L 13 R 451/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 11 R 5866/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 451/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 96/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 17.05.2005 wird zurückgewiesen.
II. Die Klage auf Kostenerstattung wird abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.

Die 1955 geborene Klägerin stellte am 28.05.2001 - gestützt auf einen Befundbericht des praktischen Arztes Dr. B. u.a. mit der Diagnose einer Schwermetallintoxikation - bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation. Am 25.02.1998 war bereits ein Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gestellt, wegen dessen Ablehnung beim SG München unter dem Az. S 11 RA 1019/99 eine Klage anhängig war.

Mit Bescheid vom 04.07.2001 lehnte die Beklagte es ab, Leistungen zu erbringen, da die Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht erheblich gefährdet sei. Bei den vorhandenen Funktionsstörungen einer depressiven Verstimmung und multipler subjektiver Beschwerden sei im Übrigen eine ambulante ärztliche Behandlung ausreichend. Ihren hiergegen erhobenen Widerspruch begründet die Klägerin damit, dass eine spezielle, privatärztliche Therapie erforderlich und eine ambulante Behandlung nicht ausreichend sei. Hierfür angefallene Rechnungen für Medikamente sollten erstattet werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2001 wies die Beklagte den Rechtsbehelf zurück. Der Leidenszustand erfordere eine ambulante nerven- und hausärztliche Behandlung, für die die Beklagte nicht zuständig sei.

Hiergegen hat die Klägerin zum Sozialgericht München (SG) Klage unter dem Az. S 11 RA 81/02 erhoben und diese damit begründet, dass eine pflanzliche Ausleitungstherapie im Rahmen einer medizinischen Rehabilitation in einer Klinik in der Nähe von L. notwendig sei. Wiederholt hat die Klägerin auch später (z. B. mit Schriftsatz vom 26. April 2003) von der Beklagten gefordert, die Kosten für eine Ausleitungstherapie zu übernehmen.

Der Neurologe und Psychiater Dr. C. V. hat am 23.12.2002 im Auftrag des SG ein Gutachten nach Aktenlage erstellt, wonach bei der Klägerin eine Somatisierungsstörung so-wie der Verdacht auf eine Persönlichkeitsstörung mit depressiver und ängstlicher Symptomatik bestehe, die die Erwerbsfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf einer Diplom-Ingenieurin für Architektur erheblich mindere. Sinnvoll wäre eine stationäre Behandlung in einer Fachklinik für Psychotherapie und Psychosomatik mit Schwerpunkt für umweltassoziierte Erkrankungen. Allerdings sei ein Erfolg wegen der fehlenden Motivation der Klägerin für eine solche Behandlungsmaßnahme fraglich. Denn sie sei auf eine andere Hypothese der Entstehung ihrer Gesundheitsstörung als einer innerseelischen Ausrichtung fixiert.

Am 23.03.2004 setzte das SG auf Antrag der Beklagten den Rechtsstreit wegen des weiteren Klageverfahrens bis zum Anerkenntnis vom 05.08.2004 im Berufungsverfahren beim Bayer. Landessozialgericht (Az. L 14 RA 233/01) aus. Danach erhielt die Klägerin ab 01.04.2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung, insbesondere aufgrund eines Gutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M. vom 10.07.2003, wonach nur mehr ein Arbeitsvermögen von vier bis sechs Stunden vorhanden sei. Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit seien nicht erfolgsversprechend, weil die Klägerin aufgrund eines wahnhaften Misstrauens gegenüber psychiatrischen Institutionen dazu nicht bereit sei.

Nach Fortführung des Verfahrens des SG unter dem Az. S 11 R 1866/04, später S 11 R 5866/04, beantragte die Beklagte Klageabweisung, weil jetzt die am 28.05.2001 beantragte Reha-Leistung wegen der vorhandenen Erwerbsunfähigkeit der Klägerin nicht mehr indiziert sei. Ihre Erwerbsfähigkeit könne nach dem inzwischen festgestellten Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht mehr wiederhergestellt werden. Die Klägerin hat dazu am 09.05.2005 vorgebracht, die Beklagte hätte zumindest damals medizinische Leistungen erbringen oder den darauf gerichteten Antrag an einen zuständigen Träger weiterleiten müssen. Sie beantrage daher die Feststellung, welcher Träger für den Reha-Antrag und die medizinischen Leistungen zuständig sei. Ihren Antrag auf Kostenerstattung hat sie dabei nicht wiederholt.

Mit Gerichtsbescheid vom 17.05.2005 hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 04.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2001 abgewiesen. Es fehle zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an den persönlichen Voraussetzungen einer medizinischen Rehabilitationsleistung im Sinne von § 10 SGB VI, weil die Klägerin inzwischen voll erwerbsgemindert sei. Daher sei über die Art, Dauer und Umfang der medizinischen Leistungen, die ins Ermessen der Beklagten gestellt seien, nicht zu entscheiden.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und damit begründet, dass das Verhalten der Beklagten gegen die Vorschriften des SGB IX verstoße und ihr deswegen ein Schaden in Höhe von 4.000,00 EUR durch selbstbeschaffte Gesundheitsmaßnahmen entstanden sei.

Die Klägerin stellt den Antrag, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 17.05.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 04.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, medizinische, stationäre, teilstationäre und ambulante Leistungen zu erbringen bzw. Kostenerstattung in Höhe von ca. 4.000,00 EUR zu erbringen.

Die Beklagte stellt den Antrag, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten beider Instanzen, des SG mit dem Az. S 11 RA 1019/99 sowie des LSG mit dem Az. L 14 RA 233/01, und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die ohne Zulassung (§ 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151, 153 Abs.1, 87 Abs.1 Satz 2 SGG). Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Gegenstand der Berufung ist der Gerichtsbescheid des SG vom 07.05.2005 sowie die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 23.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2001 verbunden mit dem Antrag auf Erbringung der Sachleistung einer medizinischen Rehabilitation. Nach dem weiter im Berufungsverfahren von der Klägerin gestellten Antrag ist - im Einverständnis mit der Beklagten - auch über die Erstattung von Kosten in Höhe von ca. 4.000,00 EUR für selbstbeschaffte Heilmaßnahmen eine Entscheidung zu treffen. Insoweit hat die Klägerin - anders als es im Berufungsverfahren den gestellten Fest-stellungsantrag betrifft - nicht auf ihren bereits im Klageverfahren erhobenen Klageantrag verzichtet (Näheres dazu unten Seite 10).

Sachlicher Gegenstand des Rechtsstreits ist zunächst die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine Rehabilitationsleistung zu erbringen. Die Versicherte hat, weil der Be-klagten bei der Anwendung der Vorschriften zur medizinischen Rehabilitation, ein Handlungs- und Auswahlermessen zusteht, keinen Anspruch auf eine bestimmte Leistung (§ 54 Abs.4 SGG), sondern nur das Recht auf eine pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs.1 Satz 2 SGB I), dies aber auch nur und erst dann, wenn die rechtlichen Voraussetzungen für die Ermessensbetätigungspflicht vorliegen. Dabei ist der Anspruch mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs.1 Satz 1 SGG durchzusetzen (sog. Verpflichtungsbescheidungsklage, BSG SozR 3-5765 § 10 Nr.3 S.16 m.w.N.).

Bei der Klägerin fehlt es bereits an der Grundvoraussetzung des Rehabilitationszwecks. Sie erfüllt die persönlichen Voraussetzungen nicht.

Dem Grunde nach bestimmen die Träger der Rentenversicherung im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung dieser Leistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. § 13 Abs.1 SGB VI). Für die Betätigung des Handlungsermessens ist zunächst eine Eingangsprüfung über das "Ob" der Rehabilitation erforderlich. Danach erbringt die Rentenversicherung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen zu dem Zweck, eine drohende Erwerbsminderung zu verhindern bzw. eine Erwerbsminderung zu beseitigen (§ 9 SGB VI). Dazu müssen persönliche (§ 10 SGB VI) und versicherungsrechtliche Voraussetzungen (§ 11 SGB VI) erfüllt werden. Erst dann ist der Rehabilitationsträger zur pflichtgemäßen kon-kreten Auswahl der Rehabilitationsleistung verpflichtet.

Die Beklagte hat in diesem Falle zu Recht schon kein Handlungsermessen für eine medizinische Rehabilitation angenommen, da es schon an den persönlichen Voraussetzungen bzw. einem Rehablitationszweck fehlt. Über diese rechtlichen Voraussetzungen ist nach Maßgabe jener Rechtsvorschriften zu entscheiden, die zu dem Zeitpunkt gegolten haben, als die konkrete Leistung notwendig geworden ist (vgl. BSG BSGE 53, 229, 231 f.). Nach § 10 SGB VI Abs.1 i.d.F. nach dem ab 01.01.2001 geltenden Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (EM-RefG), und damit für den am 28.05.2001 gestellten Antrag maßgeblich, haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Rehabilitation erfüllt, 1. deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und 2. bei denen voraussichtlich a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch medizinische oder berufsfördernde Leistungen abgewendet werden kann, b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch medizinische oder berufsfördernde Leistungen wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Ver-schlechterung abgewendet werden kann, c) bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch berufsfördernde Leistungen erhalten werden kann.

Nach dem Ergebnis der Beweiserhebung durch das SG und der vom Senat verwertbaren Ermittlungsergebnisse des Rentenverfahrens der Klägerin (Az. S 11 RA 1019/99, L 14 RA 233/01) steht fest, dass die Einbuße des Erwerbsvermögens der Klägerin schon bei Antragstellung am 28.05.2001 derart erheblich war, dass eine prognostisch positive Feststellung im Sinne von § 10 Abs.1 Nr.2 Buchstabe b), wonach eine voraussichtlich geminderte Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann, nicht mehr getroffen werden konnte. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. V. war bei der Klägerin - entgegen der Annahme der Beklagten im angefochtenen Verwaltungsakt vom 04.07.2001 - bereits eine teilweise Erwerbsminderung vorhanden, wobei im Übrigen die Klägerin selbst durch ihren am 25.02.1998 gestellten Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit von einem aufgehobenen Erwerbsvermögen ausgegangen ist und was sie auch mehrmals im Verfahren beim Bayer. Landessozialgerichts (Az.: L 14 RA 233/01) hervorgehoben hat. Nach Würdigung der Gutachten von Dr. V. und Dr. M. muss von einem aufgehobenen Erwerbsvermögen schon zum Zeitpunkt der Antragstellung auf die Reha-Leistung am 28. Mai 2001 ausgegangen werden. Insoweit ist die Feststellung eines Leistungsfalles vom März 2003 - aufgrund des am 05.08.2004 zu Stande gekommenen gerichtlichen Vergleichs - nicht bindend für die Feststellung der persönlichen Voraussetzungen im Rehaverfahren. Jenem Verfahren lag mit dem Gutachten des Dr. M. eine eigene Sachermittlung zu Grunde mit dem Ergebnis einer Leistungsbeeinträchtigung auf vier bis sechs Stunden ohne Festlegung auf den genauen zeitlichen Beginn. Der Sachverständige Dr. V. , der im hier gegenständlichen Reha-Verfahren berufen war, lässt demgegenüber keine Zweifel daran aufkommen, dass die führende Gesundheitsstörung der Klägerin, eine Persönlichkeitsstörung, bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung in einer Weise bestand, dass der Erfolg medizinischer Rehabilitationsmaßnahmen wenig wahrscheinlich gewesen wäre.

Ausgehend von der Erkenntnis einer teilweisen Erwerbsminderung ergibt sich in der Frage der persönlichen Voraussetzungen auch unter der oben genannten durch das EM RefG geschaffenen Alternative § 10 Abs.1 Satz 1 Nr.2 Buchstabe c) SGB VI (Erhalt des Arbeitsplatzes durch berufsfördernde Leistungen auch ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit) kein Anspruch. Das ist bei dem gestellten Antrag auf medizinische Rehabilitation weder thematisch (berufsfördernde Leistungen) gegeben noch war bei der Klägerin ein zu erhaltender Arbeitsplatz vorhanden.

Damit war die angefochtene Entscheidung der Beklagten vom 04.07.2001 aus Sicht des materiellen Rechts nicht rechtswidrig.

Der formelle Fehler einer nicht zutreffenden Begründung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen, wonach die Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht erheblich gefährdet sei, führt zu keinem Aufhebungsanspruch. Die fehlerhafte Begründung macht diesen Verwaltungsakt weder unter dem Aspekt der enummerativ aufgeführten Gründe (§ 42 Abs.2 SGB X) noch nach der Generalklausel des § 42 Abs.1 SGB X nichtig. Zwar besteht ein Begründungserfordernis für jeden schriftlichen Verwaltungsakt (§ 35 Abs.1 SGB X), wenn auch nicht spezial-gesetzlich bei der hier vorliegenden Entscheidung über Rehabilitationsleistungen. Nach den hier schon ab 01.07.2001 geltenden Bestimmungen des SGB IX (vgl. Art.67 Abs.1 Nr.1 des Gesetzes vom 09.06.2001, BGBl. 1139) wird eine Begründung nur verlangt, wenn den Wünschen eines Leistungsberechtigten, insbesondere solchen persönlicher Art, bei der Entscheidung über die Leistung und bei deren Ausführung nicht entsprochen wird (§ 9 Abs.2 Satz 3 SGB IX), was bei der Verneinung der persönlichen Voraussetzungen im Sinne von § 9 Absätze 1 und 2 SGB IX nicht der Fall ist.

Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der nicht oder nicht ausreichend begründet wird, ist zwar rechtswidrig. Bei gebundenen Verwaltungsakten wirken sich bloße Begründungsmängel oder Begründungsfehler auf die Rechtmäßigkeit der Regelung aber nicht aus und rechtfertigen grundsätzlich nicht die Aufhebung des Verwaltungsaktes (BSGE 87, 8, 11). Bei ihnen kann die fehlende Begründung im Gerichtsverfahren - wie hier durch die Einlassung der Beklagten - noch nachgeholt werden (vgl. dazu § 41 Abs.1 Nr.2, Abs.2 SGB X sowie § 42 SGB X in der Fassung durch Art.10 N. 5 des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21. 12. 2000, BGBl.I 1983, sowie die durch dieses Gesetz vorgenommene Ergänzung des § 114 Abs.2 SGG). Danach ist für den nach In-Kraft-Treten dieser Vorschrift erlassenen, angefochtenen Bescheid vom 04.07.2001 die Nachholung von Verfahrenshandlungen wie der einer Begründung bis zum Abschluss der letzten gerichtlichen Tatsacheninstanz zulässig.

Entscheidende Auswirkung käme der fehlerhaften Begründung nur bei Ermessensentscheidungen zu. Die Feststellung des Fehlens der persönlichen Voraussetzungen fällt nicht darunter. Für die Betätigung des Handlungsermessens ist eine Eingangsprüfung (das "Ob" der Rehabilitation) erforderlich, deren Voraussetzungen hier betreffend die persönlichen Voraussetzungen detailliert und versicherungsrechtlich zwingend im Gesetz aufgeführt sind, wie oben schon ausgeführt. Erst dann ist der Rehabilitationsträger zum Handlungsermessens und zur pflichtgemäßen konkreten Auswahl der Rehabilitationsleistung verpflichtet. Die Feststellung des Fehlens dieser Voraussetzung trifft objektiv zu und verhindert damit als Rechtsfolge eine positive Ausübung des Handlungsermessens dahingehend, dass Leistungen zur Rehabilitation erbracht werden dürfen. Damit nimmt die fehlerhafte Begründung keinen Einfluss auf die Ermessensausübung als solche. Als bloße Begründung konnte damit von der Beklagten auch noch zulässig im Verfahren beim SG der richtige Sachverhalt einer bereits bestehenden vollen Erwerbsminderung eingeführt werden. Damit wurde die Entscheidung nicht in ihrem Wesen verändert. Sie ist in ihrem Tenor gleich geblieben (vgl. Meyer-Ladewig, 7. Auflage, Rdnr.35a zu § 54 SGG, von Wulffen, 5. Auflage, Rdnr.6 zu § 41 SGB X). Die Beklagte hätte insoweit auch ihren Verwaltungsakt umdeuten können (§ 43 SGB X). Dadurch ist die Rechtsverteidigung der Klägerin auch nicht unangemessen beeinträchtigt, da diese schon weit vor Beginn dieses Verwaltungsverfahrens selbst von ihrer völligen Erwerbsunfähigkeit überzeugt war. Denn mit ihrem Antrag vom 25.02.1998 an die Beklagte hatte die Klägerin bereits einen Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gestellt, wegen dessen Ablehnung bereits am 28.05.2001 eine Klage beim SG München unter dem Az.: S 11 RA 1019/99 anhängig war.

Im Übrigen wäre der Klägerin auch mit einer Feststellung der Rechtswidrigkeit nicht geholfen. Denn selbst eine fehlerhafte Ermessensentscheidung darf in der Regel nur beim Vorliegen der gesetzlichen Ermessensvoraussetzungen aufgehoben werden (vgl. BSGE 63,37). Eine solche fehlt eben hier gerade bei den persönlichen Voraussetzungen, sowohl nach der ursprünglichen, wie nach der jetzt richtig festgestellten Begründung.

Ein Kostenerstattungsanspruch steht der Klägerin, obwohl insoweit Klage und Berufung zulässig waren, nicht zu. Diesen Antrag hat sie bereits im Widerspruchsverfahren gestellt, ohne dass darüber im Widerspruchsbescheid vom 29.11.2001 eine Entscheidung ergangen ist. Das SG hat, nachdem die Klägerin in ihrer Klage vom 28.02.2002 keinen Kostenerstattungsanspruch gestellt hatte, keine Klarheit über die gestellten Anträge herbeigeführt (§§ 106 Abs.1, 112 Abs.2 SGG) und keine Entscheidung im Urteil getroffen. Die Klägerin hat zwar am 26.04.2003 angeregt, dass die Beklagte die Kosten für eine Ausleitungstherapie übernehmen solle und später dem SG am 02.07.2003 sowie am 07.02.2004 zum Teil quittierte Rezepte über homöopathische Medikamente im Wert von 140,99 EUR übersandt. In ihrem letzten Schreiben an das SG hat die Klägerin diesen Sachverhalt nicht mehr ausdrücklich wiederholt. Die zulässige Klageumstellung (§ 99 Abs.3 Nr.3 SGG, Ersatz für die ursprünglich beantragten Sachleistung) hat das SG nicht erwogen. Dennoch ist mit Zustimmung der Beklagten auch eine Entscheidung über diesen Antrag durch das Berufungsgericht zu treffen.

Ein Kostenerstattungsanspruch ist aber in der Sache nicht gegeben. § 15 SGB IX (anwendbar bei In-Kraft-Treten des SGB IX ab 01.07.2001 bzw. mangelnder Anwendbarkeit von Art.68 des Gesetzes vom 19.06.2001) verlangt dazu, dass der Leistungsträger entweder eine Mitteilung innerhalb der in § 14 Abs.2 genannten Fristen unterlässt oder trotz Mitteilung keinen zureichenden Grund für eine verzögerte Entscheidung hat und dass der Leistungsberechtigte dem Rehabilitationsträger eine angemessene Frist setzt und dabei erklärt, dass er sich nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschaffe. An diese Verfahrensvorschriften hat sich die Klägerin selbst nicht gehalten.

Schließlich besteht eine Erstattungspflicht zwar auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (entsprechende Anwendung von § 13 SGB V). Beides ist bei der Klägerin aber nicht der Fall. Für das Vorliegen einer unaufschiebbaren Maßnahme ergibt sich kein Anhaltspunkt. Die Beklagte hat die Sachleistung auch nicht zu Unrecht abgelehnt, wie sich aus den Ausführungen zur Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ergibt.

Im Übrigen wäre die Erstattung begrenzt durch das Gebot der Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Wie schon in § 13 i.V.m. § 2 SGB V müssen diese Leistungen dem medizinischen Standard entsprechen, auf den Versicherte einen Anspruch haben (§§ 73, 92 SGB V). Dem entspricht auch § 13 Abs.2 Nr.3 SGB VI. Insoweit ist nicht ersichtlich, dass Privatverordnungen bzw. nicht verordnungsfähige Medikamente erstattet werden können.

Die Berufung ist daher zurückzuweisen, die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 160 Abs.2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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