L 7 B 481/06 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 50 AS 465/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 B 481/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Verfahren L 7 B 481/06 AS ER und L 7 B 482/06 AS ER werden unter dem Aktenzeichen L 7 B 481/06 AS ER zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Beschwerden des Antragstellers gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts München vom 28. April 2006 werden zurückgewiesen.
III. Die Erweiterung der Beschwerde im Schriftsatz vom 10. August 2006, die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ihm weitere 154,00 EUR zu zahlen, wird als unzulässig verworfen.
IV. Außergerichtlichen Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beschwerdegegnerin (Bg.) verpflichtet ist, die Kosten für einen Warmwasserboiler und die Anschaffung bzw. die Reparatur eines Küchenherdes zu übernehmen.

Der Beschwerdeführer (Bf.) erhält von der Bg. Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Nach seiner Heirat am 25.11.2005 ist er nach seinen Angaben am 31.03.2006 in die Wohnung seiner Ehefrau und der Kinder umgezogen. Mit Bescheid vom 24.03.2006 lehnte die Bg. zwei Anträge des Bf., die Kosten für einen Warmwasserboiler und die Anschaffung bzw. die Reparatur eines Küchenherdes als Erstausstattung zu übernehmen, mit der Begründung ab, beim Einzug in den bestehenden Hausstand der Ehefrau sei die Gewährung einer Erstausstattung ausgeschlossen.

Der Bf. beantragte am 29.03.2006 beim Sozialgericht München (SG) den Erlass von zwei einstweiligen Anordnungen mit dem Ziel, die Bg. zu verpflichten, die genannten Kosten zu übernehmen. Zur Begründung machte er geltend, es sei ein neuer Haushalt entstanden, nachdem er in die Wohnung seiner Ehefrau gezogen sei, so dass die Kosten für die Geräte als Erstausstattung zu übernehmen seien. Eine Warmwasserversorgung sei in der neuen Wohnung nicht mitvermietet. Die Sicherstellung der Versorgung mit warmem Wasser sei nur über den Boiler möglich. Das hierfür bisher von seiner Frau genutzte Gerät sei unbrauchbar und werde entsorgt. Der Herd sei unbrauchbar und ein solcher nicht mitvermietet. Bei dem vorhandenen Herd mit Cerankochfeld funktioniere der Backofen nicht, er bitte um einen kompatiblen Backofen oder den kompletten Austausch des Gerätes. Das Erziehungsgeld seiner Ehefrau in Höhe von 300,00 EUR werde für notwendige Kfz-Kosten verbraucht. Er benötige ein Fahrzeug zur Arbeitsuche. Es sei nur ein Miniherd vorhanden. Bisher habe seine Frau zwei ausgeliehene transportable Kochplatten und einen transportablen Minibackofen benutzt. Die Reparatur des Herdes würde ca. 400,00 EUR betragen.

Die Bg. vertrat die Ansicht, dass mit der Heirat des Bf. kein neuer Haushalt entstanden sei. Die Voraussetzungen für eine Erstausstattung der Familienwohnung lägen nicht vor, da die Ehefrau dort bereits seit sieben Jahren wohne. Auch die Bewilligung als Darlehen könne nicht erfolgen, weil die Ehefrau Erziehungsgeld erhalte und damit die Bezahlung eines gebrauchten oder neuen Boilers in Raten möglich sei. Zudem seien auf die Ehefrau zwei Kfz zugelassen. Es fehle an der Dringlichkeit einer Entscheidung, da die Bedarfsgemeinschaft das ganze Jahr 2005 mit dem nicht funktionsfähigen Herd zurechtgekommen sei.

Das SG hat die Anträge mit Beschlüssen vom 28.04.2006 mit der Begründung abgelehnt, der Bf. habe keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es liege keine Eilbedürftigkeit vor. Der Bedarfsgemeinschaft stehe zusätzlich zu den Leistungen nach dem SGB II ein Erziehungsgeld in Höhe von 300,00 EUR zur Verfügung. Es sei zuzumuten, von diesem einen Boiler zu kaufen oder reparieren zu lassen bzw. das Erziehungsgeld für die Reparatur des Herdes oder die Anschaffung eines neuen Herdes zu verwenden und die Entscheidung in einem Widerspruchs- bzw. Hauptsacheverfahren abzuwarten. Der Einwand des Bf., er benötige das Erziehungsgeld für das Auto, stehe dem nicht entgegen, da die zwei auf seine Ehefrau zugelassenen Fahrzeuge zum Lebensunterhalt nicht erforderlich seien. Gleiches gelte für den Herd. Die Tatsache, dass der Haushalt ein Jahr lang ohne diesen ausgekommen sei, zeige, dass keine dringende Notlage vorliege.

Der Bf. hat gegen die am 11.05.2006 zugestellten Beschlüsse am 06. bzw. 12.06.2006 Beschwerden eingelegt, denen das SG nicht abgeholfen hat (Beschlüsse vom 19.06.2006). Zur Begründung trägt er vor, es fehle nach wie vor warmes Wasser im Haushalt. In gleicher Angelegenheit sei im Erörterungstermin vor dem Landessozialgericht am 13.04.2006 zwischen der ARGE F. und seiner Frau ein Vergleich ausgehandelt worden, der die Kostenübernahme durch Darlehen bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorgesehen hätte. Der von der ARGE am 19.05.2006 vorgelegte Darlehensvertrag sei aber nicht akzeptabel gewesen, da zum einen der Rückzahlungsbeginn fest auf den 01.01.2007 und nicht auf die Entscheidung in der Hauptsache festgelegt wurde und dieser zum anderen die Verpflichtung enthielt, bei Ausscheiden aus dem Sozialhilfebezug halbjährlich die wirtschaftlichen Verhältnisse darzulegen, um die Rückzahlung des Darlehens zu überprüfen. Hinsichtlich des Herdes habe sich die Situation insoweit verschärft, als nun auch der Minibackofen defekt sei.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß, die Beschlüsse des Sozialgerichts München vom 28. April 2006 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, die Kosten für einen Warmwasserboiler und einen Herd zu übernehmen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Haushaltsgeräte seien grundsätzlich von der Regelleistung er-fasst, sofern es sich nicht um Erstausstattungen handele, was hier nicht der Fall sei, weil nur ein bestehender Haushalt um eine Person erweitert worden sei. Um die von der Regelleistung abgedeckten Bedarfe auch für langlebige Wirtschaftsgüter zu sichern, sei der Hilfeempfänger gehalten, von den monatlichen Geldern Ansparungen für die entsprechenden Anschaffungen zu tätigen. Die Bedarfgemeinschaft benötige keine zwei Autos. Es seien bisher keine Aussagen zu einem Ratenkauf oder dem Kauf eines gebrauchten Boilers getroffen worden. Acht Prozent der Regelleistung entfielen auf die Anschaffung von Möbeln, Apparaten und Hausgeräten. Dies wären monatlich insgesamt 82,88 EUR. Ein Ratenkauf wäre damit möglich gewesen. Eine eventuelle Anzahlung hätte aus dem Erziehungsgeld bestritten werden können.

II.

Die Beschwerden sind zulässig, sachlich aber nicht begründet, weil die vom Bf. begehrte einstweilige Anordnung nicht ergehen kann.

Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Dabei hat der Bf. sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechtes (den Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen.

Zu Recht hat das SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, denn der Bf. hat weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Ein Anordnungsanspruch liegt nicht vor; denn Herd und Wasserboiler sind vorliegend keine Erstausstattung. Bei einer Erstausstattung werden grundsätzlich nur Leistungen gemäß § 23 Abs. 3 SGB II für solche Gegenstände erbracht, die zum notwendigen Bedarf an Hausrat bzw. Haushaltsgegenständen gehören. Der Begriff "Erstausstattung" darf nicht zu eng ausgelegt werden, zumal es im Gegensatz zu § 29 SGB XII an einer Öffnungsklausel für Sondersituationen fehlt und somit die Gefahr steter Bedarfsunterdeckung besteht (Lang, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2005, § 23 RdNr. 101, 96). Er beschränkt sich insbesondere nicht auf Situationen, die durch den Neubezug aus öffentlichen Unterkünften und Untermietverhältnissen ohne eigenen Hausstand sowie dem erstmaligen Bezug einer Wohnung gekennzeichnet sind. Damit würde der Begriff "Erstausstattung" rein zeitlich interpretiert werden. Mit Blick auf Sinn und Zweck des § 23 Abs. 3 SGB II ist der Begriff bedarfsbezogen zu interpretieren (Lang, a.a.O., § 23 RdNr. 97). Die Vorschrift begegnet bestimmten Bedarfslagen, die typischerweise mit einem nicht aus der Regelleistung zu deckenden Mehrbedarf verbunden sind. Ein solcher Mehrbedarf entsteht beispielsweise nach einem Wohnungsbrand oder bei Erstanmietung nach einer Haft (BT-Dr. 15/1514, 60). Über diese vom Gesetzgeber angeführten Beispiele hinaus entsteht ein Mehrbedarf für eine Erstausstattung regelmäßig dann, wenn der Betroffene seine Wohnungsausstattung verloren hat oder nie innehatte (SG Hamburg, Beschluss vom 23.03.2005 - S 57 AS 125/05 ER). Unter den Begriff der Erstausstattung fällt auch ein "neuer Bedarf aufgrund außergewöhnlicher Umstände", wozu z.B. die Geburt eines Kindes führt (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.03.2006 - L 10 B 106/06 AS ER; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12.07.2005 - L 3 ER 45/05 AS; SG Lüneburg, Beschluss vom 20.06.2005 - S 25 AS 231/05 ER; SG Speyer, Be-schluss vom 13.06.2005 - S 16 ER 100/05 AS; SG Hamburg, Beschluss vom 23.03.2005 - S 57 AS 125/05 ER).

Abzugrenzen ist der mit einer Erstausstattung verbundene Mehrbedarf lediglich vom Erhaltungs- und Ergänzungsbedarf, der aus der Regelleistung zu decken ist (Kalhorn, in: Hauck/Noftz, SGB II K 23 RdNr. 20). Damit kann auch beim Umzug von einer Mietwohnung in eine andere ein Erstausstattungsbedarf anfallen, wenn etwa ein Haushaltsgerät oder Möbelstück bisher in der ansonsten eingerichteten Wohnung nicht vorhanden war (Lang, a.a.O., § 23 RdNr. 103).

Der Einzug einer weiteren erwachsenen Person kann nicht als au-ßergewöhnlicher Umstand angesehen werden. Insofern ist keine Vergleichbarkeit mit der Geburt eines Kindes gegeben, durch die z.B. eine andere Möblierung erforderlich wird. Somit ergibt sich durch den Einzug des Bf. in die Wohnung der Ehefrau kein Anspruch auf Gewährung einer Erstausstattung. Zudem waren beide Haushaltsgeräte unstreitig bereits im Haushalt der Ehefrau vorhanden, auch wenn diese nicht mehr funktionierten. Es handelt sich damit eindeutig um einen Erhaltungs- bzw. Ergänzungsbedarf, der von der Regelleistung umfasst ist.

Der Bf. hat auch keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Hin-sichtlich des Herdes ist die Entscheidung über den Antrag nicht eilbedürftig. Bereits die Tatsache, dass der Haushalt ohne Herd auskam, spricht gegen das Vorliegen einer Notlage, aus der wesentliche Nachteile erwachsen können. Zudem kann der Ausfall mit den geliehenen Kochplatten noch weiterhin bis zur Entscheidung in der Hauptsache überbrückt werden.

Hinsichtlich des Wasserboilers ist eine Eilbedürftigkeit nicht grundsätzlich abzusprechen. Aufgrund der Tatsache, dass es sich um einen Vier-Personen-Haushalt handelt, stellt sich die Situation als Notlage dar. Jedoch hat der Bf. selbst die Eilbedürftigkeit in Frage gestellt, indem er das Angebot der Beschwerdegegnerin, die Kosten für den Wasserboiler als Darlehen zu übernehmen, nicht annahm. Die Darlehensbedingungen der Bg. waren nicht derart unzumutbar oder außergewöhnlich, dass das Darlehen aus diesem Grund bei Vorliegen einer wirklichen Notlage nicht in Anspruch genommen werden könnte. Insoweit muss eine Eilbedürftigkeit verneint werden.

Hinzu kommt, dass die Bedarfsgemeinschaft zusätzlich zu den Leistungen des SGB II über Erziehungsgeld in Höhe von 300,00 EUR verfügt, das für die Anschaffung bzw. Reparatur des Herdes bzw. Wasserboilers eingesetzt werden könnte. Die Argumentation des Bf., er benötige das Erziehungsgeld für das Auto, kann nicht greifen, da die Bedarfsgemeinschaft über ein Auto verfügt, das in der momentanen Situation ausreichend ist. Für die Arbeitsuche und die Besorgungen für die Kinder ist es nicht erforderlich, zwei Autos bereitzuhalten, insbesondere da auch in eingeschränktem Umfang auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgegriffen werden kann.

Die Erweiterung der Beschwerden um die Erstattung weiterer 154,00 EUR (insbesondere für die Benutzung des Hallen- bzw. Freibades) ist unzulässig, da diese Ansprüche nicht Gegenstand der vorliegenden Beschwerdeverfahren sind. Es fehlt insoweit das Rechtsschutzbedürfnis, da der Bf. sich mit diesen Begehren zunächst an die ARGE F. wenden muss.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit einem weiteren Rechtsmittel anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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