L 11 AS 95/06 ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AS 403/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 95/06 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Vollstreckung des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 03.04.2006 S 16 AS 403/05 wird vorläufig ausgesetzt.
II. Außergerichtliche Kosten sind im Antragsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Mit Urteil des Sozialgerichts Würzburg (SG) vom 03.04.2006 wurde die Beklagte (unter Abänderung des Bescheides vom 02.06.2005 idF des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2005) verurteilt, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung des Zuschlags nach § 24 SGB II zu bewilligen.

Gegen dieses Urteil hat der Antragsteller (Ast) mit Schriftsatz vom 28.04.2006 - eingegangen bei Gericht am 04.05.2006 - Berufung eingelegt und gleichzeitig die Aussetzung der Vollstreckung des Urteils gemäß § 199 Abs 2 SGG beantragt. Der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung wurde damit begründet, dass das erstinstanzliche Urteil offenkundig falsch sei und der Rechtsprechung des Bayer. Landessozialgerichts widerspräche, wonach ein Zuschlag nach § 24 SGB II nur zu gewähren ist, wenn Arbeitslosengeld II dem Grunde nach gewährt wird.

Der Antragsgegner (Ag) hat sich auf das gerichtliche Schreiben vom 11.05.2006 trotz Fristsetzung im Antragsverfahren nicht geäußert.

II.

Der Aussetzungsantrag ist zulässig.

Gemäß § 199 Abs 2 Satz 1 SGG kann, wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen. Die Statthaftigkeit des Antrags setzt voraus, dass das eingelegte Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat und ein vollstreckbarer Titel iS des § 199 Abs 1 SGG vorliegt. Das Urteil stellt einen vollstreckbaren Titel iS von § 199 Abs 1 Nr 1 SGG dar. Die Berufung gegen dieses Urteil hat keine aufschiebende Wirkung; dies ist im SGG nur der Fall, wenn es besonders angeordnet ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG 8.Aufl 2005 § 199 Nr 3a), also bei der Berufung nur in den Fällen des § 154 SGG. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Der Aussetzungsantrag ist auch begründet.

Das angefochtene Urteil des SG Würzburg entspricht offensichtlich nicht der Rechtslage. Auch wenn es abweichende Meinungen zur Rechtslage gibt, auf die sich das SG insbesondere stützt, ändert dies nichts daran, dass das Urteil offenkundig mit der Rechtslage nicht vereinbar ist. Denn die Literaturmeinung, auf die sich das SG stützt, ist nicht haltbar. Das BayLSG hat bereits mit Urteil vom 23.09.2005 Az: L 7 AS 10/05 entschieden, dass Voraussetzung der Gewährung eines Zuschlags nach § 24 SGB II ist, dass ein Ast einen Anspruch auf Alg II dem Grunde nach besitzt und nicht erst durch Einbezug eines Zuschlages Bedürftigkeit nach dem SGB II entsteht. Dies entspricht offensichtlich auch dem Willen des Gesetzgebers, der nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Bundestags-Drucksache 16/1410) eine entsprechende Klarstellung bez. § 24 SGB II vornehmen will.

Der Antrag scheitert auch nicht an der im Rahmen des § 199 Abs 2 SGG vorzunehmenden Interessenabwägung. Zwar hat der Antrag eines Leistungsträgers nach dem SGB II auf Aussetzung einer Leistung gewährenden erstinstanzlichen Entscheidung, der in der Rechtsmittelinstanz nach § 199 Abs 2 SGG gestellt wird, in der Regel kaum Aussicht auf Erfolg, da den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für existenzsichernde Leistungen hier besonderes Gewicht beikommt und Nachteile, die einem Leistungsträger durch die vorläufige Gewährung von Leistungen entstehen, regelmäßig nicht die Nachteile überwiegen, der einem Ast bei Versagung einer existenzsichernden Leistung entstünden (vgl BayLSG Breithaupt 2006, S 418). Bei der Frage, ob ein Zuschlag nach § 24 SGB II zu gewähren ist, stehen jedoch gerade keine existenzsichernden Leistungen im Vordergrund. Denn der Ast ist nicht bedürftig iS des SGB II und kann für seinen Lebensunterhalt selbst aufkommen. Einen Leistungsanspruch nach dem SGB II würde der Ast nur dann erwerben, wenn man, wie es das SG Würzburg getan hat, einen Zuschlag nach § 24 SGB II gewährt; diese Leistung würde aber über den üblichen existenzsichernden Leistungen des SGB II liegen.

Nach alledem war dem Antrag auf Vollstreckungsschutz nach § 199 Abs 2 SGG stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG (BayLSG in NZS 1997, S 96).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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