L 6 R 377/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 2 RJ 28/03 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 377/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 362/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 9. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.

Er ist 1940 geboren, ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, wo er auch lebt, und war in Deutschland von 1971 bis 1976 als Hilfsarbeiter beschäftigt. Die Zeiten von Januar bis April 1984, Januar und Februar 1985 und Januar bis März 1986 sind rentenversicherungsrechtlich nicht belegt. In seinem Heimatstaat hat der Kläger anrechnungsfähige Versicherungszeiten zwischen dem 16.08.1957 und 14.06.1993 zurückgelegt. Er war dort von 02.06.1991 bis 18.10.1999 arbeitslos gemeldet, erhielt jedoch keine Leistungen.

Einen ersten Rentenantrag vom 11.04.2000 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20.12.2000 ab. Ausgehend vom Zeitpunkt des Rentenantrags als Leistungsfall weise der Kläger in den vorhergehenden fünf Jahren keine 36 Monate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung aus. Es lägen keine Zeiten vor, die den 5-Jahres-Zeitraum in die Vergangenheit verlängern würden. Das Auffüllen der Zeiten nach 1993 durch freiwillige Beiträge sei nicht mehr möglich und die Zeit seit 1984 sei nicht durchgehend mit Versicherungszeiten belegt.

Die Invalidenkommission S. hatte den Kläger am 12.05.2000 als vollschichtig berufs- und arbeitsfähig eingestuft. Diagnostiziert worden waren ein ängstlich depressives Bild, ein chronisches Lumbalsyndrom und eine Koronarsklerose. Der Kläger habe seit dem Tod seines Sohnes im Jahre 1995 an Mißstimmungen gelitten und er sei vom 17.12.1999 bis 07.02.2000 wegen einer chronischen Psychose mit dem Bild einer Paranoia in stationärer psychiatrischer Behandlung gewesen. Sechs Monate vor der stationären Behandlung hatte sich der Kläger erstmals in ambulante psychiatrische Behandlung begeben.

Am 12.10.2001 stellte der Kläger einen erneuten Rentenantrag. Die Invalidenkommission stellte am 04.12.2001 fest, dass der Kläger nunmehr gänzlich berufs- und arbeitsunfähig sei. Maßgeblich hierfür sei der psychiatrische Befund nach mehreren stationären Behandlungen. Der sozialärztliche Dienst der Beklagten nahm ebenfalls ein Einsatzvermögen von weniger als drei Stunden täglich ab dem 31.08.2001, dem Tag der letzten Krankenhausaufnahme, an.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 18.07.2002 ab und begründete ihn ebenso wie den Bescheid vom 20.12.2000 mit den fehlenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Zeitpunkt der Rentenantragsstellung. Sie werde aber eine erneute Prüfung vornehmen, wenn ein früherer Leistungsfall geltend gemacht werde. Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 29.07.2002 erklärt hatte, er wolle entweder die Rente oder die Erstattung der Beiträge, lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag erneut mit Bescheid vom 27.08.2002 ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.2002 als unbegründet zurück.

Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht Landshut nach entsprechender Ankündigung mit Gerichtsbescheid vom 09.06.2002 als unbegründet abgewiesen und sich auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Bescheide bezogen.

Der Kläger verfolgt mit der Berufung sein Begehren weiter. Er habe zwar die maßgeblichen Gründe der angefochtenen Entscheidungen verstanden, wolle aber entweder Rente oder wenigstens die Auszahlung eines Geldbetrages.

Auf Aufforderung durch den Senat legte der Kläger Bescheinigungen über Behandlungen in den Jahren 1994 und 1995 vor. Es handelt sich dabei um die Behandlung von Rückenbeschwerden. Damals ausgestellte Atteste becheinigen ihm u.a. am 14.04.1994 eine Schonungsbedürftigkeit von zehn Tagen und am 28.04.1994 eine solche von fünf Tagen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Landshut sowie des Bescheides vom 27.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2002 zu verurteilen, ihm auf Grund des Antrags vom 12.10.2001 Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts Landshut in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger ist zwar zwischenzeitlich erwerbsgemindert, es steht ihm hierfür jedoch nicht die begehrte Rente zu, weil die notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen fehlen.

Voll oder teilweise erwerbsgeminderte Versicherte haben nach § 43 Abs.1 bzw. Abs.2 SGB VI Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung u.a. nur dann, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr.2 des jeweiligen Absatzes). Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung hatte der Kläger zuletzt im Juni 1993. Ein Rentenanspruch des Klägers würde deshalb voraussetzen, dass die maßgebliche Erwerbsminderung spätestens im Juli 1995 eingetreten wäre. Das trifft zur Überzeugung des Senats jedoch nicht zu. Nach Einschätzung der Invalidenkommission im Mai 2000 war der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch voll arbeitsfähig. Auch wenn man in Betracht zieht, dass die im Dezember 2001 als für die Erwerbsminderung maßgebliche psychiatrische Diagnose schon damals gestellt worden war und darüber hinaus erstmals mit der stationären Behandlung ab Dezember 1999 und in einer sechs Monate zuvor begonnenen ambulanten Behandlung manifest geworden wäre, könnte der Eintritt der Erwerbsminderung erst erheblich nach dem Juli 1995 angenommen werden. Auch die nachgereichten Behandlungsunterlagen geben keine Anhaltspunkte für einen früheren Eintritt der Erwerbsminderung, denn sie betreffen nur Rückenschmerzen, derentwegen kurzfristige Schonung verordnet wurde und die noch im Jahre 2000 nach der Einschätzung der Invalidenkommission einer voller Arbeitsfähigkeit nicht entgegenstanden.

Nach § 43 Abs.4 SGB VI kann sich der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung um Zeiten verlängern, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind. Beim Kläger kommen insoweit nach § 43 Abs.4 Nr.1 SGB VI Anrechnungszeiten im Sinne des § 58 SGB VI in Betracht, und zwar solche nach § 58 Abs.1 Satz 1 Nr.3 SGB VI wegen Arbeitslosigkeit oder nach Nr.1 der Vorschrift aufgrund einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Die Arbeitslosigkeit setzt jedoch die Meldung bei einem deutschen Arbeitsamt als Arbeitssuchender voraus. Das trifft nicht zu, weil sich der Kläger in dem betreffenden Zeitraum dauernd in Bosnien und Herzegowina aufgehalten hat und dem deutschen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestanden hat. Eine Arbeitslosigkeit in seinem Heimatstaat ist aufgrund des für Bosnien-Herzegowina vorläufig fortgeltenden Sozialversicherungsabkommens mit Jugoslawien nicht gleichgestellt (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr.48). Gleichgestellt wäre eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, wenn dadurch eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit unterbrochen wurde (BSG a.a.O.). Hierfür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte. Der Kläger wurde noch im Mai 2000 von der Invalidenkommission als vollschichtig berufs- und arbeitsfähig eingestuft. Für die Zeit vor Juli 1995 konnte der Kläger lediglich die ärztlichen Unterlagen über die Behandlung von Rückenbeschwerden beibringen, die im Jahre 2000 noch keine andauernde Berufs- bzw. Arbeitsunfähigkeit bedingten, im Jahre 1994 eine Arbeitsunfähigkeit von lediglich 15 Tagen begründen können und darüber hinaus nicht an die letzte versicherte Beschäftigung anknüpfen. Damit verlängert sich auch nicht der 5-Jahres-Zeitraum, innerhalb dessen 36 Monate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit liegen müssen. Auch ein sonstiger Sachverhalt, der dem Kläger die Erfüllung dieser Voraussetzungen ersparen würde, liegt, wie die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zutreffend ausgeführt hat, nicht vor.

Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI zu. Auch hierfür wäre erforderlich, dass in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit liegen. Im Übrigen unterscheiden sich für den Kläger die Anspruchsvoraussetzungen des § 240 SGB VI nicht von denen des § 43 SGB VI, denn beide Vorschriften erfordern ein Absinken der Leistungsfähigkeit auf eine zumutbare Tätigkeit unter sechs Stunden täglich und der Kläger ist, nachdem er in seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung in Deutschland eine ungelernte Tätigkeit ausgeübt hat, ebenso wie nach § 43 SGB VI auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verweisen (vgl. BSG, Urteil vom 29.07.2004, Az.: B 4 RA 5/04 R).

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger in beiden Rechtszügen nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved