L 5 R 245/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 419/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 245/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 9. April 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1957 geborene Kläger erlernte nach Erreichen der mittleren Reife den Beruf des Stahlformenbauers/Werkzeugmachers (Zeugnis vom 15.07.1977). Nach der Lehre war er als Bauhelfer tätig, leistete den Wehrdienst, übte Arbeiten als Stahlformenbauer sowie anschließend als Maschineneinsteller aus. Nach alkoholkrankheitsbedingter Kündigung 1983 schlossen sich Zeiten der Arbeitslosigkeit einschließlich ABM-Tätigkeiten an. Nach Alkoholabstinenz seit Februar 1995 durchlief der Kläger mit Erfolg eine von der Beklagten geförderte Umschulung zum Bürokaufmann (Prüfungszeugnis vom 21.01.1997). Diesen Beruf übte er vom März 1997 bis Januar 2000 bei der Firma W. im Rahmen eines wegen seiner Schwerbehinderung geförderten Beschäftigungsverhältnisses aus. Zuletzt war er dort als gewerblicher Servicemitarbeiter mit der Annahme und Übergabe von Wohnmobilen betraut.

Der Kläger durchlief mehrere Heilverfahren wegen Alkoholkrankheit - stationär im Jahre 1987 sowie 1991 und ambulant seit 14.03.1995. Ein erstes im Rahmen der Rehabilitation erstelltes Gutachten des Dr.S. aufgrund ambulanter Untersuchung in der Ärztlichen Gutachterstelle R. vom 25.05.1994 führte als Diagnosen im Wesentlichen Alkoholabhängigkeit, LWS-Beschwerden sowie Epicondylitis rechts aus und sah den Kläger nicht mehr in der Lage, als Stahlformenbauer oder als Bauhilfsarbeiter tätig zu sein. Leichte bis mittelschwere Arbeiten seien ihm jedoch noch vollschichtig zumutbar. Der Entlassungsbericht eines Heilverfahrens vom Mai 1996 listete rezidivierende Dorsolumbalgien, Cervikalsyndrom beidseits, Gonalgien beidseits sowie Verdacht auf Fibromyalgiesyndrom und psycho-vegetatives Syndrom nach jahrelangem Alkoholabusus auf. Ein weiteres Gutachten des Dr.S. von der Ärztlichen Gutachterstelle R. vom 18.05.1999 nannte psycho-vegetative Störungen mit vehementer Angstbereitschaft, Wirbelsäulen- und Gelenkbeschwerden ohne wesentliche Funktionsminderung sowie Alkoholkrankheit, derzeit in Abstinenz. Der Abschlussbericht des in der Folge gewährten Heilverfahrens in der Orthopädischen Klinik T. vom Oktober/November 1999 enthielt als sozialmedizinische Beurteilung die Aufnahme sowie Entlassung als arbeitsfähig in der ausgeübten Tätigkeit als Bürokaufmann sowie im Außendienst im Wohnmobilverleih. Als behandelte Erkrankungen waren dort genannt, chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom bei Fehlhaltung und Degeneration, Schulter-Nackenmyalgie mit Supraspinatusten-dopathie sowie Epicondylitis rechts.

Den streitgegenständlichen Antrag auf Rente wegen Berufs-/Erwerbsunfähigkeit vom 13.12.1999 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20.03.2000/Widerspruchsbescheid vom 14.06.2000 ab mit der Begründung, der Kläger sei trotz Einschränkungen durch psychovegetative Störungen, Angststörung, Alkoholkrankheit in Abstinenz, Abnützungsveränderungen der Lendenwirbelsäule, Verschleiß der Schulter- und Fingergelenke, Reizerscheinungen an den Ellenbogengelenken sowie Störung des Cholesterinstoffwechsels eingeschränkt einsetzbar. Er könne gleichwohl vollschichtig als Bürokaufmann ohne Außendienst in seinem Umschulungsberuf sowie als Telefonist, Registratur- und Poststellenhelfer tätig sein. Grundlage dieser Entscheidung waren die vorliegende medizinische Dokumentation aus den Reha-Verfahren, Befundberichte der behandelnden Ärzte sowie ein internistisch/sozialmedizinisches Gutachten des Dr.P. (03.02.2000) und ein neurologisch/psychiatrisches des Dr.S. (29.02.2000), welche aufgrund ambulanter Untersuchungen in der Gutachterstelle R. erstellt waren.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Regensburg (SG) hat der Kläger beantragt, ihm Rente wegen Erwerbs-/ Berufsunfähigkeit ab Antragstellung zu gewähren. Das SG hat die einschlägigen Befund- und Behandlungsberichte sowie ein psychiatrisches Gutachten des Dr.R. (08.08.2001) eingeholt mit den Diagnosen:

- Depressive Entwicklung, psycho-vegetativer Beschwerdekomplex bei akzentuierter Persönlichkeit,

- Alkoholabhängigkeit ohne wesentliche psycho-physische Folgeschäden, derzeit in Abstinenz,

- degeneratives Wirbelsäulensyndrom bei Verschleiß, Fibromyalgiesyndrom, polytope Gelenkbeschwerden,

- Frakturfehlstellung des Kleinfingers links, Polyarthrose der Fingergelenke ohne Beeinträchtigung der Greiffunktion,

- Tinnitus links ohne wesentliche Beeinträchtigung des Hörvermögens.

Bei im Wesentlichen seit Antragstellung unverändertem Gesundheitszustand könne der Kläger mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus ausüben unter Vermeidung von Tätigkeiten mit besonderen Ansprüchen an die nervliche Belastbarkeit, mit Zeitdruck, regem Publikumsverkehr, andauernder Zwangshaltung sowie mit Heben und Tragen schwerer Lasten. Eine Tätigkeit als gewerblicher Mitarbeiter einer Autovermietung sowie als Bürokaufmann sei vollschichtig möglich.

Dieser Einschätzung hat der Kläger widersprochen unter Vorlage weiterer Befund- und Behandlungsberichte sowie eines psychotherapeutisch/psychosomatischen Gutachtens des G.T. (25.03.2001), welches für eine private Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung erstellt worden war. Dieses enthielt die Einschätzung, aus der psychodynamischen Entwicklung und der jahrelangen fixierten Krankheitsentwicklung sei abzuleiten, dass eine Berufsfähigkeit in keinster Weise auf absehbare Zeit gegeben und Verrentung auf Zeit mit der Möglichkeit längerfristiger Therapie empfohlen werde.

Auf Antrag des Klägers hat das Sozialgericht ein Gutachten des Leiters des Klinikums Bad B./Zentrum für Fibromyalgie Dr.Dr. E. F. eingeholt (31.01.2002), welcher diagnostiziert hat:

- Fehlstatisches Wirbelsäulensyndrom aufgrund degenerativer Veränderung der Wirbelsäule mit muskulären Dysbalancen der statischen Muskulatur,

- beginnende Coxarthrose beidseits,

- anhaltende somatoforme Schmerzstörung,

- ängstliche hypochondrische Persönlichkeitsstörung,

- sowie nach Aktenlage Refluxoesophagitis, Scalaenussyndrom, Carpaltunnelsyndrom sowie Zustand nach Alkohol- und Nikotinabusus in Abstinenz seit Februar 1995.

Eine Fibromyalgie könne nach den geltenden Kriterien ausgeschlossen werden. Im Vordergrund stehe eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, welche aufgrund reliabler und valider Tests festgestellt werde. Das Leistungsvermögen des Klägers sei eingeschränkt, so dass ihm leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig zumutbar seien unter Ausschluss von Tätigkeiten in Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten, schwerem Heben und Tragen von Lasten über 10 kg. Die Tätigkeiten sollten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen stattfinden. Auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als gewerblicher Mitarbeiter einer Automobilvermietung sowie eine Tätigkeit als Bürokaufmann seien vollschichtig ausübbar.

Mit Gerichtsbescheid vom 09.04.2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und sich zur Begründung auf die Einschätzungen des Dr.R. bezogen, welche im Ergebnis auch durch das Gutachten des Dr.Dr.F. gestützt würden. Der Kläger sei in der Lage, mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig auszuüben, ebenso wie Tätigkeiten als Bürokaufmann, zu welchen er von der Beklagten erfolgreich umgeschult worden sei. Berufsunfähigkeit liege somit ebenso wenig vor wie Erwerbsunfähigkeit oder Erwerbsminderung nach dem ab 01.01.2001 geltenden Recht.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und geltend gemacht, seine gesundheitlichen Einschränkungen sowie sein Leistungsvermögen seien bisher unzutreffend erfasst oder eingeschätzt worden, insbesondere auf psychiatrischem Fachgebiet und in Bezug auf die Fibromyalgie. Hierzu hat er Atteste und Befunde des behandelnden Internisten/Rheumatologen, Psychotherapeuten Dr.N. und der Psychiaterin und Psychotherapeutin B. (später verheiratete T.) sowie der Nervenärzte Dr.M. und Dr.K. , der Internistin Dr.G. und der Psychiaterin/ Therapeutin R. beigebracht. Der Senat hat nach Vorlage weiterer Befund- und Behandlungsberichte sowie nach Beiziehung weiterer einschlägiger Befund- und Behandlungsberichte, insbesondere der ärztlichen Dokumentation der Gemeinschaftspraxis Dres.H. , und ein internistisch/rheumatologisches des Dr.H. (18.06.2003), ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten des Dr.S. (29.03.2004) und auf Antrag des Klägers ein internistisch/rheumatologisch-therapeutisches und psychotherapeutisches Sachverständigengutachten des Dr.N. (23.09.2005) und schließlich von Amts wegen ein urologisches Sachverständigengutachten des Dr.R. (07.09.2005) eingeholt.

Dr.H. hat diagnostiziert:

- Ausschluss einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung; derzeit kein Hinweis auf Fibromyalgiesyndrom,

- vorbekannte degenerative Wirbelsäulenveränderungen, insbesondere der Lendenwirbelsäule,

- chronifiziertes, depressives Syndrom mit Somatisierungsstörung,

- Alkoholkrankheit seit Februar in Karenz,

- Zustand nach Phlegmone am rechten Unterarm 1990; Zustand nach Kleinfingerfraktur 1998,

- Hyperlipoproteinämie.

Der Kläger könne mit diesen Gesundheitsstörungen noch leichte, kurzfristig auch mittelschwere körperliche Tätigkeiten vollschichtig verrichten, insbesondere als Bürokaufmann. Zu fordern sei eine Tätigkeit im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen überwiegend im Sitzen, vorwiegend in geschlossenen Räumen ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, ohne dauernde Arbeiten im Bücken.

Dr.S. hat diagnostiziert:

- Ausschluss einer relevanten psychischen Störung, insbesondere einer Depression oder Angstneurose von Krankheitswert,

- Somatisierungssyndrom als offensichtlicher Ausdruck eines Rentenbegehrens auf dem Boden einer hysterischen Charaktervariante,

- Zustand nach Alkoholabusus ohne relevante psychische oder neurologische Folgen,

- aus neurologischer Sicht aktuell nicht einmal leichtgradiges HWS- oder LWS-Syndrom, vor allem fehlende radikuläre Reizerscheinungen sowie

- Ausschluss einer Fibromyalgie.

Der Kläger könne leichte bis vorübergehend auch mittelschwere Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen vollschichtig ausüben unter Vermeidung von langem Stehen, häufigem Bücken sowie dauerhaftem Heben und Tragen mittelschwerer Las-ten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten in Zwangshaltungen des Achsorgans. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt, ebenso wenig die Umstellungsfähigkeit.

Dr.N. hat diagnostiziert:

- Ausgeprägtes Fibromyalgiesyndrom im Übergang zu einem chronischen Müdigkeitssyndrom,

- depressives Syndrom mit Angststörung und Persönlichkeitsstörung,

- Alkoholkrankheit in Abstinenz seit Februar 1995,

- Fehlstatisch degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit muskulärer Dysbalance,

- Polyarthrose,

- Carpaltunnelsyndrom,

- Zustand nach Hörsturz links,

- chronisch rezidivierende Gastritis,

- Thyreoiditis Hashimoto und

- Hypercholesterinämie, CPK-Erhöhung.

Der Kläger sei ab 01.12.1999 nur noch in der Lage, täglich weniger als drei Stunden zu arbeiten.

Demgegenüber ist Dr.S. auch nach Vorlage weiterer aktueller Befunde in einer ergänzenden Stellungnahme vom 02.07.2005 bei seiner Einschätzung geblieben.

Dr.R. hat auf urologischem Fachgebiete diagnostiziert: - Adenokarzinom der Prostata, - Stress-Harninkontinenz Grad I sowie - erektile Dysfunktion

Infolge hiervon ergebe sich keine quantitative, sondern nur eine qualitative Einschränkung der Erwerbsfähigkeit. Der Kläger könne wegen der Belastungsharninkontinenz keine schweren Gegenstände heben und benötige bei längeren Autofahrten die Möglichkeit eine Toilette aufzusuchen. Das festgestellte und operierte Prostatakarzinom wirke sich nur unwesentlich auf die Minderung der Erwerbsfähigkeit aus, da die Belastbarkeit bereits anderweitig eingeschränkt sei.

Hierzu hat der Kläger ärztliche Berichte des Dr.B. , der G.T. , des Dr.S. , eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sowie einen Bericht der Dres.H./W. vom 13.05.2005 vorgelegt und geltend gemacht, das komplexe Krankheitsbild der Fibromyalgie liege bei ihm vor. Dieses zusammen mit den weiteren, inbesondere psychischen Einschränkungen führe zur Erwerbsunfähigkeit. Zudem hat der Kläger beantragt, ein internistisch/ rheumatologisches Sachverständigengutachten des Prof.Dr.J. einzuholen und es sei auf seinen Antrag eine ergänzende Stellungnahme des Dr.N. anzufordern.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18.10.2005 hat der Kläger zuletzt beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Regensburg vom 09.04.2002 sowie des Bescheides vom 20.03.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2000 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit gemäß Antrag vom 13.12.1999 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 09.04.2002 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2005 waren, sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG - form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 20.03.2000/Widerspruchsbescheid vom 14.06.2000 hat die Beklagte es abgelehnt, dem Kläger gemäß Antrag vom 13.12.1999 eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren. Diese Entscheidung ist zu Recht ergangen, wie das Sozialgericht Regensburg im Ergebnis zutreffend mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 09.04.2002 festgestellt hat. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Rente.

Der Rentenanspruch des Klägers richtet sich nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden alten Fassung (a.F.) und, soweit ein Rentenanspruch (erstmals) für Zeiten ab dem 01.01.2001 in Betracht käme, nach der ab 01.01.2001 geltenden neuen Fassung (n.F.), geändert durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000, -BGBl.I S.1827 (vgl. § 300 Abs.1, Abs.2 SGG VI).

Nach § 43 SGB VI a.F. haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie

1. berufsunfähig sind,

2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und

3. vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Nach § 44 SGB VI a.F. haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie - unter den im Übrigen gleichen Voraussetzungen wie § 43 SGB VI a.F. - erwerbsunfähig sind.

Nach § 240 SGB VI n.F. haben Versicherte, die - wie der Kläger - vor dem 02.01.1961 geboren sind, bei Vorliegen von Berufsunfähigkeit einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser sowie voller Erwerbsminderung im Sinne des neuen Rechtes (§ 43 SGB VI n.F.) setzt eine gegenüber der Berufsunfähigkeit noch weiter herabgesetzte Erwerbsfähigkeit voraus. Das gleiche gilt für eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Ein vollschichtiges Leistungsvermögen in einer zumutbaren Beschäftigung schließt somit eine Rente wegen Berufs-/Erwerbsunfähigkeit sowie wegen Erwerbsminderung regelmäßig aus.

Berufsunfähigkeit besteht, wenn die Erwerbsfähigkeit von Versicherten wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die den Kräften und Fähigkeiten der Versicherten entsprechen und diesen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Der Kreis der zumutbaren Tätigkeiten wird um diejenigen erweitert, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (ständige Rechtsprechung vgl. BSG, Urteil vom 26.04.2004 - B 5 RJ 27/04 R).

In Würdigung der eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten ist der Senat auf der Grundlage der gesamten medizinischen Dokumentation überzeugt, dass der Kläger in seinem Umschulungsberuf als Bürokaufmann noch vollschichtig tätig sein kann und deshalb Berufsunfähigkeit nicht vorliegt.

Dies ergibt sich aus den stichhaltigen Ausführungen der Sachverständigen Dres.R. , F. , H. , S. und R ... Diese haben

- mit Ausnahme des letztgenannten Urologen Dr.R. , welcher aufgrund eines behandelten Prostataadenomkarzinoms keine wesentliche weitere Einschränkung in der Leistungsbreite des Klägers hat feststellen können - im Wesentlichen übereinstimmend folgende Diagnosen gestellt:

- Leichte psychische Störungen als psychovegetativen Beschwerdekomplex bei akzentuierter Persönlichkeit bzw. Somatisierungssyndrom als Ausdruck eines Rentenbegehrens auf dem Boden eines hysterischen Charaktervariante,

- Alkoholabhängigkeit in Abstinenz seit 1995,

- Wirbelsäulensyndrom, Frakturfehlstellung kleiner Finger,

- Tinnitus links ohne wesentliche Beeinträchtigung des Hörvermögens sowie

- Epicondylitis und Schultereckgelenksreizung.

Übereinstimmend haben die Sachverständigen das Vorliegen einer Fibromyalgieerkrankung verneint und dies einleuchtend damit begründet, dass beim Kläger die Prüfung der Druckschmerzhaftigkeit an bestimmten Punkten, an denen Schmerz bei vorliegender Fibromyalgie zu bejahen sei, und an Kontrollpunkten, die nicht druckschmerzhaft sein dürften, die Diagnose der Fibromyalgie widerlegt hätten. Die Sachverständigen haben darüber hinaus festgestellt, dass beim Kläger keine rheumatologische Erkrankung nachweisbar ist (Dr.H.) und keine psychische von solchem Krankheitswert besteht, dass diese die Erwerbsfähigkeit des Klägers maßgeblich beeinträchtigen könnte (Dr.R., Dr.S. und Dr.F.). Diese Gutachten überzeugen den Senat, weil sie aufgrund eigener eingehender Untersuchung erstellt worden sind auf der Basis der Auswertung der umfangreichen medizinischen Dokumentation, eine ausführliche Anamnese beinhalten und zu einem schlüssigen, in sich widerspruchsfreien Ergebnis gekommen sind. Dabei haben die Sachverständigen dem derzeitigen Wissenstand der Medizin Berücksichtigung zukommen lassen.

Der Senat misst dabei den Einschätzungen des Dr.F. besondere Bedeutung zu, welcher als Ärztlicher Leiter des Zentrums für Fibromyalgie des Klinikums Bad B. ein ausgewiesener Spezialist auf dem vom Kläger geltend gemachten Gebiete der Fibromyalgie ist. Dessen Einschätzung hat auch Dr.S. geteilt, welcher klar umrissen hat, dass zum einen für die Diagnose der Fibromyalgie abgrenzbare Kriterien erfüllt sein müssen, die beim Kläger nicht gegeben sind, und welcher die Auswirkungen des von ihm diagnostizierten Schmerzsyndroms sozialmedizinisch zutreffend gewertet hat. Aufgrund akribischer und eingehender Beobachtung hat Dr.S. die Ausprägung der vom Kläger geltend gemachten Symptome und die dadurch verursachte Beeinträchtigung zutreffend eingeschätzt, indem er aus den Begleitumständen Rückschlüsse auf die Aktionsmöglichkeiten des Klägers gezogen hat. Er hat dabei die körperliche Verfassung, die genannten Tagesaktivitäten und dessen Psychodynamik aus einer mehrstündigen Exploration heraus überzeugend gewürdigt.

Nach diesen übereinstimmenden Sachverständigengutachten ist der Kläger damit noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig auszuüben und insbesondere auch als Bürokaufmann in seinem zumutbaren Verweisungsberuf ebenso tätig zu sein. Zwar sind aufgrund des psychischen Leis-tungsvermögens Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen aus regem Kundenkontakt nicht mehr abzuverlangen. Damit wären Bürokaufmannstätigkeiten mit dieser speziellen Anforderung nicht möglich; diese Spezialität ist dem Beruf des Bürokaufmanns jedoch nicht regelmäßig zu eigen und entspricht nicht dem gesamten Berufsbild der bürokaufmännischen Arbeiten. Zudem hatten die Sachverständigen festgestellt, dass dem Kläger auch die zuletzt ausgeübte Servicetätigkeit, bei welcher er in der Fahrzeugannahme und -übergabe immer wieder in Kundenkontakt getreten war, zuzumuten ist. Bürokaufmannstätigkeiten mit gelegentlichem bis nicht übermäßig gehäuftem Kundenkontakt sind dem Kläger somit durchaus möglich.

Die weiter von den Sachverständigen geltend gemachten Einschränkungen des Ausschlusses von schwerem Heben und Tragen sowie anderer körperlich belastender Tätigkeiten fallen bei einer Arbeit als Bürokaufmann nicht weiter einschränkend ins Gewicht. Die von Dr.R. auf urologischem Gebiet geforderte Möglichkeit, eine Toilette aufsuchen zu können, ergibt keine relevante Einschränkung der Leistungsfähigkeit, weil nach den Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung eine Toilette ohnehin regelmäßig erreichbar sein muss. Besondere Anforderungen im Sinne einer sofortigen, jederzeitigen Erreichbarkeit einer Toilette hat der Sachverständige nicht postuliert.

Nicht gefolgt werden kann hingegen den Einschätzungen des erst-instanzlich vorgelegten Gutachtens des G.T. sowie des Gutachtens des Dr.N. , welches der Senat nach § 109 SGG eingeholt hat. Das Gutachten des G.T. ist bereits deswegen nicht verwertbar, weil es keine eindeutigen Diagnosen enthält, sondern die Erkrankungen des Klägers lediglich umschreibend schildert. Eine klare Abgrenzung zwischen somatoformer Störung, Schmerzerkrankung, Fibromyalgiesyndrom, psychischer Störung, Erschöpfungssyndrom sowie den aus diesen resultierenden körperlichen Einschränkungen findet nicht statt. Das Gutachten ist zudem nicht aufgrund klarer Fragestellung im Sinne der Subsumtion unter die Voraussetzungen der gesetzlichen Rentenversicherung erstellt worden, sondern im Rahmen einer Prüfung, ob dem Kläger nach einer privaten Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung Leistungen zu gewähren sind. Das Gutachten kann deshalb nur im Sinne einer gewissen Indizwirkung verwertet werden, nicht jedoch zur Abgrenzung, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit erfüllt sind oder nicht.

Nicht überzeugen kann das Gutachten des Dr.N. , welches zunächst keine scharfe begriffliche Eingrenzung der gestellten Diagnosen enthält. Es schildert auf Seite 15 ein langjähriges chronisches Schmerzsyndrom im Sinne eines Fibromyalgiesyndroms mit in den letzten Jahren zunehmendem chronischen Müdigkeitssyndroms bei Begleitsymptom einer depressiven Störung. Es nennt demgegenüber als Antwort auf die Frage nach bestehenden Gesundheitsstörungen ein ausgeprägtes Fibromyalgiesyndrom im Übergang zu einem chronischen Müdigkeitssyndrom sowie als weitere Diagnose ein depressives Syndrom mit Angststörung und Persönlichkeitsstörung. Das Gutachten beschreibt damit ein diffuses, in sich verwobenes Diagnosebild. Es kann auch nicht zutreffend sein, wenn Dr.N. sämtlichen Vorgutachtern, insbesondere also auch dem Leiter des Zentrums für Fibromyalgie Dr.Dr.F. , den indirekten Vorwurf macht, diese hätten die Untersuchung der schmerzzeigenden Druckpunkte nicht richtig durchgeführt und die falschen Stellen getestet. Hieraus zeigt sich, dass Dr.N. , welcher den Kläger bereits seit Jahren wegen eines Fibromyalgiesndromes behandelt, nicht die gleiche neutrale Stellung einnimmt, wie die übrigen von Gerichts wegen bestellten Sachverständigen. Schließlich krankt das Gutachten des Dr.N. daran, dass die Auswirkungen der von ihm gestellten Diagnosen in ihrer Ausprägung und in ihrer Wirkung auf die Leistungsfähigkeit des Klägers nicht ausreichend begründet werden. Dies betrifft insbesondere die - im Übrigen nicht bestehende - Fibromyalgie, welche nur dann eine Einschränkung der Leistungsbreite begründen könnte, wenn sie nicht nur als Krankheit diagnostiziert, sondern in ihrer konkreten Auswirkung auf eine berufliche Tätigkeit gewürdigt wird.

Zu einer weiteren Sachaufklärung von Amts wegen infolge der vom Kläger weiterhin behaupteten wesentlichen Minderung der Erwerbsunfähigkeit und aufgrund der von ihm vorgelegten weiteren ärztlichene Befund- und Behandlungsberichte ist der Senat nicht veranlasst. Die neu vorgelegte ärztliche Dokumentation - soweit sie den Sachverständigen nicht bereits zugänglich war - enthält lediglich die Bescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit, im Übrigen werden jedoch keine neuen Krankheiten benannt oder gar deren Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit des Klägers beschrieben. Im Gegenteil berichtet die Psychiaterin/Psychotherapeutin T. im Attest vom 01.08.2005, dass sich das Beschwerdebild kaum geändert habe und nur eine Dysthymia vorliege.

Den Anträgen des Klägers auf Anhörung des Dr.N. nach § 109 SGG und auf Einholung eines weiteren Gutachtens gemäß § 109 SGG durch Dr.F. auf nervenärztlichem/psychotherapeutischem Fachgebiete - welche der Kläger im Übrigen in der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2005 nicht mehr gestellt hatte, - müsste der Senat nicht nachkommen, denn das Antragsrecht wäre insoweit bereits verbraucht. Auf internistisch/rheumatologischem und psychotherapeutischem Gebiet hat bereits Dr.N. ein Gutachten nach § 109 SGG am 23.03.2005 erstellt. Auf psychosomatischem Fachgebiet ist bereits erstinstanzlich Dr.Dr.F. gehört worden. Zudem ist der Antrag auf Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens mit Schriftsätzen vom 07.10.2005 und 17.10.2005 gestellt worden und somit deutlich nach dem 27.09.2005, als der Kläger die Ladung zum Termin am 18.10.2005 erhalten hatte. Die entsprechende Gutachtenseinholung hätte deshalb den Rechtsstreit zusätzlich deutlich verzögert, weshalb ihm ebenfalls nicht nachzukommen war.

Der Kläger erfüllt nach allem nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen der begehrten Rente wegen Berufsunfähigkeit. Die Wegefähigkeit ist nicht eingeschränkt, ebenso wenig wie die Umstellungsfähigkeit; Anhaltspunkte für eine außergewöhnliche Summierung von Leistungseinschränkungen oder für eine besonders schwerwiegende Leistungsminderung, welche zu einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes führen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Kläger hat damit in keinem Falle Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Der Berufung musste deshalb in vollem Umfange der Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 SGG).
Rechtskraft
Aus
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