L 2 U 418/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 24 U 389/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 418/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20. September 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund eines Arbeitsunfalls nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) höher als um 20 v.H.

Der 1943 geborene Kläger ist als selbstständiger Steinmetz und Steinbildhauermeister tätig. Er erlitt am 24. Februar 2002 einen Verkehrsunfall mit einem Anprall links frontal. Dabei schlug der Kläger offensichtlich mit dem Kopf an den linken Karosseriepfeiler. Nach dem Bericht der Chirurgischen Klinik S. ergab eine Röntgenaufnahme des Schädels eine dislozierte Fraktur des linken Jochbogens im Sinne einer Stückfraktur mit Knickbildung nach lateral im dorsalen Abschnitt sowie Impression im ventralen Abschnitt. Ansonsten hätten sich keine weiteren Frakturhinweise ergeben. Der Kläger wurde zur Weiterbehandlung in die Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie Klinikum I. überwiesen. Gemäß dem Bericht des Klinikums der Universität M. vom 1. März 2002 wurden eine offene Reposition des imprimierten Jochbeins und Miniplattenosteosynthesen durchgeführt.

Der Neurologe und Psychiater Dr. F. berichtete am 12. Dezember 2002 von einem pseudoneurasthenischen Syndrom in leichter Ausprägung nach einem Schädel-Hirn-Trauma II, einer Störung der Okulomotorik mit wechselnden Doppelbildern und zeitweiligem Strabismus divergens. Auch in einem Unfallzusammenhang sei die Angabe von Kopfschmerzen nach körperlicher Belastung oder speziell bei der beruflichen Tätigkeit als Steinmetz zu sehen. Der Kläger könne sich dabei nicht mehr auf das Augenmaß verlassen und bekomme schon nach kurzer Arbeitszeit Kopfschmerzen, die auf reflektorisch auftretende Verspannungen im Bereich der Schläfenmuskeln und der Nackenmuskeln zurückzuführen seien.

Die Beklagte holte ein neuropsychiatrisches Gutachten des Dr. B. vom 10. April 2003 ein, wonach eine Schädigung des Nervus maxillaris links mit sensiblen Störungen im Bereich der linken Wange, des linken Nasenrückens und der linken Oberlippe ohne Zweifel unfallbedingt seien. Die Unfallverletzungen hätten zu Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen und insbesondere sensiblen Störungen im Gebiet des 2. Trigeminusastes links geführt. Das jetzt vorgetragene, inzwischen chronifizierte Beschwerdebild lasse sich nicht mehr auf eine organische Verletzung von Nervenstrukturen zurückführen. Es stehe jetzt eine Anpassungsstörung mit neurasthen-depressiver Symptomatik im Vordergrund, somit eine psychogene Reaktion. Die Anpassungsstörung lasse sich nicht allein durch das Unfallereignis erklären. Es sei davon auszugehen, dass Faktoren, die in der Persönlichkeit des Klägers liegen, von Bedeutung seien. Eine neurologische oder psychiatrische Vorerkrankung sei jedoch nicht bekannt. Die MdE betrage ab 1. Juli 2002 10 v.H.

Ferner holte die Beklagte ein chirurgisches Zusatzgutachten des Dr. G. vom 10. April 2003 ein. Auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet bestehe ein Zustand nach multiplen Kontusionen im Bereich der linken Hüfte, der LWS, des linken Ellenbogens, der linken Schulter sowie eine HWS-Distorsion, die jeweils folgenlos verheilt seien. Die aufgetretene Mittelgesichtsfraktur sei operativ gut behandelt worden. Es bestünde noch eine Einschränkung der Sehkraft links durch eine Verletzung des M. abducens. Auf seinem Fachgebiet sei von einer MdE messbaren Grades nicht auszugehen.

Aus dem mund-kiefer-gesichtschirurgischen Zusatzgutachten der Dr. Dr. B. M. vom 23. Mai 2003 ergibt sich das Vorliegen einer knöchern ohne Dislokation festverheilte Jochbeinimpressionsfraktur links, eine Hypästhesie des Nervux infraorbitalis links (Taubheitsgefühl linke Oberwange), teilweise durch Implantate ersetzte Zahnverluste bei Parodontitis marginalis profunda sowie Doppelbilder. Das postoperative Augenkonsil vom 27. Februar 2002 zeige einen regelrechten Befund am linken Auge. Es beschreibe nur das linke Auge; die Möglichkeit von Doppelbildern sei nicht erwogen. Da bei einer Jochbeinimpressionsfraktur die Fraktur immer auch durch den Orbitaboden verlaufe, sei es möglich, dass als Folge Doppelbilder auftreten. Als Folge des Arbeitsunfalls seien somit die Hochbeinimpressionsfraktur links sowie die Hypästhesie des 2. Trigeminusastes links ohne funktionelle Bedeutung anzuerkennen. Da die Hypästhesie funktionell ohne Belang sei, werde die MdE auf unter 10 v.H. eingeschätzt. Die Doppelbilder und Sehstörungen müssten in einem augenärztlichen Gutachten beurteilt werden.

Nach dem augenärztlichen Zusatzgutachten des Dr. W. vom 7. August 2003 beträgt die MdE auf diesem Fachgebiet 5 v.H. Es läge ein Zustand nach Schädeltrauma mit Orbitabodenfraktur links vor. Am linken Auge bestehe unfallbedingt insbesondere eine geringe Motilitätsstörung mit passagerer Doppelbildwahrnehmung bei starkem Linksblick. Da nicht einmal die Hälfte des Bereichs ab 20 Grad betroffen sei, die Störung nur bei Linksblick und dann nur flüchtig auftrete, sei sie mit einer MdE von 5 v.H. zu bewerten.

Dr. B. bewertet mit ergänzender Stellungnahme vom 14. August 2003 unter Einbezug der vorliegenden Gutachten die Gesamt-MdE ab 1. Juli 2002 mit 10 v.H.

Mit Bescheid vom 17. September 2003 lehnte die Beklagte daraufhin einen Anspruch auf Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, weil der Versicherungsfall eine MdE in rentenberechtigendem Grade über die 26. Woche hinaus nicht hinterlassen habe. Als Folgen des Versicherungsfalls wurden anerkannt: "Gefühlsminderung im Bereich des Nervus maxillaris links mit sensibler Störung im Bereich der Wange, des Nasenrückens und der Oberlippe links, geringe Motilitätsstörung mit zeitweiser Doppelbildwahrnehmung bei starkem Linksblick sowie Störung der beidäugigen Zusammenarbeit, einliegendes Osteosynthesematerial im Bereich des linken Jochbogens und der linken Augenhöhle." Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens wies der Kläger unter Bezugnahme auf ein Attest des Dr. F. vom 25. März 2004 darauf hin, dass die berufliche Tätigkeit als Steinmetz durch die unfallbedingte Sehbehinderung erheblich eingeschränkt sei. Die MdE betrage mindestens 20 v.H. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2004 zurück. Insbesondere könne eine Höherbewertung der MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit nicht erfolgen. Der Kläger habe sich als Steinmetz in einem speziellen Beruf nicht so hineingelebt, dass die Verwendungsmöglichkeit im allgemeinen Erwerbsleben durch den Unfall erheblich eingeengt sei.

Dagegen erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht München und beantragte zunächst, ihm eine Unfallrente zu gewähren. Das Sozialgericht beauftragte den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 11. Dezember 2004 fest, dass eine leichte Sensibilitätsstörung betreffend eines Teils des Versorgungsgebietes des 2. Trigeminusastes links bestehe. Nachweisbar sei eine sensible Störung betreffend die linke Wange. Ein Zusammenhang mit der Jochbeinfraktur sei anzunehmen. Motorische Ausfälle lägen insoweit jedoch nicht vor. Sonstige Unfallfolgen lägen auf neurologischem Fachgebiet nicht vor. Auch aus psychiatrischer Sicht sei aktuell kein krankheitswertiger Befund festzustellen. Soweit Dr. F. in mehrfachen Befundberichten von einem pseudoneurasthenischen Syndrom bzw. von einem Schädel-Hirn-Trauma II. Grades gesprochen habe, seien diese Diagnosen im Unfallzusammenhang nicht nachvollziehbar. Die MdE betrage auf seinem Fachgebiet unter 10 v.H.

Ergänzend holte das Sozialgericht ein Gutachten des Augenarztes Prof. Dr. Dr. L. vom 11. Januar 2005 ein. Durch den Unfall sei es zu einer Störung des beidäugigen Sehens mit einer sog. dekompensierten Nahexophorie gekommen. Dies führe dazu, dass im Nahbereich unterschiedlich wechselhaft in der Ausprägung Doppelbilder aufträten, die ein vernünftiges Lesen und Arbeiten fast unmöglich machten bzw. stark beeinträchtigten. Da ein klarer zeitlicher Zusammenhang mit dem Unfallereignis bestehe und die beklagten Beschwerden erst seit dem Unfall bestünden, sei die Kausalität als zumindest hoch wahrscheinlich anzusehen. Die MdE sei bezüglich des Auftretens der Doppelbilder mit ca. 15 v.H. anzusetzen. Unter Einbezug einer MdE auf neurologischem Fachgebiet von 10 v.H. sei die Gesamt-MdE mit 20 v.H. festzusetzen. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 12. April 2005 zu Einwendungen der Beklagten wies der Gutachter darauf hin, dass eine stabile Korrektur mit Prismen vorliegend nahezu ausgeschlossen sei. Die Gesamt-MdE müsse mindestens bei 15 v.H. liegen.

Dr. K. bewertete in einer ergänzenden Stellungnahme vom 13. Juni 2005 die Gesamt-MdE ebenfalls mit 20 v.H.

Eine Anerkenntnis der Beklagten, ab 1. Juli 2002 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren, lehnte der Kläger ab. Die MdE liege wesentlich über 20 v.H. Die berufliche Betroffenheit als Steinmetz sei nicht ausreichend gewürdigt.

Mit Urteil vom 20. September 2005 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es folgte dabei weitgehend den gerichtlichen Sachverständigen Dr. K. und Prof. Dr. Dr. L. sowie dem Gutachten des Dr. W ... Die MdE könne nicht gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) höher bewertet werden. Selbst wenn der Kläger in Folge des Arbeitsunfalls seinen erlernte Beruf überhaupt nicht mehr ausüben könne, habe dies nicht zwangsläufig eine höhere Bewertung der MdE nach § 56 Abs. 2 SGB VII zur Folge. Zwar sei der Kläger in seiner beruflichen Tätigkeit als selbstständiger Steinmetz stark beeinträchtigt und habe dadurch weniger Einnahmen, der Grundsatz der abstrakten Schadensberechnung bedeute aber auch, dass die Verletztenrente nicht den tatsächlichen Minderverdienst ausgleichen soll.

Dagegen legte der Kläger Berufung ein und brachte zur Begründung vor, das Sozialgericht habe zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass er erheblich höhere Nachteile erlitten habe; er könne bestimmte von ihm erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen als Steinmetz in Folge des Versicherungsfalls nur noch in sehr vermindertem Umfang nutzen. Er müsse als Steinmetz in besonderem Maße über ganz exaktes Augenmaß verfügen. Er könne seinen erlernten Beruf und sein erlerntes Fachwissen praktisch nicht mehr anwenden, da ihm das räumliche Sehvermögen fehle. Ein Steinmetz, der kein räumliches Sehvermögen mehr habe, könne die Inschriften, die ohne Schablone frei nach Augenmaß anzubringen seien, auf Grabsteinen nicht mehr anbringen. Dies stelle die Haupttätigkeit dar. Dies führe zu einer unbilligen Härte im Sinne des § 56 Abs. 2 SGB VII. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts werde diese unbillige Härte auch nicht dadurch relativiert, dass die Rente nach dem vor dem Unfall erzielten Jahresarbeitsverdienst berechnet werde.

Mit Bescheid vom 2. Dezember 2005 führte die Beklagte faktisch ihr Anerkenntnis aus und gewährte eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. Sie brachte den Eingang eines Widerspruchs vom 27. Dezember 2005 zur Kenntnis und wies darauf hin, dass der Anspruch auf eine Rente nach einer höheren MdE als 20 v.H. Streitgegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens sein müsste.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 20. September 2005 und des Bescheides der Beklagten vom 17. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2004 und in Abänderung des Bescheides vom 2. Dezember 2005 zu verurteilen, ab 1. Juli 2002 Rente nach einer MdE von über 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20. September 2005 zurückzuweisen.

Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2005, mit dem die Beklagte eine Rente nach einer MdE um 20 v.H. gewährte, wurde gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens. Der Kläger nahm insoweit das Anerkenntnis der Beklagten als Teilanerkenntnis konkludent dadurch an, dass er zuletzt eine Verletztenrente nach einer MdE höher als 20 v.H. beantragte.

Nicht streitig ist das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nach §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 SGB VII in Form eines Wegeunfalls vom 24. Februar 2002. Mit Bescheid vom 17. September 2003 lehnte die Beklagte zwar (zunächst) einen Anspruch auf Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Sie erkannte jedoch das Vorliegen eines Versicherungsfalls sowie hieraus als Folgen an: "Gefühlsminderung im Bereich des Nervus maxillaris links mit sensibler Störung im Bereich der Wange, des Nasenrückens und der Oberlippe links, geringe Motilitätsstörung mit zeitweiser Doppelbildwahrnehmung bei starkem Linksblick sowie Störung der beidäugigen Zusammenarbeit, einliegendes Osteosynthesematerial im Bereich des linken Jochbogens und der linken Augenhöhle." Mit Bescheid vom 2. Dezember 2005 gewährte die Beklagte eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob ein Rentenanspruch nach einer höheren MdE als 20 v.H. besteht, insbesondere da eine unbillige Härte gemäß § 56 Abs. 2 SGB VII gegeben sei.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente, § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, § 56 Abs. 2 S. 2 SGB VII. Es ist auf den Maßstab der individuellen Erwerbsfähigkeit des Verletzten vor Eintritt des Versicherungsfalls abzustellen (BSGE 21, 63, 66; v. 26.11.1987, SozR 2200 § 581 Nr. 27; v. 30.05.1988, a.a.O., Nr. 28).

Dabei muss die Gesundheitsbeeinträchtigung in einem notwendigen ursächlichen Zusammenhang mit der schädigenden Einwirkung stehen. Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Dabei ist allerdings die Beurteilung der Kausalität im Ergebnis eine Frage der richterlichen Würdigung.

Nach dem Gutachten des Prof. Dr. L. besteht beim Kläger eine Störung des beidäugigen Sehens in Form einer Nahexophorie in der Größenordnung von 12 Prismendioptrien. Im Fernbereich treten keine Doppelbilder auf. Es ist davon auszugehen, dass die Doppelbildwahrnehmung im Nahbereich häufig und nicht nur gelegentlich in einem Gebrauchsblickfeld des Klägers auftritt; entgegen früheren Annahmen ist dies nach dem Ergebnis des Gutachtens nicht nur beim Linksblick der Fall. Eine Korrektur durch Prismengläser ist nicht möglich, wie Prof. Dr. L. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12. April 2005 darlegt. Daneben ist auf neurologischem Fachgebiet eine nachweisbare sensible Störung betreffend der linken Wange als Unfallfolge anzuerkennen. Nach dem Gutachten des Dr. K. ist hierfür eine MdE von unter 10 v.H. anzusetzen.

Das Sozialgericht hat, gestützt auf die gerichtlichen Gutachten des Dr. K. auf neurologischem Fachgebiet sowie des Prof. Dr. L. auf augenärztlichem Fachgebiet sowie unter Einbezug der von der Beklagten eingeholten Gutachten ausführlich und überzeugend dargelegt, dass aufgrund der vorliegenden Unfallfolgen eine Gesamt-MdE in Höhe von 20 v.H. festzustellen ist. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird insoweit abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Zutreffend hat das Sozialgericht ferner ausgeführt, dass die MdE im vorliegenden Fall auch nicht gemäß § 56 Abs. 2 SGB VII höher bewertet werden kann. Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:

Die Höhe der MdE richtet sich grundsätzlich nicht nach den Beeinträchtigungen im erlernten oder ausgeübten Beruf. Die MdE ist vielmehr ein Maßstab, der sich an den theoretisch verbliebenen Einsatzmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens orientiert (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII - Grundsatz der abstrakten Schadensberechnung). Zutreffend führte das Sozialgericht aus, dass die individuelle Betroffenheit im Beruf des Verletzten dadurch berücksichtigt wird, dass sich der Jahresarbeitsverdienst nach der letzten Erwerbstätigkeit bemisst.

Eine Höherbewertung der die MdE rechtfertigenden Nachteile nach § 56 Abs. 2 S. 3 SGB VII kommt deshalb nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn unter Wahrung des Grundsatzes der abstrakten Schadensberechnung die Nichtberücksichtigung von Ausbildung und Beruf bei der Bewertung der MdE im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führt (vgl. BSG in SozR 3 2200, § 581 Nr. 1 m. w. N.). Als wesentliches Merkmal für die Beurteilung der Frage, ob eine höhere Bewertung der MdE zur Vermeidung unbilliger Härten gerechtfertigt ist, hat das BSG insbesondere das Alter des Verletzten, die Dauer der Ausbildung sowie vor allem die Dauer der Ausübung der speziellen beruflichen Tätigkeit und auch den Umstand bezeichnet, dass die bisher verrichtete Tätigkeit eine günstige Stellung im Erwerbsleben gewährleistete. Unter Berücksichtigung des Einzelfalls ist eine Höherbewertung der MdE nur gerechtfertigt, wenn der Verletzte die ihm verbliebenen Kenntnisse und Fähigkeiten nur noch unter Inkaufnahme eines unzumutbaren sozialen Abstiegs auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens verwerten kann (BSG in SozR 2200, § 581 Nr. 10). Ein solcher Abstieg liegt im Allgemeinen nicht schon dann vor, wenn ein gelernter Handwerker gezwungen ist, seinen Beruf aufzugeben (so z.B. auch: LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 4. November 2004, Az.: L 5 U 166/03; Kasseler Kommentar § 56 SGB VII Rdz. 28 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Dabei ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen (zum Ganzen: Ricke, in Kasseler Kommentar, a.a.O., § 56 SGB VII, Rdnr. 28 ff.).

Bei der Prüfung der besonderen beruflichen Betroffenheit sind strenge Maßstäbe anzulegen, um eine Aufweichung der den Versicherten überwiegend begünstigenden abstrakten Schadensberechnung zu vermeiden und dem Ausnahmecharakter der Vorschrift als Härteklausel gerecht zu werden (Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung Rdnr. 12 zu § 56; so auch LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 7. Oktober 1999, Az.: L 5 U 12/99). Eine zumutbare Verweisbarkeit auf annähernd gleichwertige Tätigkeiten steht einer Erhöhung der MdE entgegen. Die Verweisungstätigkeit muss keinen vollen Ersatz der verlorenen Möglichkeiten bieten. Grundsätzlich ist auch eine durch Umschulung wegen des Versicherungsfalls erschlossene Tätigkeit zumutbar (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 6).

Nach Auffassung des Senats setzt die vom Kläger vor dem Arbeitsunfall ausgeübte Tätigkeit des Steinmetzes nicht so spezielle Fertigkeiten voraus, dass von dem Grundsatz der abstrakten Schadensberechnung abzuweichen wäre. Vielmehr ist seine Verwendungsfähigkeit im allgemeinen Erwerbsleben durch den Unfall nicht derart eingeengt, dass dies eine unbillige Härte darstellen würde. Als wesentliche körperliche Eignungsvoraussetzungen für die Tätigkeit des Steinmetzes sind zwar u.a. normales oder ausreichend korrigiertes Sehvermögen für Nähe und Ferne sowie räumliches Sehvermögen und Vorstellungsvermögen zu fordern (vgl. Grundwerk ausbildungs- und berufskundlicher Informationen, Nr. 101 a: Steinmetz und Steinbildhauer). Dies gilt auch für die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Grab- bzw. Friedhofssteinmetz, zumindest soweit bei der Arbeit keine Schablonen verwendet werden, wie dies vom Kläger geschildert wird. Es kann damit unterstellt werden, dass der Kläger seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Grab- bzw. Friedhofssteinmetz nicht mehr in vollem Umfang wie bislang ausüben kann.

Er kann jedoch seine dabei erworbenen beruflichen Erfahrungen und Kenntnisse in diesem Handwerk in angemessener Weise im allgemeinen Erwerbsleben weiter verwenden. Die gesundheitliche Beeinträchtigung schränkt nicht die Ausführung des kaufmännischen Bereichs des selbstständigen Unternehmens ein. Darüber hinaus ist dadurch lediglich die Kerntätigkeit des Steinmetzhandwerks betroffen. Die Ausübung gewisser Spezialisierungen wie insbesondere als technischer Angestellter im Umfeld des Steinmetzhandwerks ist weiterhin möglich; zu denken ist beispielsweise an eine Tätigkeit als Fachverkäufer oder Fachberater für Naturerzeugnisse, Steinmetz- und Steinbildhauerbedarf. Ferner kommen berufsnahe Beschäftigungsalternativen, ggf. nach einer Einarbeitung oder Umschulung, wie z.B. im Garten- und Landschaftsbau in Betracht. Die Kenntnisse eines Steinmetzes heben sich somit nicht in so besonderem Maße von üblichen beruflichen Kenntnissen und Erfahrungen ab, dass deshalb das unfallbedingte Ausscheiden aus dem ausgeübten Beruf für den Kläger zu einer außergewöhnlichen Härte führt.

Im Rahmen der Gesamtabwägung gelangte der Senat deshalb zu der Überzeugung, dass ein unzumutbarer sozialer Abstieg des Klägers bzw. eine unbillige Härte im Sinne des § 56 Abs. 2 SGB VII trotz vor allem dessen Alters nicht gegeben ist.

Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved