L 4 KR 112/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 44 KR 709/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 112/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 11/05 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 31. Januar 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe des Krankengeldes vom 25.12.1999 bis 31.05.2000.

Der Kläger ist Mitglied der Beklagten. Er hat von der Beklagten ab 25.12.1999 Krankengeld erhalten. Mit nicht aktenkundigem Bescheid vom 05.01.2000 hat die Beklagte der Berechnung des Krankengeldes offensichtlich Einmalzahlungen nicht zugrunde gelegt. Der Kläger hat hiergegen Widerspruch eingelegt. Mit Bescheid vom 14.02.2001 hat die Beklagte nach Einholung einer Auskunft des Arbeitgebers des Klägers das Krankengeld neu berechnet und dem Kläger eine Nachzahlung von 2.847,83 DM überwiesen. Da das unter Berücksichtigung der Einmalzahlungen errechnete tägliche Krankengeld höher war als das tägliche Nettoarbeitsentgelt, legte sie der Krankengeldzahlung diesen Betrag zugrunde.

Mit Bescheid vom 15.05.2001 bewilligte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte dem Kläger ab 01.06.2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit bis 28.02.2002.

Den gegen den Bescheid der Beklagten vom 14.02.2001 eingeleg- ten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 2001 insoweit als unbegründet zurück, als er sich gegen die Höhe des Krankengelds nach der durchgeführten Neuberechnung richtete. Zur Berechnung wurde ausgeführt, der Kläger habe ein Bruttoarbeitsentgelt von 4.503,50 DM und ein Nettoarbeitsentgelt von 2.680,52 DM erzielt. Der Arbeitgeber habe in der Zeit vom 01.11.1998 bis 31.10.1999 Sonderzahlungen in Höhe von 12.282,86 DM bestätigt. Die Beklagte hat dann durch Division des Bruttoarbeitsentgelts durch 30 und des Hinzurechnungsbetrages durch 360 ein kumuliertes Regelentgelt von 184,24 DM errechnet. 70 % davon ergeben 128,97 DM. Unter Hinweis auf § 47 Abs.1 Satz 2 SGB V, wonach das aus dem Arbeitsentgelt berechnete Krankengeld 90 v.H. des bei entsprechender Anwendung des § 47 Abs.2 SGB V berechneten Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen dürfe, wurde in Anwendung von (dem damals geltenden) § 47 Abs.2 Satz 6 SGB V das Nettoarbeitsentgelt durch 30 geteilt, der Nettohinzurechnungsbetrag errechnet, indem das tägliche Nettoarbeitsentgelt durch das tägliche Bruttoarbeitsentgelt geteilt und multipliziert wurde mit dem täglichen Hinzurechnungsbetrag. Die Addition von täglichem Nettoarbeitsentgelt und täglichem Nettohinzurechnungsbetrag ergab ein kumuliertes tägliches Nettoarbeitsentgelt von 109,66 DM, 90 % hiervon 98,69 DM.

In Anwendung von § 47 Abs.1 Satz 4 SGB V, wonach zur Vermeidung von Vorteilen von Krankengeldbeziehern gegenüber arbeitsfähigen Arbeitnehmern das Krankengeld nicht höher sein dürfe als das laufende tägliche Nettoarbeitsentgelt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit, wurde dann das tägliche Krankengeld auf das früher erzielte tägliche Nettoarbeitsentgelt (2.680,52: 30) 89,35 DM begrenzt.

Hiergegen richtete sich die am 13.09.2001 beim Sozialgericht München eingegangene Klage. Die Bevollmächtigten des Klägers äußerten die Auffassung, das Krankengeld sei so zu berechnen, dass dem im Oktober 1999 erzielten Nettoarbeitsentgelt in Höhe von täglich 89,35 DM der Nettohinzurechnungsbetrag in Höhe von 20,31 DM hinzuzurechnen sei und das täglich zustehende Krankengeld 98,69 DM betrage. Da der Kläger ab 13.11.1999 arbeitsunfähig war, habe er einen Nachzahlungsanspruch bis zum Rentenbeginn 01.06.2000.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 31.01.2003 abgewiesen. Die Beklagte habe beim Kläger die Einmalzahlungen korrekt gemäß den gesetzlichen Regelungen des § 47 SGB V in der Fassung des Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetzes vom 21.12.2000 (BGBl.I S.1971) berechnet. Die Äußerungen des Klägers und der Beklagten stimmten weitgehend überein, soweit sie die Anwendung des § 47 Abs.1 SGB V betreffen. Die Beklagte habe das kumulierte Regelentgelt unter Berücksichtigung des Hinzurechnungsbetrages von 34,12 DM berechnet. Beide Parteien seien auch davon ausgegangen, dass das kumulierte tägliche Nettoarbeitsentgelt 109,66 DM betrug und davon nur 90 % berücksichtigt werden können (§ 47 Abs.1 Satz 2 SGB V), somit 98,69 DM. Der Kläger meine, dass eine weitere Berücksichtigung der Einmalzahlungen durch die Regelung des § 47 Abs.2 Satz 6 SGB V stattfinden müsse, nach der für die Berechnung des Regelentgelts der 360. Teil des einmalig gezahlten Arbeitsentgelts, das in den letzten 12 Kalendermonaten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit erzielt wurde, dem nach Satz 1 bis 5 berechneten Arbeitsentgelt hinzuzurechnen ist. Dieser Ansicht stehe aber der Gesetzeswortlaut in § 47 Abs.1 Satz 4 SGB V entgegen, wonach das kalendertägliche Krankengeld das sich aus dem Arbeitsentgelt nach § 47 Abs.2 Satz 1 bis 5 SGB V ergebende kalendertägliche Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen dürfe. Auf die Regelung des § 47 Abs.2 Satz 6 SGB V werde ausdrücklich nicht verwiesen. Das Gericht gehe daher in Übereinstimmung mit der Beklagten davon aus, dass nach dem Gesetzeswortlaut das kalendertägliche Nettoarbeitsentgelt als Höchstbetrag anzusetzen sei, das beim Kläger übereinstimmend mit 89,35 DM berechnet worden ist. Diese Berechnung entspreche nach Ansicht des Gerichts auch der gesetzlichen Wertung, wonach Krankengeldbezieher gegenüber arbeitsfähigen Arbeitnehmern keinen Vorteil erlangen sollten.

Hiergegen richtet sich die Berufung, mit der bestätigt wird, der vom Erstgericht berichtete Tatbestand entspreche den Tat- sachen. Das Erstgericht habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Richtigerweise hätte das Gericht ein kalendertägliches Krankengeld in Höhe von 98,69 DM zusprechen müssen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seien Einmalzahlungen bei der Berechnung von Lohnersatzleistungen zu berücksichtigen. Unstreitig sei, dass das tägliche Nettoarbeitsentgelt des Klägers unter Berücksichtigung der Einmalzahlungen (kumuliertes Nettoarbeitsentgelt) 109,66 DM betrug. Gemäß § 47 Abs.1 Satz 2 SGB V errechne sich somit ein Zahlungsbetrag in Höhe von 98,69 DM täglich. Streit bestehe darüber, ob die Einmalzahlungen auch bei der Berechnung des kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelts gemäß § 47 Abs.1 Satz 4 SGB V zu berücksichtigen seien. Nach verfassungskonformer Auslegung seien die Einmalzahlungen auch beim täglichen Nettoentgelt zu berücksichtigen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 16.04.2003 auf- zuheben und die zugrundeliegenden Bescheide der Beklagten vom 05.01.2000 und 14.02.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.08.2001 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, das Krankengeld für den Zeitraum 25.12.1999 bis 31.05.2000 um kalendertäglich 9,34 DM zu erhöhen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Das angefochtene Urteil enthalte nach ihrer Auffassung eine zutreffende rechtliche Würdigung des Sachverhalts.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte des Sozialgerichts und der Beklagten sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die wegen der Höhe des Beschwerdewertes nicht der Zulassung gemäß § 144 SGG bedarf, ist zulässig, sie erweist sich aber als unbegründet.

Die Beklagte hat das Krankengeld zutreffend unter Anwendung des § 47 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 21.12.2000 (BGBl.I S.1971) errechnet. § 47 in dieser Fassung ist gemäß § 47a Abs.1 SGB V (ebenfalls in der Fassung des Gesetzes vom 12.12.1996) anwendbar. Es handelt sich um Ansprüche auf Krankengeld, die vor dem 22.06.2000 entstanden sind, und über die am 21.06.2000 noch nicht unanfechtbar entschieden war. Die Beklagte hat gemäß § 47 Abs.1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 47 Abs.2 SGB V das kumulierte tägliche Nettoarbeitsentgelt zutreffend mit 109,66 DM errechnet und daraus ein Krankengeld in Höhe von 98,69 DM festgestellt. Bis dahin stimmen Beklagte und Klägerbevollmächtigter überein. Streitig ist, ob § 47 Abs.1 Satz 4 SGB V zur Anwendung kommt. Der Senat ist wie die Beklagte und das Sozialgericht der Auffassung, dass gemäß dieser Regelung das Krankengeld zu begrenzen ist auf das kalendertägliche Nettoarbeitsentgelt ohne Hinzurechnungsbetrag. Das bedeutet, dem Kläger standen nicht 98,69 DM, sondern 89,35 DM täglich zu. Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als un- begründet zurück und sieht insoweit gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Die in der Berufungsbegründung erneut geforderte analoge Anwendung von § 47 Abs.2 Satz 6 SGB V auf die Berechnung des täglichen Nettoentgelts wäre contra legem. Das Sozialgericht hat hierzu bereits auf den Wortlaut des § 47 Abs.1 Satz 4 SGB V verwiesen und ebenfalls zutreffend die Auffassung vertreten, dass der Gesetzgeber mit dieser Regelung vermeiden wollte, dass Lohnersatzleistungen die eigentlichen Lohnzahlungen der Höhe nach übertreffen. Der Versicherte soll nicht an der Arbeitsunfähigkeit "verdienen". Die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, wonach einmalig gezahlte, beitragspflichtige Arbeitsentgelte bei den Lohnersatzleistungen zu berücksichtigen sind, ist beachtet worden. Der Klägerbevollmächtigte übersieht nämlich, dass bei fehlenden Einmalzahlungen (oder bei Nichtberücksichtigung von Einmalzahlungen) sich das Krankengeld aus § 47 Abs.1 Satz 1 i.V.m. § 47 Abs.1 Satz 2 SGB V errechnet. Es darf dann 90 v.H. des entsprechenden Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen. Bei Berücksichtigung der Einmalzahlungen (wie im Fall des Klägers) erhöht sich der Zahlbetrag auf höchstens 100 % des Nettoarbeitsentgelts.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Unterliegen des Klägers.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache wird die Revision gemäß § 160 Abs.1 i.V.m. § 160 Abs.2 Nr.1 SGG zuge- lassen.
Rechtskraft
Aus
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