L 2 U 424/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 20 U 843/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 424/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.10.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob bei der Klägerin eine Berufskrankheit nach Nr. 4301 bzw. 4302 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) vorliegt.

Laut Berufskrankheitenanzeige der Ärzte für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. S. vom 03.02.2000 bestand der Verdacht auf chemisch-irritativ-toxisches Asthma/Rhinitis/Konjunktivitis als Folge der Tätigkeit der Klägerin über acht Jahre als Verkäuferin in einem Lederwarengeschäft durch Kontakt mit Weichmachern und verschiedenen Farbstoffen. Der Hautarzt Dr. M. attestierte der Klägerin am 08.08.2000, sie habe 1998 wegen eines Ekzems in seiner Behandlung gestanden; die Epicutan-Testung habe eine schwach positive Reaktion auf Thiruam-Mix und Kobaltchlorid ergeben.

Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten stellte fest, die Klägerin habe in 85 bis 90% der Arbeitszeit Verkaufs- bzw. Beratungstätigkeit ausgeübt; während der übrigen Zeit sei sie vorwiegend mit dem Auspacken der Ware und allgemeinen Lagertätigkeiten befasst gewesen. Technische Absaugungen seien nicht vorhanden. Der Verkaufsraum verfüge über Schaufenster mit Oberlichtern, die gekippt werden könnten. Auch habe die Eingangstür ganzjährig immer offen gestanden. Schadstoffmessungen am Arbeitsplatz seien nicht durchgeführt worden. In der gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 21.11.2000 äußerte der Gewerbearzt, der Internist Dr. V. , eine Allergie gegen Plastik, Leder und Klebstoffe habe aufgrund der Untersuchungen von Dr. S. ausgeschlossen werden können. Durch den Nachweis der Typ -IV- Sensibilisierung gegenüber Thiuram-Mix und Kobaltchlorid könnten die atemwegsbezogenen Beschwerden, wie der Verdacht auf ein Asthma bronchiale bzw. die Rhinokonjunktivitis, nicht erklärt werden, da es sich hierbei um Typ -I- Reaktionen handle. Auch fänden sich keine chemisch-irritativen Belastungen bzw. anamnestische Hinweise auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber bestimmten Arbeitsstoffen und nachfolgender Sofortreaktion im Sinne einer Typ-I-Allergie. Die Diagnosen Bronchopneumonie bzw. Bronchitiden in den Jahren 1993 - 1997, laut Unterlagen der Krankenkasse, wiesen auf eine infektgetriggerte Genese der Beschwerdesymtomatik hin.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 25.01.2001 einen Entschädigungsanspruch ab, weil weder eine Berufskrankheit vorliege noch die konkrete Gefahr des Entstehens einer Berufskrankheit bestehe.

Zur Begründung ihres Widerspruchs übersandte die Klägerin ein Schreiben des Allgemeinarztes Z. an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 18.05.2001, in dem ausgeführt wurde, die Klägerin sei wegen eines exogenen allergischen Asthma bronchiale arbeitsunfähig. Ursächlich seien vermutlich Lederkonservierungsstoffe sowie Ausdünstungen aus Verpackungsmaterialien.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2001 zurück. Eine Berufskrankheit nach Ziffer 4302 der Anlage zur BKV scheide schon deshalb aus, weil die Klägerin chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen nicht bzw. nicht in einem Umfang ausgesetzt gewesen sei, der eine Atemwegserkrankung verursachen könne. Auch eine Berufkrankheit nach Ziffer 4301 komme nicht in Betracht, da keine Sensibilisierungen gegenüber berufsbedingten Allergenen bestünden. Zudem habe sich keine allergisch bedingte obstruktive Atemwegserkrankung gefunden.

Im hiergegen gerichteten Klageverfahren hat das Sozialgericht München Unterlagen der behandelnden Ärzte Dr. K. , Dr. W. , Dr. S. , Prof. Dr. Z. und Z. beigezogen und den Arzt für Arbeitsmedizin, Internisten, Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie, Umweltmedizin Prof. Dr. N. zum ärztlichen Sachverständigen ernannt. Im Gutachten vom 20.04.2004 hat Dr. N. ausgeführt, im Rahmen der allergologischen Diagnostik habe keine Typ I Sensibilisierung gegenüber beruflich relevanten Allergenen festgestellt werden können. Gleichfalls zeige sich keine Sensibilisierung gegenüber Bestandteilen der meisten Weichmacher. Auch gegenüber Latex und Formaldehyd habe keine Sensibilisierung nachgewiesen werden können, ebenso wenig gegenüber Schimmelpilzen. Somit ergebe sich kein Anhalt für das Vorliegen eines berufsbedingten exogen-allergischen Asthma bronchiale oder einer berufsbedingten exogen-allergischen Rhinitis. Zwar sei grundsätzlich eine chemisch-irritative Reizung der Schleimhäute der oberen Atemwege durch Bestandteile von Verpackungmaterialien und Grundstoffen denkbar. Grundlage für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4302 sei jedoch der Nachweis einer bronchialen Ob-struktion. Weder bei der lungenfunktionsanalytischen Untersuchung noch in den vorliegenden ärztlichen Befunden habe eine obstruktive Ventilationssstörung dokumentiert werden können. Es habe sich lediglich ein geringgradig hyperreagibles Bronchialsystem nachweisen lassen. Diese unspezifische Überempfindlichkeit der Atemwege sei charakterisiert durch eine überschießende Antwort auf unterschiedlichste exogene Reize wie Infekte, Allergene, chemische, pharmakologische und physikalische Substanzen. Eine Simulation der Arbeitssituation sei nicht möglich gewesen, da Materialproben nicht mehr vorgelegen hätten.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 18.10.2005 abgewiesen und sich dabei im Wesentlichen auf das Gutachten des Prof. Dr. N. gestützt.

Im Berufungsverfahren wurde die am 29.11.2005 eingelegte Be- rufung nicht begründet; die Klägerin hat zuletzt am 08.05.2006 mitteilen lassen, sie warte noch auf ärztliche Unterlagen.

Die Klägerin stellte sinngemäß den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.10.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.01.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10. 2001 zu verurteilen, eine Berufskrankheit nach Ziffer 4301 bzw. 4302 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und mit einer Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen wird (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG-). Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass der Internist Dr. W. , der am 08.05.2002 im Rentenstreitverfahren der Klägerin ein Gutachten erstellte, ausgeführt hat, die Klägerin schildere ein weitgestreutes und zunehmendes Beschwerdebild. Eingehende allergologische und lungenfachärztliche Untersuchungen haben aber, so auch Dr. W. , keinen diesbezüglich verwertbaren Befund ergeben. Insbesondere weist auch Dr. W. darauf hin, dass keine wesentliche Lungenfunktionsstörung nachgewiesen ist. Eine allergische Reaktion auf Thiuram-Mix und Kobaltchlorid ist, so Dr. W. , allein auf die Haut beschränkt. Wie Dr. W. betont, basiert das Beschwerdebild der Klägerin nur auf subjektiven Empfindungen, ein objektiver Tatbestand ist nicht gesichert. Insbesondere ist eine Allergie gegen Plastik, Lack und Klebstoffe ausgeschlossen. Auch fand sich in der lungenfachärztlichen Untersuchung durch Dr. S. kein Hinweis für eine Hyperreagibilität der Bronchialschleimhaut als Voraussetzung für eine allergische Lungenfunktionsstörung. Wenn der Arzt für Allgemeinmedizin Z. am 18.05.2001 ein exogen-allergisches Asthma bronchiale bestätigt, so liegt, worauf Dr. W. ausdrücklich hinweist, kein einziger Beweis vor, der die Annahme eines exogen-allergischen Asthma bronchiale rechtfertigen würde.

Eine weitere Beweiserhebung ist im Hinblick auf das eingehende Gutachten des Prof. Dr. N. und die umfangreichen ärztlichen Unterlagen in den Akten nicht veranlasst; zumal eine weitergehende Untersuchung durch Dr. K. von Prof. Dr. N. nur zur Ermöglichung einer zielgerichteten Behandlung, nicht aber zur Klärung der Frage des Vorliegens einer Berufskrankheit vorgeschlagen wurde.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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