Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AL 945/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 372/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23. August 2005 aufgehoben und die Bescheide vom 21. Juni 2004 und 29. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2004 dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, der Klägerin ab 1. Juni 2004 Arbeitslosengeld nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 397,55 EUR zu zahlen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg) streitig.
Die 1969 geborene Klägerin meldete sich am 12.05.2004 zum 01.06.2004 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Am 04.06.2004 unterschrieb sie das Antragsformular, in dem unter Punkt 2d - Einschränkungen der Vermittlungsfähigkeit - mit anderer Handschrift "Kinderbetreuung 20 Stunden" eingetragen ist.
Der Beratungsvermerk vom 04.06.2004 enthält unter anderem den Eintrag: " ... stellt sich dem allgemeinen Arbeitsmarkt, Teilzeit Vormittag, 20 Stunden/wöchentlich zur Verfügung" (B.). Die Klägerin war zuvor 30 Stunden/wöchentlich als Verkäuferin beschäftigt. Vom 10.02. bis 09.04.2004 bezog sie Krankengeld von der AOK München (kalendertägliches Regelentgelt 56,66 EUR). Die Beklagte errechnete aus dem Arbeitsentgelt und dem Krankengeld im Zeitraum 01.06.2003 bis 31.05.2004 ein Bemessungsentgelt in Höhe von 397,55 EUR wöchentlich (für 20 Stunden 265,00 EUR).
Mit Bescheid vom 21.06.2004 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg ab 01.06.2004 nach einem Bemessungsentgelt von wöchentlich 265,00 EUR in Höhe von 137,34 EUR wöchentlich. Mit Änderungsbescheid vom 29.06.2004 wurde die Minderung nach § 140 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) beendet.
Mit dem Widerspruch gegen die Bescheide vom 21.06. und 29.06.2004 machte die Klägerin geltend, das Alg sei fehlerhaft berechnet worden. Das Bruttogehalt (Tarifgehalt) habe 1.555,13 EUR betragen. Der sich hieraus ergebende Nettobetrag habe sich auf 1.107,13 EUR belaufen. Insoweit werde auf die Entgeltabrechnung der Firma N. I. GmbH verwiesen. Kurz vor Beginn des Arbeitsverhältnisses habe sie teilweise Krankengeld bezogen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.12.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Dem Bemessungsentgelt der Klägerin (265,00 EUR) entspreche nach der Leistungsverordnung für das Jahr 2004 in der Leistungsgruppe B (Lohnsteuerklasse II) ein wöchentliches Leistungsentgelt in Höhe von 205,02 EUR. Der erhöhte Leistungssatz betrage somit 137,36 EUR (Leistungsentgelt x 67: 100), gerundet auf den durch sieben Tage teilbaren Betrag in Höhe von 137,34 EUR wöchentlich (§§ 129 Nr.1, 136, 137 Abs.2 Nr.2, 139, 151 Abs.2 Nr.2, 338 SGB III).
Zur Begründung der zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ausgeführt, bei der Alg-Berechnung seien irrtümlich nur 20 Stunden als Bemessungsentgelt angesetzt worden. Sie sei jederzeit bereit gewesen, 30 Stunden wöchentlich zu arbeiten, wäre aber auch wegen Kinderbetreuung mit einer geringeren Arbeitszeit von 20 Stunden zufrieden gewesen. Während des Bemessungszeitraums habe sie 30 Stunden wöchentlich gearbeitet, was ihr auch möglich gewesen sei. Daran habe sich auch nach dem Bemessungszeitraum tatsächlich nichts geändert. Insoweit sei die vorgenommene Kürzung auf 265,03 EUR wöchentlich unberechtigt. Das tatsächliche Bemessungsentgelt betrage somit 397,54 EUR wöchentlich.
Mit Urteil vom 23.08.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Bei der Arbeitslosmeldung zum 01.06.2004 habe die Klägerin ausweislich des von ihr unterschriebenen Antragsformulars die Verfügbarkeit auf 20 Stunden eingeschränkt. Auch aus dem Vermerk der Mitarbeiterin Frau B. vom 04.06.2004 ergebe sich eindeutig diese zeitliche Einschränkung. Auch wenn sich die Vermittlerin am 03.08.2005 an den Einzelfall nicht mehr habe erinnern können, sei die Ausführung in der Stellungnahme vom 03.08.2005 nachvollziehbar, dass eine andere erklärte Verfügbarkeit vermerkt worden wäre, da diese außerdem günstigere Vermittlungschancen geboten hätte. Der Klägerin wäre auch unbenommen gewesen, die Einschränkung der Verfügbarkeit jederzeit für die Zukunft auszuweiten, wie es zwischenzeitlich offensichtlich für den Alg-II-Bezug geschehen sei. Aufgrund der erklärten Verfügbarkeit sei das Bemessungsentgelt gemäß § 133 Abs.3 Satz 1 SGB III a.F. auf 20 Wochenstunden zu reduzieren gewesen. Im Übrigen werde gemäß § 136 Abs.3 Sozialgerichtsgesetz - SGG - auf die Begründung des Widerspruchsbescheides verwiesen, der die Kammer folge.
Zur Begründung der Berufung führt die Klägerin aus, sie bestreite, dass sich in dem Antrag zum Zeitpunkt der Unterschrift ein Vermerk der Einschränkung auf 20 Stunden befunden habe. Die "Auswahlkreuze" ja oder nein seien nicht ausgefüllt. Entgegen der Ansicht des SG wäre eine Einschränkung der Verfügbarkeit auch nicht für die Zukunft auszuweiten gewesen. Ihr sei nicht bekannt gewesen, dass überhaupt eine Einschränkung vorgelegen habe. Dies sei aus dem Bescheid der Beklagten nicht hervorgegangen. Aus diesem sei nicht erkennbar, dass eine Reduzierung des Bemessungsentgelts auf 2/3 vorgenommen worden sei. Insoweit wäre der Widerspruch dahingehend auszulegen, dass künftig die Verfügbarkeit erweitert sein solle.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23.08.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 21.06.2004 und 29.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.12.2004 zu verurteilen, ihr höheres Arbeitslosengeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist erneut auf den Beratungsvermerk vom 04.06.2004 sowie auf die Angaben im Alg-Antrag. Auch wenn der Grund der Minderung des Bemessungsentgelts nicht aus dem Bewilligungsbescheid ersichtlich sei, so sei der Klägerin, nachdem sie entsprechende Angaben gemacht habe, bewusst gewesen, dass sie in der Vermittlungsfähigkeit nach Stunden eingeschränkt gewesen sei. Aus dem Widerspruchsschreiben sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin entgegen ihren ursprünglichen Angaben nunmehr in der Lage gewesen sein solle, 30 Stunden zu arbeiten.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG); ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
Das Rechtsmittel erweist sich in der Sache als begründet. Zu Unrecht hat das SG Augsburg mit Urteil vom 23.08.2005 die Klage abgewiesen, da die Bescheide vom 21. und 29.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.12.2004 nicht der Sach- und Rechtslage entsprechen.
Denn zu Unrecht hat die Beklagte bei der Berechnung des Bemessungsentgelts 20 Stunden wöchentlich zugrunde gelegt, da die Klägerin von Anfang an bereit war, 30 Stunden wöchentlich zu arbeiten.
Gemäß § 129 Nr.1 SGB III beträgt das Alg für Arbeitslose, die mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs.1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes haben 67 % (erhöhter Leistungssatz).
Nach § 130 Abs.1 SGB III umfasst der Bemessungszeitraum die Entgeltabrechnungszeiträume, die in den letzten 52 Wochen vor der Entstehung des Anspruchs, in denen Versicherungspflicht bestand, enthalten sind und beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem Versicherungspflichtverhältnis vor der Entstehung des Anspruchs abgerechnet waren.
Gemäß § 132 Abs.1 Satz 1 SGB III ist Bemessungsentgelt das im Bemessungszeitraum durchschnittlich auf die Woche entfallene Entgelt.
Kann der Arbeitslose nicht mehr die im Bemessungszeitraum durchschnittlich auf die Woche entfallende Zahl von Arbeitsstunden leisten, weil er tatsächlich oder rechtlich gebunden oder sein Leistungsvermögen eingeschränkt ist, vermindert sich das Bemessungsentgelt für die Zeit, während der die Bindungen vorliegen oder das Leistungsverhältnis eingeschränkt ist, entsprechend dem Verhältnis der Zahl der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden, die der Arbeitslose künftig leisten kann, zu der Zahl der durchschnittlich auf die Woche entfallenden Arbeitsstunden im Bemessungszeitraum (§ 133 Abs.3 Satz 1 SGB III).
Nach § 137 Abs.1 SGB III richtet sich die als gewöhnlicher Abzug zugrundezulegende Steuer nach der Leistungsgruppe, der der Arbeitslose zuzuordnen ist. Zuzuordnen sind Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse II eingetragen ist, der Leistungsgruppe B (§ 137 Abs.2 Nr.2 SGB III).
Die Klägerin erzielte im Bemessungszeitraum vom 01.06.2003 bis 31.05.2004 folgendes zu berücksichtigende Entgelt: 01.06.2003 bis 09.02.2004 Arbeitsentgelt 36,2 Wochen - Entgelt 14.587,31 EUR; 10.02.2004 bis 09.04.2004 Regelentgelt (AOK) 8,43 Wochen - Entgelt 3.343,15 EUR; 10.04. bis 26.05.2004 Arbeitsentgelt 6,6 Wochen - Entgelt 2.436,37 EUR und 27.05. bis 31.05.2004 Regelentgelt (AOK) 0,71 Wochen - Entgelt 281,60 EUR. Das durchschnittliche wöchentliche Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) betrug demnach 20.648,79 EUR: 51,94 Wochen = 397,55 EUR. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug im Bemessungszeitraum 30 Stunden.
Dass die Klägerin sich von Anfang an für 30 Stunden wöchentlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt hat, folgt zum einen aus den "unvollständigen" Angaben im Alg-Antrag selbst. Bei der Frage, ob die Vermittlungsfähigkeit nach Tätigkeit oder Arbeitsstunden eingeschränkt ist, ist sowohl ein Kreuz bei "ja" als auch bei "nein" angebracht. Ansonsten ist unter "Sonstiges" eingetragen "Kinderbetreuung/20 Stunden wöchentlich", ohne dass nähere Präzisierungen vermerkt sind. Insbesondere ist unter der Spalte "mit folgender Verteilung" nicht angegeben, z.B. vormittags oder nach 13.00 Uhr. Auch ist die Frage nach der Betreuung weder mit "ja" noch mit "nein" beantwortet.
Eine andere Beurteilung lässt auch nicht der Beratungsvermerk vom 04.06.2006 zu. Zwar ist darin unter anderem der Eintrag enthalten "stellt sich dem allgemeinen Arbeitsmarkt, Teilzeit Vormittag, 20 Stunden/wöchentlich zur Verfügung". Der Beratungsvermerk kann indess nicht isoliert betrachtet werden, da insbesondere keine Umsetzung der dortigen Feststellungen im Alg-Antrag erfolgt ist. Zudem lag zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits die Arbeitsbescheinigung des ehemaligen Arbeitgebers der Klägerin vor. Aus der Arbeitsbescheinigung vom 24.05.2004 geht insoweit hervor, dass die Klägerin bei der Firma N. I. GmbH in Teilzeit 30 Stunden pro Woche beschäftigt war. Insbesondere war das Arbeitsverhältnis bei der Firma N. auch nicht wegen der wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden beendet worden, sondern wegen einer bevorstehenden Versetzung in eine andere Filiale. Es hätte sich insgesamt der Beklagten aufdrängen müssen, die Klägerin danach zu fragen, warum nurmehr eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden möglich sei. Hierzu enthält der Beratungsvermerk aber keinen Eintrag. Auch vermochte sich die Arbeitsvermittlerin Frau B. nicht mehr zu erinnern.
Hinzu kommt, dass bei der Berechnung des Bemessungsentgelts wohl zunächst auch von 30 Stunden ausgegangen wurde, da bei der nachfolgenden Berechnung 20 Stunden zweimal die Zahlen "geweißelt" wurden, das heißt, offensichtlich Korrekturen vorgenommen wurden. Aus dem Bewilligungsbescheid vom 21.06.2004 selbst ist nicht erkennbar, welche Stundenzahl die Beklagte bei der Bestimmung des Bemessungsentgelts zugrunde gelegt hat. Dies folgt insbesondere auch nicht aus den dem Bewilligungsbescheid beigefügten "Hinweisen zur Höhe des Alg"; dort ist zwar eine Definition des Bemessungsentgelts enthalten, aber für einen Laien nicht verständlich. Hinzu kommt auch der stattgehabte Krankengeldbezug der Klägerin. Hinzuweisen ist auch darauf, dass sich in den tatsächlichen Lebensverhältnissen der Klägerin nichts geändert hat.
Somit waren auf die Berufung der Klägerin das Urteil des SG Augsburg vom 23.08.2005 aufzuheben sowie die Bescheide vom 21. und 29.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.12.2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab 01.06.2004 Alg nach einem Bemessungsentgelt von wöchentlich 397,54 EUR zu zahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg) streitig.
Die 1969 geborene Klägerin meldete sich am 12.05.2004 zum 01.06.2004 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Am 04.06.2004 unterschrieb sie das Antragsformular, in dem unter Punkt 2d - Einschränkungen der Vermittlungsfähigkeit - mit anderer Handschrift "Kinderbetreuung 20 Stunden" eingetragen ist.
Der Beratungsvermerk vom 04.06.2004 enthält unter anderem den Eintrag: " ... stellt sich dem allgemeinen Arbeitsmarkt, Teilzeit Vormittag, 20 Stunden/wöchentlich zur Verfügung" (B.). Die Klägerin war zuvor 30 Stunden/wöchentlich als Verkäuferin beschäftigt. Vom 10.02. bis 09.04.2004 bezog sie Krankengeld von der AOK München (kalendertägliches Regelentgelt 56,66 EUR). Die Beklagte errechnete aus dem Arbeitsentgelt und dem Krankengeld im Zeitraum 01.06.2003 bis 31.05.2004 ein Bemessungsentgelt in Höhe von 397,55 EUR wöchentlich (für 20 Stunden 265,00 EUR).
Mit Bescheid vom 21.06.2004 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg ab 01.06.2004 nach einem Bemessungsentgelt von wöchentlich 265,00 EUR in Höhe von 137,34 EUR wöchentlich. Mit Änderungsbescheid vom 29.06.2004 wurde die Minderung nach § 140 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) beendet.
Mit dem Widerspruch gegen die Bescheide vom 21.06. und 29.06.2004 machte die Klägerin geltend, das Alg sei fehlerhaft berechnet worden. Das Bruttogehalt (Tarifgehalt) habe 1.555,13 EUR betragen. Der sich hieraus ergebende Nettobetrag habe sich auf 1.107,13 EUR belaufen. Insoweit werde auf die Entgeltabrechnung der Firma N. I. GmbH verwiesen. Kurz vor Beginn des Arbeitsverhältnisses habe sie teilweise Krankengeld bezogen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.12.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Dem Bemessungsentgelt der Klägerin (265,00 EUR) entspreche nach der Leistungsverordnung für das Jahr 2004 in der Leistungsgruppe B (Lohnsteuerklasse II) ein wöchentliches Leistungsentgelt in Höhe von 205,02 EUR. Der erhöhte Leistungssatz betrage somit 137,36 EUR (Leistungsentgelt x 67: 100), gerundet auf den durch sieben Tage teilbaren Betrag in Höhe von 137,34 EUR wöchentlich (§§ 129 Nr.1, 136, 137 Abs.2 Nr.2, 139, 151 Abs.2 Nr.2, 338 SGB III).
Zur Begründung der zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ausgeführt, bei der Alg-Berechnung seien irrtümlich nur 20 Stunden als Bemessungsentgelt angesetzt worden. Sie sei jederzeit bereit gewesen, 30 Stunden wöchentlich zu arbeiten, wäre aber auch wegen Kinderbetreuung mit einer geringeren Arbeitszeit von 20 Stunden zufrieden gewesen. Während des Bemessungszeitraums habe sie 30 Stunden wöchentlich gearbeitet, was ihr auch möglich gewesen sei. Daran habe sich auch nach dem Bemessungszeitraum tatsächlich nichts geändert. Insoweit sei die vorgenommene Kürzung auf 265,03 EUR wöchentlich unberechtigt. Das tatsächliche Bemessungsentgelt betrage somit 397,54 EUR wöchentlich.
Mit Urteil vom 23.08.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Bei der Arbeitslosmeldung zum 01.06.2004 habe die Klägerin ausweislich des von ihr unterschriebenen Antragsformulars die Verfügbarkeit auf 20 Stunden eingeschränkt. Auch aus dem Vermerk der Mitarbeiterin Frau B. vom 04.06.2004 ergebe sich eindeutig diese zeitliche Einschränkung. Auch wenn sich die Vermittlerin am 03.08.2005 an den Einzelfall nicht mehr habe erinnern können, sei die Ausführung in der Stellungnahme vom 03.08.2005 nachvollziehbar, dass eine andere erklärte Verfügbarkeit vermerkt worden wäre, da diese außerdem günstigere Vermittlungschancen geboten hätte. Der Klägerin wäre auch unbenommen gewesen, die Einschränkung der Verfügbarkeit jederzeit für die Zukunft auszuweiten, wie es zwischenzeitlich offensichtlich für den Alg-II-Bezug geschehen sei. Aufgrund der erklärten Verfügbarkeit sei das Bemessungsentgelt gemäß § 133 Abs.3 Satz 1 SGB III a.F. auf 20 Wochenstunden zu reduzieren gewesen. Im Übrigen werde gemäß § 136 Abs.3 Sozialgerichtsgesetz - SGG - auf die Begründung des Widerspruchsbescheides verwiesen, der die Kammer folge.
Zur Begründung der Berufung führt die Klägerin aus, sie bestreite, dass sich in dem Antrag zum Zeitpunkt der Unterschrift ein Vermerk der Einschränkung auf 20 Stunden befunden habe. Die "Auswahlkreuze" ja oder nein seien nicht ausgefüllt. Entgegen der Ansicht des SG wäre eine Einschränkung der Verfügbarkeit auch nicht für die Zukunft auszuweiten gewesen. Ihr sei nicht bekannt gewesen, dass überhaupt eine Einschränkung vorgelegen habe. Dies sei aus dem Bescheid der Beklagten nicht hervorgegangen. Aus diesem sei nicht erkennbar, dass eine Reduzierung des Bemessungsentgelts auf 2/3 vorgenommen worden sei. Insoweit wäre der Widerspruch dahingehend auszulegen, dass künftig die Verfügbarkeit erweitert sein solle.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23.08.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 21.06.2004 und 29.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.12.2004 zu verurteilen, ihr höheres Arbeitslosengeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist erneut auf den Beratungsvermerk vom 04.06.2004 sowie auf die Angaben im Alg-Antrag. Auch wenn der Grund der Minderung des Bemessungsentgelts nicht aus dem Bewilligungsbescheid ersichtlich sei, so sei der Klägerin, nachdem sie entsprechende Angaben gemacht habe, bewusst gewesen, dass sie in der Vermittlungsfähigkeit nach Stunden eingeschränkt gewesen sei. Aus dem Widerspruchsschreiben sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin entgegen ihren ursprünglichen Angaben nunmehr in der Lage gewesen sein solle, 30 Stunden zu arbeiten.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG); ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
Das Rechtsmittel erweist sich in der Sache als begründet. Zu Unrecht hat das SG Augsburg mit Urteil vom 23.08.2005 die Klage abgewiesen, da die Bescheide vom 21. und 29.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.12.2004 nicht der Sach- und Rechtslage entsprechen.
Denn zu Unrecht hat die Beklagte bei der Berechnung des Bemessungsentgelts 20 Stunden wöchentlich zugrunde gelegt, da die Klägerin von Anfang an bereit war, 30 Stunden wöchentlich zu arbeiten.
Gemäß § 129 Nr.1 SGB III beträgt das Alg für Arbeitslose, die mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs.1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes haben 67 % (erhöhter Leistungssatz).
Nach § 130 Abs.1 SGB III umfasst der Bemessungszeitraum die Entgeltabrechnungszeiträume, die in den letzten 52 Wochen vor der Entstehung des Anspruchs, in denen Versicherungspflicht bestand, enthalten sind und beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem Versicherungspflichtverhältnis vor der Entstehung des Anspruchs abgerechnet waren.
Gemäß § 132 Abs.1 Satz 1 SGB III ist Bemessungsentgelt das im Bemessungszeitraum durchschnittlich auf die Woche entfallene Entgelt.
Kann der Arbeitslose nicht mehr die im Bemessungszeitraum durchschnittlich auf die Woche entfallende Zahl von Arbeitsstunden leisten, weil er tatsächlich oder rechtlich gebunden oder sein Leistungsvermögen eingeschränkt ist, vermindert sich das Bemessungsentgelt für die Zeit, während der die Bindungen vorliegen oder das Leistungsverhältnis eingeschränkt ist, entsprechend dem Verhältnis der Zahl der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden, die der Arbeitslose künftig leisten kann, zu der Zahl der durchschnittlich auf die Woche entfallenden Arbeitsstunden im Bemessungszeitraum (§ 133 Abs.3 Satz 1 SGB III).
Nach § 137 Abs.1 SGB III richtet sich die als gewöhnlicher Abzug zugrundezulegende Steuer nach der Leistungsgruppe, der der Arbeitslose zuzuordnen ist. Zuzuordnen sind Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse II eingetragen ist, der Leistungsgruppe B (§ 137 Abs.2 Nr.2 SGB III).
Die Klägerin erzielte im Bemessungszeitraum vom 01.06.2003 bis 31.05.2004 folgendes zu berücksichtigende Entgelt: 01.06.2003 bis 09.02.2004 Arbeitsentgelt 36,2 Wochen - Entgelt 14.587,31 EUR; 10.02.2004 bis 09.04.2004 Regelentgelt (AOK) 8,43 Wochen - Entgelt 3.343,15 EUR; 10.04. bis 26.05.2004 Arbeitsentgelt 6,6 Wochen - Entgelt 2.436,37 EUR und 27.05. bis 31.05.2004 Regelentgelt (AOK) 0,71 Wochen - Entgelt 281,60 EUR. Das durchschnittliche wöchentliche Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) betrug demnach 20.648,79 EUR: 51,94 Wochen = 397,55 EUR. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug im Bemessungszeitraum 30 Stunden.
Dass die Klägerin sich von Anfang an für 30 Stunden wöchentlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt hat, folgt zum einen aus den "unvollständigen" Angaben im Alg-Antrag selbst. Bei der Frage, ob die Vermittlungsfähigkeit nach Tätigkeit oder Arbeitsstunden eingeschränkt ist, ist sowohl ein Kreuz bei "ja" als auch bei "nein" angebracht. Ansonsten ist unter "Sonstiges" eingetragen "Kinderbetreuung/20 Stunden wöchentlich", ohne dass nähere Präzisierungen vermerkt sind. Insbesondere ist unter der Spalte "mit folgender Verteilung" nicht angegeben, z.B. vormittags oder nach 13.00 Uhr. Auch ist die Frage nach der Betreuung weder mit "ja" noch mit "nein" beantwortet.
Eine andere Beurteilung lässt auch nicht der Beratungsvermerk vom 04.06.2006 zu. Zwar ist darin unter anderem der Eintrag enthalten "stellt sich dem allgemeinen Arbeitsmarkt, Teilzeit Vormittag, 20 Stunden/wöchentlich zur Verfügung". Der Beratungsvermerk kann indess nicht isoliert betrachtet werden, da insbesondere keine Umsetzung der dortigen Feststellungen im Alg-Antrag erfolgt ist. Zudem lag zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits die Arbeitsbescheinigung des ehemaligen Arbeitgebers der Klägerin vor. Aus der Arbeitsbescheinigung vom 24.05.2004 geht insoweit hervor, dass die Klägerin bei der Firma N. I. GmbH in Teilzeit 30 Stunden pro Woche beschäftigt war. Insbesondere war das Arbeitsverhältnis bei der Firma N. auch nicht wegen der wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden beendet worden, sondern wegen einer bevorstehenden Versetzung in eine andere Filiale. Es hätte sich insgesamt der Beklagten aufdrängen müssen, die Klägerin danach zu fragen, warum nurmehr eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden möglich sei. Hierzu enthält der Beratungsvermerk aber keinen Eintrag. Auch vermochte sich die Arbeitsvermittlerin Frau B. nicht mehr zu erinnern.
Hinzu kommt, dass bei der Berechnung des Bemessungsentgelts wohl zunächst auch von 30 Stunden ausgegangen wurde, da bei der nachfolgenden Berechnung 20 Stunden zweimal die Zahlen "geweißelt" wurden, das heißt, offensichtlich Korrekturen vorgenommen wurden. Aus dem Bewilligungsbescheid vom 21.06.2004 selbst ist nicht erkennbar, welche Stundenzahl die Beklagte bei der Bestimmung des Bemessungsentgelts zugrunde gelegt hat. Dies folgt insbesondere auch nicht aus den dem Bewilligungsbescheid beigefügten "Hinweisen zur Höhe des Alg"; dort ist zwar eine Definition des Bemessungsentgelts enthalten, aber für einen Laien nicht verständlich. Hinzu kommt auch der stattgehabte Krankengeldbezug der Klägerin. Hinzuweisen ist auch darauf, dass sich in den tatsächlichen Lebensverhältnissen der Klägerin nichts geändert hat.
Somit waren auf die Berufung der Klägerin das Urteil des SG Augsburg vom 23.08.2005 aufzuheben sowie die Bescheide vom 21. und 29.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.12.2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab 01.06.2004 Alg nach einem Bemessungsentgelt von wöchentlich 397,54 EUR zu zahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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