Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 347/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 275/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 24.07.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung und Entschädigung bei der Klägerin bestehender Gesundheitsstörungen als Berufskrankheit.
Die 1940 geborene Klägerin war seit 1980 als Kassenaufsicht in einem Kassenbüro eines Supermarktes in Vollzeit beschäftigt. Im April 1999 teilte sie der Beklagten mit, dass bei ihr im Blut stark erhöhte Lindanwerte festgestellt worden seien. Sie vermutete eine Schadstoffbelastung am Arbeitsplatz, die möglicherweise auf die Tätigkeit eines Kammerjägers oder auf verwendete Baustoffe zurückzuführen sei. Sie forderte die Beklagte auf, ihren Arbeitsplatz zu untersuchen. Eine Lindanbelastung sei bei einer Untersuchung einer Staubprobe aus ihrer Wohnung ausgeschlossen worden.
Die Beklagte leitete ein Feststellungsverfahren ein. Nach Berichten der behandelnden Ärzte und der Anzeige des Hals-Nasen-Ohren-Arztes, Allergologen und Umweltmediziners Dr.O. vom 16.04.1999 über das Vorliegen einer Berufskrankheit leide die Klägerin unter einem Tremor der Hände, Atemnot, Schlafstörungen, Nervosität, Oberbauchbeschwerden, Gelenkbeschwerden, rezidivierenden Hautausschlägen und rezidivierender Heiserkeit. Es sei von einer toxischen Belastung der Klägerin mit Lindan, Hexachlorbenzol (HCB), polychlorierten Biphenylen (PCB) und DDE, von einem Zustand nach toxischer Belastung mit Pyrethroiden, einer erheblichen Dysfunktion der Detoxifikationsphase II und einer Dysfunktion der immunologischen Abwehrlage auszugehen.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme des technischen Aufsichtsdienstes (TAD) und eine fachliche Beurteilung des Gewerbeärztlichen Dienstes beim Gewerbeaufsichtsamt W. ein. Der TAD wies unter dem 25.06.1999 darauf hin, dass sich weder aus den von Dr.O. mitgeteilten Messwerten eine Gefährdung ableiten ließe, noch die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit durch Gefahrstoffe vorlägen. Sämtliche mitgeteilten Analysewerte für Lindan, PCB, HCB, DDT und DDE lägen im Bereich der Messwerte, wie man sie im Blut der beruflich unbelasteten Allgemeinbevölkerung finde. Diese Substanzen seien keine Berufsstoffe im Unternehmen der Klägerin; die gesundheitsbezogenen Grenzwerte für den Arbeitsplatz würden nicht annähernd erreicht. Nach den Ausführungen des Staatlichen Gewerbearztes Dr.S. vom 15.07.1999 sei nach den vorliegenden Konzentrationswerten für die chlorierten Substanzen eine beruflich bedingte toxische Schädigung mit großer Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Weder nach den festgestellten Stoffkonzentrationen im Blut noch nach dem Beschwerdespektrum ergebe sich ein hinreichender Anhalt für einen beruflichen Zusammenhang.
Unter Hinweis auf die Ausführungen des TAD und des Staatlichen Gewerbearztes lehnte die Beklagte die Anerkennung der bei der Klägerin bestehenden Beschwerden als Berufskrankheit ab (Bescheid vom 05.08.1999 und Widerspruchsbescheid vom 19.10.1999). Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und den Beschwerden der Klägerin könne nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden.
Gegen diese Bescheide hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Würzburg erhoben und ausgeführt, dass es von der Beklagten versäumt worden sei, ein umweltmedizinisches Gutachten einzuholen und vor Ort Materialanalysen vorzunehmen. Die Problematik einer Mehrfachbelastung verschiedener Toxine sei nicht gesehen worden. Nach den von Dr.O. erhobenen Befunden zur Lindanbelastung sei davon auszugehen, dass unter Arbeitsbedingungen die Blutwerte erheblich höher gewesen seien als außerhalb des Arbeitsplatzes.
Das SG hat die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen und eine Auskunft des Staatlichen Gewerbearztes Dr.S. vom 07.04.2000 über den biologischen Arbeitsstofftoleranzwert (BAT) für Lindan eingeholt. Mit Urteil vom 24.07.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe nicht den Nachweis einer entsprechenden schädigenden Einwirkung durch die versicherte Tätigkeit erbracht. Eine relevante Schadstoffeinwirkung ergebe sich insbesondere nicht aus den Berichten des Dr.O ... Nach den Feststellungen des TAD lägen sämtliche Analysewerte der Klägerin für Lindan, PCB, HCB, DDT und DDE im Bereich der Messwerte, wie sie im Blut der beruflich unbelasteten Allgemeinbevölkerung zu finden seien. Dr.S. habe zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich bei den von Dr.O. bezeichneten Referenzwerten bzw Referenzbereichen um statistisch ermittelte Werte ohne Aussage bezüglich der gesundheitlichen Bedeutung handele. Insbesondere bestünden keine wissenschaftlich begründeten Werte im Sinne einer "kritischen Konzentration", die eine Aussage über den toxischen Effekt oder eine ähnliche Aussage analog zu den BAT zulassen würden. Der nach der Auskunft des Dr.S. vom 18.04.2000 mitgeteilte BAT-Wert für Lindan von 20 µg/l werde nach den von Dr.O. erhobenen Werten (350 ng/l) deutlich unterschritten. Zudem könne nach dem Tätigkeitsfeld der Klägerin als Kassenaufsicht eine relevante berufliche Exposition nicht angenommen werden.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Beklagte habe es unterlassen, am Arbeitsplatz Messungen vorzunehmen. Sie selbst sei nicht in der Lage, den Nachweis einer schädigenden Einwirkung von Giftstoffen am Arbeitsplatz zu führen. Die von Dr.O. festgestellten Belastungen würden von der Berufskrankheit Nr 1302 erfasst. Ihre Erkrankungen seien auch mit den dort dargestellten Krankheitsbildern in Einklang zu bringen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 24.07.2003 und den Bescheid der Beklagten vom 05.08.1999 in der Fassung des Widerspruchsbscheides vom 19.10.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die bei der Klägerin vorliegende Gesundheitsstörung als Berufskrankheit ab frühest möglichem Zeitpunkt anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Notwendigkeit einer Überprüfung des Arbeitsplatzes habe nicht bestanden. Alle mitgeteilten Analysewerte würden die jeweils maßgeblichen BAT-Werte (innere Belastung) unterschreiten. Sie lägen im Berich der Messwerte, wie sie auch bei der beruflich unbelasteten Bevölkerung vorzufinden seien. Es handele sich bei den genannten Schadstoffen nicht um Berufs-Noxen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage mit Urteil vom 24.07.2003 abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 05.08.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.10.1999 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin kann die Entschädigung der bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht verlangen, da nicht nachgewiesen ist, dass sie während ihrer beruflichen Tätigkeit als Kassenaufsicht gesundheitsschädlichen Stoffen in einem für die Anerkennung als Berufskrankheit ausreichenden Umfang ausgesetzt war.
Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird dabei nach § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht sind, oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Die diesen Kriterien entsprechenden Berufskrankheiten sind in der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vom 31.10.1997, zuletzt geändert durch Gesetz vom 05.09.2002 (BGBl I Seite 3541) aufgeführt.
Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören nach der vorliegend in Betracht kommenden Nr 1302 der Anlage zur BKV "Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe". Insofern macht die Klägerin geltend, dass die von Dr.O. beschriebene Belastung mit Lindan, PCB, HCB und DDE von der BK 1302 erfasst würden. Die bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen seien mit dem zu dieser BK beschriebenen Krankheitsbild in Einklang zu bringen.
Allerdings ist Voraussetzung für die Anerkennung und Entschädigung als Berufskrankheit nicht nur das Vorliegen einer typischen Erkrankung im Sinne des BK-Tatbestandes. Hinzu kommen muss im Einzelfall, dass der Versicherte diese Krankheit infolge einer versicherten Tätigkeit erleidet. Die Erkrankung muss konkret individuell durch besondere Einwirkungen wesentlich verursacht bzw verschlimmert worden sein. Nach § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII sind die in der BKV aufgelisteten Krankheiten dadurch gekennzeichnet, dass sie nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht worden sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Voraussetzung für die Annahme einer Berufskrankheit ist demnach eine gruppentypische Risikoerhöhung. Dieses Tatbestandsmerkmal ist nur dann erfüllt, wenn die Klägerin Einwirkungen ausgesezt gewesen wäre, mit denen die übrige Bevölkerung nicht in diesem Maße in Kontakt käme und die geeignet wären, die angegebenen Erkrankungen hervorzurufen. Es kann deshalb eine Berufskrankheit nicht angenommen werden, wenn die Exposition in der versicherten Tätigkeit keinen erheblich höheren Grad aufzuweisen hat, als außerhalb der versicherten Tätigkeit. Wie alle entscheidungserheblichen Tatsachen bedarf auch die Exposition gegenüber einem bestimmten Schadstoff einschließlich deren Art und Ausmaß des (Voll-)Beweises im Maße einer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (BSG Urteil vom 27.06.2000 - B 2 U 29/99 R = HVBG-INFO 2000, 2811; Urteil des BayLSG vom 14.12.2005 - L 2 U 210/05).
Bei der Klägerin ist nicht ersichtlich, inwieweit sie eine höhere Exposition aufzuweisen hätte, als es bei der übrigen Bevölkerung der Fall ist. Der Senat hält die diesbezüglichen Ausführungen des SG für überzeugend und macht sich diese zu eigen (§ 153 Abs 2 SGG). Nach den Ausführungen des TAD und der Beurteilung des Staatlichen Gewerbearztes Dr.S. ist davon auszugehen, dass die bei der Klägerin festgestellten Analysewerte für Lindan, PCB, HCB, DDT und DDE im Bereich der Messwerte liegen, die vergleichbar den Messwerten im Blut der beruflich unbelasteten Allgemeinbevölkerung sind und eine relevante berufliche Exposition nicht angenommen werden kann. Auf die von der Klägerin vorgebrachte Verursachung der Gesundheitsstörungen durch eine Mehrfachbelastung verschiedener Toxine ist nicht einzugehen, da eine Exposition in der versicherten Tätigkeit nicht nachgewiesen ist. Auch eine Anerkennung der Gesundheitsstörungen wie eine Berufskrankheit gemäß § 9 Abs 2 iVm Abs 1 Satz 2 SGB VII kommt nicht in Betracht, da das Tatbestandsmerkmal der gruppenspezifischen Risikoerhöhung nicht erfüllt ist.
Etwa anderes ergibt sich nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, die Beklagte habe es versäumt, ein ärztliches Gutachten einzuholen und ihren Arbeitsplatz zu untersuchen. Die Beklagte war nicht zu einer entsprechenden Beweiserhebung verpflichtet. Zwar ist der Unfallversicherungsträger nach §§ 20, 21 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) verpflichtet, den Sachverhalt zu ermitteln. Allerdings richtet sich die Pflicht zur Amtsermittlung nur auf die Erhebung von Beweisen, die sich für die Entscheidung als bedeutsam hätten aufdrängen müssen. Die Beklagte konnte davon ausgehen, dass eine Begutachtung nicht erforderlich ist, da nach den Ausführungen des TAD die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit durch Gefahrstoffe nicht vorlagen.
Nach alledem ist die Entscheidung des SG nicht zu beanstanden und daher die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung und Entschädigung bei der Klägerin bestehender Gesundheitsstörungen als Berufskrankheit.
Die 1940 geborene Klägerin war seit 1980 als Kassenaufsicht in einem Kassenbüro eines Supermarktes in Vollzeit beschäftigt. Im April 1999 teilte sie der Beklagten mit, dass bei ihr im Blut stark erhöhte Lindanwerte festgestellt worden seien. Sie vermutete eine Schadstoffbelastung am Arbeitsplatz, die möglicherweise auf die Tätigkeit eines Kammerjägers oder auf verwendete Baustoffe zurückzuführen sei. Sie forderte die Beklagte auf, ihren Arbeitsplatz zu untersuchen. Eine Lindanbelastung sei bei einer Untersuchung einer Staubprobe aus ihrer Wohnung ausgeschlossen worden.
Die Beklagte leitete ein Feststellungsverfahren ein. Nach Berichten der behandelnden Ärzte und der Anzeige des Hals-Nasen-Ohren-Arztes, Allergologen und Umweltmediziners Dr.O. vom 16.04.1999 über das Vorliegen einer Berufskrankheit leide die Klägerin unter einem Tremor der Hände, Atemnot, Schlafstörungen, Nervosität, Oberbauchbeschwerden, Gelenkbeschwerden, rezidivierenden Hautausschlägen und rezidivierender Heiserkeit. Es sei von einer toxischen Belastung der Klägerin mit Lindan, Hexachlorbenzol (HCB), polychlorierten Biphenylen (PCB) und DDE, von einem Zustand nach toxischer Belastung mit Pyrethroiden, einer erheblichen Dysfunktion der Detoxifikationsphase II und einer Dysfunktion der immunologischen Abwehrlage auszugehen.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme des technischen Aufsichtsdienstes (TAD) und eine fachliche Beurteilung des Gewerbeärztlichen Dienstes beim Gewerbeaufsichtsamt W. ein. Der TAD wies unter dem 25.06.1999 darauf hin, dass sich weder aus den von Dr.O. mitgeteilten Messwerten eine Gefährdung ableiten ließe, noch die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit durch Gefahrstoffe vorlägen. Sämtliche mitgeteilten Analysewerte für Lindan, PCB, HCB, DDT und DDE lägen im Bereich der Messwerte, wie man sie im Blut der beruflich unbelasteten Allgemeinbevölkerung finde. Diese Substanzen seien keine Berufsstoffe im Unternehmen der Klägerin; die gesundheitsbezogenen Grenzwerte für den Arbeitsplatz würden nicht annähernd erreicht. Nach den Ausführungen des Staatlichen Gewerbearztes Dr.S. vom 15.07.1999 sei nach den vorliegenden Konzentrationswerten für die chlorierten Substanzen eine beruflich bedingte toxische Schädigung mit großer Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Weder nach den festgestellten Stoffkonzentrationen im Blut noch nach dem Beschwerdespektrum ergebe sich ein hinreichender Anhalt für einen beruflichen Zusammenhang.
Unter Hinweis auf die Ausführungen des TAD und des Staatlichen Gewerbearztes lehnte die Beklagte die Anerkennung der bei der Klägerin bestehenden Beschwerden als Berufskrankheit ab (Bescheid vom 05.08.1999 und Widerspruchsbescheid vom 19.10.1999). Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und den Beschwerden der Klägerin könne nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden.
Gegen diese Bescheide hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Würzburg erhoben und ausgeführt, dass es von der Beklagten versäumt worden sei, ein umweltmedizinisches Gutachten einzuholen und vor Ort Materialanalysen vorzunehmen. Die Problematik einer Mehrfachbelastung verschiedener Toxine sei nicht gesehen worden. Nach den von Dr.O. erhobenen Befunden zur Lindanbelastung sei davon auszugehen, dass unter Arbeitsbedingungen die Blutwerte erheblich höher gewesen seien als außerhalb des Arbeitsplatzes.
Das SG hat die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen und eine Auskunft des Staatlichen Gewerbearztes Dr.S. vom 07.04.2000 über den biologischen Arbeitsstofftoleranzwert (BAT) für Lindan eingeholt. Mit Urteil vom 24.07.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe nicht den Nachweis einer entsprechenden schädigenden Einwirkung durch die versicherte Tätigkeit erbracht. Eine relevante Schadstoffeinwirkung ergebe sich insbesondere nicht aus den Berichten des Dr.O ... Nach den Feststellungen des TAD lägen sämtliche Analysewerte der Klägerin für Lindan, PCB, HCB, DDT und DDE im Bereich der Messwerte, wie sie im Blut der beruflich unbelasteten Allgemeinbevölkerung zu finden seien. Dr.S. habe zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich bei den von Dr.O. bezeichneten Referenzwerten bzw Referenzbereichen um statistisch ermittelte Werte ohne Aussage bezüglich der gesundheitlichen Bedeutung handele. Insbesondere bestünden keine wissenschaftlich begründeten Werte im Sinne einer "kritischen Konzentration", die eine Aussage über den toxischen Effekt oder eine ähnliche Aussage analog zu den BAT zulassen würden. Der nach der Auskunft des Dr.S. vom 18.04.2000 mitgeteilte BAT-Wert für Lindan von 20 µg/l werde nach den von Dr.O. erhobenen Werten (350 ng/l) deutlich unterschritten. Zudem könne nach dem Tätigkeitsfeld der Klägerin als Kassenaufsicht eine relevante berufliche Exposition nicht angenommen werden.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Beklagte habe es unterlassen, am Arbeitsplatz Messungen vorzunehmen. Sie selbst sei nicht in der Lage, den Nachweis einer schädigenden Einwirkung von Giftstoffen am Arbeitsplatz zu führen. Die von Dr.O. festgestellten Belastungen würden von der Berufskrankheit Nr 1302 erfasst. Ihre Erkrankungen seien auch mit den dort dargestellten Krankheitsbildern in Einklang zu bringen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 24.07.2003 und den Bescheid der Beklagten vom 05.08.1999 in der Fassung des Widerspruchsbscheides vom 19.10.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die bei der Klägerin vorliegende Gesundheitsstörung als Berufskrankheit ab frühest möglichem Zeitpunkt anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Notwendigkeit einer Überprüfung des Arbeitsplatzes habe nicht bestanden. Alle mitgeteilten Analysewerte würden die jeweils maßgeblichen BAT-Werte (innere Belastung) unterschreiten. Sie lägen im Berich der Messwerte, wie sie auch bei der beruflich unbelasteten Bevölkerung vorzufinden seien. Es handele sich bei den genannten Schadstoffen nicht um Berufs-Noxen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage mit Urteil vom 24.07.2003 abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 05.08.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.10.1999 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin kann die Entschädigung der bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht verlangen, da nicht nachgewiesen ist, dass sie während ihrer beruflichen Tätigkeit als Kassenaufsicht gesundheitsschädlichen Stoffen in einem für die Anerkennung als Berufskrankheit ausreichenden Umfang ausgesetzt war.
Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird dabei nach § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht sind, oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Die diesen Kriterien entsprechenden Berufskrankheiten sind in der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vom 31.10.1997, zuletzt geändert durch Gesetz vom 05.09.2002 (BGBl I Seite 3541) aufgeführt.
Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören nach der vorliegend in Betracht kommenden Nr 1302 der Anlage zur BKV "Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe". Insofern macht die Klägerin geltend, dass die von Dr.O. beschriebene Belastung mit Lindan, PCB, HCB und DDE von der BK 1302 erfasst würden. Die bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen seien mit dem zu dieser BK beschriebenen Krankheitsbild in Einklang zu bringen.
Allerdings ist Voraussetzung für die Anerkennung und Entschädigung als Berufskrankheit nicht nur das Vorliegen einer typischen Erkrankung im Sinne des BK-Tatbestandes. Hinzu kommen muss im Einzelfall, dass der Versicherte diese Krankheit infolge einer versicherten Tätigkeit erleidet. Die Erkrankung muss konkret individuell durch besondere Einwirkungen wesentlich verursacht bzw verschlimmert worden sein. Nach § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII sind die in der BKV aufgelisteten Krankheiten dadurch gekennzeichnet, dass sie nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht worden sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Voraussetzung für die Annahme einer Berufskrankheit ist demnach eine gruppentypische Risikoerhöhung. Dieses Tatbestandsmerkmal ist nur dann erfüllt, wenn die Klägerin Einwirkungen ausgesezt gewesen wäre, mit denen die übrige Bevölkerung nicht in diesem Maße in Kontakt käme und die geeignet wären, die angegebenen Erkrankungen hervorzurufen. Es kann deshalb eine Berufskrankheit nicht angenommen werden, wenn die Exposition in der versicherten Tätigkeit keinen erheblich höheren Grad aufzuweisen hat, als außerhalb der versicherten Tätigkeit. Wie alle entscheidungserheblichen Tatsachen bedarf auch die Exposition gegenüber einem bestimmten Schadstoff einschließlich deren Art und Ausmaß des (Voll-)Beweises im Maße einer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (BSG Urteil vom 27.06.2000 - B 2 U 29/99 R = HVBG-INFO 2000, 2811; Urteil des BayLSG vom 14.12.2005 - L 2 U 210/05).
Bei der Klägerin ist nicht ersichtlich, inwieweit sie eine höhere Exposition aufzuweisen hätte, als es bei der übrigen Bevölkerung der Fall ist. Der Senat hält die diesbezüglichen Ausführungen des SG für überzeugend und macht sich diese zu eigen (§ 153 Abs 2 SGG). Nach den Ausführungen des TAD und der Beurteilung des Staatlichen Gewerbearztes Dr.S. ist davon auszugehen, dass die bei der Klägerin festgestellten Analysewerte für Lindan, PCB, HCB, DDT und DDE im Bereich der Messwerte liegen, die vergleichbar den Messwerten im Blut der beruflich unbelasteten Allgemeinbevölkerung sind und eine relevante berufliche Exposition nicht angenommen werden kann. Auf die von der Klägerin vorgebrachte Verursachung der Gesundheitsstörungen durch eine Mehrfachbelastung verschiedener Toxine ist nicht einzugehen, da eine Exposition in der versicherten Tätigkeit nicht nachgewiesen ist. Auch eine Anerkennung der Gesundheitsstörungen wie eine Berufskrankheit gemäß § 9 Abs 2 iVm Abs 1 Satz 2 SGB VII kommt nicht in Betracht, da das Tatbestandsmerkmal der gruppenspezifischen Risikoerhöhung nicht erfüllt ist.
Etwa anderes ergibt sich nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, die Beklagte habe es versäumt, ein ärztliches Gutachten einzuholen und ihren Arbeitsplatz zu untersuchen. Die Beklagte war nicht zu einer entsprechenden Beweiserhebung verpflichtet. Zwar ist der Unfallversicherungsträger nach §§ 20, 21 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) verpflichtet, den Sachverhalt zu ermitteln. Allerdings richtet sich die Pflicht zur Amtsermittlung nur auf die Erhebung von Beweisen, die sich für die Entscheidung als bedeutsam hätten aufdrängen müssen. Die Beklagte konnte davon ausgehen, dass eine Begutachtung nicht erforderlich ist, da nach den Ausführungen des TAD die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit durch Gefahrstoffe nicht vorlagen.
Nach alledem ist die Entscheidung des SG nicht zu beanstanden und daher die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
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