Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 52 AS 1070/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 B 223/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 8. März 2006 wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (Bg.) bewilligte dem 1971 geborenen Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf.) Alg II in Höhe von monatlich 790,15 EUR. Den Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung lehnte sie nach Einholung einer Stellungnahme des Dr.R. vom Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit M. mit Bescheid vom 08.08.2005 mit der Begründung ab, das beim Bf. nach ärztlicher Bescheinigung vorliegende Guillain-Barré-Syndrom bedinge nach dem Gutachten des Ärztlichen Dienstes vom 15.07.2005 keinen besonderen Mehrbedarf, vielmehr genüge normale ausgewogene Kost. Den Widerspruch wies die Bg. mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2006 als unbegründet zurück.
Der Bf. hat beim Sozialgericht München (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt und geltend gemacht, seine Krankheit ähnele einer multiplen Sklerose, für die die Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung allgemein anerkannt sei. Mit Beschluss vom 08.03.2006 hat das SG den Antrag abgelehnt, ebenso die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH). Nach den Gesetzesmaterialien könnten bei der Bestimmung der Angemessenheit des Mehrbedarfs die hierzu vom deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge entwickelten und an typisierten Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostenzulagen in der Sozialhilfe herangezogen werden. Von ihnen solle nur abgewichen werden, wenn die dort zugrunde gelegten Annahmen durch neue Erkenntnisse erschüttert seien. Weder die Empfehlungen des Deutschen Vereins noch der Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe vom Januar 2002 noch das Rationalisierungsschema 2004 des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner enthielten einen Hinweis darauf, dass die am Guillain-Barré-Syndrom Erkrankten den an multipler Sklerose Erkrankten gleichzustellen seien. Vor diesem Hintergrund und dem Umstand, dass sich die Aussagen von behandelndem Arzt und Amtsarzt widersprächen, sei ein Anspruch auf Gewährung eines entsprechenden Mehrbedarfs nicht überwiegend wahrscheinlich.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Bf., der eine Stellungnahme eines Mitglieds des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vorlegt und auf den bereits beim SG vorgelegten Aufsatz von Neurologen der Universität des Saarlandes verweist. Er macht geltend, sein Antrag werde durch die von ihm vorgelegte Stellungnahme eines Neurologen unterstützt, während Dr.R. als Allgemeinmediziner nicht über die erforderlichen fachlichen Kenntnisse verfüge.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet.
Zu Recht hat das SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs.1 Sätze 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht vorliegen. Insbesondere ist ein Anordnungsanspruch nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Gegenwärtig steht jedenfalls nicht fest, dass der Bf. im Sinne des § 21 Abs.5 Sozialgesetzbuch (SGB) II aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedarf. In den allgemein als Richtlinien anerkannten Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge für die Gewährung von Krankenkostenzulagen ist das Guillain-Barré-Syndrom nicht als eine Krankheit aufgeführt, die eine kostenaufwändige Ernährung bedingt. Allerdings ist dem Bf. zuzugestehen, dass die dortige Aufzählung nicht abschließend ist (vgl. Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, Rdnr.67 zu § 21). Diesen Empfehlungen kann nur die Qualität einer Richtlinie zuerkannt werden, nicht jedoch können sie als verbindliches Recht angesehen werden. Jedoch ist gegenwärtig nicht ausreichend nachgewiesen, dass an dem Guillain-Barré-Syndrom Erkrankte in ähnlicher Weise wie an multipler Sklerose Erkrankte einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, auch wenn es sich offensichtlich um Krankheitsbilder handelt, die Parallelen aufweisen. In der von dem Kläger vorgelegten Stellungnahme des Privatdozenten Dr.P. , Facharzt für Neurologie, vom 01.06.2005 ist lediglich angegeben, dass das Guillain-Barré-Syndrom als besondere Kostform "Vollkost" erfordere, ohne dass diese Auffassung näher begründet wurde. Diesbezüglich bedarf es weiterer Ermittlungen, unter Umständen der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens, nämlich dazu, ob die Erkrankung des Klägers eine kostenaufwändige Ernährung erfordert. Diese Klärung muss aber dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann diese Klärung weder selbst herbeiführen noch die nach dieser Klärung zu treffende Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen.
Zu Recht hat das SG aus den dargelegten Gründen die Erfolgsaussicht des Antragsverfahrens verneint und die Bewilligung von PKH abgelehnt. Aus den gleichen Gründen war gemäß § 73a SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung der Antrag auf Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (Bg.) bewilligte dem 1971 geborenen Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf.) Alg II in Höhe von monatlich 790,15 EUR. Den Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung lehnte sie nach Einholung einer Stellungnahme des Dr.R. vom Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit M. mit Bescheid vom 08.08.2005 mit der Begründung ab, das beim Bf. nach ärztlicher Bescheinigung vorliegende Guillain-Barré-Syndrom bedinge nach dem Gutachten des Ärztlichen Dienstes vom 15.07.2005 keinen besonderen Mehrbedarf, vielmehr genüge normale ausgewogene Kost. Den Widerspruch wies die Bg. mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2006 als unbegründet zurück.
Der Bf. hat beim Sozialgericht München (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt und geltend gemacht, seine Krankheit ähnele einer multiplen Sklerose, für die die Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung allgemein anerkannt sei. Mit Beschluss vom 08.03.2006 hat das SG den Antrag abgelehnt, ebenso die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH). Nach den Gesetzesmaterialien könnten bei der Bestimmung der Angemessenheit des Mehrbedarfs die hierzu vom deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge entwickelten und an typisierten Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostenzulagen in der Sozialhilfe herangezogen werden. Von ihnen solle nur abgewichen werden, wenn die dort zugrunde gelegten Annahmen durch neue Erkenntnisse erschüttert seien. Weder die Empfehlungen des Deutschen Vereins noch der Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe vom Januar 2002 noch das Rationalisierungsschema 2004 des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner enthielten einen Hinweis darauf, dass die am Guillain-Barré-Syndrom Erkrankten den an multipler Sklerose Erkrankten gleichzustellen seien. Vor diesem Hintergrund und dem Umstand, dass sich die Aussagen von behandelndem Arzt und Amtsarzt widersprächen, sei ein Anspruch auf Gewährung eines entsprechenden Mehrbedarfs nicht überwiegend wahrscheinlich.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Bf., der eine Stellungnahme eines Mitglieds des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vorlegt und auf den bereits beim SG vorgelegten Aufsatz von Neurologen der Universität des Saarlandes verweist. Er macht geltend, sein Antrag werde durch die von ihm vorgelegte Stellungnahme eines Neurologen unterstützt, während Dr.R. als Allgemeinmediziner nicht über die erforderlichen fachlichen Kenntnisse verfüge.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet.
Zu Recht hat das SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs.1 Sätze 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht vorliegen. Insbesondere ist ein Anordnungsanspruch nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Gegenwärtig steht jedenfalls nicht fest, dass der Bf. im Sinne des § 21 Abs.5 Sozialgesetzbuch (SGB) II aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedarf. In den allgemein als Richtlinien anerkannten Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge für die Gewährung von Krankenkostenzulagen ist das Guillain-Barré-Syndrom nicht als eine Krankheit aufgeführt, die eine kostenaufwändige Ernährung bedingt. Allerdings ist dem Bf. zuzugestehen, dass die dortige Aufzählung nicht abschließend ist (vgl. Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, Rdnr.67 zu § 21). Diesen Empfehlungen kann nur die Qualität einer Richtlinie zuerkannt werden, nicht jedoch können sie als verbindliches Recht angesehen werden. Jedoch ist gegenwärtig nicht ausreichend nachgewiesen, dass an dem Guillain-Barré-Syndrom Erkrankte in ähnlicher Weise wie an multipler Sklerose Erkrankte einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, auch wenn es sich offensichtlich um Krankheitsbilder handelt, die Parallelen aufweisen. In der von dem Kläger vorgelegten Stellungnahme des Privatdozenten Dr.P. , Facharzt für Neurologie, vom 01.06.2005 ist lediglich angegeben, dass das Guillain-Barré-Syndrom als besondere Kostform "Vollkost" erfordere, ohne dass diese Auffassung näher begründet wurde. Diesbezüglich bedarf es weiterer Ermittlungen, unter Umständen der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens, nämlich dazu, ob die Erkrankung des Klägers eine kostenaufwändige Ernährung erfordert. Diese Klärung muss aber dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann diese Klärung weder selbst herbeiführen noch die nach dieser Klärung zu treffende Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen.
Zu Recht hat das SG aus den dargelegten Gründen die Erfolgsaussicht des Antragsverfahrens verneint und die Bewilligung von PKH abgelehnt. Aus den gleichen Gründen war gemäß § 73a SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung der Antrag auf Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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