L 20 R 71/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 RJ 568/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 71/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 12/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 18.11.2004 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Erwerbsminderung.

Der 1961 geborene Kläger hat den Beruf eines Chemiefacharbeiters erlernt (Prüfung 1980). Anschließend war er überwiegend als Rohrleitungsmonteur versicherungspflichtig beschäftigt; von März bis September 1986 hat er einen Schweißerlehrgang absolviert. Seit seinem dauernden Aufenthalt in Portugal im Jahre 1994 ist er selbstständig als Installateur und Antennenmonteur tätig.

Am 26.10.2000 beantragte der Kläger wegen Wirbelsäulenbeschwerden Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Nach Beinahme eines in Portugal erstellten Gutachtens vom 08.01.2001, in dem eine Invalidität des Klägers verneint wurde, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.01.2002 den Rentenantrag ab und verwies den Kläger auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Im Vorverfahren nahm die Beklagte den Arztbrief des Orthopäden Dr.A. (Portugal) vom 09.04.2003 bei, in dem Arbeiten für unzumutbar gehalten werden, bei denen die Wirbelsäule belastet werde. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück, weil dieser in der Lage sei, wenigstens 6 Stunden täglich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten (Widerspruchsbescheid vom 16.07.2003).

Das Sozialgericht Würzburg (SG) ließ den Kläger orthopädisch von Dr.B. (Gutachten vom 29.06.2004), von dem Nervenarzt Dr.B. (Gutachten vom 28.06.2004), von dem Internisten Dr.D. (Gutachten vom 12.07.2004) und dem HNO-Arzt Dr.N. (Gutachten vom 28.06.2004) untersuchen und begutachten. Zusammenfassend hat Dr.D. das Leistungsvermögen des Klägers dahingehend beschrieben, dass dieser in der Lage sei, leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig (mindestens 6 Stunden), mittelschwere Tätigkeiten bis 3-stündig zu verrichten. Nicht zumutbar seien Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung (Akkord/Fließbandarbeiten, Wechsel- oder Nachtschicht, Arbeiten unter Termindruck), Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen (auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr, an laufenden Maschinen), Tätigkeiten mit besonderer Belastung des Bewegungs- und Stützsystems (z.B. überwiegendes Stehen oder Gehen, häufiges Bücken, mit Heben und Tragen schwerer Lasten von mehr als 15 kg, Zwangshaltungen oder Überkopfarbeiten) und Tätigkeiten unter ungünstigen äußeren Bedingungen. Die Wegstrecke sei nicht eingeschränkt. Der Kläger sei zwar nicht mehr in der Lage, als Elektrotechniker tätig zu sein. Die Tätigkeit eines Hausmeisters sei ihm grundsätzlich zumutbar unter Beachtung der beschriebenen Funktionseinschränkungen. Ebenfalls zumutbar sei eine Tätigkeit als Pförtner.

Mit Urteil vom 18.11.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Bei dieser Entscheidung hat sich das Gericht den Leistungsbeurteilungen der von ihm gehörten ärztlichen Sachverständigen angeschlossen. Danach sei die Erwerbsfähigkeit des Klägers noch nicht in den unter vollschichtigen Bereich gesunken. Die bei ihm beschriebene Arbeitsunfähigkeit in den letzten Jahren habe sich lediglich auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit und nicht auf den allgemeinen Arbeitsmarkt bezogen. Auch liege beim Kläger Berufsunfähigkeit (BU) nicht vor. Der Kläger habe sich von dem erlernten Beruf eines Chemiefacharbeiters gelöst. Die zuletzt in Deutschland versicherungspflichtig ausgeübte Tätigkeit des Rohrverlegers sei der dritten Gruppe des Mehrstufenschemas zuzuordnen, da sie nicht eine Ausbildung von mehr als zweijähriger Ausbildung voraussetze. Es sei kein Nachweis darüber vorhanden, dass der Kläger bei dieser Tätigkeit ggfs. doch gleich einem Facharbeiter iS der Rechtsprechung eingesetzt und adäquat entlohnt worden sei (der letzte Arbeitgeber war nicht mehr zu ermitteln). Der Kläger sei daher allenfalls dem oberen Bereich der Angelernten zuzuordnen. Damit sei er auf die Tätigkeit eines einfachen Pförtners verweisbar, die ihm nach den ärztlichen Feststellungen noch zumutbar sei.

Seine dagegen eingelegte Berufung begründet der Kläger im Wesentlichen einmal damit, dass er nicht mehr vollschichtig einsetzbar sei. Diese Angaben könnten durch die Vernehmung der Ehefrau verifiziert werden. Unter Vorlage eines entsprechenden Zeugnisses macht er geltend, in der Zeit von Juli 1989 bis Dezember 1989 als Facharbeiter (Rohrleitungsbauer) tätig gewesen zu sein. Weiter legt er eine Aufstellung seiner in Deutschland verrichteten Tätigkeiten, eine Bestätigung über den Schweißerlehrgang vom 01.03. bis 31.08.1987 sowie eine Bestätigung darüber vor, dass er von 1986 bis 1992 qualifizierte Schweiß-, Montage- und Vorrichtungsarbeiten ausgeführt habe.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Urteils des SG Würzburg vom 18.11.2004 zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit ab 01.10.2000 zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrags verweist die Beklagte auf die erstinstanzliche Urteilsbegründung und die Ausführungen im angefochtenen Bescheid bzw im Widerspruchsbescheid. Sollte das erkennende Gericht wider Erwarten von Berufsschutz ausgehen, wird seitens der Beklagten vorsorglich darauf hingewiesen, dass der Kläger auch in der Tätigkeit des Hausmeisters oder Hauswarts zumutbar einsatzfähig sei.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die vom Senat beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).

Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 18.11.2004 zu Recht entschieden, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), wegen Berufsunfähigkeit (BU) und auch nicht wegen voller Erwerbsminderung hat. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind somit rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Anspruch auf Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit richtet sich bei Antragstellung vor dem 31.03.2001 (hier am 26.10.2000) nach den Vorschriften des SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (aF), da geltend gemacht ist, dass dieser Anspruch bereits seit einem Zeitpunkt vor dem 01.01.2001 besteht (vgl § 300 Abs 2 SGB VI). Soweit (hilfsweise) Rente wegen Erwerbsminderung für eine nach dem 31.12.2000 beginnende Zeit begehrt wird, sind für den Anspruch dann die Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (nF) maßgebend.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach den §§ 43 Abs 1 Satz 1, 44 Abs 1 Satz 1 SGB VI aF. Nach diesen Vorschriften haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen BU bzw EU, wenn sie die allgemeine Wartezeit erfüllt, berufs- bzw erwerbsunfähig sind und die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der BU bzw EU 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit) erfüllt haben. Diese besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt der Kläger nach seinem aktenkundigen Beitragsbild letztmals am 30.11.2002. Der Kläger ist aber weder berufs- noch erwerbsunfähig iS des Gesetzes.

Das zunächst festzustellende berufliche Leistungsvermögen des Klägers ist zwar schon seit der Rentenantragsstellung am 26.10.2000 eingeschränkt, aber noch nicht in einem rentenerheblichen Maße. Insoweit folgt der Senat den in sich schlüssigen und überzeugenden Ausführungen der vom SG gehörten ärztlichen Sachverständigen Dr.B. , Dr.B. , Dr.D. und Dr.N ... Zwar ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die von den ärztlichen Sachverständigen festgestellten Gesundheitsstörungen chronisch obstruktive Bronchitis, arterieller Bluthochdruck, LWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen, lumbaler Bandscheibenschäden und Fehlstatik durch Beinverkürzung links, Somatisierungsstörungen bei Psychasthenie, Schwindel, beginnende Polyneuropathie, chronische Nasennebenhöhlenentzündung, Paradontose mit sanierungsbedürftigem Zahnstatus und Fistelbildung im rechten Oberkiefer beeinträchtigt. Doch auch bei Gesamtwürdigung der beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen lässt sich, wie das SG zu Recht ausgeführt hat, der Leistungsfall der BU bzw EU nicht begründen. Nicht zu beanstanden ist auch die vom SG vorgenommene Qualifikation des Klägers, nach der eine Facharbeitereigenschaft des Klägers nicht festzustellen ist mit der Folge, dass der Kläger allenfalls der Gruppe der Angelernten - oberer Bereich - zuzuordnen ist. Im Übrigen hat der Kläger selbst angegeben, dass er in Portugal zuletzt Antennen montiert und Gas- und Wasserleitungen installiert hat. Ferner ergibt sich aus seiner Internet-Adresse ("Solar-Uli"), dass er auch Solaranlagen installiert. Mangels Ausbildung kann - in Übereinstimmung mit dem SG - nicht von einer Facharbeitereigenschaft des Klägers ausgegangen werden, zumal entsprechende Ausbildungsnachweise nicht vorliegen.

Bei dieser Sachlage hat das SG im angefochtenen Urteil vom 18.11.2004 zu Recht entschieden, dass dem Kläger Leistungen wegen BU und EU nicht zustehen. Leistungen wegen teilweiser Erwerbsminderung bei BU stehen dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil er nach dem 02.01.1961 geboren ist (§ 240 Abs 1 Nr 1 SGB VI). Der Senat weist die Berufung des Klägers daher aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs 2 SGG.

Der Senat hält den Sachverhalt in medizinischer Hinsicht für hinreichend aufgeklärt. Dies einmal im Hinblick auf die vom SG eingeholten Gutachten auf vier verschiedenen Fachgebieten und das zusammenfassende Gutachten von Dr.D. vom 01.08.2004. Zum anderen liegt keinerlei Anhaltspunkt dafür vor, dass durch die Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen neue Gesichtspunkte für die beim Kläger in der Vergangenheit vorliegenden Gesundheitsstörungen ergibt. Denn zu entscheiden hatte der Senat lediglich darüber, ob der Leistungsfall der verminderten Erwerbsfähigkeit bzw vollen bzw teilweisen Erwerbsminderung bei BU bis spätestens 30.11.2002 eingetreten ist. Nach dem aktenkundigen Versicherungsverlauf sind beim Kläger die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (erforderliche Beitragsdichte) letztmals an diesem Tag gegeben. Dass die medizinischen Voraussetzungen für die vom Kläger begehrte Rente bis zum diesem Zeitpunkt nicht vorlagen, hat das SG im angefochtenen Urteil vom 18.11.2004 zu Recht entschieden.

Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung des Klägers erfolglos blieb.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 60 Abs 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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