L 13 R 850/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 R 57/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 850/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 437/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 11. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außgerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Regelaltersrente nach erfolgter Beitragserstattung.

Der 1939 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Marokko. Er hat in Deutschland zwischen August 1971 und Juni 1992 in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt. Die Arbeitnehmeranteile an den für diese Zeiten geleisteten Pflichtbeiträgen wurden dem im Erstattungsverfahren anwaltlich vertretenen Kläger auf dessen Antrag vom 18. Februar 1993 im Jahr 1995 in Höhe von 51.304,49 DM erstattet (Bescheid vom 10. Januar 1995).

Am 7. Juni 2004 (Eingang bei der Beklagten) beantragte der Kläger formlos eine Altersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Die Beklagte lehnte diesen Antrag unter Hinweis auf die erfolgte Beitragserstattung ab (Bescheid vom 29. Juni 2004).

Zur Begründung des dagegen erhobenen Widerspruchs trug der Kläger vor, er habe die Beitragserstattung aus Unwissenheit beantragt. Dieser Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2004). Die Beklagte führte aus, aus den bis zum 30. Juni 1992 geleisteten Beiträgen könne der Kläger keine Ansprüche mehr geltend machen, weil ihm diese Beiträge rechtmäßig erstattet worden seien. Nach dem 30. Juni 1992 habe er keine Beiträge zur deutschen Rentenversicherung mehr entrichtet.

Das Sozialgericht Augsburg (SG) hat die am 28. Januar 2005 (Eingang bei Gericht) erhobene Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 11. Oktober 2005, dem Kläger zugestellt am 31. Oktober 2005). Der Kläger sei im Antrag auf Beitragserstattung und im Erstattungsbescheid vom 10. Januar 1995 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass mit der Beitragserstattung das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst werde und keine Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten mehr bestünden. Deshalb könne er nicht geltend machen, er habe die Beitragserstattung in Unkenntnis dieser Rechtsfolgen beantragt.

Am 16. November 2005 (Eingang beim SG) hat der Kläger dagegen Berufung eingelegt. Er bitte um Altersrente oder eine finanzielle Hilfe, weil er in Deutschland tätig gewesen sei.

Er beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 11. Oktober 2005 und den Bescheid vom 29. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Altersrente zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 105 Abs. 2 S. 1, 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, aber nicht begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 29. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2004, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, dem Kläger auf seinen Antrag vom 7. Juni 2004 Altersrente zu zahlen. Das SG hat die dagegen erhobene Klage mit Gerichtsbescheid vom 11. Oktober 2005 zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Altersrente oder andere Leistungen aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung.

Gemäß § 35 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) hat ein Versicherter Anspruch auf Altersrente, wenn er das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Auf die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI) werden (nur) Kalendermonate mit Beitragszeiten angerechnet (§ 51 Abs. 1 SGB VI). Beim Kläger liegen jedoch keine anrechenbaren Beitragszeiten mehr vor.

Zwar hat er zwischen August 1971 und Juni 1992 Pflichtbeitragszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt, doch wurden ihm die Arbeitnehmeranteile der für diese Zeiten entrichteten Pflichtbeiträge im Jahr 1995 auf seinen Antrag hin erstattet. Mit dieser Erstattung ist - worauf der Kläger sowohl im Formularantrag auf Beitragserstattung als auch im Erstattungsbescheid vom 10. Januar 1995 zutreffend hingewiesen worden ist - das bis dahin bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst worden (§ 210 Abs. 6 S. 2 SGB VI), so dass aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten keine Ansprüche auf Leistungen der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung mehr bestehen (§ 210 Abs. 6 S. 3 SGB VI). Weitere Beitragszeiten hat der Kläger in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nicht zurückgelegt.

Der Kläger kann nicht geltend machen, er sei - etwa im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs - so zu stellen, als habe er keine Beitragserstattung erhalten. Insbesondere war ihm die anwartschaftsvernichtende Wirkung der beantragten und bewilligten Beitragserstattung bekannt. Ob der Kläger selbst den entsprechenden Hinweis im Formularantrag und im Erstattungsbescheid möglicherweise aufgrund fehlender Kenntnisse der deutschen Sprache nicht zur Kenntnis genommen oder missverstanden hat, kann hier dahinstehen, denn er war im Erstattungsverfahren in Deutschland von einem hier zugelassenen deutschen Rechtsanwalt vertreten. Der Hinweis lässt auch sprachlich keinen Zweifel daran zu, dass mit der Beitragserstattung das Versicherungsverhältnis aufgelöst wird und aus den bisherigen rentenrechtlichen Zeiten keine Ansprüche mehr geltend gemacht werden können.

Im Übrigen besteht weder nach dem deutschen Sozialversicherungsrecht noch nach dem deutsch-marokkanischen Sozialversicherungsabkommen vom 18. April 1986 (BGBl. II 1986 S. 522) und der hierzu getroffenen Durchführungsvereinbarung vom 18. April 1986 (BGBl. II 1986, S. 571) die Verpflichtung, einem marokkanischen Staatsangehörigen Schriftsätze, Formulare und Bescheide in dessen Amtssprache (Französisch) zu übermitteln. Es liegt in der Verantwortung des Versicherten selbst, sich durch Übersetzung Kenntnis von deren Inhalt zu verschaffen und gegebenenfalls die Beratung des betreffenden Versicherungsträgers oder einer rechtskundigen Personen in Anspruch zu nehmen.

Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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