Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 160/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 141/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18.03.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Unfall des Klägers am 22.10.2000 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen ist.
Der 1982 geborene Kläger nahm am 21. und 22.10.2000 als Auszubildender zum Bankkaufmann an einem Betriebsausflug der Stadtsparkasse W. zur S. teil. Die Teilnehmer wohnten im Hotel C. ; der Kläger belegte im zweiten Stock ein Doppelzimmer mit B. H ... Am späten Nachmittag des 21.10.2000 hatten die Teilnehmer eine Kutschenfahrt zu einer Berghütte unternommen, der Rückweg wurde im Rahmen einer Fackelwanderung zurückgelegt. Er endete gegen 22.00 Uhr vor dem Hotel P. mit einer "Schnapserlrunde". Die meisten Bewohner gingen gegen Mitternacht zu Bett, einige blieben noch an der Bar sitzen. B. H. schlief schon, als der Kläger um 2.30 Uhr zu Bett ging. Er registrierte, dass der Kläger die Zimmertür und die Balkontür schloss und sich schlafen legte. Am 22.10.2000 um ca. 6.15 Uhr wurde der Kläger vom Busfahrer T. E. , der ein Geräusch gehört hatte, auf dem Hof des Hotels unterhalb seines Zimmers liegend gefunden. Er war mit einer Unterhose bekleidet und barfuß. Offenbar war er vom sechs Meter höher gelegenen Holz-Balkon seines Zimmers, dessen Boden feucht vom Tau war und dessen Balkongeländer 96 cm hoch und am oberen Ende 15 cm breit war, gestürzt. Er erlitt nach Berstung des siebten Halswirbelkörpers eine Querschnittslähmung.
Zur Aufklärung des Sachverhalts holte der Beklagte Auskünfte der Stadtsparkasse W. vom 16.11.2000/20.11.2000/27.11.2000, einen ärztlichen Bericht des Krankenhauses H. B. vom 04.02.2001 ein, führte ein Gespräch mit dem Kläger am 15.11.2000 und vernahm die Teilnehmer an dem Betriebsausflug B. H. , M. F. und P. M. sowie den Busfahrer T. E ... Außerdem zog sie die Akten der italienischen Polizei, Carabinieri T. bei.
Daraufhin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 25.01.2001 die Anerkennung und Entschädigung des Unfalls vom 22.10.2000 als Arbeitsunfall ab. Der Unfall habe sich während der unversicherten Nachtruhe ereignet. Eine vom Hotel ausgehende besondere Gefahr habe den Unfall nicht verursacht. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger während der Nachtruhe aufgewacht sei und nach dem Öffnen der Tür auf den Balkon gegangen sei. Gründe, aus denen er stürzte, seien nicht bekannt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch. Er habe sich wegen der nicht regulierbaren Zentralheizung bzw. der hohen Zimmertemperatur in der Nacht zur Abkühlung auf den Balkon begeben. Die Örtlichkeit habe den Unfall begünstigt. Das Hotel sei in den Hang hineingebaut, das heißt, erst bei einem Hinüberbeugen über das Balkongeländer mit Blick direkt nach unten werde die tatsächliche Höhe bis zum Boden unter dem Balkon bewusst. Das damit verbundene Erschrecken habe den Sturz begünstigt. Er habe den ganzen Tag über Kopfschmerzen gehabt und die Einnahme von Kopfschmerztabletten habe zu einer Erhöhung des Unfallrisikos geführt. Die Gefahrenlage im Hotel sei eine völlig andere als im Wohnhaus bei den Eltern, denn dort wohne er im ersten Stock, und er habe auch keinen Balkon. Er habe sich nach dem Unfall erinnert, sich über den Balkon gebeugt zu haben, um die Ursachen für ein vernommenes Wimmern zu ergründen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2001 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben und beantragt, den Beklagten zu verurteilen, das Ereignis vom 22.10.2000 als Arbeitsunfall anzuerkennen und entsprechend zu entschädigen. Die Gefahren der auswärtigen Unterbringung hätten eine wesentliche Ursache für den Unfall gesetzt. Er sei nicht allein in dem Zimmer untergebracht gewesen und habe deshalb nicht durch Öffnen der Fenster und dergleichen die Temperatur so regulieren können, wie es für ihn angenehm gewesen wäre. Der Balkon würde hängen, was einen Sturz ebenso begünstigt habe, wie die glatte Oberfläche des Balkonbodens.
Mit Urteil vom 18.03.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Es sei nicht der Nachweis erbracht, dass der Kläger bei einer versicherten Tätigkeit verunglückt sei. Das Schlafen sei eine private, unversicherte Tätigkeit. Betriebsbedingte Gefahren, die insbesondere auch bei einem auswärtigen Aufenthalt zu berücksichtigen seien, hätten nicht nachweisbar beim Sturz vom Balkon wenigstens mitgewirkt. Die Brüstungshöhe des Balkons betrage 96 cm und entspreche damit baurechtlichen Vorschriften.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und eine Erklärung der Personalratsvorsitzenden A. vom 15.11.2004 vorgelegt. Er hat vorgetragen, dass das Hotel Besonderheiten aufgewiesen habe, die den Sturz begünstigt hätten. Das Gebäude sei in einer Grube gestanden, so dass man vom Balkon aus in eine überraschend große Tiefe geblickt habe. Dies sei wohl der Grund dafür gewesen, dass er das Gleichgewicht verloren habe und vom Balkon gestürzt sei. Er habe sich über das Geländer gebeugt, um nachzuschauen, ob ein Tier oder Kind unten wimmerte. Es sei auch zu berücksichtigen, dass er eine Körpergröße von 1,80 m habe, so dass sein Schwerpunkt wesentlich höher liege und er deshalb ohne eigene akrobatische Übungen beim Blick nach unten über die Balkonbrüstung gestürzt sei. Das Balkongeländer habe mit 96 cm nicht den Regelungen der DIN 18065, Tabelle 2, Zeile 2 entsprochen, die für Arbeitsstätten bei einer Absturzhöhe von weniger als 12 m eine Mindestgeländerhöhe von 100 cm vorsehe. Diese Regelung gelte auch in Hotels. Ein bayerischer Versicherter dürfe damit rechnen, dass in einem Hotel, das eine Arbeitsstätte sei, diese Mindesthöhe eingehalten werde. Somit habe sich eine besondere Gefahr verwirklicht.
Der Beklagte hat demgegenüber darauf hingewiesen, dass die Höhe der Balkonbrüstung von 96 cm den deutschen bauordnungsrechtlichen Vorschriften entspreche und somit keine besondere Gefährdung darstelle. Der Sturz dürfte auf die Alkoholisierung des Klägers zurückzuführen sein.
Der Senat hat eine Anfrage an die Direktion des Hotels C. bezüglich der Beschaffenheit des Balkons gerichtet (Anwortschreiben vom 12.08.2005) und B. H. als Zeugen einvernommen. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift der Termine vom 16.11.2004 und 01.02.2006 hingewiesen. Er hat weiter ein Gutachten des Rechtsmediziners Prof.Dr.E. vom 10.12.2003/20.04.2005 eingeholt. Dieser ist davon ausgegangen, dass der Körperschwerpunkt des Klägers höher lag als die Oberkante der Brüstung des Balkons und die Gefahr eines Sturzes über die Brüstung gegeben war, sobald der oberhalb des Schwerpunkts gelegene Teil des Körpers über eine durch die senkrecht zum Brüstungsverlauf gedachte Frontalebene gelangte. Es sei jedoch nicht bekannt, ob die Verlagerung der Körpermasse oberhalb des Körperschwerpunkts willentlich oder unwillentlich erfolgt sei. Möglich seien psychomotorische Ausfallserscheinungen aufgrund einer Alkoholisierung. Er errechnete eine wahrscheinliche Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,65 Promille um 4:00 Uhr morgens. Neben dem aktiven Beugen über das Geländer komme der mangelnden Bodenhaftung nach biomechanischen Überlegungen keine gleichwertige Mitursache zu.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18.03.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 25.01.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2001 das Ereignis vom 22.10.2000 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18.03.2003 zurückzuweisen.
Die Beigeladene schließt sich dem Antrag des Beklagten an.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Krankenhauses H. B. , die Krankenblätter des Allgemeinen Regionalkrankenhauses B. , die Akten des Beklagten und die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG), ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das SG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Sturz des Klägers am 22.10.2000 kein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall ist.
Nach § 8 Abs.1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten in einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeiten. Erforderlich ist, dass das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der geschützten Tätigkeit bestehen, der innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können. Es muss also sicher feststehen, dass im Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde. (BSG, Urteil vom 20.02.2001 in Breithaupt 2001, 636). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (BSG vom 05.05.1994 in SozR 3-2200 § 548 Nr.19).
Im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen Dienstreisen bzw. Geschäftsreisen und Gemeinschaftsveranstaltungen, wozu die Betriebsausflüge gehören, die sich auch über mehr als nur einen Tag erstrecken können (LSG Niedersachsen, in Breithaupt 2003, 197). Die Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung ist der versicherten Betriebstätigkeit gleichzusetzen (BSG 1, 179; 7, 249; 56, 283, 284). Dabei sind Betätigungen, die mit dem Beschäftigungsverhältnis in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang stehen, versichert, während diejenigen, die der Privatsphäre angehören, unversichert sind (BSG in SozR 2200 § 548 Nr.21 und 95). Ungeachtet des privaten Charakters einer Verrichtung kann bei Dienstreisen ein ursächlicher Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit bestehen, wenn die besonderen räumlichen Verhältnisse der fremden Übernachtungsstätte den Unfall wesentlichen bedingt haben, die in ihrer besonderen Eigenart den Beschäftigten während seines normalen Verweilens am Wohn- oder Beschäftigungsort nicht begegnet wären (BSGE 39, 180). Dies kann nach der Rechtsprechung vor allem für den Aufenthalt in der Übernachtungsstätte zutreffen.
Im vorliegenden Fall nahm der Kläger an einem Betriebsausflug der Stadtsparkasse W. teil, der - zwischen den Beteiligten unstreitig - eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung war. Der Versicherungsschutz umfasst alle Tätigkeiten, die mit dem Gesamtzweck der Veranstaltung vereinbar waren und im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit standen. Während der Nachtruhe bestand kein Versicherungsschutz. Versicherungsschutz besteht nur, solange eine Tätigkeit mit dem Beschäftigungsverhältnis rechtlich wesentlich zusammenhängt. Er entfällt, wenn sich der Versicherte rein persönlichen, von der Betriebstätigkeit nicht mehr beeinflussten Belangen widmet. Die Nachtruhe im Hotel und die damit zusammenhängenden Verrichtungen sind grundsätzlich dem persönlichen, vom Versicherungsschutz nicht mehr umfassten Bereich zuzurechnen (BSG, Urteil vom 22.09.1966, 2 RU 101/66).
Versicherungsschutz besteht jedoch ausnahmsweise auch bei eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten, die unter rechtlich wesentlicher Mitwirkung besonderer, durch den Betriebsausflug bedingter Gefahren im notwendigen Aufenthaltsbereich zum Unfall führen. Solche besonderen Gefahrenmomente im Zusammenhang mit der für den Kläger fremden Übernachtungsstätte, die den Unfall wesentlich bedingt haben, sind nicht erwiesen. Da es sich um anspruchsbegründende Merkmale handelt, muss hierfür der volle Nachweis erbracht werden (BSG in SozR 2200 § 548 Nr.84). Da feststeht, dass der Kläger über das Balkongeländer gestürzt ist, war die Balkonumwehrung für den Sturz mitverantwortlich. Daraus folgt jedoch nicht, dass es sich um ein mit dem Hotelaufenthalt verbundenes besonderes Gefahrenmoment handelte, dem der Kläger bei im Normalfall anzutreffenden häuslichen Gegebenheiten nicht begegnet wäre. Die Balkonumwehrung entsprach mit 96 cm - wie vom Hotel C. im Schreiben vom 12.08.2005 angegeben - den deutschen bauordnungsrechtlichen Vorschriften. Zwar enthält die Bayerische Bauordnung oder eine Durchführungsverordnung keine entsprechenden Vorschriften mehr. Die Regelungen der mit dem Vereinfachungsgesetz 1994 aufgehobenen früheren Durchführungsverordnung § 4 können aber entsprechend als allgemeine Erfahrungssätze herangezogen werden (Simon, Kommentar zur Bayerischen Bauordnung, Art.17 RdNr.6). Danach ist die Sicherheit gewährleistet bei einer Höhe der Umwehrung von mindestens 90 cm bei einer Absturzhöhe von nicht mehr als 12 m. Eine solche bauliche Einrichtung ist dem privaten häuslichen Bereich nicht grundsätzlich fremd, sondern häufig anzutreffen und damit eher üblich. Sie stellt mit dem Maß von 96 cm jedenfalls kein besonderes Gefahrenmoment dar. Entgegen der Auffassung des Klägers kann nicht auf Arbeitsstätten Bezug genommen werden, denn der Risikobereich, der durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt werden soll, erfasst lediglich Abweichungen von im Normalfall anzutreffenden häuslichen Gegebenheiten (BSG, Urteil vom 30.06.1999, Az.: B 2 U 98/98 R).
Der Kläger hat sich offenbar über das Geländer gebeugt, um herabzuschauen und sich dabei zu weit vorgebeugt. Sofern der Körperschwerpunkt höher liegt als die Oberkante der Brüstung ist - wie Prof.Dr.E. zu Recht ausführt - die Gefahr eines Sturzes gegeben. Aus welchem Grund sich der Kläger zu weit nach vorne gebeugt hat, ist nicht bekannt. Möglich ist, dass es ihm schlecht wurde und er sich nach vorne beugte, um sich zu übergeben. Möglich ist auch, dass er alkoholbedingt psychomotorische Ausfallserscheinungen hatte. Möglich ist ebenso, dass er die Ursache eines vernommenen Geräusches herausfinden wollte. Keine dieser Varianten ist jedoch erwiesen. Insbesondere steht nicht fest, ob der Kläger alkoholisiert war und deshalb stürzte, denn Prof.Dr.E. geht im Gutachten vom 10.12.2002/ 20.04.2005 von Unterstellungen und Annahmen aus - wie er selbst einräumt. Auch gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sich über eine Lärmquelle hat informieren wollen, wie z.B. das Wimmern einer Katze oder eines Kindes. Selbst wenn der Kläger Art und Ursache von Geräuschen hätte feststellen wollen, stünde sein Tun ohne weitere betrieblich bedingte Ereignisse nicht in einem inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung. Das Sich-Vorbeugen wäre als eigenwirtschaftliche Tätigkeit zu bewerten.
Der vom Tau feuchte Holzboden des Balkons mit daraus folgender Rutschgefahr kann nach Auffassung des Senats zwar eine besondere Gefahr der Übernachtungsstätte darstellen, er hat aber den Sturz nicht wesentlich verursacht. Ein Ausrutschen beim Heraustreten auf den Balkon führt dazu, dass der Körperschwerpunkt absinkt, weil die Beine aus einer mehr oder weniger lotrechten Position in eine Schräglage geraten. Der Rutschvorgang würde also eine Schräglage des Körpers einleiten, so dass der Schwerpunkt des Körpers bereits weiter nach unten verlagert würde. Ein Kippen über die Balkonbrüstung wird dadurch noch unwahrscheinlicher, zumal der errechnete Körperschwerpunkt des Klägers von 103 cm nur geringfügig über der Höhe der Balkonbrüstung von 96 cm lag.
Ob die besondere Hanglage des Hotels mit der daraus folgenden Tiefe des Blickes beim Herabschauen zu einem Erschrecken des Klägers geführt hat, ist nicht erwiesen. Selbst wenn der Kläger aber beim Blick in die Tiefe sich erschrocken hätte und deshalb herabgestürzt wäre, so hätte dies nur im Anschluss an ein Vorbeugen geschehen können. Wesentliche Ursache ist dann das Vorbeugen, wofür es, wie bereits ausgeführt, keine betrieblichen Gründe gab, und nicht ein Erschrecken durch den Blick in die Tiefe.
Ebenso ist die Darstellung des Klägers, er habe sich wegen der nicht regulierbaren Zimmertemperatur auf den Balkon begeben, nicht geeignet, ein besonderes Gefahrenmoment des Aufenthaltsorts zu begründen. Denn eine defekte Zentralheizung hätte den Kläger allenfalls veranlassen können, die Balkontüre zu öffnen und den Balkon zu betreten. Allerdings lässt sich ein Zusammenhang mit dem Absturz nicht herstellen, weil nicht das Betreten des Balkons, sondern - wie dargestellt - offenbar ein Vorbeugen des Klägers ursächlich für den Unfall war. Die gegebenfalls vom Kläger gewünschte Abkühlung erforderte ein Vorbeugen über den Balkon gerade nicht.
Der Kläger war auch nicht gem. § 2 Nr.13a 2. Alternative SGB VII versichert. Danach sind Personen versichert, die einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten. Versicherungsschutz ist auch gegeben, wenn der Eingreifende irrtumsbedingt an eine Eingriffslage glaubt, obwohl sie objektiv nicht vorliegt (Putativhilfeleistung). Es müssten objektive Anhaltspunkte vorgelegen haben, die zur Annahme eines Unglücksfalles oder einer sonstigen Gefahrenlage berechtigten (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm.25.11). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Es ist nicht ersichtlich, dass ein verunglückter Mensch oder eine Katze, deren Wimmern mit dem Weinen eines Kindes hätte verwechselt werden können, zum Unfallzeitpunkt in der Nähe war und dem Kläger hätte Anlass gegeben, von einer Gefahrenlage auszugehen.
Da der Kläger den Unfall vom 22.10.2000 somit nicht im inneren Zusammenhang mit der Gemeinschaftsveranstaltung erlitten hat, besteht kein Versicherungsschutz.
Die Berufung ist deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 SGG), liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Unfall des Klägers am 22.10.2000 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen ist.
Der 1982 geborene Kläger nahm am 21. und 22.10.2000 als Auszubildender zum Bankkaufmann an einem Betriebsausflug der Stadtsparkasse W. zur S. teil. Die Teilnehmer wohnten im Hotel C. ; der Kläger belegte im zweiten Stock ein Doppelzimmer mit B. H ... Am späten Nachmittag des 21.10.2000 hatten die Teilnehmer eine Kutschenfahrt zu einer Berghütte unternommen, der Rückweg wurde im Rahmen einer Fackelwanderung zurückgelegt. Er endete gegen 22.00 Uhr vor dem Hotel P. mit einer "Schnapserlrunde". Die meisten Bewohner gingen gegen Mitternacht zu Bett, einige blieben noch an der Bar sitzen. B. H. schlief schon, als der Kläger um 2.30 Uhr zu Bett ging. Er registrierte, dass der Kläger die Zimmertür und die Balkontür schloss und sich schlafen legte. Am 22.10.2000 um ca. 6.15 Uhr wurde der Kläger vom Busfahrer T. E. , der ein Geräusch gehört hatte, auf dem Hof des Hotels unterhalb seines Zimmers liegend gefunden. Er war mit einer Unterhose bekleidet und barfuß. Offenbar war er vom sechs Meter höher gelegenen Holz-Balkon seines Zimmers, dessen Boden feucht vom Tau war und dessen Balkongeländer 96 cm hoch und am oberen Ende 15 cm breit war, gestürzt. Er erlitt nach Berstung des siebten Halswirbelkörpers eine Querschnittslähmung.
Zur Aufklärung des Sachverhalts holte der Beklagte Auskünfte der Stadtsparkasse W. vom 16.11.2000/20.11.2000/27.11.2000, einen ärztlichen Bericht des Krankenhauses H. B. vom 04.02.2001 ein, führte ein Gespräch mit dem Kläger am 15.11.2000 und vernahm die Teilnehmer an dem Betriebsausflug B. H. , M. F. und P. M. sowie den Busfahrer T. E ... Außerdem zog sie die Akten der italienischen Polizei, Carabinieri T. bei.
Daraufhin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 25.01.2001 die Anerkennung und Entschädigung des Unfalls vom 22.10.2000 als Arbeitsunfall ab. Der Unfall habe sich während der unversicherten Nachtruhe ereignet. Eine vom Hotel ausgehende besondere Gefahr habe den Unfall nicht verursacht. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger während der Nachtruhe aufgewacht sei und nach dem Öffnen der Tür auf den Balkon gegangen sei. Gründe, aus denen er stürzte, seien nicht bekannt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch. Er habe sich wegen der nicht regulierbaren Zentralheizung bzw. der hohen Zimmertemperatur in der Nacht zur Abkühlung auf den Balkon begeben. Die Örtlichkeit habe den Unfall begünstigt. Das Hotel sei in den Hang hineingebaut, das heißt, erst bei einem Hinüberbeugen über das Balkongeländer mit Blick direkt nach unten werde die tatsächliche Höhe bis zum Boden unter dem Balkon bewusst. Das damit verbundene Erschrecken habe den Sturz begünstigt. Er habe den ganzen Tag über Kopfschmerzen gehabt und die Einnahme von Kopfschmerztabletten habe zu einer Erhöhung des Unfallrisikos geführt. Die Gefahrenlage im Hotel sei eine völlig andere als im Wohnhaus bei den Eltern, denn dort wohne er im ersten Stock, und er habe auch keinen Balkon. Er habe sich nach dem Unfall erinnert, sich über den Balkon gebeugt zu haben, um die Ursachen für ein vernommenes Wimmern zu ergründen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2001 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben und beantragt, den Beklagten zu verurteilen, das Ereignis vom 22.10.2000 als Arbeitsunfall anzuerkennen und entsprechend zu entschädigen. Die Gefahren der auswärtigen Unterbringung hätten eine wesentliche Ursache für den Unfall gesetzt. Er sei nicht allein in dem Zimmer untergebracht gewesen und habe deshalb nicht durch Öffnen der Fenster und dergleichen die Temperatur so regulieren können, wie es für ihn angenehm gewesen wäre. Der Balkon würde hängen, was einen Sturz ebenso begünstigt habe, wie die glatte Oberfläche des Balkonbodens.
Mit Urteil vom 18.03.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Es sei nicht der Nachweis erbracht, dass der Kläger bei einer versicherten Tätigkeit verunglückt sei. Das Schlafen sei eine private, unversicherte Tätigkeit. Betriebsbedingte Gefahren, die insbesondere auch bei einem auswärtigen Aufenthalt zu berücksichtigen seien, hätten nicht nachweisbar beim Sturz vom Balkon wenigstens mitgewirkt. Die Brüstungshöhe des Balkons betrage 96 cm und entspreche damit baurechtlichen Vorschriften.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und eine Erklärung der Personalratsvorsitzenden A. vom 15.11.2004 vorgelegt. Er hat vorgetragen, dass das Hotel Besonderheiten aufgewiesen habe, die den Sturz begünstigt hätten. Das Gebäude sei in einer Grube gestanden, so dass man vom Balkon aus in eine überraschend große Tiefe geblickt habe. Dies sei wohl der Grund dafür gewesen, dass er das Gleichgewicht verloren habe und vom Balkon gestürzt sei. Er habe sich über das Geländer gebeugt, um nachzuschauen, ob ein Tier oder Kind unten wimmerte. Es sei auch zu berücksichtigen, dass er eine Körpergröße von 1,80 m habe, so dass sein Schwerpunkt wesentlich höher liege und er deshalb ohne eigene akrobatische Übungen beim Blick nach unten über die Balkonbrüstung gestürzt sei. Das Balkongeländer habe mit 96 cm nicht den Regelungen der DIN 18065, Tabelle 2, Zeile 2 entsprochen, die für Arbeitsstätten bei einer Absturzhöhe von weniger als 12 m eine Mindestgeländerhöhe von 100 cm vorsehe. Diese Regelung gelte auch in Hotels. Ein bayerischer Versicherter dürfe damit rechnen, dass in einem Hotel, das eine Arbeitsstätte sei, diese Mindesthöhe eingehalten werde. Somit habe sich eine besondere Gefahr verwirklicht.
Der Beklagte hat demgegenüber darauf hingewiesen, dass die Höhe der Balkonbrüstung von 96 cm den deutschen bauordnungsrechtlichen Vorschriften entspreche und somit keine besondere Gefährdung darstelle. Der Sturz dürfte auf die Alkoholisierung des Klägers zurückzuführen sein.
Der Senat hat eine Anfrage an die Direktion des Hotels C. bezüglich der Beschaffenheit des Balkons gerichtet (Anwortschreiben vom 12.08.2005) und B. H. als Zeugen einvernommen. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift der Termine vom 16.11.2004 und 01.02.2006 hingewiesen. Er hat weiter ein Gutachten des Rechtsmediziners Prof.Dr.E. vom 10.12.2003/20.04.2005 eingeholt. Dieser ist davon ausgegangen, dass der Körperschwerpunkt des Klägers höher lag als die Oberkante der Brüstung des Balkons und die Gefahr eines Sturzes über die Brüstung gegeben war, sobald der oberhalb des Schwerpunkts gelegene Teil des Körpers über eine durch die senkrecht zum Brüstungsverlauf gedachte Frontalebene gelangte. Es sei jedoch nicht bekannt, ob die Verlagerung der Körpermasse oberhalb des Körperschwerpunkts willentlich oder unwillentlich erfolgt sei. Möglich seien psychomotorische Ausfallserscheinungen aufgrund einer Alkoholisierung. Er errechnete eine wahrscheinliche Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,65 Promille um 4:00 Uhr morgens. Neben dem aktiven Beugen über das Geländer komme der mangelnden Bodenhaftung nach biomechanischen Überlegungen keine gleichwertige Mitursache zu.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18.03.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 25.01.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2001 das Ereignis vom 22.10.2000 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18.03.2003 zurückzuweisen.
Die Beigeladene schließt sich dem Antrag des Beklagten an.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Krankenhauses H. B. , die Krankenblätter des Allgemeinen Regionalkrankenhauses B. , die Akten des Beklagten und die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG), ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das SG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Sturz des Klägers am 22.10.2000 kein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall ist.
Nach § 8 Abs.1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten in einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeiten. Erforderlich ist, dass das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der geschützten Tätigkeit bestehen, der innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können. Es muss also sicher feststehen, dass im Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde. (BSG, Urteil vom 20.02.2001 in Breithaupt 2001, 636). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (BSG vom 05.05.1994 in SozR 3-2200 § 548 Nr.19).
Im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen Dienstreisen bzw. Geschäftsreisen und Gemeinschaftsveranstaltungen, wozu die Betriebsausflüge gehören, die sich auch über mehr als nur einen Tag erstrecken können (LSG Niedersachsen, in Breithaupt 2003, 197). Die Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung ist der versicherten Betriebstätigkeit gleichzusetzen (BSG 1, 179; 7, 249; 56, 283, 284). Dabei sind Betätigungen, die mit dem Beschäftigungsverhältnis in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang stehen, versichert, während diejenigen, die der Privatsphäre angehören, unversichert sind (BSG in SozR 2200 § 548 Nr.21 und 95). Ungeachtet des privaten Charakters einer Verrichtung kann bei Dienstreisen ein ursächlicher Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit bestehen, wenn die besonderen räumlichen Verhältnisse der fremden Übernachtungsstätte den Unfall wesentlichen bedingt haben, die in ihrer besonderen Eigenart den Beschäftigten während seines normalen Verweilens am Wohn- oder Beschäftigungsort nicht begegnet wären (BSGE 39, 180). Dies kann nach der Rechtsprechung vor allem für den Aufenthalt in der Übernachtungsstätte zutreffen.
Im vorliegenden Fall nahm der Kläger an einem Betriebsausflug der Stadtsparkasse W. teil, der - zwischen den Beteiligten unstreitig - eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung war. Der Versicherungsschutz umfasst alle Tätigkeiten, die mit dem Gesamtzweck der Veranstaltung vereinbar waren und im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit standen. Während der Nachtruhe bestand kein Versicherungsschutz. Versicherungsschutz besteht nur, solange eine Tätigkeit mit dem Beschäftigungsverhältnis rechtlich wesentlich zusammenhängt. Er entfällt, wenn sich der Versicherte rein persönlichen, von der Betriebstätigkeit nicht mehr beeinflussten Belangen widmet. Die Nachtruhe im Hotel und die damit zusammenhängenden Verrichtungen sind grundsätzlich dem persönlichen, vom Versicherungsschutz nicht mehr umfassten Bereich zuzurechnen (BSG, Urteil vom 22.09.1966, 2 RU 101/66).
Versicherungsschutz besteht jedoch ausnahmsweise auch bei eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten, die unter rechtlich wesentlicher Mitwirkung besonderer, durch den Betriebsausflug bedingter Gefahren im notwendigen Aufenthaltsbereich zum Unfall führen. Solche besonderen Gefahrenmomente im Zusammenhang mit der für den Kläger fremden Übernachtungsstätte, die den Unfall wesentlich bedingt haben, sind nicht erwiesen. Da es sich um anspruchsbegründende Merkmale handelt, muss hierfür der volle Nachweis erbracht werden (BSG in SozR 2200 § 548 Nr.84). Da feststeht, dass der Kläger über das Balkongeländer gestürzt ist, war die Balkonumwehrung für den Sturz mitverantwortlich. Daraus folgt jedoch nicht, dass es sich um ein mit dem Hotelaufenthalt verbundenes besonderes Gefahrenmoment handelte, dem der Kläger bei im Normalfall anzutreffenden häuslichen Gegebenheiten nicht begegnet wäre. Die Balkonumwehrung entsprach mit 96 cm - wie vom Hotel C. im Schreiben vom 12.08.2005 angegeben - den deutschen bauordnungsrechtlichen Vorschriften. Zwar enthält die Bayerische Bauordnung oder eine Durchführungsverordnung keine entsprechenden Vorschriften mehr. Die Regelungen der mit dem Vereinfachungsgesetz 1994 aufgehobenen früheren Durchführungsverordnung § 4 können aber entsprechend als allgemeine Erfahrungssätze herangezogen werden (Simon, Kommentar zur Bayerischen Bauordnung, Art.17 RdNr.6). Danach ist die Sicherheit gewährleistet bei einer Höhe der Umwehrung von mindestens 90 cm bei einer Absturzhöhe von nicht mehr als 12 m. Eine solche bauliche Einrichtung ist dem privaten häuslichen Bereich nicht grundsätzlich fremd, sondern häufig anzutreffen und damit eher üblich. Sie stellt mit dem Maß von 96 cm jedenfalls kein besonderes Gefahrenmoment dar. Entgegen der Auffassung des Klägers kann nicht auf Arbeitsstätten Bezug genommen werden, denn der Risikobereich, der durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt werden soll, erfasst lediglich Abweichungen von im Normalfall anzutreffenden häuslichen Gegebenheiten (BSG, Urteil vom 30.06.1999, Az.: B 2 U 98/98 R).
Der Kläger hat sich offenbar über das Geländer gebeugt, um herabzuschauen und sich dabei zu weit vorgebeugt. Sofern der Körperschwerpunkt höher liegt als die Oberkante der Brüstung ist - wie Prof.Dr.E. zu Recht ausführt - die Gefahr eines Sturzes gegeben. Aus welchem Grund sich der Kläger zu weit nach vorne gebeugt hat, ist nicht bekannt. Möglich ist, dass es ihm schlecht wurde und er sich nach vorne beugte, um sich zu übergeben. Möglich ist auch, dass er alkoholbedingt psychomotorische Ausfallserscheinungen hatte. Möglich ist ebenso, dass er die Ursache eines vernommenen Geräusches herausfinden wollte. Keine dieser Varianten ist jedoch erwiesen. Insbesondere steht nicht fest, ob der Kläger alkoholisiert war und deshalb stürzte, denn Prof.Dr.E. geht im Gutachten vom 10.12.2002/ 20.04.2005 von Unterstellungen und Annahmen aus - wie er selbst einräumt. Auch gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sich über eine Lärmquelle hat informieren wollen, wie z.B. das Wimmern einer Katze oder eines Kindes. Selbst wenn der Kläger Art und Ursache von Geräuschen hätte feststellen wollen, stünde sein Tun ohne weitere betrieblich bedingte Ereignisse nicht in einem inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung. Das Sich-Vorbeugen wäre als eigenwirtschaftliche Tätigkeit zu bewerten.
Der vom Tau feuchte Holzboden des Balkons mit daraus folgender Rutschgefahr kann nach Auffassung des Senats zwar eine besondere Gefahr der Übernachtungsstätte darstellen, er hat aber den Sturz nicht wesentlich verursacht. Ein Ausrutschen beim Heraustreten auf den Balkon führt dazu, dass der Körperschwerpunkt absinkt, weil die Beine aus einer mehr oder weniger lotrechten Position in eine Schräglage geraten. Der Rutschvorgang würde also eine Schräglage des Körpers einleiten, so dass der Schwerpunkt des Körpers bereits weiter nach unten verlagert würde. Ein Kippen über die Balkonbrüstung wird dadurch noch unwahrscheinlicher, zumal der errechnete Körperschwerpunkt des Klägers von 103 cm nur geringfügig über der Höhe der Balkonbrüstung von 96 cm lag.
Ob die besondere Hanglage des Hotels mit der daraus folgenden Tiefe des Blickes beim Herabschauen zu einem Erschrecken des Klägers geführt hat, ist nicht erwiesen. Selbst wenn der Kläger aber beim Blick in die Tiefe sich erschrocken hätte und deshalb herabgestürzt wäre, so hätte dies nur im Anschluss an ein Vorbeugen geschehen können. Wesentliche Ursache ist dann das Vorbeugen, wofür es, wie bereits ausgeführt, keine betrieblichen Gründe gab, und nicht ein Erschrecken durch den Blick in die Tiefe.
Ebenso ist die Darstellung des Klägers, er habe sich wegen der nicht regulierbaren Zimmertemperatur auf den Balkon begeben, nicht geeignet, ein besonderes Gefahrenmoment des Aufenthaltsorts zu begründen. Denn eine defekte Zentralheizung hätte den Kläger allenfalls veranlassen können, die Balkontüre zu öffnen und den Balkon zu betreten. Allerdings lässt sich ein Zusammenhang mit dem Absturz nicht herstellen, weil nicht das Betreten des Balkons, sondern - wie dargestellt - offenbar ein Vorbeugen des Klägers ursächlich für den Unfall war. Die gegebenfalls vom Kläger gewünschte Abkühlung erforderte ein Vorbeugen über den Balkon gerade nicht.
Der Kläger war auch nicht gem. § 2 Nr.13a 2. Alternative SGB VII versichert. Danach sind Personen versichert, die einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten. Versicherungsschutz ist auch gegeben, wenn der Eingreifende irrtumsbedingt an eine Eingriffslage glaubt, obwohl sie objektiv nicht vorliegt (Putativhilfeleistung). Es müssten objektive Anhaltspunkte vorgelegen haben, die zur Annahme eines Unglücksfalles oder einer sonstigen Gefahrenlage berechtigten (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm.25.11). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Es ist nicht ersichtlich, dass ein verunglückter Mensch oder eine Katze, deren Wimmern mit dem Weinen eines Kindes hätte verwechselt werden können, zum Unfallzeitpunkt in der Nähe war und dem Kläger hätte Anlass gegeben, von einer Gefahrenlage auszugehen.
Da der Kläger den Unfall vom 22.10.2000 somit nicht im inneren Zusammenhang mit der Gemeinschaftsveranstaltung erlitten hat, besteht kein Versicherungsschutz.
Die Berufung ist deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 SGG), liegen nicht vor.
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