L 5 KR 213/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 44/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 213/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 8. Juli 2004 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2002 wird insoweit aufgehoben, als darin Beiträge in Höhe von 184.053,60 DM nachgefordert werden.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist eine Beitragsnachforderung betreffend den Zeitraum vom 01.01.1995 bis 31.12.1997 wegen der Sozialversicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführern. Die Klägerin wurde mit notariellem Vertrag vom 26.01.1993 von den Beigeladenen zu 1) bis 3) gegründet, die jeweils ein Drittel der Stammeinlagen trugen. Gegenstand des Unternehmens sind Verkauf, Installation, Reparatur, Wartung und Demontage von Tanks und Tankanlagen aller Art und die Durchführung von Schutzmaßnahmen aller Art für Tanks und Tankanlagen. Die Beschlüsse der Gesellschafter werden mit einfacher Mehrheit gefasst, gemäß § 5 der Anlage zum Gesellschaftsvertrag wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer zusammen mit einem Prokuristen vertreten, wenn mehrere Geschäftsführer bestellt sind. Die Klägerin schloss mit allen drei Gesellschaftern am 01.04.1993 einen gleichlautenden Geschäftsführervertrag, wonach der Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und an bestimmte Arbeitszeiten nicht gebunden ist, ein monatliches Gehalt von 8.000,00 DM sowie eine Weihnachtsgratifikation und Lohnfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen sowie eine Tantieme in Höhe von 10 % des Jahresüberschusses erhalte. Der Geschäftsführer habe Anspruch auf die Gestellung eines PKWs, Anspruch auf bezahlten Urlaub im Umfang von 30 Arbeitstagen und unterliege einer Kündigungsfrist von sechs Monaten. Nach fristloser Kündigung des Beigeladenen zu 3) vom 16.07.1997 endete die zum Landgericht A. erhobene Kündigungsschutzklage am 15.06.1998 durch Vergleich darüber, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien, der Klägerin und dem Beigeladenen zu 3) zum 31.12.1997 beendet ist. Zum selben Zeitpunkt ist der Beigeladene zu 3) aus der Firma ausgeschlossen worden. Nach einer Betriebsprüfung vom 11.10. bis 01.12.1999 beim Steuerberater der Klägerin teilte die Beklagte der Klägerin am 01.12.1999 mit, sie gehe in der Zeit vom 01.04.1993 bis 16.07.1997 von der Versicherungspflicht aller drei Gesellschafter mangels maßgeblichen Einflusses auf die Klägerin aus. Dem entgegnete der Steuerberater am 13.12.1999, die Beklagte lasse die Weisungsfreiheit des einzelnen Geschäftsführers im eigenen Arbeitsabschnitt ebenso unberücksichtigt wie die selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von jeweils 100.000,00 DM. Mit Bescheid vom 21.12.1999 forderte die Beklagte Beiträge zur Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung in Höhe von 189.419,24 DM nach, wovon 184.053,60 DM (= 94.105,10 EUR) auf die Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) bis 3) vom 01.01.1995 bis 30.06.1997 entfielen. Den Widerspruch der Klägerin wies sie mit Bescheid vom 29.10.2002 zurück. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprächen der fehlende Einfluss der Geschäftsführer auf die Geschicke der GmbH kraft ihres Anteils am Stammkapital oder kraft ihrer Branchenkenntnisse, die Verpflichtung zur Mitarbeit, ihre funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess, die fehlende Einzelvertretungsbefugnis, die Haftung gegenüber Gesellschaftern und Gesellschaft für eventuell erlangte Vorteile aus Rechtsgeschäften, die Zahlung eines monatlichen Festgehaltes, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Gewährung von Spesen und Urlaubsanspruch. Gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprächen allein die weitestgehende Gestaltungsfreiheit über Art, Ort und Zeit der Arbeitsleistung. Die Bürgschaften seien laut ihren Feststellungen am 17.02.1993 vor der Anstellung zum Geschäftsführer zum 01.04.1993 eingegangen worden und folglich eigene Verpflichtungen außerhalb der Geschäftsführeranstellungsverhältnisse. Mit dem Ausscheiden des Beigeladenen zu 3) aus der Firma hätten sich die Kapitalbeteiligungsverhältnisse maßgeblich verändert, so dass jeder Gesellschafter nun über eine Sperrminorität verfüge. Gegen den am 31.10.2002 abgesandten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 02.12.2002 Klage erhoben. Für die Selbständigkeit der Beigeladenen zu 1 bis 3) spreche die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot, das unternehmerische Risiko, die Gewinnbeteiligung, die tatsächliche Zuständigkeitsregelung im Unternehmen und die daraus resultierende weisungsunabhängige Tätigkeit eines jeden Geschäftsführers für einen bestimmten Bereich des Unternehmens. Es könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass alle Gesellschafter der GmbH zugleich auch Geschäftsführer waren, sie also allein zugunsten ihres eigenen unternehmerischen Erfolgs tätig waren. Neben der Einlageverpflichtung in Höhe von 17.000,00 DM hätte jeder Einzelne wegen der selbstschuldnerischen Bürgschaft in Höhe von 100.000,00 DM zugunsten der Klägerin ein enormes persönliches Unternehmensrisiko getragen, so dass sie, anders als im Angestelltenverhältnis üblich, ihre persönliche finanzielle Situation von dem Erfolg der Klägerin abhängig gemacht hätten. Nach dem Gesamtbild sei daher von einer selbständigen Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bis 3) auszugehen. Demgegenüber hat die Beklagte auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 30.06.1999 - B 2 U 35/98 R - hingewiesen und entgegnet, dass durchaus auch abhängig Beschäftigte in den Genuss von gewinnorientierten Sonderprämienzahlungen gelangten. Aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (10.04.1991, abgedruckt in Der Betrieb 1991, S.2595) könne von vornherein keine Folgewirkung für das Sozialrechtsverhältnis abgeleitet werden. In der mündlichen Verhandlung am 08.07.2004 ist u.a. ein Protokoll über die Gesellschafterversammlung vom 19.04.1994 vorgelegt worden, worin einstimmig eine Funktionsverteilung vorgenommen wurde. Danach wurde dem Beigeladenen zu 1) die organisatorische Gesamtleitung der Firma übertragen, dem Beigeladenen zu 2) die Funktion des Geschäftsführers für alle technischen Belange und dem Beigeladenen zu 3) die Leitung der Niederlassung R ... Das Sozialgericht Regensburg hat die Klage unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheides am 08.07.2004 abgewiesen. Maßgeblich sei die rechtliche Stellung der Beigeladenen zu 1) bis 3) als Gesellschafter. Keiner der drei Beigeladenen habe allein die Geschicke der Klägerin maßgeblich bestimmen können. Da rechtlich die Möglichkeit bestanden habe, dass sich jeder von ihnen mit jeweils einem anderen Gesellschafter gegen den dritten Gesellschafter verbünden konnte, sei keiner von ihnen rechtlich in der Lage gewesen, ihm nicht genehme Beschlüsse zu vereiteln. Auch nach Aufteilung der Entscheidungsbefugnis in Teilbereiche habe die Beklagte zutreffend sowohl aus dem Gesellschaftsvertrag wie auch aus den Geschäftsführerverträgen geschlossen, dass alle drei Beigeladenen versicherungspflichtige Arbeitnehmer gewesen seien. Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 06.08.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 02.09.2004 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe sich mit dem Hauptargument, der Übernahme der persönlichen Bürgschaft, überhaupt nicht auseinandergesetzt. Zudem widerspreche es den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wie sie besonders deutlich von Menthe in einem aktuellen Aufsatz dargestellt seien (Die Angestelltenversicherung 2005, S.125 ff.).

In der mündlichen Verhandlung hat der Beigeladene zu 1) u.a. angegeben, als Leiter des kaufmännischen Teils der Firma habe er in alleiniger Verantwortung Personal eingestellt, während der Beigeladene zu 2) etwa selbständig über die Anschaffung von Autos entschieden habe.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 08.07.2004 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 21.12.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2002 insoweit aufzuheben, als er eine Nachforderung in Höhe von 184.053,60 DM enthält.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 08.07.2004 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Regensburg sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und erweist sich in vollem Umfang als begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 08.07.2004 ist nicht haltbar. Der Bescheid der Beklagten vom 21.12.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2002 ist rechtswidrig, soweit darin die Beklagte Beiträge in Höhe von 184.053,60 DM nachfordert. Die Beigeladenen zu 1) bis 3) waren bei der Klägerin nicht versicherungspflichtig beschäftigt. Im strittigen Zeitraum vom 01.01.1995 bis 31.12.1997 waren die Beigeladenen zu 1) bis 3) als selbständige Unternehmer tätig.

Die gemäß § 28p Abs.1 Satz 5 SGB IV von der Beklagten erhobene Beitragsnachforderung findet ihre Anspruchsgrundlage in § 1 Abs.1 Ziffer 1 SGB VI und § 25 SGB III bzw. § 168 Abs.1 Satz 1 AFG. Die von ihr geforderten Beiträge zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung setzen voraus, dass die Beigeladenen zu 1) bis 3) bei der Klägerin abhängig beschäftigt waren. Anknüpfungspunkt der Beitragspflicht ist somit das Beschäftigungsverhältnis, wie es in § 7 SGB IV definiert ist.

Beschäftigung ist danach die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Zutreffend und ausführlich hat die Beklagte in ihren Bescheiden dargelegt, wie selbständige Tätigkeit und abhängige Beschäftigung voneinander abzugrenzen sind. Arbeitnehmer ist hiernach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Persönliche Abhängigkeit erfordert Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung (BSGE 51, 164, 167). Zwar kann das Weisungsrecht erheblich eingeschränkt sein, wie das insbesondere bei Diensten höherer Art der Fall ist, vollständig entfallen darf es jedoch nicht; es muss eine fremdbestimmte Leistung verbleiben, die Dienstleistung also zumindest in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (BSGE 16, 293 ff.; BSGE 38, 53, 57). Ist ein Weisungsrecht nicht vorhanden, kann der Betreffende seine Tätigkeit also im Wesentlichen frei gestalten, insbesondere über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei verfügen oder fügt er sich nur in die von ihm selbst gegebene Ordnung des Betriebes ein, liegt keine abhängige, sondern eine selbständige Tätigkeit vor, die zusätzlich durch ein Unternehmerrisiko gekennzeichnet zu sein pflegt (BSG SozR Nr.68 zu § 165 RVO; BSGE 38, 53, 57; BSGE 70, 81 f; BSG SozR 3-4100 § 168 Nrn.8 und 11).

Nach diesen Grundsätzen richtet sich auch, ob der Geschäftsführer einer GmbH abhängig und deshalb beitragspflichtig beschäftigt ist oder nicht (BSG SozR 4100 § 168 Nr.16). Grundsätzlich ist ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass der Beschäftigte an der Gesellschaft, für die er arbeitet, kapitalmäßig beteiligt ist. Ein solcher wird in seiner Person regelmäßig sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmermerkmale vereinigen. Daher muss - wie die Beklagte zutreffend festgestellt hat - geprüft werden, welche Merkmale das Gesamtbild der Tätigkeit prägen, d.h., die Einzelumstände müssen gegeneinander abgewogen werden. Hierzu hat die höchstrichterliche Rechtsprechung spezielle Abgrenzungskriterien entwickelt (BSG-Urteil vom 24.06.1982 - 12 RK 45/80; Urteil vom 06.02.1992 - 7 RAr 134/90; SozR 3-4100 § 104 Nr.8; SozR 4-2400 § 7 Nr.1).

Danach liegt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur GmbH vor, wenn die Gesellschafter-Geschäftsführer funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess der GmbH teilhaben, für ihre Beschäftigung ein entsprechendes Arbeitsentgelt erhalten und keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft kraft ihres Anteils am Stammkapital geltend machen können. Zweifellos deuten die in den Geschäftsführerverträgen enthaltenen Bestimmungen zum festen Gehalt, zum Urlaub und zur Lohnfortzahlung auf ein Arbeitsverhältnis hin. Ebenso hat das Sozialgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass keiner der Beigeladenen zu 1) bis 3) als Gesellschafter einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft geltend machen konnte. Jeder besaß lediglich ein Drittel der Gesellschaftsanteile und konnte wegen der Vereinbarung der einfachen Stimmenmehrheit jederzeit überstimmt werden.

Aber auch dort, wo die Kapitalbeteiligung des Geschäftsführers nicht dafür ausreicht, um ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschaft zu verhindern, kann ein abhängiges Beschäftigunsverhältnis zu verneinen sein (BSG, Urteil vom 09.02.1995 Az.: 7 RAr 76/94). Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Geschäftsführer hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort seiner Tätigkeit im Wesentlichen weisungsfrei ist und, wirtschaftlich gesehen, seine Tätigkeit nicht für ein fremdes, sondern für ein eigenes Unternehmen ausübt (vgl. BSGE 13, 196; BSG SozR Nr.68 zu 165 RVO; SozR 3-4100 § 104 Nr.8; BSG SozR 3-4100 § 168 Nr.8). Die Beklagte räumt in ihrem Widerspruchsbescheid selbst ein, dass die Beigeladenen zu 1) bis 3) über eine weitestgehende Gestaltungsfreiheit hinsichtlich Art, Ort und Zeit der Arbeitsleistung besaßen. Unter § 1 des Geschäftsführervertrags war bestimmt, dass der Geschäftsführer an bestimmte Arbeitszeiten nicht gebunden ist. Hinzu kommt, dass die Gesellschafter mit Beschluss vom 19.04.1994 im Innenverhältnis eine Funktionsverteilung vorgenommen haben, die jedem einzelnen Gesellschafter einen allein verantwortlichen Bereich zuordnete. Der Beigeladene zu 1) wurde als Geschäftsführer für die organisatorische Gesamtleitung, insbesondere die Leitung des Büros sowie den kaufmännischen Teil der Firma bestellt, der Beigeladene zu 2) wurde mit der Funktion des Geschäftsführers für alle technischen Belange beauftragt und der Beigeladene zu 3) wurde zum Leiter der Niederlassung R. bestellt. Damit wurde die in § 5 Abs.2 der Anlage zum Gesellschaftsvertrag enthaltene Befugnis wahrgenommen, allen Geschäftsführern in Teilbereichen Einzelvertretungsrecht einzuräumen. Jeder der Gesellschafter hat danach die laufenden Alltagsgeschäfte in eigener Verantwortung besorgt. Dass formal im Außenverhältnis kein Alleinvertretungsrecht bestanden hat, ist dabei von untergeordneter Bedeutung. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der äußere Rahmen des einzelnen Zuständigkeitsbereichs insbesondere was Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsleistung anging, durch einseitige Weisungen der Klägerin geregelt wurde. Zu allen außergewöhnlichen Geschäften war im Innenverhältnis die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich. Hierzu zählten der Erwerb von anderen Unternehmen oder Beteiligung an solchen, die Veräußerung des Unternehmens im Ganzen, Errichtung oder Aufhebung von Zweigniederlassungen, wesentliche Erweiterung oder Einschränkung des Geschäftsumfangs etc. Den mehrheitlichen Entscheidungen der Gesellschafter zu den wesenlichen betrieblichen bzw. unternehmerischen Fragen kommt im Hinblick auf ihr gleichberechtigtes Mitwirken an der Entscheidungsfindung gegenüber den Geschäftsführern Weisungscharakter zu. Gleichmäßig beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer sind nicht nur die alleinigen Geschäftsführer, sondern zugleich die alleinigen Gesellschafter der GmbH, so dass ihnen in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer dieselben Personen als Gesellschafter gegenüberstehen und daher ein - für ein Arbeitnehmer-Arbeitgeberverhältnis typischer - Interessengegensatz kaum denkbar erscheint. Eine solche Identität legt vielmehr den Schluss nahe, dass die Geschäftsführer im "eigenen" Unternehmen tätig und damit im Sinne der Sozialversicherung Selbständige sind (BSG-Urteil vom 24.06.1982 - 12 RK 45/80).

Dementsprechend wird auch von der Grundsatzabteilung der Deutschen Rentenversicherung Bund die Ansicht vertreten, dass gleichmäßig beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer in aller Regel nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur GmbH stehen (Andreas Menthe, Sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH in Die Angestelltenversicherung Heft 3/05 S.129). Ähnlich hat das Bayer. Landessozialgericht am 16.03.2000 (L 9 Al 279/97) entschieden, dass der Minderheitsgesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, der de facto gleichberechtigt mit einem oder zwei Mitgesellschafter-Geschäftsführern einen kleinen bis mittleren Betrieb führt, eher dem Kreis der Selbständigen zuzurechnen ist. Auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geht in diese Richtung (Entscheidung vom 10.04.1991 in Der Betrieb 1991, S.2595). Das erhebliche wirtschaftliche Eigeninteresse der Geschäftsführer an der Entwicklung der GmbH wird auch daraus deutlich, dass sie neben der Stammeinlage von je 17.000,00 DM bereits zum Zeitpunkt der Gründung der Klägerin eine selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von 100.000,00 DM zugunsten der Klägerin eingegangen sind und daher ein enormes persönliches Unternehmensrisiko trugen. Jeder der Geschäftsführer hat daher ein gesteigertes Interesse am Erfolg der GmbH gehabt, welches deutlich über das Interesse eines angestellten Arbeitnehmers hinausgeht, seinen Arbeitsplatz zu bewahren und sein monatliches Arbeitsentgelt zu erzielen. Hinzu kommt, dass die Beigeladenen zu 1) bis 3) in Höhe von 10 % direkt am Gewinn beteiligt waren.

Wenn die Beklagte zur Unterstützung ihrer Rechtsansicht auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 06.03.2003 (SozR 4-2400 § 7 Nr.1) verweist, so kann dies im vorliegenden Fall nicht überzeugen. Im dort entschiedenen Fall war die Abhängigkeit eines zusammen mit drei anderen Gesellschaftern zu je einem Viertel beteiligten Geschäftsführers strittig. Im Gegensatz zum anhängigen Fall war dieser alleiniger Geschäftsführer, der verpflichtet war, die von der Gesellschafterversammlung nach täglichen Besprechungen erteilten allgemeinen oder besonderen Anweisungen auszuführen. Die dortigen Gesellschafter hatten also nicht die gleichen Rechte und Pflichten, ihr Verhältnis war nicht, wie vorliegend, durch ein gleichberechtigtes Miteinander geprägt. Der dortige Geschäftsführer erhielt auch lediglich eine Tantieme in Höhe von 5 % des Jahresüberschusses. Demgegenüber wird aus dem gleichlautenden Formulierungen der Geschäftsführerverträge der Klägerin das Bemühen deutlich, keinen ihrer Gesellschafter zu benachteiligen und etwaige Konfliktfelder wie Urlaubsumfang, Ansprüche im Krankheitsfall etc. von vornherein durch klare Regelungen einzudämmen. Die Bestimmungen zu Gehalt, Urlaub, Lohnfortzahlung, Spesen stellen sich so weniger als typische Arbeitnehmerrechte dar, sondern als Befugnis der Gesellschafter zur Entnahme von Gesellschaftsvermögen. Der Verweis der Beklagten auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 30.06.1999 (B 2 U 35/98 R) kann keine Änderung der Überzeugung veranlassen. Bei der dortigen Fallkonstellation waren die Gesellschafter nicht gleichberechtigt, im Vordergrund stand dort, ob Fachkenntnisse eines Geschäftsführers fehlende Rechtsmacht kompensieren können.

Aus diesen Gründen war die Berufung in vollem Umfang erfolgreich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs.1 VwGO.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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