L 5 R 564/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 5 Ar 5828/90 Ju
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 564/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 21. Oktober 1991 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31. März 1989 hinaus zu zahlen hat.

1.

Die 1944 in Jugoslawien geborene Klägerin mit dortiger Staatsangehörigkeit und Wohnsitz in M. war in der Bundesrepublik Deutschland von 1971 bis Juli 1975 als Reinigungskraft und ungelernte Fabrikarbeiterin beschäftigt. Wegen der Folgen eines Eileiterkarzinoms bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 3. Oktober 1986 eine bis 31. Dezember 1987 befristete Rente auf Zeit wegen Erwerbsunfähigkeit, welche mit Bescheid vom 11. März 1988 bis 31. März 1989 verlängert wurde.

Einen in der Heimat gestellten Weiterzahlungsantrag vom 5. April 1989 (Formblatt JU 201) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. März 1990/Widerspruchsbescheid vom 5. September 1990 ab mit der Begründung, die Klägerin sei in ihrer Leistungsfähigkeit zwar nach wie vor durch die Folgen der behandelten Unterleibserkrankung, wirbelsäulenabhängige Beschwerden sowie durch linksseitige Kniegelenks- und Ellenbogengelenksbeschwerden beeinträchtigt. Sie könne jedoch spätestens ab dem 1. April 1989 wieder leichte bis mittelschwere Arbeiten unter nur qualitativen Einschränkungen vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erbringen. Dorthin sei sie als ungelernte Arbeiterin zumutbar verweisbar. Entscheidungsgrundlage waren die beigezogenen und von der Klägerin vorgelegten medizinischen Befunde aus der Heimat sowie eine klinisch-stationäre Untersuchung in der Ärztlichen Gutachterstelle R. vom 5. bis 7. Februar 1990. Dort stellte der Chirurg Dr. M. fest, im Vergleich zu der Vorbegutachtung bestehe wegen Heilungserfolges vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, abwechselnd im Sitzen und Stehen in geschlossenen Räumen, ohne häufiges Bücken.

2.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut hat die Klägerin Rentengewährung über den 31. März 1989 hinaus beantragt. Das Sozialgericht hat ein fachinternistisches Gutachten des Prof. Dr. H. (05.06.1991) einschließlich frauenärztlichem Zusatzgutachten des Dr. K. (27.05.1991) eingeholt. Prof. Dr. H. hat diagnostiziert:

- Zustand nach operativer Entfernung der Gebärmutter und beider Adnexen wegen eines Cystadeno-Karzinoms des linken Ovars und zystischen Veränderungen am rechten Ovar 1984, - kein Anhalt für Rezidiv des früheren Tumors, kein Anhalt für Metastasierung, - Zustand nach abschließender Chemotherapie und Radiatio, - sonographisch leichte Fettleber, - röntgenologisch mäßige Steilstellung der Halswirbelsäule so wie der Lendenwirbelsäule ohne wesentliche degenerative Ver änderungen, aber geringe funktionelle Beeinträchtigung ohne Nervenwurzelreiz, - wechselnde mäßige Kniegelenksschmerzen links mehr als rechts ohne röntgenologisch nachweisbare Veränderungen, - geringgradige Erhöhung der Blutsenkung sowie des AST.

In Zusammenhang mit der frauenärztlichem Zusatzuntersuchung sei festzustellen, dass die Klägerin wieder in der Lage sei, vollschichtig zu arbeiten. Auch in psychischer Hinsicht seien keine Anzeichen einer Veränderung oder Verstimmung erkennbar. Die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig ausführen in wechselnder Körperhaltung ohne häufiges Bücken und Stehen sowie ohne Heben und Tragen schwerer Lasten. Auch die zuletzt ausgeübten Tätigkeiten als Möbelfabrikarbeiterin und als Restauranthilfe seien vollschichtig zumutbar. Demfolgend hat des Sozialgericht mit Urteil vom 21.10.1991 die Klage abgewiesen.

3.

Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und geltend gemacht, sie sei über den 31. März 1989 hinaus krankheitsbedingt erwerbsunfähig. Mit Beschluss vom 6. Juli 1992 hat der Senat wegen kriegsbedingter Unterbrechung des Postverkehrs das Verfahren ausgesetzt.

Auf Antrag vom 6. September 2004 hat der Senat das Verfahren wieder aufgenommen und den Internisten Dr. E. mit der Erstellung eines Gutachtens nach ambulanter Untersuchung beauftragt. Der Aufforderung zur Teilnahme an der ambulanten Untersuchung ist die Klägerin trotz Hinweis auf ihre prozessuale Mitwirkungspflicht und die Konsequenzen eines eventuellen Verstoßes dagegen nicht nachgekommen. Daraufhin hat der Sachverständige ein Gutachten nach Aktenlage erstellt (21. Januar 2006) mit den Diagnosen:

1. Zustand nach operativer Entfernung von Gebärmutter und beiden Ovarien wegen eines Karcinoms des linken Ovars mit anschließender Bestrahlung und Chemotherapie ohne Anhalt für Tumorrezidiv oder Metastasen.

2. Diskrete altersentsprechende Abnutzungserscheinungen mit bestenfalls geringen funktionellen Beeinträchtigungen ohne Nachweis einer Nervenwurzelschädigung, rezidivierende Kniegelenksbeschwerden ohne röntgenologische Veränderungen.

Die medizinischen Unterlagen ergäben, dass ab dem 1. April 1989 ein vollschichtiges Leistungsvermögen anzunehmen sei für leichte und zeitweilig mittelschwere Tätigkeiten in gelegentlichem Positionswechsel überwiegend in geschlossenen Räumen. Zu vermeiden seien das Heben und Tragen schwerer Lasten, Tätigkeiten mit häufigem Bücken und häufigem Zwangshaltungen. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Es habe sich eine volle Übereinstimmung mit der sozialmedizinischen Bewertung der Vorgutachter ergeben.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 21. Oktober 1991 sowie des Bescheides vom 5. März 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 1990 zu verurteilen, ihr über den 31. März 1989 hinaus eine Rente wegen Erwerbs-, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 21. Oktober 1991 zurückzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2006 waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtzüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 5.März 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.September 1990, mit welchem sie es abgelehnt hat, der Klägerin aufgrund Weitergewährungsantrages vom 5. April 1989 eine Rente wegen Berufs-/Erwerbsunfähigkeit (EU/BU) über den 31.März 1989 hinaus zu gewähren. Diese Entscheidung ist zu Recht ergangen, ebenso wie das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 21. Oktober 1991. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen EU/BU oder wegen Erwerbsminderung für Zeiträume nach dem 31. März 1989.

1.

Der geltend gemachte Rentenanspruch richtet sich wegen des 1989 gestellten Antrages noch nach §§ 1246, 1247 Reichsversicherungsordnung - RVO - sowie für die Zeit ab 1. Januar 1992 nach §§ 43, 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung. Die ab 1. Januar 2001 geltenden Neuregelungen durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (vom 20. Dezember 2000 - BGBl.I S. 1827) wären nur heranzuziehen, falls ein Rentenanspruch bis 31. Dezember 2000 nicht bestanden hätte, aber für die nachfolgende Zeit in Betracht käme (vgl. § 300 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 SGB VI).

Nach § 1246 RVO, § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Nach § 240 SGB VI n.F. haben Versicherte, die - wie die Klägerin - vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, bei Vorliegen von BU einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Erwerbsunfähigkeit setzt nach § 1247 RVO, § 44 Abs. 2 SGB VI a.F. ebenso wie eine volle Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des neuen Rechts gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ein gegenüber der Berufsunfähigkeit noch weiter herabgesetztes Leistungsvermögen voraus.

Ein vollschichtiges Leistungsvermögen in einer zumutbaren Tätigkeit schließt nach alter und neuer Rechtslage einen Rentenanspruch wegen verminderter Erwerbsfähigkeit regelmäßig aus.

2.

Ausgangspunkt bei der Prüfung der BU ist der bisherige Beruf des Versicherten, das heißt die zuletzt in der Bundesrepublik Deutschland regelmäßig ausgeübte Tätigkeit (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 61 m.w.N.). Im streitigen Fall ergibt sich aus den eigenen Angaben der Klägerin und aus dem Akteninhalt, dass die Klägerin als Reinigungskraft und ungelernte Produktionsarbeiterin nur Tätigkeiten ausgeübt hat, die sie nach kürzester Anlernzeit ausüben konnte. Sie darf somit zumutbar auf alle Arbeiten verwiesen werden, die der allgemeine Arbeitsmarkt zur Verfügung stellt (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn. 13, 27).

3.

In Würdigung der Gutachten des Dr. E. sowie des Prof. Dr. H. einschliesslich frauenärztlichem Gutachten des Dr. K. ist der Senat überzeugt, dass die Klägerin spätestens ab dem 1. April 1989 wieder vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein konnte. Seither war ihre Leistungsfähigkeit nicht mehr relevant herabgesetzt.

Die Sachverständigen haben anhand der umfangreichen medizinischen Dokumentation aus der Heimat der Klägerin in den Jahren bis 1991 einschließlich der im Februar 1990 anlässlich der Begutachtung in der Gutachterstelle R. getroffenen Feststellungen übereinstimmend und stichhaltig die Aussage getroffen, dass die Krebserkrankung der Klägerin nach operativer, strahlen- und chemotherapeutischer Behandlung abgeklungen war. Die Sachverständigen Prof. Dr. H. und Dr. K. konnten aufgrund eigener Untersuchung feststellen, dass nach der Krebsbehandlung keinerlei Beschwerden verblieben waren, die über den 31. März 1989 hinaus ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin ausgeschlossen hätten. An diesen Feststellungen zu zweifeln, die aufgrund ausführlicher Würdigung der medizinischen Unterlagen, eigenständiger Anamnese und Untersuchung sowie unter Einbzug des Kenntnisstandes der medizinischen Wissenschaft im Zeitpunkt der Untersuchung getroffen worden sind, sieht der Senat keinen Anlass.

In Bezug auf das Leistungsvermögen nach dem 31. März 1989 ist zusätzlich festzustellen, dass die im Februar 1990 in der Gutachterstelle R. durchgeführte Untersuchung der Klägerin ein deutlich anderes Ergebnis erbracht hatte, als die davor an gleicher Stelle erfolgte Untersuchung vom 22. bis 24. Februar 1988, die zu einer Fortzahlung der Rente geführt hatte. Der Senat sieht dies als wesentliches Indiz für ein tatsächlich gebessertes Leistungsvermögen.

Wenn die Klägerin nach der übereinstimmenden Feststellung der Sachverständigen ab 1. April 1989 jedenfalls wieder vollschichtig tätig sein kann, besteht seither kein Anspruch mehr auf eine Rente wegen Erwerbs-/Berufsunfähigkeit. Daran ändern die von den Sachverständigen übereinstimmend angegebenen qualitativen Einschränkungen in Gestalt leichter bis mittelschwerer Arbeiten im gelegentlichen Positionswechsel in geschlossenen Räumen unter Vermeiden von schwerem Heben und Tragen sowie von Bücken nichts. Denn dies schließt Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht aus. Anhaltspunkte für einen Ausnahmetatbestand insbesondere infolge einer Summierung außergewöhnlicher Leistungseinschränkungen, Beschränkung der Wegefähigkeit oder fehlender Umstellungsfähigkeit sind nicht vorhanden. Die Klägerin erfüllt somit die gesundheitlichen Voraussetzungen für den streitigen Weitergewährungsanspruch nicht.

3.

Anhaltspunkte dafür, dass in der Zeit ab 1991 die Leistungsfähigkeit relevant ab einem bestimmbaren Zeitpunkt herabgesetzt gewesen wäre und seither die Voraussetzungen einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bestünden, sind weder aus den Akten ersichtlich, noch von den medizinischen Sachverständigen festgestellt worden. Falls möglicherweise eine ambulante Untersuchung der Klägerin ein anderes Ergebnis erbracht hätte, ginge dies zu Lasten der Klägerin, die trotz gerichtlichen Hinweises auf ihre prozessuale Mitwirkungspflicht und die zu Ihren Lasten gehenden Folgen der materiellen Beweisführungslast einer erneuten Einladung des Sachverständigen Dr. E. nicht nachgekommen ist, ohne dass dafür sachliche Gründe vorhanden gewesen wären.

Die Berufung war daher in vollem Umfang zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe zur Zulassung der Revision ( § 160 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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