Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 U 5086/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 311/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 264/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 25.06.2004 aufgehoben.
II. Die Klage gegen den Bescheid vom 20.06.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2003 wird abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) als Berufskrankheit (BK) nach Nr.2108 bzw. Nr.2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Die 1942 geborene Klägerin war ab 1956 fortlaufend in der Landwirtschaft auf dem Hof ihrer Eltern tätig, der ab 1976 von ihrem Ehemann übernommen worden war. Im Oktober 2001 erlitt sie einen Bandscheibenvorfall im Segment der Lendenwirbelkörper 4 und 5, der operativ im Krankenhaus B. R. , Abteilung für Neurochirurgie, entfernt wurde.
Ab 21.03.2002 prüfte die Beklagte auf Veranlassung ihres Ehemannes, ob bei der Klägerin eine BK vorliegt. Zur Aufklärung des Sachverhalts holte sie Befundberichte der Dres.S. , G. , H. , D. , C., des Krankenhauses der B. und die medizinischen Unterlagen der Landesversicherungsanstalt Niederbayern/Oberpfalz ein sowie eine Arbeitsplatzanalyse des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 29.10.2002. Dieser hielt die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule für gegeben.
Zur Klärung der medizinischen Voraussetzungen holte die Beklagte ein Gutachten des Prof.Dr.Z. (Krankenhaus R. , Orthopädische Klinik W.) ein, der eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule diagnostizierte. Es bestehe eine Fußsenkerlähmung beidseits, Empfindungsstörungen beider Unterschenkel und Füße bei Zustand nach Bandscheibenoperation L4/L5 rechts wegen eines großen, rechts mediolateral gelegenen Bandscheibenvorfalls und gleichzeitig vorliegender degenerativer Rückenmarkkanaleinengung im Bandscheibenabschnitt zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbelkörper, degenerative Veränderungen im Bandscheibenfach L4/L5 mit geringgradiger Höhenminderung des Zwischenwirbelraumes, degenerative Veränderungen im Bereich der Dornfortsätze im Sinne eines sogenannten Baastrup-Phänomens, deutliche Kalksalzminderung im Sinne einer Osteoporose, angeborene Übergangsstörung zwischen dem 5. Lendenwirbel und dem 1. Kreuzbeinwirbel mit entsprechenden degenerativen Veränderungen in diesem Wirbelsäulenabschnitt, klinisch beginnende Gonarthrose rechts sowie eine Störung der Blasen-Mastdarmfunktion. Ursache seien die beruflichen Einwirkungen durch Heben und Tragen von schweren Lasten sowie eine Übergangsstörung zwischen dem 5. Lenden- und 1. Kreuzbeinwirbel und eine deutliche Kalksalzminderung im Sinne einer Osteoporose. Die Voraussetzungen der BK Nr.2108, nicht jedoch der Nr.2110 der Anlage zur BKV seien erfüllt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage ab 15.12.2001 auf Dauer 50 v.H. Demgegenüber ging die Gewerbeärztin Dr. H. in der Stellungnahme vom 22.05.2003 davon aus, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr.2108 nicht gegeben seien. Die berufliche LWS-Belastung sei nicht wesentliche Teilursache für den Bandscheibenschaden an der LWS, da anlagebedingte prädiskotische Deformitäten bestünden, die von sich aus geeignet erschienen, eine Bandscheibendegeneration an der Wirbelsäule zu beschleunigen (Fehlstatik bei Lumbalskoliose, Übergangsstörung L5/S1 und Osteoporose). Zudem bestünden Abnutzungserscheinungen auch an beruflich nicht belasteten Wirbelsäulenabschnitten.
Aufgrund dieser Stellungnahme lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20.06.2003 die Anerkennung einer BK nach den Nr.2108 bzw. 2110 der Anlage zur BKV ab. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung liege nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vor. Auf den Widerspruch der Klägerin holte die Beklagte eine weitere Stellungnahme des beratenden Arztes Dr.G. vom 18.09.2003 ein. Er führte aus, die bandscheibenbedingten Veränderungen L4/L5 sowie L5/S1 seien nicht mit Wahrscheinlichkeit durch berufsbedingte Belastungen im Sinne der BK Nr.2108 verursacht worden. Dagegen spreche das weitgehende Fehlen spondylotischer, osteochondrotischer und chondrotischer Veränderungen im oberen LWS-Abschnitt sowie des Nachweises belastungsadaptiver Reaktionen, die rechtskonvexe Drehverbiegung der LWS und die lumbosakrale Übergangsstörung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2003 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben. Sie hat beantragt, die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufzuheben und diese dem Grunde nach zu verurteilen, ihr Entschädigung aufgrund einer Berufskrankheit entsprechend BK 2108 und/oder 2110 zu gewähren. Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 25.06.2004 unter Aufhebung des Bescheides vom 20.06.2003 sowie des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2003 verpflichtet, der Klägerin eine Entschädigung wegen einer Berufskrankheit entsprechend Ziff. 2108 der Anlage zur BKV zu gewähren. Zur Begründung hat es sich auf das Gutachten des Prof.Dr.Z. gestützt.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie hat dargelegt, dass die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der beruflichen Belastung und der bandscheibenbedingten Erkrankung der Klägerin nicht nachgewiesen sei und auf die Stellungnahmen des Dr.G. und der Dr.H. Bezug genommen. Der Senat hat die Röntgenbilder von Dr.H. und dem Krankenhaus R. beigezogen und Gutachten des Prof.Dr.L. vom 17.11.2004/ 22.12.2005 sowie nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des Dr.H. vom 06.07.2005 eingeholt. Der Orthopäde Prof.Dr.L. ist zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliegt. Diese Erkrankung sei jedoch nicht durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten und auch nicht durch langjährige vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen verursacht bzw. wesentlich mitverursacht worden. Es liege keine vorzeitige Osteochondrose der unteren Bandscheibensegmente vor, auch nicht die von Lindemann/Junghans geforderte Akzeleration des Verschleißes der LWS im Sinne einer sogenannten Linksverschiebung der Prävalenzkurven. Im Röntgenbild finde sich auch kein so genannter Segmentsprung vom Lendenwirbelkörper 3 zum Lendenwirbelkörper 4 und ebenfalls keine spondylotischen Randlippenreaktionen in den unteren Bewegungssegmenten der Brustwirbelsäule (BWS) sowie im oberen Segment der LWS. Vielmehr bestehe eine Prädisposition zu einem Bandscheibenverschleiß durch die vorbestehende zusammengesetzte Torsionsskoliose der BWS und der LWS. Außerdem liege eine lumbosakrale Übergangsstörung vor sowie eine Fehlbelastung der Wirbelsäule mit verstärkter dorsaler Kyphose. Die nachweisbaren segmentalen Bandscheibenveränderungen Z5 und Z6 entsprächen dem altersüblich durchschnittlich zu erwartenden Maße. Die Prädisposition für die degenerativen Veränderungen an der LWS würden ganz erheblich überwiegen, so dass der äußeren Exposition keine wesentliche Mitwirkung zuzusprechen sei.
Dr.H. ist davon ausgegangen, dass die beruflichen Einwirkungen, die durch die arbeitstechnische Arbeitsplatzanalyse als gegeben nachgewiesen seien, eine wesentliche Teilursache für den an der LWS aufgetretenen Bandscheibenschaden seien. Der Bandscheibenschaden im Segment L4/L5 gehe über das altersentsprechende Maß weit hinaus. Desweiteren zeigten sich in den vorliegenden CT-Befunden weitere Bandscheibenveränderungen der Segmente L2 bis L4, wobei die in den konventionellen Röntgenaufnahmen zu sehenden degenerativen Veränderungen eher als gering einzustufen seien. Die als prädiskotische Deformität beschriebene Fehlstatik bei Skoliose sei bei der geringgradig ausgeprägten BWS-Skoliose von eher untergeordneter Bedeutung. Gleiches gelte für die Osteoporose. Seines Erachtens sei der vorliegende Bandscheibenschaden an der LWS zu 30% durch Vorschäden und zu 70% durch die berufliche, langjährige Belastung bedingt. Die MdE betrage ab 15.12.2001 50 v.H. und sei zu 70% berufsbedingt und zu 30% durch die Vorschäden bedingt. Die Beklagte hat in ihrer Stellungnahme vom 04.10.2005 dargelegt, dass das Gutachten des Dr.H. nicht schlüssig begründet sei. Es habe keine Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Prof.Dr.L. stattgefunden.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 25.06.2004 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 25.06.2004 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 20.06.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2003 abzuweisen.
Die Beteiligten stimmen einer Entscheidung auch über die BK Nr. 2110 der BKV zu.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten bei- der Instanzen sowie die beigezogene Beklagtenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialge- richtsgesetz - SGG -). Sie ist auch begründet, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung ihrer Beschwerden im Lendenwirbelsäulenbereich als BK gemäß Nr. 2108 bzw. Nr. 2110 der Anlage zur BKV i.V.m. §§ 9 Abs.1, 56 Abs.1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Der Senat konnte auch über das Vorliegen eines Anspruchs nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV entscheiden, den das SG im Urteil vom 25.06.2004 übergangen hatte, denn die Beteiligten erklärten sich hiermit einverstanden (siehe Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2006).
Zwar leidet die Klägerin an bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS. Diese sind jedoch nicht wesentlich durch die berufliche Tätigkeit der Klägerin ab 1956 in der Landwirtschaft verursacht worden, sondern sind veranlagungsbedingt.
Nach § 9 Abs.1 SGB VII sind BKen solche Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die der Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Zu den vom Verordnungsgeber als entschädigungswürdig erachteten BKn gehören nach der Nr.2108 der BKV "bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können", und nach Nr.2110 "bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Die Anerkennung und Entschädigung einer BK der Nrn.2108 und 2110 setzt voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen Voraussetzungen, nämlich bandscheibenschädigendes langjähriges Heben und Tragen von Lasten für die Nr.2108 oder langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen für die Nr.2110, erfüllt sind, zum anderen das typische Krankheitsbild der BK vorliegt und dieses im Sinne der unfallversicherungsrechtlichen Kausalitätslehre mit Wahrscheinlichkeit auf die wirbelsäulenbelastende Tätigkeit zurückzuführen ist (vgl. Kasseler Kommentar, Ricke, § 9 SGB VII RdNr.42, 43). Schließlich muss die schädigende Tätigkeit aufgegeben sein. Die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs liegt vor, wenn nach vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (vgl. u.a. BSG vom 18.11.1997, SGb. 1999, 39). Dies gilt, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Unfallversicherung, § 9 SGB VII, Anm.10.1 m.w.N.). Die Beweislast dafür, dass die Erkrankung der Wirbelsäule durch die arbeitsplatzbezogene Einwirkung verursacht worden ist, trägt der Versicherte.
Die Klägerin erfüllt die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Feststellung einer BK nach Nr.2108 wie auch Nr.2110 der Anlage zur BKV. Sie war mehr als 40 Jahre in der Landwirtschaft tätig und dort berufsbedingten Belastungen ausgesetzt. Dies hat der TAD der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 29.10.2002 festgestellt. Zutreffend hat der TAD dabei die beruflichen Einwirkungen der beiden BKen nach Nr.2108 und Nr.2110 zusammengerechnet, da zwischen der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS aufgrund der einen und der anderen BK nicht unterschieden werden kann (Becker, Die aktuelle Rechtsprechung zu den Wirbelsäulen-Berufskrankheiten, SGb. 2000, 116, 118), so dass sich ein Gesamtbelastungsgrad von 85,4 % ergab. Die Klägerin leidet auch an einer bandscheibenbedingten Erkrankung im Bereich der LWS. Die Sachverständigen haben übereinstimmend dargelegt, dass im Segment L4/L5 ein über das altersentsprechend übliche Maß weit hinausgehender Bandscheibenschaden vorliegt, der Grund für die operative Intervention am 12.10.2001 im Krankenhaus B. , R. , war. Nach den derzeitigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen sind aber zusätzlich folgende Voraussetzungen zu erfüllen, um eine beruflich bedingte Verursachung der Bandscheibenschäden im Sinne der BK Nr.2108 und der BK Nr.2110 anzunehmen (Becker, a.a.O., 118): - Belastungskonformes Schadensbild mit von unten nach oben abnehmenden Schäden (lokale Korrelation des Schadensbildes mit beruflichen Einwirkungen), - auftretende Beschwerden nach einer beruflichen Belastung von grundsätzlich mehr als 10 Jahren sowie eine plausible zeitliche Korrelation der Entwicklung des Schadensbildes mit den gesicherten beruflichen Belastungen, - altersvorauseilender Verschleiß, - Fehlen konkurrierender Verursachungsmöglichkeiten statischer, entzündlicher bzw. anlagebedingter Genese.
Diese zusätzlichen Voraussetzungen gelten sowohl für die BK Nr.2108 als auch für die BK Nr.2110, da im Einzelfall die Krankheitsbilder der beiden Berufskrankheiten nicht voneinander unterscheidbar sind und trotz verschiedenartiger Einwirkungen in der Regel nur die Anerkennung einer Berufskrankheit nach den beiden Nrn.2108 und 2110 in Betracht kommt (synergetisch wirkende Belastungen) (Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, 570).
Unter Zugrundelegung der überzeugenden wissenschaftlichen Lehrmeinung und des Ergebnisses im Gutachten des Prof.Dr.L. kann ein Ursachenzusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit der Klägerin in der Landwirtschaft und den Bandscheibenschäden nicht angenommen werden. Für ein belastungskonformes Krankheitsbild ist in der Regel ein von oben nach unten in der Ausprägung zunehmender Befund der Bandscheiben erforderlich (Schönberger, Mehrtens, Valentin, a.a.O., 579; Becker, SGB 2000, 116, 119), da beim Heben und Tragen die Belastungen für das unterste Segment L5/S1 um etwa 30 % höher sind als für das oberste Segment L1/L2. Ein derartiger Befund ist jedoch bei der Klägerin röntgenologisch nicht nachweisbar. Segmentale Bandscheibenveränderungen bei den Bandscheiben Z5 und Z6, die das altersüblich durchschnittlich zu erwartende Maß überschreiten, sind nicht nachweisbar, wie Prof.Dr.L. darlegt. Insgesamt ließen sich bei der Klägerin keine den Altersdurchschnitt übersteigenden segmentalen Bandscheibenveränderungen nachweisen. Es liegt also keine Linksverschiebung im Vergleich zur Altersgruppe vor, wie Prof.Dr.L. ausführte. Bei der Klägerin liegen auch keine belastungsadaptiven Reaktionen auf eine schädigende äußere Einwirkung in Form einer dem Lebensalter vorauseilenden Osteochondrose und/oder Spondylose in den von den äußeren Belastungen besonders betroffenen Segmenten der LWS vor (vgl. Schönberger, Mehrtens, Valentin, a.a.O., 580). Prof.Dr.L. hat hierzu festgestellt, dass keine vorzeitige Osteochondrose der unteren Bandscheibensegmente radiologisch belegt ist. Ebensowenig sind im Röntgenbild spondylotische Randlippenreaktionen in den unteren Bewegungssegmenten der BWS sowie im oberen Segment der LWS nachweisbar.
Für den Senat ist von besonderer Bedeutung, dass bei der Klägerin anlagebedingte, konkurrierende Verursachungsmöglichkeiten nachgewiesen wurden, die zu einer Verneinung des Kausalzusammenhangs zwischen der beruflichen Belastung und der LWS-Erkrankung führen. So ist bei der Klägerin eine angeborene lumbosakrale Übergangsstörung zwischen dem Lenden- und dem Kreuzbein mit Bildung eines sechsten Lendenwirbelkörpers durch Lumbalisation des ersten Kreuzbeinwirbelkörpers gegeben. Diese prädiskotische Deformität führt regelmäßig zu einer Verneinung des Kausalzusammenhangs zwischen beruflicher Belastung und LWS-Erkrankung (Becker, SGB 2000, 116, 120). Eine weitere Prädisposition zu einem Bandscheibenverschleiß liegt in der mäßiggradigen Skoliose der BWS (Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, M2108, Anm.4.2), die aufgrund der durch sie verursachten Fehlhaltung zu einer asymetrischen Belastung mit vorzeitigem Bandscheibenverschleiß führen kann. Außerdem liegt bei der Klägerin eine verstärkte dorsale Kyphose vor, die ebenfalls eine Fehlbelastung bedingt.
Im Ergebnis lässt sich also aufgrund der bei der Klägerin vorliegenden konkurrierenden Ursachen für eine Bandscheibenerkrankung - die lumbosakrale Übergangsstörung, die Skoliose und die verstärkte dorsale Kyphose - sowie aufgrund des nicht belastungskonformen Krankheitsbildes nicht nachweisen, dass die beruflichen Belastungen der langjährigen beruflichen Tätigkeit in der Landwirtschaft wesentliche Ursache für die Bandscheibenerkrankung waren. Der Senat kommt auch unter Berücksichtigung des Gutachtens des Dr.H. sowie des bereits von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachtens des Prof.Dr.Z. zu keinem anderen Ergebnis. Dr.H. hat die von ihm in Übereinstimmung mit Prof.Dr.L. festgestellten Befunde der Klägerin in nicht überzeugender Weise gewürdigt. Er sieht sehr wohl die prädiskotischen Deformitäten der Klägerin, die Skoliose, die Lumbalisation des ersten Sakralwirbelkörpers und die mittlerweile vorliegende Osteoporose. Insoweit führt er jedoch ohne überzeugende Begründung aus, dass die Skoliose von eher untergeordneter Bedeutung sei und behauptet lediglich unter Verweis auf die langjährige persönliche Erfahrung, dass die Bandscheibenschäden der Klägerin an der LWS zu 70% durch die berufliche langjährige Belastung bedingt seien. Dies genügt den Anforderungen an den Nachweis der haftungsausfüllenden Kausalität nicht. Auch im Gutachten des Prof.Dr.Z. findet der Senat keine überzeugenden Argumente für eine berufsbedingte Verursachung der Bandscheibenschäden an der LWS. Der Sachverständige verweist in seinem Gutachten lediglich darauf, dass die Grenzwerte der Belastung bei der Klägerin überschritten wurden, ohne sich mit der Kausalität der bei der Klägerin vorliegenden Vorschäden für die Erkrankung zu beschäftigen. Dies haben die Stellungnahmen der Dr.H. und des Dr.G. bereits überzeugend dargelegt. Aufgrund der Beweisaufnahme des Senats steht somit fest, dass ausreichende Nachweise eines Kausalzusammenhangs zwischen der beruflichen Tätigkeit der Klägerin und ihrer Bandscheibenerkrankung im Bereich der LWS fehlen.
Das Urteil des Sozialgerichts war aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen.
II. Die Klage gegen den Bescheid vom 20.06.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2003 wird abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) als Berufskrankheit (BK) nach Nr.2108 bzw. Nr.2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Die 1942 geborene Klägerin war ab 1956 fortlaufend in der Landwirtschaft auf dem Hof ihrer Eltern tätig, der ab 1976 von ihrem Ehemann übernommen worden war. Im Oktober 2001 erlitt sie einen Bandscheibenvorfall im Segment der Lendenwirbelkörper 4 und 5, der operativ im Krankenhaus B. R. , Abteilung für Neurochirurgie, entfernt wurde.
Ab 21.03.2002 prüfte die Beklagte auf Veranlassung ihres Ehemannes, ob bei der Klägerin eine BK vorliegt. Zur Aufklärung des Sachverhalts holte sie Befundberichte der Dres.S. , G. , H. , D. , C., des Krankenhauses der B. und die medizinischen Unterlagen der Landesversicherungsanstalt Niederbayern/Oberpfalz ein sowie eine Arbeitsplatzanalyse des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 29.10.2002. Dieser hielt die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule für gegeben.
Zur Klärung der medizinischen Voraussetzungen holte die Beklagte ein Gutachten des Prof.Dr.Z. (Krankenhaus R. , Orthopädische Klinik W.) ein, der eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule diagnostizierte. Es bestehe eine Fußsenkerlähmung beidseits, Empfindungsstörungen beider Unterschenkel und Füße bei Zustand nach Bandscheibenoperation L4/L5 rechts wegen eines großen, rechts mediolateral gelegenen Bandscheibenvorfalls und gleichzeitig vorliegender degenerativer Rückenmarkkanaleinengung im Bandscheibenabschnitt zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbelkörper, degenerative Veränderungen im Bandscheibenfach L4/L5 mit geringgradiger Höhenminderung des Zwischenwirbelraumes, degenerative Veränderungen im Bereich der Dornfortsätze im Sinne eines sogenannten Baastrup-Phänomens, deutliche Kalksalzminderung im Sinne einer Osteoporose, angeborene Übergangsstörung zwischen dem 5. Lendenwirbel und dem 1. Kreuzbeinwirbel mit entsprechenden degenerativen Veränderungen in diesem Wirbelsäulenabschnitt, klinisch beginnende Gonarthrose rechts sowie eine Störung der Blasen-Mastdarmfunktion. Ursache seien die beruflichen Einwirkungen durch Heben und Tragen von schweren Lasten sowie eine Übergangsstörung zwischen dem 5. Lenden- und 1. Kreuzbeinwirbel und eine deutliche Kalksalzminderung im Sinne einer Osteoporose. Die Voraussetzungen der BK Nr.2108, nicht jedoch der Nr.2110 der Anlage zur BKV seien erfüllt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage ab 15.12.2001 auf Dauer 50 v.H. Demgegenüber ging die Gewerbeärztin Dr. H. in der Stellungnahme vom 22.05.2003 davon aus, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr.2108 nicht gegeben seien. Die berufliche LWS-Belastung sei nicht wesentliche Teilursache für den Bandscheibenschaden an der LWS, da anlagebedingte prädiskotische Deformitäten bestünden, die von sich aus geeignet erschienen, eine Bandscheibendegeneration an der Wirbelsäule zu beschleunigen (Fehlstatik bei Lumbalskoliose, Übergangsstörung L5/S1 und Osteoporose). Zudem bestünden Abnutzungserscheinungen auch an beruflich nicht belasteten Wirbelsäulenabschnitten.
Aufgrund dieser Stellungnahme lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20.06.2003 die Anerkennung einer BK nach den Nr.2108 bzw. 2110 der Anlage zur BKV ab. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung liege nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vor. Auf den Widerspruch der Klägerin holte die Beklagte eine weitere Stellungnahme des beratenden Arztes Dr.G. vom 18.09.2003 ein. Er führte aus, die bandscheibenbedingten Veränderungen L4/L5 sowie L5/S1 seien nicht mit Wahrscheinlichkeit durch berufsbedingte Belastungen im Sinne der BK Nr.2108 verursacht worden. Dagegen spreche das weitgehende Fehlen spondylotischer, osteochondrotischer und chondrotischer Veränderungen im oberen LWS-Abschnitt sowie des Nachweises belastungsadaptiver Reaktionen, die rechtskonvexe Drehverbiegung der LWS und die lumbosakrale Übergangsstörung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2003 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben. Sie hat beantragt, die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufzuheben und diese dem Grunde nach zu verurteilen, ihr Entschädigung aufgrund einer Berufskrankheit entsprechend BK 2108 und/oder 2110 zu gewähren. Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 25.06.2004 unter Aufhebung des Bescheides vom 20.06.2003 sowie des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2003 verpflichtet, der Klägerin eine Entschädigung wegen einer Berufskrankheit entsprechend Ziff. 2108 der Anlage zur BKV zu gewähren. Zur Begründung hat es sich auf das Gutachten des Prof.Dr.Z. gestützt.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie hat dargelegt, dass die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der beruflichen Belastung und der bandscheibenbedingten Erkrankung der Klägerin nicht nachgewiesen sei und auf die Stellungnahmen des Dr.G. und der Dr.H. Bezug genommen. Der Senat hat die Röntgenbilder von Dr.H. und dem Krankenhaus R. beigezogen und Gutachten des Prof.Dr.L. vom 17.11.2004/ 22.12.2005 sowie nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des Dr.H. vom 06.07.2005 eingeholt. Der Orthopäde Prof.Dr.L. ist zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliegt. Diese Erkrankung sei jedoch nicht durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten und auch nicht durch langjährige vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen verursacht bzw. wesentlich mitverursacht worden. Es liege keine vorzeitige Osteochondrose der unteren Bandscheibensegmente vor, auch nicht die von Lindemann/Junghans geforderte Akzeleration des Verschleißes der LWS im Sinne einer sogenannten Linksverschiebung der Prävalenzkurven. Im Röntgenbild finde sich auch kein so genannter Segmentsprung vom Lendenwirbelkörper 3 zum Lendenwirbelkörper 4 und ebenfalls keine spondylotischen Randlippenreaktionen in den unteren Bewegungssegmenten der Brustwirbelsäule (BWS) sowie im oberen Segment der LWS. Vielmehr bestehe eine Prädisposition zu einem Bandscheibenverschleiß durch die vorbestehende zusammengesetzte Torsionsskoliose der BWS und der LWS. Außerdem liege eine lumbosakrale Übergangsstörung vor sowie eine Fehlbelastung der Wirbelsäule mit verstärkter dorsaler Kyphose. Die nachweisbaren segmentalen Bandscheibenveränderungen Z5 und Z6 entsprächen dem altersüblich durchschnittlich zu erwartenden Maße. Die Prädisposition für die degenerativen Veränderungen an der LWS würden ganz erheblich überwiegen, so dass der äußeren Exposition keine wesentliche Mitwirkung zuzusprechen sei.
Dr.H. ist davon ausgegangen, dass die beruflichen Einwirkungen, die durch die arbeitstechnische Arbeitsplatzanalyse als gegeben nachgewiesen seien, eine wesentliche Teilursache für den an der LWS aufgetretenen Bandscheibenschaden seien. Der Bandscheibenschaden im Segment L4/L5 gehe über das altersentsprechende Maß weit hinaus. Desweiteren zeigten sich in den vorliegenden CT-Befunden weitere Bandscheibenveränderungen der Segmente L2 bis L4, wobei die in den konventionellen Röntgenaufnahmen zu sehenden degenerativen Veränderungen eher als gering einzustufen seien. Die als prädiskotische Deformität beschriebene Fehlstatik bei Skoliose sei bei der geringgradig ausgeprägten BWS-Skoliose von eher untergeordneter Bedeutung. Gleiches gelte für die Osteoporose. Seines Erachtens sei der vorliegende Bandscheibenschaden an der LWS zu 30% durch Vorschäden und zu 70% durch die berufliche, langjährige Belastung bedingt. Die MdE betrage ab 15.12.2001 50 v.H. und sei zu 70% berufsbedingt und zu 30% durch die Vorschäden bedingt. Die Beklagte hat in ihrer Stellungnahme vom 04.10.2005 dargelegt, dass das Gutachten des Dr.H. nicht schlüssig begründet sei. Es habe keine Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Prof.Dr.L. stattgefunden.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 25.06.2004 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 25.06.2004 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 20.06.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2003 abzuweisen.
Die Beteiligten stimmen einer Entscheidung auch über die BK Nr. 2110 der BKV zu.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten bei- der Instanzen sowie die beigezogene Beklagtenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialge- richtsgesetz - SGG -). Sie ist auch begründet, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung ihrer Beschwerden im Lendenwirbelsäulenbereich als BK gemäß Nr. 2108 bzw. Nr. 2110 der Anlage zur BKV i.V.m. §§ 9 Abs.1, 56 Abs.1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Der Senat konnte auch über das Vorliegen eines Anspruchs nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV entscheiden, den das SG im Urteil vom 25.06.2004 übergangen hatte, denn die Beteiligten erklärten sich hiermit einverstanden (siehe Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2006).
Zwar leidet die Klägerin an bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS. Diese sind jedoch nicht wesentlich durch die berufliche Tätigkeit der Klägerin ab 1956 in der Landwirtschaft verursacht worden, sondern sind veranlagungsbedingt.
Nach § 9 Abs.1 SGB VII sind BKen solche Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die der Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Zu den vom Verordnungsgeber als entschädigungswürdig erachteten BKn gehören nach der Nr.2108 der BKV "bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können", und nach Nr.2110 "bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Die Anerkennung und Entschädigung einer BK der Nrn.2108 und 2110 setzt voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen Voraussetzungen, nämlich bandscheibenschädigendes langjähriges Heben und Tragen von Lasten für die Nr.2108 oder langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen für die Nr.2110, erfüllt sind, zum anderen das typische Krankheitsbild der BK vorliegt und dieses im Sinne der unfallversicherungsrechtlichen Kausalitätslehre mit Wahrscheinlichkeit auf die wirbelsäulenbelastende Tätigkeit zurückzuführen ist (vgl. Kasseler Kommentar, Ricke, § 9 SGB VII RdNr.42, 43). Schließlich muss die schädigende Tätigkeit aufgegeben sein. Die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs liegt vor, wenn nach vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (vgl. u.a. BSG vom 18.11.1997, SGb. 1999, 39). Dies gilt, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Unfallversicherung, § 9 SGB VII, Anm.10.1 m.w.N.). Die Beweislast dafür, dass die Erkrankung der Wirbelsäule durch die arbeitsplatzbezogene Einwirkung verursacht worden ist, trägt der Versicherte.
Die Klägerin erfüllt die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Feststellung einer BK nach Nr.2108 wie auch Nr.2110 der Anlage zur BKV. Sie war mehr als 40 Jahre in der Landwirtschaft tätig und dort berufsbedingten Belastungen ausgesetzt. Dies hat der TAD der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 29.10.2002 festgestellt. Zutreffend hat der TAD dabei die beruflichen Einwirkungen der beiden BKen nach Nr.2108 und Nr.2110 zusammengerechnet, da zwischen der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS aufgrund der einen und der anderen BK nicht unterschieden werden kann (Becker, Die aktuelle Rechtsprechung zu den Wirbelsäulen-Berufskrankheiten, SGb. 2000, 116, 118), so dass sich ein Gesamtbelastungsgrad von 85,4 % ergab. Die Klägerin leidet auch an einer bandscheibenbedingten Erkrankung im Bereich der LWS. Die Sachverständigen haben übereinstimmend dargelegt, dass im Segment L4/L5 ein über das altersentsprechend übliche Maß weit hinausgehender Bandscheibenschaden vorliegt, der Grund für die operative Intervention am 12.10.2001 im Krankenhaus B. , R. , war. Nach den derzeitigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen sind aber zusätzlich folgende Voraussetzungen zu erfüllen, um eine beruflich bedingte Verursachung der Bandscheibenschäden im Sinne der BK Nr.2108 und der BK Nr.2110 anzunehmen (Becker, a.a.O., 118): - Belastungskonformes Schadensbild mit von unten nach oben abnehmenden Schäden (lokale Korrelation des Schadensbildes mit beruflichen Einwirkungen), - auftretende Beschwerden nach einer beruflichen Belastung von grundsätzlich mehr als 10 Jahren sowie eine plausible zeitliche Korrelation der Entwicklung des Schadensbildes mit den gesicherten beruflichen Belastungen, - altersvorauseilender Verschleiß, - Fehlen konkurrierender Verursachungsmöglichkeiten statischer, entzündlicher bzw. anlagebedingter Genese.
Diese zusätzlichen Voraussetzungen gelten sowohl für die BK Nr.2108 als auch für die BK Nr.2110, da im Einzelfall die Krankheitsbilder der beiden Berufskrankheiten nicht voneinander unterscheidbar sind und trotz verschiedenartiger Einwirkungen in der Regel nur die Anerkennung einer Berufskrankheit nach den beiden Nrn.2108 und 2110 in Betracht kommt (synergetisch wirkende Belastungen) (Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, 570).
Unter Zugrundelegung der überzeugenden wissenschaftlichen Lehrmeinung und des Ergebnisses im Gutachten des Prof.Dr.L. kann ein Ursachenzusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit der Klägerin in der Landwirtschaft und den Bandscheibenschäden nicht angenommen werden. Für ein belastungskonformes Krankheitsbild ist in der Regel ein von oben nach unten in der Ausprägung zunehmender Befund der Bandscheiben erforderlich (Schönberger, Mehrtens, Valentin, a.a.O., 579; Becker, SGB 2000, 116, 119), da beim Heben und Tragen die Belastungen für das unterste Segment L5/S1 um etwa 30 % höher sind als für das oberste Segment L1/L2. Ein derartiger Befund ist jedoch bei der Klägerin röntgenologisch nicht nachweisbar. Segmentale Bandscheibenveränderungen bei den Bandscheiben Z5 und Z6, die das altersüblich durchschnittlich zu erwartende Maß überschreiten, sind nicht nachweisbar, wie Prof.Dr.L. darlegt. Insgesamt ließen sich bei der Klägerin keine den Altersdurchschnitt übersteigenden segmentalen Bandscheibenveränderungen nachweisen. Es liegt also keine Linksverschiebung im Vergleich zur Altersgruppe vor, wie Prof.Dr.L. ausführte. Bei der Klägerin liegen auch keine belastungsadaptiven Reaktionen auf eine schädigende äußere Einwirkung in Form einer dem Lebensalter vorauseilenden Osteochondrose und/oder Spondylose in den von den äußeren Belastungen besonders betroffenen Segmenten der LWS vor (vgl. Schönberger, Mehrtens, Valentin, a.a.O., 580). Prof.Dr.L. hat hierzu festgestellt, dass keine vorzeitige Osteochondrose der unteren Bandscheibensegmente radiologisch belegt ist. Ebensowenig sind im Röntgenbild spondylotische Randlippenreaktionen in den unteren Bewegungssegmenten der BWS sowie im oberen Segment der LWS nachweisbar.
Für den Senat ist von besonderer Bedeutung, dass bei der Klägerin anlagebedingte, konkurrierende Verursachungsmöglichkeiten nachgewiesen wurden, die zu einer Verneinung des Kausalzusammenhangs zwischen der beruflichen Belastung und der LWS-Erkrankung führen. So ist bei der Klägerin eine angeborene lumbosakrale Übergangsstörung zwischen dem Lenden- und dem Kreuzbein mit Bildung eines sechsten Lendenwirbelkörpers durch Lumbalisation des ersten Kreuzbeinwirbelkörpers gegeben. Diese prädiskotische Deformität führt regelmäßig zu einer Verneinung des Kausalzusammenhangs zwischen beruflicher Belastung und LWS-Erkrankung (Becker, SGB 2000, 116, 120). Eine weitere Prädisposition zu einem Bandscheibenverschleiß liegt in der mäßiggradigen Skoliose der BWS (Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, M2108, Anm.4.2), die aufgrund der durch sie verursachten Fehlhaltung zu einer asymetrischen Belastung mit vorzeitigem Bandscheibenverschleiß führen kann. Außerdem liegt bei der Klägerin eine verstärkte dorsale Kyphose vor, die ebenfalls eine Fehlbelastung bedingt.
Im Ergebnis lässt sich also aufgrund der bei der Klägerin vorliegenden konkurrierenden Ursachen für eine Bandscheibenerkrankung - die lumbosakrale Übergangsstörung, die Skoliose und die verstärkte dorsale Kyphose - sowie aufgrund des nicht belastungskonformen Krankheitsbildes nicht nachweisen, dass die beruflichen Belastungen der langjährigen beruflichen Tätigkeit in der Landwirtschaft wesentliche Ursache für die Bandscheibenerkrankung waren. Der Senat kommt auch unter Berücksichtigung des Gutachtens des Dr.H. sowie des bereits von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachtens des Prof.Dr.Z. zu keinem anderen Ergebnis. Dr.H. hat die von ihm in Übereinstimmung mit Prof.Dr.L. festgestellten Befunde der Klägerin in nicht überzeugender Weise gewürdigt. Er sieht sehr wohl die prädiskotischen Deformitäten der Klägerin, die Skoliose, die Lumbalisation des ersten Sakralwirbelkörpers und die mittlerweile vorliegende Osteoporose. Insoweit führt er jedoch ohne überzeugende Begründung aus, dass die Skoliose von eher untergeordneter Bedeutung sei und behauptet lediglich unter Verweis auf die langjährige persönliche Erfahrung, dass die Bandscheibenschäden der Klägerin an der LWS zu 70% durch die berufliche langjährige Belastung bedingt seien. Dies genügt den Anforderungen an den Nachweis der haftungsausfüllenden Kausalität nicht. Auch im Gutachten des Prof.Dr.Z. findet der Senat keine überzeugenden Argumente für eine berufsbedingte Verursachung der Bandscheibenschäden an der LWS. Der Sachverständige verweist in seinem Gutachten lediglich darauf, dass die Grenzwerte der Belastung bei der Klägerin überschritten wurden, ohne sich mit der Kausalität der bei der Klägerin vorliegenden Vorschäden für die Erkrankung zu beschäftigen. Dies haben die Stellungnahmen der Dr.H. und des Dr.G. bereits überzeugend dargelegt. Aufgrund der Beweisaufnahme des Senats steht somit fest, dass ausreichende Nachweise eines Kausalzusammenhangs zwischen der beruflichen Tätigkeit der Klägerin und ihrer Bandscheibenerkrankung im Bereich der LWS fehlen.
Das Urteil des Sozialgerichts war aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen.
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