L 14 R 871/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 R 345/05 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 871/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 2. September 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Die im Jahre 1944 geborene Klägerin mit Wohnsitz in Serbien hat dort sowie in der Bundesrepublik Deutschland Versicherungszeiten zurückgelegt, nach März 1986 nur mehr 17 Monate in ihrem Heimatland in den Jahren 1995 bis 1997. Ein im Jahre 1997 gestellter Rentenantrag - sowohl die serbische Invalidenkommission als auch der Ärztliche Dienst der Beklagten hielten die Klägerin trotz ihrer Gesundheitsstörungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig für einsetzbar - wurde von der Beklagten wegen Nichterfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen abgelehnt (Bescheid vom 19.05.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.09.1998), und die anschließend eingelegten Rechtsmittel blieben ohne Erfolg (vgl. zuletzt das zurückweisende Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 19.09.2000 - L 5 RJ 171/00).

Den zweiten, im Juni 2004 gestellten Antrag auf Rente wegen geminderter Erwerbsfähigkeit - bei von der Klägerin unverändert vorgetragenen Versicherungszeiten - lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.07.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2004 erneut wegen Fehlens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ab, wobei auch in einem zwischenzeitlich aufklärenden Schreiben vom 11.08.2004 auf die Notwendigkeit eines spätestens im Januar 1984 eingetretenen Leistungsfalls hingewiesen wurde.

Der Widerspruchsbescheid wurde gemäß schriftlichem Vermerk "Bekanntgabe des Bescheides nach § 37 SGB X" in der Versichertenakte der Beklagten mit einfachem Brief am 10.12.2004 zur Post gegeben.

Mit einem am 21.03.2005 beim Sozialgericht eingegangenen Schriftsatz vom 14.03.2005 erhob der bereits im Verwaltungsverfahren tätig gewordene Bevollmächtigte der Versicherten Klage unter Vorlage einer am 14.01.2005 ausgestellten Vollmacht und Vorlage ärztlicher Unterlagen, weil die Klägerin wegen eines Dickdarmkarzinoms (2003) sehr krank sei. Als Tag des Zugangs des Widerspruchsbescheides wurde der 17.12.2004 genannt.

Das Sozialgericht wies die Klägerin zweimal darauf hin, dass die Klage verfristet sei. Der Widerspruchsbescheid gelte am 13.12.2004 als bekannt gegeben, und die Klagefrist sei mit dem 14.03.2005 (Montag) abgelaufen. Auch bei Lauf der Klagefrist erst ab dem 17.12.2004 sei die Klage verspätet gewesen. Zugleich wurden Hinweise auf eine mögliche Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Glaubhaftmachung von Wiedereinsetzungsgründen gegeben (Schreiben vom 11.05. und 24.06.2005).

Der Bevollmächtigte der Klägerin antwortete hierauf zunächst mit der Eingabe vom 09.06.2005, in der er um ärztliche Untersuchung der Klägerin in Serbien bat, und dann mit dem Hinweis vom 16.07.2005, dass ihm der Widerspruchsbescheid am 17.12.2004 zugegangen und die Klageschrift am 14.03.2005 in Serbien zur Post gegeben worden sei, also rechtzeitig, weil der 18.03.2005 der letzte Tag für die Klageerhebung gewesen sei. Beigefügt war diesem Schreiben die Kopie einer mit dem 14.03.2005 gestempelten Einschreibebestätigung. Das Sozialgericht teilte dem Bevollmächtigten der Klägerin daraufhin mit, dass für die Einhaltung der Klagefrist der Eingang der Klageschrift beim Sozialgericht, hier am 21.03.2005, maßgebend und somit die Klage verfristet sei; es werde nochmals auf die Ausführungen im gerichtlichen Schreiben vom 24.06.2005 hingewiesen (Schreiben vom 03.08.2005). Der Bevollmächtigte der Klägerin trug erneut keine Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor, sondern bat um ein Urteil, damit er die gesetzlichen Rechtsmittel in Anspruch nehmen und sich an das "Bayerische Gericht in München" wenden könne.

Das Sozialgericht wies - die Beteiligten sind vorher angehört worden - die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.09.2005 wegen Unzulässigkeit ab. Ausgehend von der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides am 17.12.2004 habe die dreimonatige Klagefrist (§ 87 Abs.1 Satz 1 und Abs.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) am 18.12.2004 begonnen und sei mit dem 17.03.2005 abgelaufen. Nicht ausreichend sei, dass die Klage rechtzeitig (gemeint: innerhalb der Klagefrist) zur Post gegeben werde. Die Klägerin müsse dafür Sorge tragen, dass die Klage auch rechtzeitig bei Gericht eingehe. Bei dem am 21.03.2005 zu verzeichnenden Eingang sei die Klage verfristet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren gewesen, weil die Klägerin hierzu nach Anhörung nichts vorgetragen habe. Nebenbei wies das Sozialgericht darauf hin, dass die Klage auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, und nahm hierzu auf das zweitinstanzliche Urteil vom 19.09.2000 Bezug.

Mit der Berufung macht der Bevollmächtigte der Klägerin geltend, die Klage sei fristgerecht eingelegt worden. Der Senat möge - die Klägerin sei zu einer Reise in die BRD wegen ärztlicher Untersuchung aus gesundheitlichen Gründen nicht fähig - nach Aktenlage entscheiden.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß), den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 02.09.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 13.07.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Rente wegen geminderter Erwerbsfähigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs.2 SGG einverstanden erklärt. Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge und die vorausgehenden, bereits abgeschlossenen Streitakten des Sozialgerichts Landshut S 12 RJ 517/99 A und des Bayer. Landessozialgerichts L 5 RJ 171/00 sowie die Versichertenakte der Beklagten vor.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung (§§ 143 ff., 151 SGG) ist unbegründet.

Die beim Sozialgericht eingelegte Klage war verfristet und unzulässig, so dass die Hauptsache weder vom Sozialgericht noch jetzt vom Senat überprüft und entschieden werden durfte. Der Senat folgt den Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil und sieht unter Bezugnahme hierauf von der Darstellung seiner Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs.2 SGG).

Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Klagefrist nach Gesetzesänderung im Jahre 1998 mit Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids (nach früherem Recht mit der Zustellung) beginnt (§ 87 Abs.1 und Abs.2, § 85 Abs.3 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 37 Sozialgesetzbuch Teil X - SGB X -), wobei der gemäß § 37 Abs.2 SGB X (widerlegbar) vermutete Zeitpunkt des Zugangs nicht gilt, sondern der der tatsächlichen Bekanntgabe. Richtigerweise ist daher das Sozialgericht insoweit von dem 17.12.2004 mit der Folge des Endes der Klagefrist mit Ablauf des 17.03.2005 ausgegangen.

Bis zum Ende der Frist ist die Klage nachweislich nicht beim Sozialgericht eingegangen. Die im Widerspruchsbescheid erteilte und den §§ 87 Abs.1, 90, 66 Abs.1 SGG entsprechende Rechtsmittelbelehrung (schriftliche Erhebung der Klage beim Sozialgericht oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts) gibt auch keine Veranlassung zur Annahme, bereits mit der Absendung der Klageschrift sei schon fristwahrend Klage erhoben worden. Gründe für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 Abs.1 SGG) hat der Bevollmächtigte der Klägerin nicht vorgetragen; insoweit ist auch nach Akteninhalt kein objektives Hindernis offensichtlich. Wird im Ausland ein Brief zur Post gegeben, so kann der Absender nicht damit rechnen, dass das Schreiben bereits nach drei Tagen beim Empfänger in der BRD eingegangen ist; umgekehrt gilt dasselbe. Dies ist zumindest im Verhältnis der BRD zu Serbien zu beachten, das sich nicht durch einen besonders raschen oder zügigen Postverkehr auszeichnet. Die längeren Laufzeiten von Schreiben sind dem Bevollmächtigten der Klägerin bereits aus dem Briefverkehr im jetzigen Verwaltungsverfahren bekannt gewesen, im Übrigen auch aus zahlreichen Renten-, Klage- und Berufungsverfahren, in denen er als Generalsekretär der Jugoslawischen Bürgervereinigung in P. (Bürger, die aufgrund des zwischenstaatlichen Abkommens Rente beziehen oder beantragen) tätig war und ist. Der Postlauf beträgt in "guten Zeiten" immerhin noch regelmäßig eine Woche, auch zwei Wochen sind nicht selten. Nähere Ausführungen hierzu können unterbleiben, weil jedenfalls die Klagepartei nicht eine (nach Kenntnis des Gerichts völlig unübliche) regelmäßige Postlaufzeit von höchstens drei Tagen behauptet und nichts zu ihrem Vertrauen hierauf vorgetragen hat.

Eine die rechtzeitige Erhebung der Klage hindernde Erkrankung der Klägerin wurde nicht behauptet, was auch vorliegend nicht schlüssig wäre, weil die Klägerin ihrem Prozessvertreter bereits am 14.01.2005 schriftliche Vollmacht hinsichtlich der Klage beim Sozialgericht Landshut erteilt hat, so dass der Erhebung der Klage bis zum 17.03.2005 nichts entgegenstand. Ein (nach Sachlage wahrscheinliches) Verschulden des Bevollmächtigten im Sinne von § 67 Abs.1 SGG bei Versäumung der Klagefrist ist der Klägerin zuzurechnen.

Daher war die Berufung zurückzuweisen. Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs.2 SGG).

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG. Das Verfahren selbst war für die Klägerin gerichtskostenfrei; unberücksichtigt blieb, dass in nahezu missbräuchlicher Weise erneut ein Rechtsstreit geführt wurde, obwohl dieser in der Hauptsache (Rentenanspruch) der Klagepartei von Anfang an aussichtslos erscheinen musste; schließlich waren auch dem Bevollmächtigten der Klägerin die fehlenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Berentung durchaus bekannt. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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