Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AS 303/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 532/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Be schluss des Sozialgericht Bayreuth vom 06.06.2006 auf gehoben. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches gegen den Bescheid vom 14.03.2006 wird abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Absenkung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) um 30 % für die Zeit vom 01.03.2006 bis 30.06.2006.
Dem Antragsteller (Ast) unterbreitete die Antragsgegnerin (Ag) am 21.12.2005 einen Vermittlungsvorschlag mit Rechtsfolgenbelehrung betreffend die Firma N. Systems GmbH. Am 05.01.2005 teilte diese mit, der Ast habe sich dort nicht beworben. Angehört hierzu erklärte der Ast, seine Druckerpatrone habe erst ab 13.01.2006 wieder funktioniert und er habe sich dann sofort beworben. Mit Bescheid vom 14.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2006 senkte die Ag das Alg II für 3 Monate ab 01.04.2006 um 30 vH des Regelsatzes ab. Hiergegen hat der Ast Klage erhoben, über die noch nicht bestandskräftig entschieden ist.
Am 05.04.2006 hat der Ast beim Sozialgericht Bayreuth (SG) Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Diesem Antrag hat das SG nach Nachfrage bei der Fa. N. stattgegeben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen den Bescheid vom 14.03.2006 angeordnet. Aufgrund der Auskunft der Fa. N. sei die verspätete Bewerbung nicht ursächlich für die Nichtberücksichtigung der Bewerbung gewesen.
Hiergegen hat die Ag Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und zur Begründung vorgetragen, für einen Kausalzusammenhang zwischen verspäteter Bewerbung und Nichtberücksichtigung spreche die allgemeine Lebenserfahrung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig. Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Das Rechtsmittel erweist sich als begründet.
Gemäß § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Vorliegend hat der Widerspruch gegen den Absenkungsbescheid vom 14.03.2006 keine aufschiebende Wirkung (§ 39 Nr 1 SGB II). Dabei ist von einem Regelausnahmeverhältnis zu Gunsten des Suspensiveffektes auszugehen, da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung zunächst angeordnet hat. Davon abzuweichen, besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt belasteten feststellbar ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl, § 86b RdNr 12a). Ist der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird ausgesetzt, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht erkennbar ist. Ist die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens und die Entscheidung des Gesetzgebers in § 39 Nr 1 SGB II mitberücksichtigt werden (vgl. zum Ganzen auch: Keller aaO RdNr 12c).
Vorliegend sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen. Von einer offenbaren Rechtswidrigkeit des Absenkungsbescheides ist nicht auszugehen, zumal nach §§ 144 Abs 1 Nr 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) iVm mit 31 Abs 4 Nr 3b SGB II eine Vermutung für einen bestehenden Kausalzusammenhang zwischen einer verspäteten Bewerbung und den Nichtzustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses besteht (vgl. Niesel, SGB III, 3.Aufl § 144 RdNr 61). Aber auch von einer offenbaren Rechtmäßigkeit des Absenkungsbescheides kann hier nicht ausgegangen werden. Hierzu sind noch weitere Ermittlungen vorzunehmen. Es ist noch zu prüfen, ob der Ast sich tatsächlich zu spät beworben hat und ob die Bewerbung am 16.01.2006 vom Arbeitgeber noch als rechtzeitig angesehen wurde. Bei der Prüfung des wichtigen Grundes ist evtl. im Rahmen des Hauptsacheverfahrens auf die Funktionsuntüchtigkeit der Tintenpatrone und deren Bedeutung einzugehen. Bezüglich aller dieser Fragen sind ggfs. noch weitere Ermittlungen vorzunehmen, nachdem hierzu durch die Ag solche in keinster Weise stattgefunden habe. Diese weitere Aufklärung bleibt jedoch dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, sie sind im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzverfahrens nicht durchzuführen. Erst nach erfolgloser Aufklärung können Beweislastregeln zum Tragen kommen.
Somit ist von einem offenen Ausgang auszugehen, so dass eine Interessenabwägung zu erfolgen hat. Dabei ist die Entscheidung des Gesetzgebers in § 39 Nr 1 SGB II besonders zu berücksichtigen. Hiernach soll der Widerspruch bzw. nach Erlass des Widerspruchsbescheides einer entsprechende Klage keine aufschiebende Wirkung haben. Es müssen gewichtige Gründe vorliegen, um eine solche aufschiebende Wirkung hier ausnahmsweise anzuordnen. Solche Gründe werden vom Ast nicht vorgetragen und sind für den Senat auch nicht ersichtlich, nachdem es sich insbesondere lediglich um eine Absenkung für 3 Monate handelte und die Absenkung bereits mit 30.06.2006 beendet ist, sodass auch ein gegenwärtiger Bedarf des Ast durch ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht gefährdet ist.
Nach alldem besteht kein Anlass hier die aufschiebende Wirkung des Widerspruches bzw. der Klage anzuordnen. Der Beschluss des SG ist daher aufzuheben und der Antrag ist abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den entsprechenden Anwendungen des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Absenkung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) um 30 % für die Zeit vom 01.03.2006 bis 30.06.2006.
Dem Antragsteller (Ast) unterbreitete die Antragsgegnerin (Ag) am 21.12.2005 einen Vermittlungsvorschlag mit Rechtsfolgenbelehrung betreffend die Firma N. Systems GmbH. Am 05.01.2005 teilte diese mit, der Ast habe sich dort nicht beworben. Angehört hierzu erklärte der Ast, seine Druckerpatrone habe erst ab 13.01.2006 wieder funktioniert und er habe sich dann sofort beworben. Mit Bescheid vom 14.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2006 senkte die Ag das Alg II für 3 Monate ab 01.04.2006 um 30 vH des Regelsatzes ab. Hiergegen hat der Ast Klage erhoben, über die noch nicht bestandskräftig entschieden ist.
Am 05.04.2006 hat der Ast beim Sozialgericht Bayreuth (SG) Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Diesem Antrag hat das SG nach Nachfrage bei der Fa. N. stattgegeben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen den Bescheid vom 14.03.2006 angeordnet. Aufgrund der Auskunft der Fa. N. sei die verspätete Bewerbung nicht ursächlich für die Nichtberücksichtigung der Bewerbung gewesen.
Hiergegen hat die Ag Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und zur Begründung vorgetragen, für einen Kausalzusammenhang zwischen verspäteter Bewerbung und Nichtberücksichtigung spreche die allgemeine Lebenserfahrung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig. Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Das Rechtsmittel erweist sich als begründet.
Gemäß § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Vorliegend hat der Widerspruch gegen den Absenkungsbescheid vom 14.03.2006 keine aufschiebende Wirkung (§ 39 Nr 1 SGB II). Dabei ist von einem Regelausnahmeverhältnis zu Gunsten des Suspensiveffektes auszugehen, da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung zunächst angeordnet hat. Davon abzuweichen, besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt belasteten feststellbar ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl, § 86b RdNr 12a). Ist der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird ausgesetzt, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht erkennbar ist. Ist die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens und die Entscheidung des Gesetzgebers in § 39 Nr 1 SGB II mitberücksichtigt werden (vgl. zum Ganzen auch: Keller aaO RdNr 12c).
Vorliegend sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen. Von einer offenbaren Rechtswidrigkeit des Absenkungsbescheides ist nicht auszugehen, zumal nach §§ 144 Abs 1 Nr 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) iVm mit 31 Abs 4 Nr 3b SGB II eine Vermutung für einen bestehenden Kausalzusammenhang zwischen einer verspäteten Bewerbung und den Nichtzustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses besteht (vgl. Niesel, SGB III, 3.Aufl § 144 RdNr 61). Aber auch von einer offenbaren Rechtmäßigkeit des Absenkungsbescheides kann hier nicht ausgegangen werden. Hierzu sind noch weitere Ermittlungen vorzunehmen. Es ist noch zu prüfen, ob der Ast sich tatsächlich zu spät beworben hat und ob die Bewerbung am 16.01.2006 vom Arbeitgeber noch als rechtzeitig angesehen wurde. Bei der Prüfung des wichtigen Grundes ist evtl. im Rahmen des Hauptsacheverfahrens auf die Funktionsuntüchtigkeit der Tintenpatrone und deren Bedeutung einzugehen. Bezüglich aller dieser Fragen sind ggfs. noch weitere Ermittlungen vorzunehmen, nachdem hierzu durch die Ag solche in keinster Weise stattgefunden habe. Diese weitere Aufklärung bleibt jedoch dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, sie sind im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzverfahrens nicht durchzuführen. Erst nach erfolgloser Aufklärung können Beweislastregeln zum Tragen kommen.
Somit ist von einem offenen Ausgang auszugehen, so dass eine Interessenabwägung zu erfolgen hat. Dabei ist die Entscheidung des Gesetzgebers in § 39 Nr 1 SGB II besonders zu berücksichtigen. Hiernach soll der Widerspruch bzw. nach Erlass des Widerspruchsbescheides einer entsprechende Klage keine aufschiebende Wirkung haben. Es müssen gewichtige Gründe vorliegen, um eine solche aufschiebende Wirkung hier ausnahmsweise anzuordnen. Solche Gründe werden vom Ast nicht vorgetragen und sind für den Senat auch nicht ersichtlich, nachdem es sich insbesondere lediglich um eine Absenkung für 3 Monate handelte und die Absenkung bereits mit 30.06.2006 beendet ist, sodass auch ein gegenwärtiger Bedarf des Ast durch ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht gefährdet ist.
Nach alldem besteht kein Anlass hier die aufschiebende Wirkung des Widerspruches bzw. der Klage anzuordnen. Der Beschluss des SG ist daher aufzuheben und der Antrag ist abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den entsprechenden Anwendungen des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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