L 16 R 161/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 103/03 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 R 161/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 270/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 15. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Erwerbsminderung streitig.

Der 1950 geborene Kläger ist Staatsangehöriger der Republik Serbien und Montenegro und dort wohnhaft. In seiner Heimat war er im Jahre 1969 und dann wieder vom 01.04.1983 bis 21.12.2000 über 17 Jahre versicherungspflichtig beschäftigt. In Deutschland hat er Pflichtbeiträge von 02.10.1972 bis 31.12.1982 (123 Monate) zurückgelegt. Im Antragsformular verneinte er die Frage nach einer Berufsausbildung, gab bei der Begutachtung zu seiner Tätigkeit in Deutschland den Beruf eines Maschinenschlossers an. In seiner Heimat bezieht der Kläger seit 21.12.2000 Invalidenrente.

Am 11.12.2000 beantragte der Kläger in seinem Heimatland die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der Deutschen Rentenversicherung. Dem Rentenantrag wurde ein Untersuchungsbericht nebst zahlreichen ärztlichen Unterlagen des Versicherungsträgers in B. vom 21.12.2000 vorgelegt. Dort wurde in der Tätigkeit als Maschinenschlosser und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Leistungsvermögen von weniger als zwei Stunden auf Dauer angenommen. Einer Vorladung zur Untersuchung in der Ärztlichen Gutachterstelle der Beklagten in R. kam der Kläger nicht nach, da er unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustandes nicht reisefähig sei. Die Beklagte forderte weitere fachärztliche Untersuchungsberichte aus der Heimat des Klägers an und ließ diese durch ihren Arzt Dr.D. auswerten. Dieser kam zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass der Kläger als Maschinenschlosser nicht mehr arbeiten könne, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt jedoch sechs Stunden und mehr Tätigkeiten zu ebener Erde, ohne besonderen Zeitdruck und ohne Heben und Tragen von Lasten ausüben könne.

Mit Bescheid vom 05.06.2002 lehnte die Beklagte den Rentenantrag gestützt auf diese Einschätzung ab. Auf den Widerspruch des Klägers holte die Beklagte eine Arbeitgeberauskunft des letzten Arbeitgebers in Deutschland der Firma B. Maschinenbau, B. , ein. Diese gab an, der Kläger sei von Oktober 1972 bis Februar 1982 dort als Dreher/Hilfsschlosser beschäftigt gewesen. Es habe sich um angelernte Arbeiten mit einer Ausbildungsdauer von mindestens drei bis zwölf Monaten gehandelt. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2002 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch als unbegründet zurück. Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Erwerbsminderung bestehe nicht, da der Kläger noch mindestens sechs Stunden erwerbstätig sein könne. Auch Berufsunfähigkeit liege nicht vor, da sich der Kläger als angelernter Arbeiter auf alle ungelernten Tätigkeiten nicht aller einfachster Art verweisen lassen müsse.

Dagegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut.

Eine Anfrage des Sozialgerichtes, ob er zu einer Untersuchung in Deutschland bereit sei, verneinte er unter Vorlage einer ärztlichen Bestätigung, wonach er wegen akuter stationärer Behandlung in der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses nicht zur Untersuchung erscheinen könne. Zugleich ließ der Kläger aus Serbien ein Diplom über die Fachausbildungsstufe im Beruf Schlosser-Monteur in der Maschinenbranche vom 19.06.1968 vorlegen.

Das Sozialgericht versuchte, den Kläger zu einer Untersuchung und Begutachtung nach Deutschland vorzuladen, worauf dieser mitteilen ließ, nach Ansicht des behandelnden Neuropsychiaters derzeit nicht reisefähig zu sein. Eine kurzfristige Herstellung der Reisefähigkeit sei nicht ohne weiteres zu erwarten. Der Kläger ließ einen Entlassungsschein der psychiatrischen Klinik in K. vorliegen, wo er vom 22.04. bis 16.05.2003 in stationärer Behandlung war.

Das Sozialgericht holte daraufhin ein Gutachten des Internisten und Radiologen Dr.R. vom 11.12.2003 nach Aktenlage ein. Unter Auswertung der vorliegenden Unterlagen stellte er folgende Diagnosen: 1. Coronare Herzkrankheit bei Bluthochdruck und Übergewicht 2. Neigung zu depressiven Verstimmungen 3. Magengeschwürsneigung 4. Degeneratives Wirbelsäulensyndrom 5. Nierenstein links.

Zusammenfassend führte der Sachverständige aus, unzumutbar seien schwere und mittelschwere Arbeiten, das Heben und Tragen schwerer Lasten, Tätigkeiten in Zwangshaltung und in gebückter Körperhaltung und Stresseinwirkungen insbesondere durch Zeitdruck, Akkord, Fließband, Nachtschicht, hohe Konzentrationsanforderungen und Publikumsverkehr. Mit dem verbliebenen Leis-tungsvermögen könne der Kläger leichte und ruhige Arbeiten noch ausführen. Akute Beschwerdeschübe seien durch Behandlung reversibel. Geeignet seien vor allem leichte Handverrichtungen an Werkstücken der gewerblichen Industrie, Kleinteilmontage, Sortier- und Kontrollarbeiten, Verpackungstätigkeiten, Materialausgabe und ähnliche Verrichtungen. Eine zeitliche Einschränkung der Arbeitseinsatzfähigkeit sei bei Berücksichtigung dieser qualitativen Ausnahmen nicht begründbar. Der Kläger könne sechs Stunden und mehr täglich (nach altem Recht: vollschichtig) eingesetzt werden. Als Dreher und Hilfsschlosser sei er nicht mehr einsetzbar. Es lägen ausführliche internistische und nervenärztliche Befundberichte vor, die eine Beurteilung des Leistungsbildes zuließen.

Mit Gerichtsbescheid vom 15.02.2004 hat das Sozialgericht nach Anhörung der Beteiligten die Klage abgewiesen. Zur Begründung stützte es sich im Wesentlichen auf das Gutachten des Sachverständigen Dr.R. , wonach der Kläger in der Lage ist, leichte körperliche Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Unter Berücksichtigung der in Deutschland ausgeübten Tätigkeit sei der Kläger als angelernter Arbeiter im unteren Bereich zu beurteilen und somit auf praktisch alle Berufstätigkeiten des allgemeinen Arbeitsvermarktes verweisbar. Der konkreten Benennung eines Verweisungsberufes bedürfe es dabei nicht, so dass auch die Voraussetzungen eines Anspruches auf Rente wegen Berufsunfähigkeit nicht gegeben seien.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Nachdem der Kläger unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung erneut auf seine Reiseunfähigkeit hinwies und diese nach ärztlicher Bescheinigung auf Dauer bestehe, holte der Senat ein nervenärztliches Gutachten des Dr.S. nach Untersuchung des Klägers in seiner Heimat ein. Im Gutachten vom 19.11.2004 stellte der Sachverständige folgende Gesundheitsstörungen fest: - Mäßiggradig ausgeprägte Dysthymia, - Benzodiazepin-, Analgetika- und Nikotin-Abusus, - koronare Herzkrankheit, - degeneratives Wirbelsäulensyndrom, - Adipositas.

Zusammenfassend führte er aus, dem Kläger könnten Arbeiten in Nachtschicht oder Akkord, im Gehen, mit Nässe, Kälte, Hitze, Heben und Tragen von Lasten nicht mehr zugemutet werden. Unter betriebsüblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses könne der Kläger noch acht Stunden täglich arbeiten. Insgesamt lägen keine besonderen gesundheitlichen Umstände vor, die einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit unter arbeitsmarktüblichen Bedingungen entgegenstünden.

Der Kläger konnte sich mit dem Ergebnis dieser Begutachtung nicht einverstanden erklären und rügte insbesondere, dass das Gutachten Dr.S. lediglich auf einer einmaligen Untersuchung beruhe. Er legte weitere ärztliche Unterlagen vor und dabei u.a. einen neuropsychiatrischen Befund und Beurteilung des Facharztes für Neuropsychiatrie und ständigen Gerichtsgutachters Dr. M. S. vom 06.02.2005. Darin wurde zusammenfassend ausgeführt, die Arbeitsfähigkeit des Klägers sei gemindert und er sei fähig zur Verrichtung von wenig komplizierten Tätigkeiten in einer Dauer von bis zu vier Stunden.

In einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 19.04.2005 wertete Dr.S. diese Unterlagen aus und führte zusammenfassend aus, ein neuer medizinischer Sachverhalt ergebe sich aus den vorgelegten Unterlagen nicht, weshalb es bei der Leistungsbeurteilung im Gutachten vom 19.11.2004 verbleiben müsse. Die Beurteilung der Leistungsfähigkeit, wonach der Kläger im Stande sei, die unkomplizierten Tätigkeiten in der Dauer von nur vier Stunden täglich zu verrichten, sei nicht nachvollziehbar.

In einer Stellungnahme hierzu ließ der Kläger weitere ärztliche Unterlagen aus seinem Heimatland vorlegen, die Dr.S. im Rahmen einer zweiten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 25.07.2005 erneut auswertete. Dieser geht im Einzelnen auf die vorgelegten Unterlagen und die darin geäußerte Kritik an seinem Gutachten ein, ohne zu einer Änderung der Leistungsbeurteilung zu gelangen.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 15.12.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Beklagtenakte sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß den § 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, jedoch sachlich unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Erwerbsminderung. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Rechtslage aufgrund des im Dezember 2000 gestellten Rentenantrages nach den maßgeblichen Bestimmungen in der bis 31.12.2000 geltenden oder - wie vom Sozialgericht zugrunde gelegt - in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung zu beurteilen ist.

Der Kläger hat zwar nach Aktenlage zum Zeitpunkt der Antragstellung die Wartezeit sowie die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. wegen Erwerbsminderung erfüllt, er ist jedoch nicht mindestens berufsunfähig im Sinne der Begriffsbestimmung des § 43 Abs.2 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) a.F. bzw. § 240 SGB VI n.F. Erst recht sind damit nicht die strengeren Voraussetzungen für das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit im Sinne von § 44 Abs.2 SGB VI a.F. bzw. teilweiser oder voller Erwerbsminderung im Sinne von § 43 Abs.1 Satz 2 Abs.2 Satz 2 SGB VI n.F. erfüllt.

Die Erwerbsfähigkeit des Klägers ist nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als sechs Stunden derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken. Er erfüllt damit nicht die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Erwerbsminderung, wie sie in den § 43, 44 SGB VI a.F. bzw. 43, 240 SGB VI n.F. gefordert werden und vom Sozialgericht näher dargestellt wurden.

Das Sozialgericht hat unter Würdigung insbesondere des im Klageverfahren eingeholten Aktenlagegutachtens des Internisten Dr.R. vom 11.12.2003 zutreffend ausgeführt, dass der Kläger unter Berücksichtigung aller dokumentierten Gesundheitsstörungen noch in der Lage ist, leichte körperliche Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen von Lasten sowie ohne Tätigkeiten in Zwangshaltung und in gebückter Haltung sowie in Stresseinwirkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Darüber hinaus hat Dr.R. ausdrücklich festgehalten, dass auch ein vollschichtiger Einsatz, d.h. acht Stunden tägliches Arbeiten möglich ist. Zutreffend hat das Sozialgericht auch darauf hingewiesen, dass beim Kläger keine schwere spezifische Leis-tungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leis-tungseinschränkungen vorliegt, die die Fähigkeit, körperlich leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten, zusätzlich einschränkt. Ebenso zutreffend ist das Sozialgericht unter Berücksichtigung der von der Beklagten eingeholten Arbeitgeberauskunft davon ausgegangen, dass der Kläger als angelernter Arbeiter im unteren Bereich einzustufen ist, und ihm damit die Verweisung auf praktisch alle Berufstätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, sofern sie nicht einfachster Art sind, zumutbar ist. Der konkreten Benennung eines Verweisungsberufes bedarf es dabei nicht. Der Senat schließt sich den Ausführungen des Sozialgerichts an und sieht insoweit gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend ist unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren weiter vorgelegten ärztlichen Unterlagen und insbesondere des eingeholten Sachverständigengutachtens des Arztes für Psychiatrie Dr.S. vom 19.11.2004 nebst dessen ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen vom 19.04.2005 und 25.07.2005 auszuführen, dass hierdurch eine von der des Sozialgerichts abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage nicht möglich ist.

Der Senat hat der vom Kläger vorgetragenen und durch ärztliche Atteste bescheinigten Unfähigkeit, sich einer Begutachtung in Deutschland zu unterziehen, dadurch Rechnung getragen, dass es ihn in seiner Heimat durch den Arzt für Psychiatrie Dr.S. untersuchen und begutachten ließ. Der Sachverständige, der die Exploration des Klägers in dessen Muttersprache (serbisch) durchführen konnte, hat eine ausführliche Anamnese erhoben, den Kläger gründlich untersucht und das umfangreiche Vorbefundmaterial sorgfältig ausgewertet. Insbesondere hat er die Unterlagen über die 2003 durchgeführten stationären psychiatrischen Behandlungen des Klägers besonders gewürdigt. Der Gutachter hat unter Darstellung der vorliegenden Gesundheitsstörungen - auch auf orthopädischem und internistischem Gebiet - die sich daraus ergebenden Leistungsbeeinträchtigungen beschrieben und in Übereinstimmung mit den nach Aktenlage getroffenen Festststellungen des Dr.R. überzeugend dargestellt, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu einem vollschichtigen Leistungsvermögen in der Lage ist, sofern die beschriebenen qualitativen Einschränkungen beachtet werden. Dr.S. hat sich in den vom Senat angeforderten ergänzenden Stellungnahmen noch ausführlich zu den vom Kläger nach der Begutachtung vorgelegten weiteren ärztlichen Unterlagen und Gegenmeinungen sowie der Kritik an seinem Gutachten geäußert und nachvollziehbar dargestellt, dass kein Anlass besteht, von der im Gutachten vom 19.11.2004 beschriebenen Einschätzung der Leistungsfähigkeit des Klägers abzuweichen. Die Notwendigkeit einer erneuten Untersuchung und Begutachtungen des Klägers lässt sich aus den vorgelegten Unterlagen nicht ableiten.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts kann vielmehr keinen Erfolg haben, weshalb sie als unbegründet zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, gemäß § 160 Abs.2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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