L 14 R 263/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 R 1096/04 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 263/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 18. Februar 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1949 geborene, in Kroatien lebende Kläger hat nach eigenen Angaben keinen Beruf erlernt. In der Bundesrepublik Deutschland verrichtete er zwischen 1970 und Januar 1991 Tätigkeiten als Bauarbeiter. Anschließend erwarb er in seiner Heimat Versicherungszeiten bis Juli 1998, aus denen er inzwischen eine Invalidenpension bezieht.

Ein erster im Jahre 1998 gestellter Rentenantrag blieb erfolglos (ablehnender Bescheid der Beklagten vom 26.11.2001, zurückweisender Widerspruchsbescheid vom 06.03.2002).

Den streitgegenständlichen Rentenantrag stellte der Kläger am 31.07.2002. Die Beklagte lehnte den Antrag nach einer Untersuchung des Klägers in der Ärztlichen Gutachterstelle in R. am 16.06.2004 (dortige Diagnosen: "Bluthochdruck mit Umbauerscheinungen am Herzen, Lendenwirbelsäulenbeschwerden bei Abnutzungserscheinungen und Bandscheibenschädigung L5/S1, Diabetes mellitus Typ II b, vergrößerte linke Nebenniere und Leberhämangiom") mit Bescheid vom 30.06.2004 ab mit der Begründung, der Kläger sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich tätig zu sein. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.2004 zurückgewiesen. Der Kläger sei aufgrund der zuletzt in Deutschland ausgeübten ungelernten Tätigkeiten breit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar und könne entsprechend seinem verbliebenen Leistungsvermögen leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen, ohne häufiges Bücken, ohne Akkord-, Schicht- und Nachtarbeiten verrichten.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) verwies der Kläger u.a. auf eine maligne Hypertonie mit häufigen Blutdruckkrisen, ferner über Kopfschmerzen, Schwindel und Wirbelsäulenbeschwerden. Er legte aktuelle ärztliche Unterlagen dazu vor.

Das SG holte im Wege der Beweisaufnahme Gutachten auf nervenärztlichem und internistisch-sozialmedizinischem Gebiet ein. Die Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Sozialmedizin Dr.M. stellte in ihrem Gutachten vom 16.02.2005 beim Kläger die Diagnosen: "Kopfschmerzsyndrom unklarer Ursache, am ehesten vaskulär bedingt, leichte depressive Episode, lendenwirbelsäulenabhängige Beschwerden mit sensiblen Nervenwurzelreizerscheinungen L5/S1 rechts". Sie vertrat die Auffassung, der Kläger könne noch leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit (Zeitdruck, Nacht- und Wechselschicht), ohne Heben und Tragen schwerer Lasten und ohne Zwangshaltungen acht Stunden täglich verrichten.

Die Ärztin für Sozialmedizin Dr.T. diagnostizierte aufgrund ihrer Untersuchung des Klägers am 15.02.2005 "Bluthochdruck mit Augenhintergrundveränderungen; Lungenemphysem bei Zigarettenrauchen ohne Lungenfunktionseinschränkung; Diabetes mellitus; wirbelsäulenabhängige Beschwerden bei degenerativen Veränderungen und Bandscheibenschaden L5/S1; leichte depressive Episode; Kopfschmerzsyndrom". Als Nebenbefunde erwähnte sie Nierenzysten beidseits, FNH rechter Leberlappen, Nebennierenhyperplasie links, Prostatahypertrophie. Bösartige Veränderungen von Leber und Nieren konnten bei ihrer Untersuchung ausgeschlossen werden, eine (zusätzliche) Leistungsminderung ergab sich daraus nicht.

Bei Abwägung aller Gesundheitsstörungen vertrat die Gutachterin die Auffassung, der Kläger noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten ohne Haltungskonstanz, ohne besondere nervliche Belastung und ohne Zeitdruck, Nacht- und Wechselschicht vollschichtig verrichten.

Das SG wies die Klage, gestützt auf diese Gutachten, mit Urteil vom 18.02.2005 ab. Es führte aus, die Voraussetzungen einer Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs.2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bzw. einer teilweisen oder vollen Erwerbsminderung nach § 43 Abs.1 und 2 SGB VI seien beim Kläger noch nicht gegeben. Zwar sei seine Erwerbsfähigkeit durch die in den genannten Gutachten festgestellten Gesundheitsstörungen bereits eingeschränkt, jedoch noch nicht in einem solchen Maße, dass er seit der Antragstellung im Juli 2002 nicht mehr in der Lage wäre, mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die bestehenden qualitativen Einschränkungen (Arbeiten ohne Haltungskonstanz, ohne besondere nervliche Belastung, ohne Zeitdruck, Nacht- und Wechselschicht) ließen noch ausreichende Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu. Auf diesen sei er nach seinem bisherigen Berufsleben auch verweisbar, es seien ihm als ungelernter Arbeiter praktisch alle Berufstätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar. Der konkreten Benennung eines Verweisungsberufes bedürfe es dabei nicht (BSG in SozR 2200 § 1246 RVO Nr.19). Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, die die Fähigkeit zu leichter körperlicher Arbeit zusätzlich einschränke, liege nicht vor. Es sei nicht erkennbar, dass das Restleistungsvermögen nicht noch solche körperlichen Verrichtungen erlaube, die bei ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert würden (z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen etc.). Das Risiko, einen noch in Betracht kommenden Arbeitsplatz vermittelt zu bekommen, liege bei vollschichtiger Einsatzfähigkeit bei der Arbeitslosenversicherung, nicht hingegen bei der Rentenversicherung.

Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen dieses Urteil und macht geltend, er sei schwer erkrankt und erwerbsunfähig; das Erstgericht habe es unterlassen, die Befunde seiner behandelnden Ärzte den Gutachten der Dr.M. und Dr.T. gegenüberzustellen. Deren Untersuchungen seien ungenügend gewesen; so hätte eine höhere Belastung bei der EKG-Untersuchung (mehr als 75 Watt) auch zu "höheren" Ergebnissen im Sinne von Erwerbsunfähigkeit geführt.

Er legt zu seinem Vorbringen verschiedene ärztliche Befunde vor (Blutdruck-Kontrolluntersuchungen aus der Zeit zwischen März und Juli 2005 mit deutlich erhöhten Blutdruckwerten; Ergometrie vom 26.03.2005 ohne Angabe der erreichten Belastungsstufe, offenbar "mittelschwerer physischer Arbeit" entsprechend; nervenärztlicher Befund vom 24.03.2005; psychologische Testung vom 17.06.2005; internistischer Notaufnahme-Befund vom 18.07.2005 wegen arterieller Hypertonie und Diabetes mellitus Typ II).

Die Beklagte nahm durch ihren Ärztlichen Dienst dahingehend Stellung, dass sich ein neuer leistungsrelevanter Sachstand nicht ergeben habe; bereits Dr.T. habe festgestellt, dass die Blutdruckwerte einer Schwankung durch vegetative Einflüsse unterlägen und einer optimierten Behandlung bedürften. Ein leistungsmindernder bluthochdruckbedingter Folgeschaden bestehe bisher nicht.

Der Senat veranlasste im Wege der weiteren Beweisaufnahme eine erneute Begutachtung durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.K ... Dieser erhob in seinem Gutachten vom 16.11.2005 die Diagnosen "leichte reaktive Depression, leichte diabetische Polyneuropathie ohne funktionell bedeutsame Ausfälle, chronisches Wirbelsäulen-Syndrom ohne Nachweis einer konstanten radikulären Symptomatik".

Er kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger seit Juli 2002 noch leichte, fallweise auch mittelschwere körperliche Tätigkeiten vollschichtig verrichten könne. Auf Grund der diabetischen Polyneuropathie seien Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und an gefahrgeneigten Arbeitsstellen nicht mehr möglich; auf Grund der reaktiv-depressiven Symptomatik, die offensichtlich auch bereits im Jahre 2002 vorgelegen habe, seien Akkord- und Schichtarbeiten sowie Arbeiten mit besonderen psychischen Belastungen nicht mehr zumutbar. Der Kläger könne damit der zuletzt in Deutschland ausgeübten Beschäftigung als Bauhilfsarbeiter nicht mehr nachgehen, er könne sich aber noch auf andere Erwerbstätigkeiten umstellen. Einschränkungen bei der Zurücklegung von Wegen, etwa auf Grund der leichten Polyneuropathie, bestünden nicht (keine motorischen und auch keine sensiblen Ausfälle). Weitere Gutachten hielt Dr.K. nicht für erforderlich; die internistische Situation sei durch das zu Jahresbeginn erstellte internistische Gutachten ausreichend abgeklärt.

Der Kläger erklärte, er "fechte das Gutachten als unvollständig wegen mangelhaften Untersuchungsverfahrens" an. Dieses sei nicht genügend gründlich gewesen. Die EKG-Untersuchung sei unter zu geringer Belastung erfolgt. Die von Dr.K. angewandten Untersuchungsmethoden entsprächen nicht den neuesten medizinischen Kenntnissen, die bei der Beurteilung von Ursachen und Folgen der essentiellen Hypertonie erforderlich seien, daher sei die Untersuchung nicht objektiv gewesen. Er vertrat weiter die Auffassung, eine orthopädische Begutachtung sei erforderlich.

Die Beklagte stimmte durch ihren Ärztlichen Dienst dem Gutachtensergebnis zu.

Der Senat teilte dem Kläger mit Schreiben vom 17.01.2006 mit, dass eine weitere medizinische Beweisaufnahme auf internistischem oder orthopädischem Gebiet angesichts des Ergebnisses der die Gesundheitsstörungen auf beiden Fachgebieten abklärenden Begutachtung durch Dr.T. nicht beabsichtigt sei; er gehe weiter von der Gültigkeit der Aussagen dieses Gutachtens aus.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 18.02.2005 und des Bescheids vom 30.06.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 23.09.2004 zu verpflichten, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die beigezogenen Beklagtenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ) ist zulässig, erweist sich aber nicht als begründet.

Im Ergebnis zutreffend hat das Erstgericht, gestützt auf die Gutachten der Sachverständigen Dr.T. und Dr.M. , entschieden, dass ein Rentenanspruch des Kläger nach §§ 43, 240 SGB VI n.F. noch nicht besteht. Es hat sich zwar in seinen Ausführungen nicht näher mit den beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen beschäftigt und sich auf eine nur knappe Darlegung der erhobenen Diagnosen und der getroffenen sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung beschränkt. Die zugrundeliegenden Gutachten erscheinen jedoch auch dem Senat in der Befunderhebung wie in der Beurteilung nachvollziehbar und zutreffend. Eine rentenrechtlich relevante Leistungseinschränkung ergibt sich angesichts vollschichtiger Leistungsfähigkeit für leichte körperliche Arbeiten des für den Kläger in Betracht kommenden Allgemeinen Arbeitsmarktes nicht.

Die weitere Beweisaufnahme in der Berufungsinstanz bestätigt das bisherige Ergebnis. Dr.K. konstatiert, dass eine wesentliche Verschlechterung gegenüber den Vorbegutachtungen nicht eingetreten ist. Auch er geht in seinem für den Senat schlüssigen und überzeugenden Gutachten von einer noch vollschichtigen Leistungsfähigkeit für leichte und gelegentlich auch mittelschwere Arbeiten aus, wobei lediglich Arbeiten mit besonderen psychischen Belastungen und Akkord- und Schichtdienst sowie gefahrgeneigte Tätigkeiten (z.B. auf Leitern und Gerüsten) ausscheiden müssen. Der Senat hat keine Bedenken, sich diesem Gutachten anzuschließen.

Die Einwendungen des Klägers, das Gutachten beruhe auf mangelhaften Untersuchungen, es sei unvollständig und daher nicht objektiv, sind nicht nachvollziehbar. Sie beziehen sich offensichtlich nicht auf das neurologische Fachgebiet, sondern auf das Nichterheben von Befunden wegen eines essentiellen Hypertonus. Diesbezügliche Untersuchungen gehörten jedoch nicht zum Untersuchungsauftrag des Dr.K. , sie fallen auch nicht in sein Fachgebiet. Der Senat geht insoweit von der fortbestehenden Gültigkeit der Aussagen der Dr.T. in ihrem noch zeitnahen Gutachten vom 17.02.2005 aus und sieht keine Notwendigkeit zu erneuter Begutachtung auf internistischem Gebiet. Die im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Unterlagen belegen insoweit keine relevante Verschlechterung, was auch daraus ersichtlich ist, dass eine wesentliche Änderung der Medikation offensichtlich nicht erfolgt. Auch hat der Kläger gegenüber Dr.K. geäußert, dass inzwischen die nervlichen Probleme im Vordergrund stünden, nicht mehr wie früher die Beschwerden von Seiten des Blutdrucks und der Wirbelsäule; die Wirbelsäule bereite ihm keine großen Probleme mehr, da er nicht mehr arbeite; er sei auch nicht mehr in orthopädischer Behandlung. Der Blutdruck erschien bei der Untersuchung durch Dr.K. gut eingestellt. Dem entspricht, dass laut ärztlichem Befund vom 17.06.2005 Kopfschmerzen nur noch zeitweilig auftraten.

Eine weitere orthopädische Begutachtung, wie sie der Kläger fordert, erscheint daher ebenfalls nicht geboten: die orthopädischen Gesundheitsstörungen wurden von Dr.T. ausreichend beurteilt und bewertet, die zwar keine Fachärztin für Orthopädie ist, aber als Ärztin für Sozialmedizin und auf Grund ihrer gutachtlichen Erfahrung im vorliegenden Bereich nach Einschätzung des Senats zu fachübergreifender Mitbeurteilung in der Lage ist, zumal durch die Vorbegutachtungen in Regensburg apparate-medizinische Untersuchungen vorlagen, auf die sich die Gutachterin mit stützen konnte. Die von ihr aufgezeigten durch die Beschwerden auf orthopädischem Gebiet verursachten Funktionsbehinderungen halten sich auch nach der Erfahrung des Senats mit diesbezüglichen gutachtlichen Leistungsbeurteilungen im Rahmen der zu treffenden Einschätzungen von in erster Linie qualitativen, nicht aber auch quantitativen Leistungseinschränkungen.

Insgesamt ergibt sich durch die Beweisaufnahme in erster und zweiter Instanz durch die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem, internistischen und nervenärztlichen Gebiet ein vollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers für leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten ohne Heben und Tragen schwerer Lasten und ohne besondere psychische Belastungen (Zeitdruck, Schichtdienst). Zu vermeiden sind weiter gefahrgeneigte Arbeiten z.B. auf Leitern und Gerüsten.

Der Kläger, der zum Kreis der ungelernten Arbeiter zählt, kann auf den weiten Bereich der Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verwiesen werden. Es ist davon auszugehen, dass es angesichts der vollschichtigen Leistungsfähigkeit entsprechende Arbeitsplätze auf dem Arbeitsmarkt gibt. Die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist nicht geboten. Insbesondere liegt keine spezielle Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die das Aufzeigen einer dem Kläger mit seinen Einschränkungen noch möglichen Tätigkeit erforderlich machen würde.

Bei dieser Sachlage kann die Berufung keine Aussicht auf Erfolg haben.

Sie ist mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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