L 17 U 70/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 U 55/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 70/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.12.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Hinterbliebenenversorgung aus der Versicherung des am 11.06.1998 verstorbenen Ehemannes der Klägerin A. G. (G) streitig. Der 1945 geborene G, von Beruf Leiter der Werkfeuerwehr der S. AG - Medizinische Technik - in E. , hielt sich anlässlich einer "Info-Fahrt" der Werkfeuerwehr am 11.06.1998 im S.-Kur- und Erholungsheim in E. auf. Nach den Angaben des Arbeitgebers handelte es sich um eine "Seminar- und Informationsveranstaltung zur betrieblichen Weiterbildung, körperlichen Ertüchtigung und Förderung der betrieblichen Zusammenarbeit und Motivation". Das Programm der Veranstaltung war mit "Info-Fahrt der Werkfeuerwehr" überschrieben. Am Donnerstag, 11.06.1998, war nach der Ankunft und dem Mittagessen im Kurheim eine ca. zweistündige Besichtigung der Wasserversorgung vorgesehen. Nach der Rückkunft am Kurheim um 18.00 Uhr standen für 18.30 Uhr Abendessen, danach Baden, Sauna und Sport im Programm. Am Freitag, 12.06.1998, war um 08.00 Uhr eine Bergwanderung bzw. Radtour und um 13.00 Uhr eine Fahrt zur Zugspitze vorgesehen, um 19.00 Uhr Grillen im Garten. Am Samstag, 13.06.1998, auf der Rückfahrt, sollte das BMW-Museum in München besucht werden. Die Teilnehmer der Informationsfahrt gingen am Unfalltag gegen 16.00 Uhr zum Eisstockschießen und um 18.30 zum Abendessen. Nach dem Abendessen absolvierten G und weitere Teilnehmer einen 15-minütigen Saunagang, danach spielten sie nicht schwimmend Wasserball und gingen um 21.30 Uhr erneut in die Sauna. Nach den Angaben des Zeugen S. bei der Kriminalpolizei sackte G in der Sauna nach ungefähr 5 Minuten plötzlich unter kurzem Stöhnen von der obersten Sauna-Plattform herunter und blieb auf der 2. Stufe reglos liegen. Eine sofortige Reanimation durch die anwesenden Werkfeuerwehrleute und den etwa 8 Minuten später eintreffenden Notarzt blieb erfolglos. Gegen 21.45 Uhr erklärte der Notarzt G für tot. Anhaltspunkte für Fremdverschulden wurden nicht gefunden (Sterbefallanzeige der Polizeiinspektion G. vom 12.06.1998). Eine Obduktion fand nicht statt.

Die Beklagte zog einen Befundbericht des Notarztes Dr.H. vom 18.06.1998/05.10.1998 bei. Dieser bescheinigte als Todesursache Herz-Kreislauf-Versagen unklarer Ursache. Des Weiteren zog die Beklagte eine Auskunft vom 09.09.1998 der S.-Betriebskrankenkasse über Erkrankungen des G bei. Sodann erstellte der Internist Dr.T. am 18.12.1998 ein Gutachten, in dem er von einem Sekundenherztod des Versicherten ausging aufgrund vorhandener Risikofaktoren (Erbanlage, früherer Zigarettengenuss, Übergewicht), sowie der ungewohnten sportlichen Aktivitäten am Nachmittag des 11.06.1998. Dadurch sei der Herztod des G in nicht unerheblichen Maße mitverursacht worden. Nach Beiziehung weiterer ärztlicher Unterlagen verneinte Prof.Dr.H. in dem Gutachten vom 01.03.1999, dass die körperlichen Belastungen oder eine psychische Überforderung des G am Todestag als Todesursache und somit als Arbeitsunfall anzuerkennen seien.

Mit Bescheid vom 09.04.1999 lehnte die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen ab, da ein Zusammenhang zwischen dem Herztod und der versicherten Tätigkeit nicht bestehe. Im Widerspruchsverfahren wies der Rechtsmediziner Prof. Dr.E. in einem Gutachten vom 06.12.1999 darauf hin, dass bei G keine Hinweise für eine koronare Herzerkrankung vorgelegen hätten. Da keine Obduktion durchgeführt worden sei, könne auch nicht gesagt werden, ob zum Zeitpunkt des Ablebens eine koronare Herzerkrankung bestanden habe oder nicht. Die am 11.06.1998 stattgefundenen Kreislaufbelastungen könnten von organisch gesunden Personen toleriert werden. Nach Aktenlage sei kein Hinweis für ein Unfallgeschehen im engeren Sinne oder für eine akute psychische oder physische Belastung ersichtlich. Das Maß einer alltäglichen Belastung sei nicht deutlich überschritten worden. Den Belastungen sei der Wert einer Gelegenheitsursache beizumessen. Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2000 zurück.

Gegen diese Bescheide hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Nürnberg erhoben und beantragt, ihr wegen des Todes des Ehemannes ab 11.06.1998 Hinterbliebenenrente zu gewähren. Sie hat vorgetragen, es sei nicht ersichtlich, dass der Tod nicht auf ein betriebliches Ereignis zurückzuführen sei. Ihr Ehemann habe anlässlich einer betrieblichen Veranstaltung einen Herztod erlitten. Hinsichtlich der Schädigung seien keinerlei gesicherte Feststellungen getroffen worden, so dass eine Beweislastumkehr zu Ungunsten der Beklagten eintrete.

Das SG hat ein Gutachten des Rechtsmediziners Prof. Dr.B. vom 05.07.2002/02.10.2003 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, dass die körperliche Belastung am Nachmittag bzw Abend des 11.06.1998 eine Kreislaufbelastung durchaus begründen könne. Sie habe allerdings nicht das Maß einer alltäglichen Belastung deutlich überschritten. Ein zu unterstellender Sekundenherztod hätte G jederzeit auch außerhalb der konkreten Situation treffen können. Nach Beiziehung eines Befundberichtes des Internisten Dr. H. vom 20.10.2002 hat das SG auf Antrag der Klägerin ein Gutachten des Internisten Prof.Dr.K. vom 30.01.2003/26.06.2003 gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) veranlasst. Dieser hat einen sicheren Anhalt für das Vorliegen einer koronaren Herzerkrankung bei G verneint. Eine genaue Todesursache könne im Nachhinein aufgrund der Aktenlage nicht gestellt werden. Es blieben viele Spekulationen. Nach seiner Auffassung habe der Programmablauf des 11.06.1998 die Alltagsbelastungen überstiegen. Dies sei eine mögliche Mitursache am Tod des G. Die Beklagte hat dem mit Schriftsatz vom 22.04.2003 widersprochen und vor allem ausgeführt, dass die bloße Möglichkeit eines Zusammenhanges zwischen Arbeit und Tod nicht ausreiche, ein Kausalgeschehen als Arbeitsunfall mit tödlichem Ausgang anzuerkennen. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 16.12.2003 abgewiesen und die Auffassung vertreten, dass ohne Kenntnis der genauen Todesursache nicht geprüft werden könne, ob der Tod des G in irgendeinem Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit gestanden habe.

Gegen das Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt und vorgetragen, es sei der Beweis erbracht, dass die betriebliche Veranstaltung Anlass für die Todesursache gewesen sei. Zumindest sei das betriebliche Ereignis gleichwertige Ursache für den Tod des Versicherten. Sie hat darauf hingewiesen, dass ihr Ehemann nicht kurz nach dem Betreten der Sauna kollabiert sei, sondern während des 2. Saunagangs. Zum Beweis hierfür hat sie Herrn S. benannt.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Nürnberg vom 16.12.2003 sowie des Bescheides vom 09.04.1999 idF des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2000 zu verurteilen, den Tod ihres Ehemannes als Arbeitsunfall anzuerkennen und Hinterbliebenenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 16.12.2003 zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, sachlich aber unbegründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu, weil der Tod des Versicherten nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf betriebliche Ereignisse zurückzuführen ist. Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen besteht gemäß § 63 Abs 1 SGB VII, wenn der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalles (Arbeitsunfall) eingetreten ist. Arbeitsunfall iS des § 8 Abs 1 SGB VII ist dabei der Unfall eines Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Dazu ist in der Regel erforderlich, dass das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits zur versicherten Tätigkeit zu rechnen ist, und dass die Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat (BSGE 61, 127, 148).

Es erscheint vorliegend fraglich, ob G bei einer versicherten Tätigkeit zu Tode gekommen ist. Legt man die Überschrift des Tagungsprogramms "Info-Fahrt der Werkfeuerwehr" zugrunde, so müsste ein Versicherungsschutz für den Saunagang verneint werden. Das Bundessozialgeicht (BSG) hat mehrfach entschieden, dass die Teilnahme an Freizeit- und Erholungsveranstaltungen nicht deshalb versichert ist, weil diese vom Unternehmen organisiert und finanziert werden. Stehen Freizeit, Unterhaltung und Erholung im Vordergrund, fehlt es an einem wesentlichen betrieblichen Zusammenhang (vgl BSG SozR 2200 § 548 Nr 1 mwN). Das Programm der "Info-Fahrt" weist außer der "Besichtigung der Wasserversorgung" keinen Bezug zum Betrieb einer Werkfeuerwehr auf. Sieht man in der "Info-Fahrt" hingegen eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung, vergleichbar einem Betriebsausflug, wäre die Veranstaltung unfallversicherungsrechtlich geschützt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kann die Teilnahme von Beschäftigten etwa an Betriebsfesten, Betriebsausflügen oder ähnlichen Gemeinschaftsveranstaltungen dem Unternehmen zugerechnet und der versicherten Tätigkeit gleichgesetzt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die Zusammenkunft der Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und den Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander dient. Hiervon könnte man vorliegend ausgehen, da nach der Angabe des Arbeitgebers die Veranstaltung auch der Förderung der betrieblichen Zusammenarbeit dienen sollte. Zu der versicherten Tätigkeit zählen dann auch Tätigkeiten, die nicht im unmittelbaren, inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen (BSG SozR 4-2700, § 8 Nr 2). Hierunter fiele dann auch der gemeinsame Saunabesuch.

Nach Auffassung des Senats kann es jedoch dahingestellt bleiben, ob G während der sportlichen Betätigung (einschließlich Saunagang) gegen Arbeitsunfall versichert gewesen ist. Es kann nämlich mangels genauer Todesursache nicht festgestellt werden, ob ein Kausalzusammenhang zwischen einer etwaigen versicherten (sportlichen) Tätigkeit (betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung) des G und dessen Tod besteht. Zu den entscheidungserheblichen Tatsachen, die dem Vollbeweis unterliegen, gehört die durch das Unfallereignis herbeigeführte Körperschädigung (BSG, Beschluss vom 02.08.1993 Az: 2 BU 21/93, juris Recherche). Erst danach stellt sich im Rahmen der sog. haftungsbegründenden Kausalität die Frage, ob die festgestellte versicherte Tätigkeit den Unfall verursacht hat oder ob eine innere Ursache die allein wesentliche Bedingung und deshalb die Ursache des Unfalles gewesen ist. Nur für die Annahme der wesentlichen kausalen Verknüpfung zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallgeschehen reicht aus, dass sie wenigstens wahrscheinlich ist (Lauterbach UV [SGB VII] § 8 Rdnr 68 unter Verweisung auf BSG vom 24.02.1988 - 2 RU 30/87). Ob und gegebenenfalls welche Gesundheitsstörungen durch den Saunabesuch verursacht worden sind, konnte von keinem der im Verwaltungsverfahren und vor dem SG gehörten Gutachter mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Die Frage nach der unmittelbaren Todesursache lässt sich vorliegend nicht beantworten, weil eine Obduktion nicht durchgeführt worden ist. So ist z.B. unbekannt, ob zum Zeitpunkt des Ablebens des G bei ihm eine koronare Herzerkrankung bestand oder nicht. Zwar ist nach allen Gutachten ein sog. "Sekunden-Herztod" die wahrscheinlichste Todesursache. Ob das plötzliche Herzversagen nun infolge einer Koronarthrombose oder durch eine vorbestehende stärkergradige Verkalkung der Herzkranzschlagadern, die symptomlos vorbestehen kann, oder aber durch plötzlich einsetzende Herzrhythmusstörungen, die wiederum nicht zwingend an das Vorliegen einer Koronarsklerose gebunden sind, durch eine Störung des Elektrolyt- und Wasserhaushaltes oder aber im Rahmen der Ruptur eines Aortenaneurysmas aufgetreten ist, lässt sich im Nachhinein nicht mehr feststellen.

Selbst wenn man unterstellt, dass der Versicherte an einem Sekunden-Herztod bei Coronarsklerose verstorben ist, ist davon auszugehen, dass - wie Prof. Dr.H. ausführt - derartige Grunderkrankungen grundsätzlich schicksalhaft und von berufsbedingten Einflüssen unabhängig sind. Zudem stellen Eisstockschießen, Wasserballspiele und Saunabesuch für den Leiter einer Werkfeuerwehr, von dem überdurchschnittlich gute körperliche Leistungsfähigkeit zu erwarten ist, keine Aktivitäten dar, die das betriebsübliche Maß erheblich überschreiten. Die Klägerin selbst hat in ihrem Schriftsatz vom 20.11.2000 ausgeführt, der Versicherte sei "trainiert" gewesen. Jedenfalls ergeben sich keine Hinweise für ein Unfallgeschehen im engeren Sinne, noch für eine akute erhebliche psychische oder physische Belastung. Die Belastungen aufgrund der sportlichen Tätigkeit sowie des Saunabesuchs sind - wie beide Gutachter überzeugend ausführen - Ursachen, die rechtlich als nicht wesentlich zu werten sind. Bei einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage (Herzerkrankung) ist nämlich diese so stark oder so leicht ansprechbar, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlich äußerer Einwirkungen bedarf, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu etwa derselben Zeit den Tod des Versicherten ausgelöst hätte.

Einer Einvernahme des Zeugen S. bedurfte es nicht. Dieser ist bereits am 12.06.1998 zum Umfang der Belastungen des G von der Kriminalpolizei G. einvernommen worden. Der Sachverhalt gibt auch keinen Anlass, nach den Grundsätzen des Beweisnotstandes an den Beweis von Tatsachen verminderte Anforderungen zu stellen. Der Unfallversicherungsträger muss vorliegend nicht schon aufgrund weniger tatsächlicher Anhaltspunkte von einem bestimmten Geschehensablauf - hier Ursachenzusammenhang zwischen Saunagang und Tod des G - überzeugt sein. Derartige Ausnahmefälle hat das BSG nur in ganz besonderen Fällen angenommen, die hier nicht zutreffen (s. Lauterbach, aaO § 63, Rdnr 26; z.B. Tod eines Seemanns auf See aus unklarer Ursache ohne die Möglichkeit einer Obduktion). Es handelt sich dabei um Sachverhalte, die die ernsthafte Möglichkeit anderer Geschehensabläufe ausschließen. Auf keinen Fall tritt aber eine Umkehr der Beweislast ein, selbst für den Fall einer durch den Unfallversicherungsträger unterlassenen Obduktion (Lauterbach aaO Rdnr 27).

Nach alledem war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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