L 13 R 658/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 3 R 1034/04 SK
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 658/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 13. April 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).

Die Klägerin wurde 1923 in der heutigen Slowakei geboren, ist slowakische Staatsbürgerin und hat zeitlebens in der Slowakei gelebt. Sie bezieht seit 1978 eine Altersrente aus der dortigen Sozialversicherung.

Nach eigenen Angaben hat die Klägerin von 1929 bis 1937 die Schule besucht, 1938/39 eine Ausbildung zur Schneiderin absolviert und bis April 1942 in der Slowakei keine Erwerbstätigkeit ausgeübt.

Am 30. Juni 2003 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei der Beklagten unter Hinweis auf das ZRBG eine Altersrente für die Klägerin. Sie sei Verfolgte im Sinne der §§ 1 ff. Bundesentschädigungsgesetz (BEG). Die Klägerin selbst gab an, sie habe (erstmals) vom 11. Mai 1942 bis zur Befreiung am 29. August 1944 im Arbeitslager/Ghetto S. (Slowakei) als Schneiderin in einer Schneiderwerkstatt gearbeiteten. Sie habe sich aus Angst vor einer Deportation selbst um diese Arbeit bemüht und als Lohn einen Nahrungsmittelzuschuss sowie dreimal täglich Essen erhalten. Arbeitsnachweise besitze sie nicht.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die Wartezeit für eine Altersrente sei nicht erfüllt (Bescheid vom 20. Januar 2004). Das ZRBG finde keine Anwendung, weil sich das Ghetto S. nicht in einem vom Deutschen Reich eingegliederten oder besetzten Gebiet befunden habe. Auf Verfolgte, die sich in einem Ghetto auf dem Gebiet der mit dem Deutschen Reich vom 23. Juni 1941 bis 17. Februar 1945 verbündeten Slowakei befunden hätten, finde das ZRBG keine Anwendung. Ersatzzeiten könnten ebenfalls nicht berücksichtigt werden, weil der Klägerin mangels Beitragszeiten die Versicherteneigenschaft in der deutschen Rentenversicherung fehle. Weitere Versicherungszeiten in der deutschen Rentenversicherung habe sie weder zurückgelegt noch geltend gemacht.

Dagegen erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Widerspruch mit der Begründung, die Slowakei sei kein verbündeter Staat gewesen. Er nahm Bezug auf eine Stellungnahme des Historischen Armeeinstituts Prag vom 13. Januar 2004 sowie des Staats- und Rechtsinstituts der Akademie der Wissenschaften der Slowakei vom 1. Februar 2004. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, das Deutsche Reich habe wesentlichen Einfluss auf die Behandlung der jüdischen Bevölkerung in der Slowakei durch die dortigen Behörden genommen. Die Slowakei sei in der Zeit von 1941 bis 1945 nur formal ein vom Deutschen Reich unabhängiger Staat gewesen. Tatsächlich sei sie aber durch Verträge über ein Schutzverhältnis des Deutschen Reiches zur Slowakei und vertrauliche Protokolle über die wirtschaftliche und finanzielle Zusammenarbeit sowie durch die Beteiligung reichsdeutscher Berater auf allen Ebenen von der Staatsverwaltung bis zu den Betrieben ein besetzter Staat gewesen. Legitimer Vertreter der Slowakei sei spätestens seit 1940 im Übrigen nur die tschechoslowakische Exilregierung in Großbritannien gewesen.

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 13. September 2004). Das ZRBG finde keine Anwendung auf Verfolgte, die sich in einem Ghetto auf dem Gebiet des Deutschen Reiches (Stand 31. Dezember 1937) oder eines mit dem Deutschen Reich verbündeten Staates befunden hätten. Die Aussage, die Slowakei sei mit dem Deutschen Reich verbündet gewesen, sei noch nie in Zweifel gezogen worden. Die hierzu von der Klägerin vorgelegten Stellungnahmen seien nicht nachvollziehbar.

Mit der am 15. Oktober 2004 zum Sozialgericht Landshut (SG) erhobene Klage hat die Klägerin vorgetragen, sie habe bereits 1939 Freiheitsbeschränkungen auf Grunde der in Kraft getretenen Rassengesetze unterlegen und sei am 11. Mai 1942 in ein Ghetto in S. verbracht worden. Die dortige Beschäftigung sei ihr aufgrund eigener Bemühungen durch den Judenrat vermittelt worden. Als Entlohnung habe sie täglich drei Mahlzeiten, zusätzliche Lebensmittel und Logis erhalten. Das ZRBG sei auf sie anzuwenden, weil die Slowakei kein mit dem Deutschen Reich verbündeter Staat gewesen sei.

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 13. April 2005, zugestellt am 11. August 2005). Die Wartezeit für eine Altersrente sei nicht erfüllt. Die Klägerin habe keine Versicherungszeiten in der deutschen Rentenversicherung zurückgelegt. Insbesondere könne die in S. geltend gemachte Beschäftigungszeit nicht als Versicherungszeit im Sinne des ZRBG anerkannt werden. Nach den Feststellungen des S.-Center stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin in S. in einem Arbeitslager und nicht in einem Ghetto tätig gewesen sei. Damit lägen schon die Grundvoraussetzungen für die Anwendung des ZRBG nicht vor. Darüber hinaus habe sich S. auf dem Territorium eines mit dem Deutschen Reich verbündeten Staates befunden. Die anders lautenden Stellungnahmen vom 13. Januar 2004 und 1. Februar 2004 seien weder überzeugend noch historisch-wissenschaftlich fundiert.

Dagegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 9. September 2005 (Eingang bei Gericht) beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und insbesondere geltend gemacht, die in der historischen Literatur verwendete Bezeichnung "Arbeitslager" allein rechtfertige keine ablehnende Entscheidung. Maßgebend seien die tatsächlichen Verhältnisse. S. habe über einen Judenrat, eine Schule, ein Krankenhaus, ein Kulturprogramm, ein Leichtathletikfeld und ein Schwimmbad verfügt. Es entspreche nicht dem Rechtsgedanken des ZRBG und der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), das Merkmal "Ghetto" tatbestandsausschließend anzuwenden. Das Gesetz beruhe auf der Rechtsprechung des BSG, nach der Betroffenen, die unter haftähnlichen Bedingungen eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt haben, eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung zugesprochen werden sollte. Danach reiche es aus, dass unter ghettoähnlichen oder ghettogleichen Umständen gearbeitet worden sei. Nur Zwangsarbeit habe ausgeschlossen werden sollen. S. sei aber gerade kein typisches Zwangsarbeitslager gewesen.

Auch sei die Slowakei nach den vorgelegten Stellungnahmen, mit deren Inhalt sich das SG nicht auseinander gesetzt habe, kein verbündeter Staat des Deutschen Reiches gewesen. Der Prozessbevollmächtigte hat hierzu eine undatierte Stellungnahme des Historischen Instituts der Slowakischen Akademie der Wissenschaften vorgelegt. Darin wird im Wesentlichen nochmals ausgeführt, die Slowakei sei in den Jahren 1939 bis 1945 kein souveräner Staat gewesen. Sie sei bereits vor der Besetzung im August 1944 von Befehlen und Bestimmungen des Deutschen Reiches abhängig gewesen. Auch sei S. als Ghetto anzusehen, da die Begriffe "Arbeitslager" und "Ghetto" nach den in der Slowakei 1941 bis 1944 bestehenden Verhältnissen deckungsgleich seien. Maßgebend sei, dass Juden unter jüdischer Selbstverwaltung in einem abgeschlossenen und bewachten Raum unter drohender Deportation zur Arbeit verpflichtet gewesen seien. Diese Arbeitspflicht habe auch Frauen und minderjährige Kinder umfasst.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 13. April 2005 sowie den Bescheid vom 20. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin auf ihren Antrag vom 30. Juni 2003 Altersrente zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das ZRBG sei nicht anwendbar, weil S. kein Ghetto gewesen sei. Ob die Slowakei mit dem Deutschen Reich verbündet gewesen sei, sei unerheblich. Nach dem Wortlaut des Gesetzes komme es darauf an, ob der betreffende Staat vom Deutsche Reich besetzt oder von diesem eingegliedert gewesen sei. Beides sei im Falle der Slowakei zu verneinen.

Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 20. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2004, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, der Klägerin aufgrund ihres Antrags vom 30. Juni 2003 Altersrente zu zahlen. Das SG hat die dagegen erhobene Klage mit Urteil vom 13. April 2005 zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Altersrente aus der deutschen Rentenversicherung.

Der Anspruch der Klägerin richtet sich noch nach den Vorschriften der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Reichsversicherungsordnung (RVO), denn sie hat bereits im Januar 1988 das 65. Lebensjahr vollendet (vgl. BSG SozR 3-2600 § 99 Nr. 5).

Gemäß § 1248 Abs. 5 RVO hat eine Versicherte Anspruch auf Altersruhegeld (jetzt: Altersrente, vgl. § 300 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 35 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI - ), wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit erfüllt hat. Auf die Wartezeit von 60 Kalendermonaten (§ 1228 Abs. 7 Satz 3 RVO) werden Kalendermonate mit Beitragszeiten, Ersatzzeiten und - was hier nicht in Betracht kommt - Zeiten der Kindererziehung im Geltungsbereich der RVO vor dem 1. Januar 1986 angerechnet (§ 1250 Abs. 1 RVO). Liegen solche Zeiten in der deutschen Rentenversicherung vor, sind auch die von der Klägerin in der Slowakei zurückgelegten Versicherungszeiten nach Maßgabe des zwischenstaatlichen Rechts (Art. 12 des deutsch-slowakischen Abkommens über Soziale Sicherheit vom 12. September 2002 ,BGBl. II 2003 S. 678; für die Zeit seit dem Beitritt der Slowakischen Republik zur Europäischen Union am 1. Januar 2004 Art. 45 der EG-Verordnung 1408/71) auf die Wartezeit anzurechnen.

Die Klägerin hat jedoch keine Beitragszeiten oder Ersatzzeiten in der deutschen Rentenversicherung zurückgelegt und damit auch unter Berücksichtigung zwischenstaatlichen Rechts die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt.

1. Als Beitragszeit kommt hier lediglich die Zeit der behaupteten Beschäftigung in einer Schneiderwerkstatt vom 11. Mai 1942 bis 29. August 1944 in S. (Slowakei) in Betracht. Dass diese Beschäftigung - vorbehaltlich eines Nachweises, dass sich die Klägerin in dieser Zeit tatsächlich im Lager S. aufgehalten hat und dort als Schneiderin beschäftigt war - nicht der Versicherungspflicht nach der RVO unterlag, weil sich der Geltungsbereich der RVO nicht auf Beschäftigungsverhältnisse slowakische Staatsangehöriger in der Slowakei erstreckte, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Es liegt aber auch keine Beitragszeit im Sinne der §§ 15, 16 Fremdrentengesetz (FRG - in der bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung) vor. Danach stehen Beitragszeiten, die (u.a.) bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich (§ 15 Abs. 1 S. 1 FRG). Eine nach vollendetem 16. Lebensjahr vor der Vertreibung in der Slowakei verrichtete Beschäftigung steht einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland, für die Beiträge entrichtet sind, gleich, soweit sie nicht mit einer Beitragspflicht zusammenfällt. Dies gilt nur, wenn die Beschäftigung nach dem am 1. März 1957 geltenden Bundesrecht Versicherungspflicht in den gesetzlichen Rentenversicherungen begründet hätte, wenn sie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet verrichtet worden wäre (§ 16 S. 1, S. 2 Hs. 1 FRG).

Eine Beitragszeit bei einem nichtdeutschen Träger hat die Klägerin nach eigenen Angaben im streitigen Zeitraum nicht zurückgelegt. Die von ihr behauptete Beschäftigung in einer Schneiderwerkstatt im Lager S. würde aber auch nicht die Voraussetzungen einer nach Reichs- oder Bundesrecht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erfüllen, denn die Klägerin hat nach eigenen Angaben hierfür kein Entgelt, sondern lediglich freien Unterhalt in Form von Lebensmitteln, Mahlzeiten und Unterkunft erhalten. Beschäftigte, denen als Entgelt nur freier Unterhalt gewährt wurde, waren aber sowohl nach den im streitigen Zeitraum geltenden Reichsrechts (§ 1227 RVO) als auch nach dem späteren Bundesrecht (§ 1228 RVO) versicherungsfrei (vgl. hierzu ausführlich BSGE 93, 214). Dies gilt auch für Arbeiten, die unter den allgemeinen Bedingungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verrichtet wurden, wie die so genannten Ghettoarbeiten (vgl. BSGE a.a.O. und in SozR 3-5070 § 14 Nr. 3), so dass an dieser Stelle nicht näher darauf einzugehen ist, ob es sich bei dem Lager S. um ein Arbeitslager oder ein Ghetto gehandelt hat.

Liegen die Voraussetzungen der §§ 15, 16 FRG nicht vor, bedarf es auch keiner Prüfung, ob die Klägerin überhaupt die Voraussetzungen für die Anwendung des FRG nach §§ 1 oder 17a FRG oder § 20 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) erfüllt (vgl. hierzu BSGE 93, 214).

2. Die behauptete Beschäftigungszeit ist auch keine fiktive Beitragszeit nach § 2 ZRBG. Danach gelten zwar für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto Beiträge ohne weitere Einschränkung als gezahlt (§ 2 Abs. 1 ZRBG- sog. Ghetto-Beitragszeiten). Das als Art. 1 des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto und zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch v. 20.6. 2002, BGBl. I 2002 S. 2074 verkündete und gem. Art. 3 Abs. 2 dieses Gesetzes am 01.07.1997 in Kraft getretene ZRBG findet im Falle der Klägerin aber keine Anwendung, weil die behauptete Beschäftigung nicht in einem Ghetto und nicht in einem Gebiet erfolgte, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war (2.1). Im Übrigen fehlt es auch hier an der Freiwilligkeit und der Entgeltlichkeit der Beschäftigung (2.2).

2.1 Nach § 1 Abs. 1 S. 1 ZRBG gilt dieses Gesetz für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, wenn die Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zu Stande gekommen ist, gegen Entgelt ausgeübt wurde und das Ghetto sich in einem Gebiet befand, dass vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war, soweit für diese Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht wird.

Daran fehlt es hier. Zur Überzeugung des Senats lag S. im hier streitigen Zeitraum nicht in einem Gebiet, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ZBRG). Schon 1982 hat das BSG im Zusammenhang mit § 19 Abs. 1 WGSVG entschieden, dass die Slowakei nicht zu den in den Jahren 1938 und 1939 in das Deutsche Reich eingegliederten Gebieten einschließlich des ehemaligen Protektorats Böhmen und Mähren (§ 19 Abs. 1 WGSVG) gehört und bis 1945 ein völkerrechtlich selbständiger Staat geblieben ist (Urteil vom 18. März 1982, Az.: 11 RA 28/81 = SozR 5750 Art. 2 § 41a Nr. 1). Eine militärische Besetzung erfolgte erst im August 1944 (vgl. BSG SozR 5750 Art. 2 § 41a Nr. 1, Bundesverwaltungsgericht in BVerwGE 38, 122, zur so genannten Schutzzone BVerwGE 39, 22). Auf die Frage, ob und in welchem Maße das Deutsche Reich vor August 1944 Einfluss auf die Verhältnisse in der Slowakei genommen hat, insbesondere auf die Behandlung der dortigen jüdischen Bevölkerung, kommt es dabei ebenso wenig an wie auf die Legitimität der slowakischen Regierung im Verhältnis zur tschechoslowakischen Exilregierung in Großbritannien (vgl. für Transnistrien SG Hamburg 26. Kammer, Urteil vom 9. September 2005, Az.: S 26 RJ 1253/03).

Im Gegensatz zu den Regelungen des BEG (vgl. §§ 2 Abs. 1, 43 Abs. 1 BEG) und des Lastenausgleichsrechts (vgl. § 1 Abs. 1 und 2 der Durchführungsverordnung vom 17. November 1962) zur "Verfolgung", die auch dann vorliegen kann, wenn ein ausländischer Staat auf Veranlassung der nationalsozialistischen deutschen Regierung tätig geworden ist (§ 43 Abs. 1 BEG) und bereits vor dem Zeitpunkt einer Besetzung oder Eingliederung des ausländischen Staatsgebiets begonnen haben kann (§ 1 Abs. 2 der Durchführungsverordnung vom 7. November 1962), hat der Gesetzgeber in § 1 ZRBG eine ausdrückliche räumliche Beschränkung auf die dem Deutschen Reich eingegliederten oder vom Deutschen Reich besetzten Gebiete vorgenommen. Den Gesetzesmaterialien (vgl. den Gesetzentwurf BT-Drucksache 14/8583 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung BT-Drucksache 14/8823) ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber im Wissen um die Regelungen der früheren Wiedergutmachungsgesetze mit dieser Formulierung auch Gebiete einbeziehen wollte, auf die das Deutsche Reich lediglich bestimmenden Einfluss genommen hat. In der Begründung des Gesetzentwurfs (Teil B, zu Art. 1 § 1 - Anwendungsbereich -) heißt es dazu, es werde unterstellt, dass ein Ghetto in den eingegliederten oder besetzten Gebieten in besonderem Maße der hoheitlichen Gewalt des Deutschen Reiches ausgesetzt gewesen sei. Hoheitliche Gewalt übte das Deutsche Reich aber - wie das Bundesverwaltungsgericht auf der Grundlage von Sachverständigengutachten zur Situation in der Slowakei zwischen 1939 und 1945 in mehreren Entscheidungen überzeugend ausgeführt hat - erst mit der militärischen Besetzung der Slowakei Ende August 1944 aus. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Klägerin, die angegeben hat, im August 1944 befreit worden zu sein, nicht mehr im Lager S ...

Deshalb bedürfen die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgelegten Stellungnahmen zur Einflussnahme des Deutschen Reiches auf die Slowakei vor der Besetzung im August 1944 keiner Erörterung.

2.2 Eine Anwendbarkeit des ZRBG unterstellt wären aber auch die weiteren Voraussetzungen des § 1 ZRBG nicht erfüllt, weil die Beschäftigung der Klägerin nicht aus eigenem Willensentschluss zu Stande gekommen ist und nicht gegen Entgelt ausgeübt wurde (Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchstabe a und b ZRBG).

Für die Begriffe der Freiwilligkeit und der Entgeltlichkeit der Beschäftigung gelten bei Anwendung des ZRBG dieselben Grundsätze wie bei der Bestimmung der Sozialversicherungspflicht einer Beschäftigung (vgl. BSG Urteil vom 20. Juli 2005 Az.: B 13 RJ 37/04 R). Insoweit knüpft das ZRBG lediglich an die Rechtsprechung des BSG zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung sog. Ghettoarbeit an, ohne den Personenkreis der Anspruchsberechtigten über diese Rechtsprechung hinaus zu erweitern (vgl. BSG SozR 4-5050 § 15 Nr. 1).

Das SG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das Lager S. in der Literatur als Arbeitslager - teilweise auch als Konzentrationslager - bezeichnet wird. Die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers im Berufungsverfahren vorgelegte undatierte Stellungnahme der slowakischen Akademie der Wissenschaften führt zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr wird darin ausdrücklich bestätigt, dass die Lagerinsassen unabhängig von Alter und Geschlecht der Arbeitspflicht unterlagen. Die Arbeitspflicht ist aber ein wesentliches Abgrenzungskriterium der für die Anwendbarkeit des ZRBG erforderlichen freiwilligen Beschäftigung zu der vom ZRBG bereits thematisch nicht umfassten unfreiwilligen Zwangsarbeit. Freiwillige Beschäftigung und unfreiwillige Zwangsarbeit schließen sich regelmäßig aus. Bestand jedoch im Lager S. Arbeitspflicht, so ist die behauptete Beschäftigung der Klägerin nicht aus eigenem Willensentschluss zu Stande gekommen. Ob die Begriffe "Arbeitslager" und "Ghetto" als in der Slowakei deckungsgleich bezeichnet werden können und ob Arbeiten unter - vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht näher definierten - ghettogleichen oder ghettoähnlichen Verhältnissen vom ZRBG erfasst werden, bedarf unter diesen Umständen keiner Erörterung.

Da die behauptete Beschäftigung - wie bereits ausgeführt - nach eigenen Angaben der Klägerin auch nicht gegen Entgelt ausgeübt worden ist, kommt auch aus diesem Grund die Anerkennung einer fiktiven Beitragszeit nicht in Betracht.

Liegen somit die Voraussetzungen für eine Anwendung des ZRBG schon hinsichtlich Art und Ort der Beschäftigung nicht vor, kann dahinstehen, ob die Klägerin Verfolgte im Sinn des § 1 Abs. 1 S. 1 ZRBG ist. Auch bedarf es keiner Prüfung, ob der Klägerin für die streitigen Zeiten bereits Leistungen aus der slowakischen Rentenversicherung erbracht werden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 am Ende ZRBG).

3. Hat die Klägerin keine in der deutschen Rentenversicherung anrechenbare Beitragszeit zurückgelegt, so kommt auch die Anerkennung einer Ersatzzeit nicht in Betracht.

Gemäß § 1251 Abs. 1 und 2 RVO sind Ersatzzeiten Zeiten, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und der Versicherte die dort unter Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 näher bezeichneten Tatbestände verwirklicht hat. Weitere Voraussetzung für die Anerkennung einer Ersatzzeit ist, dass vorher eine Versicherung in der deutschen Rentenversicherung bestanden hat oder später durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit nach Maßgabe des Abs. 2 Buchstabe a) bis c) begründet worden ist. Ersatzzeiten selbst begründenden kein Versicherungsverhältnis in der deutschen Rentenversicherung (vgl. Niesel in Kassler Kommentar § 250 Rdnr. 10). Auch die Versicherung bei einem nichtdeutschen Versicherungsträger der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt die Voraussetzungen des § 1248 Abs. 2 RVO nicht (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1251 Nr. 4 m.w.N.). Insoweit liegt auch seit dem Beitritt der Slowakei zur Europäischen Union keine zwischenstaatliche Gleichstellung vor (vgl. Anhang C. 2. Buchstabe d) der EG-Verordnung 1408/71).

Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass die Klägerin mit ihrem Klagebegehren auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor. Zwar handelt es sich beim ZRBG um ein relativ neues Gesetz. Die hier zu entscheidenden Auslegungsfragen sind jedoch bereits vom BSG behandelt worden und bedürfen daher keiner grundsätzlichen Klärung mehr. Eine Divergenz im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG gegenüber Entscheidungen des BSG oder anderer oberster Gerichtshöfe liegt nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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