Kommentar-Höfler, § 27a SGB V, Rdnr.9 mit weiteren Nachweisen). Die Beschränkung der Leistungspflicht der Krankenversicherung auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit eigenen Ei- und Samenzellen der Ehegatten verletzt kein Verfassungsrecht (BSG vom 09.10.2001 ZfS 2002, 23).

Unbeachtlich ist, dass die Bayerische Landesärztekammer mit Schreiben vom 12.03.2001 den Antrag auf Durchführung einer IVF bei nichtehelicher Partnerschaft genehmigt hat. Denn bei dieser Entscheidung geht es nicht um die Kostenübernahme zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern um berufsrechtliche Belange. Die berufsständischen "Richtlinien zur Durchführung der In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfer und des interatubaren Gameten- und Embryotransfers als Behandlungsmethoden der menschlichen Sterilität" lassen die Verfahren der artifiziellen Reproduktion prinzipiell nur bei Ehepartnern zu. Dabei dürfen grundsätzlich nur Samen und Eizellen der Ehepartner Verwendung finden (homologes System). Ausnahmen sind nur zulässig nach vorheriger Anrufung der bei der Ärztekammer eingerichteten Kommission (Laufs in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 129, Rdnr.38 mit weiteren Nachweisen).

Da die Klägerin nach ihrem Vorbringen (noch) nicht mit ihrem Lebenspartner verheiratet ist, sind die gesetzlichen Voraussetzungen des § 27a SGB V nicht erfüllt. Es kommt auch nicht darauf an, dass sie eine Eheschließung beabsichtigt. Denn maßgebender Zeitpunkt ist die Zeit der Leistungsdurchführung, also der in den vorgelegten Rechnungen angegebene Zeitraum vom 12.02.2001 bis 28.05. 2001.

Die Klägerin kann auch nicht mit Recht die Kostenerstattung der als IGEL-Leistung gekennzeichneten Untersuchung auf Toxoplasmose (Nr.34AA GOÄ) verlangen. Es kann hier offen bleiben, ob diese Leistung Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung ist, so dass schon aus diesem Grunde ein privatärztlicher Behandlungsvertrag nicht erforderlich gewesen wäre. Für die Zuordnung der Leistung zur vertragsärztlichen Versorgung sprechen die Nrn.4535, 4536, 4537 BMÄ, wonach die damit in Zusammenhang stehenden Antikörpernachweise bzw. -bestimmungen zu den speziellen Laboratoriumsuntersuchungen des Bewertungsmaßstabes für kassenärztliche Leistungen zählen. Selbst wenn die hier streitige Leistung (Nr.34AA GOÄ) von der Leistungspflicht der Beklagten umfasst wäre, steht der Klägerin hierfür eine Kostenerstattung nicht zu, da sie es versäumt hat, sich vor Durchführung der Leistung mit der Krankenkasse ins Benehmen zu setzen. Denn nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung im Regelfall nicht zu erstatten, wenn der Versicherte sich die Leistung besorgt, ohne zuvor mit der Krankenkasse Kontakt aufzunehmen und deren Entscheidung abzuwarten. § 13 Abs.3 SGB V schließt eine Kostenerstattung für die Zeit vor der Leistungsablehnung generell aus (z.B. Bundessozialgericht (BSG) vom 19.06.2001 SGb 2001, 599; BSG vom 10.02.1993 SozR 3-2200, § 182 Nr.15, Urteil vom 16.12. 1993 SozR 3-2500, § 12 Nr.4). Aus den Akten der Beklagten geht nicht hervor, dass die Klägerin vor Inanspruchnahme der Untersuchung auf Toxoplasmose sich mit der Kasse in Verbindung gesetzt hat, um dieser die Möglichkeit der Prüfung zu geben, ob Krankenversicherung als Sachleistung erbracht werden kann. Würde man die Untersuchung auf Toxoplasmose dagegen als notwendigen Bestandteil der IVF betrachten, kommt eine Erstattung der Kosten gleichfalls nicht in Frage, weil die Beklagte zur Kostenübernahme der IVF nicht verpflichtet ist.

Auch der Umstand, dass im Rahmen der klinischen Maßnahmen ein nicht bösartiges Teratom des rechten Ovars gefunden und entfernt wurde, lässt gleichfalls eine Kostenübernahmepflicht nicht entstehen.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten des auf ihre Anforderung hin erstellten ärztlichen Attestes von Prof.Dr.S. , da es hierfür an einer Rechtsgrundlage im SGB V fehlt.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nr.1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved