Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 50 SO 195/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 551/06 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 30.05.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Höhe der Eigenbeteiligung der Antragstellerin für ihren Aufenthalt im Seniorenzentrum A. ab 01.01.2006.
Die Antragstellerin bewohnte mit ihrem Ehemann ein Reihenhaus. Aus gesundheitlichen Gründen musste sie in einem Seniorenzentrum untergebracht werden. Die Kosten für die Unterbringung wurden zum Teil von der Pflegekasse und zum Teil von der Antragsgegnerin getragen. Die Eigenbeteiligung betrug zuletzt 989,48 EUR. Da das vom Ehemann der Antragstellerin nunmehr allein bewohnte Reihenmittelhaus von der Antragsgegnerin als unangemessene Wohnung angesehen wurde, berücksichtigte die Antragsgegnerin bei der Leistungsbewilligung für die Zeit ab 01.01.2006 nur noch die angemessenen Kosten der Unterkunft - ohne Stromkosten -, sodass die Eigenbeteiligung der Antragstellerin sich auf 1.382,24 EUR belief (Bescheid vom 03.01.2006). Zugleich leistete die Antragsgegnerin im Hinblick auf eine Gesetzesinitiative sog. "erweiterte" Sozialhilfe gemäß § 19 Abs 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) mit Bescheid ebenfalls vom 03.01.2006 und vom 09.06.2006. Gegen beide Bescheide legte die Antragstellerin Widerspruch ein.
Mit als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auszulegenden Schreiben vom 18.04.2006 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Nürnberg einstweiligen Rechtsschutz begehrt. Das SG hat diesen Antrag abgelehnt (Beschluss vom 30.05.2006). Es fehle an einem Anordnungsgrund, denn dem Ehemann der Antragstellerin stünde aufgrund der zusätzlich geleisteten "erweiterten" Sozialhilfe selbst unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunfts- und Heizungskosten noch ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung, sodass ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung zumutbar sei.
Hiergegen hat die Antragstellerin Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Berechnung durch das Sozialgericht sei unzutreffend, denn die "erweiterte" Hilfe dürfe nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Dem Ehemann der Antragstellerin verbleibe somit lediglich ein Betrag zum Lebensunterhalt in Höhe von 2,71 EUR monatlich. Das Reihenhaus selbst sei auf 5 Jahre angemietet worden, die Unterkunftskosten könnten daher vorerst nicht gesenkt werden. Die Antragsgegnerin habe die anfallenden Stromkosten nicht berücksichtigt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig. Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Das Rechtsmittel erweist sich jedoch nicht als begründet.
Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtstreit § 86b Abs 2 Satz 2 SGG dar.
Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Ast ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74, vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl. RdNr 643).
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den er sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der Ast glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86b RdNr 41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Ast zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 aaO und vom 22.11.2002 aaO).
Im streitgegenständlichen Verfahren fehlt es bereits am Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Dies hat das Sozialgericht München in seinem Beschluss vom 30.05.2006 zutreffend ausgeführt. Diesbezüglich wird gemäß § 142 Abs 2 Satz 3 SGG auf die Begründung des Sozialgerichts Bezug genommen.
Zu ergänzen ist lediglich, dass die "erweiterte" Hilfe, die die Antragsgegnerin seit 01.01.2006 leistet, bei der Prüfung des Anordnungsgrundes als zur Verfügung stehendes Geldmittel anzusehen ist. Ob die Voraussetzungen des § 83 SGB XII vorliegen, kann offen gelassen werden, denn im Rahmen der Prüfung des Anordnungsgrundes ist - unabhängig von gesetzlichen Regelungen - lediglich zu berücksichtigen, welche finanziellen Mittel den Betroffenen tatsächlich zur Verfügung stehen. Die Frage der materiellen Anspruchsberechtigung (Anordnungsanspruch) ist an dieser Stelle nicht zu klären. Nachdem aber dem Ehemann der Antragstellerin durch die Leistung der "erweiterten" Hilfe selbst unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunfts- und Heizungskosten ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, ist das Vorliegen eines Anordnungsgrundes zu verneinen. Die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel liegen über dem Eckregelsatz. In diesem Eckregelsatz sind auch die Stromkosten und Kosten der Warmwassererwärmung enthalten. Selbst unter Berücksichtigung dieser zusätzlichen Ausgaben verbleibt dem Ehemann der Antragstellerin ein Betrag, der über dem Eckregelsatz liegt. Die Notwendigkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung - eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86b Abs 1 SGG kommt nicht in Betracht - ist daher nicht gegeben. Ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung ist der Antragstellerin zumutbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Höhe der Eigenbeteiligung der Antragstellerin für ihren Aufenthalt im Seniorenzentrum A. ab 01.01.2006.
Die Antragstellerin bewohnte mit ihrem Ehemann ein Reihenhaus. Aus gesundheitlichen Gründen musste sie in einem Seniorenzentrum untergebracht werden. Die Kosten für die Unterbringung wurden zum Teil von der Pflegekasse und zum Teil von der Antragsgegnerin getragen. Die Eigenbeteiligung betrug zuletzt 989,48 EUR. Da das vom Ehemann der Antragstellerin nunmehr allein bewohnte Reihenmittelhaus von der Antragsgegnerin als unangemessene Wohnung angesehen wurde, berücksichtigte die Antragsgegnerin bei der Leistungsbewilligung für die Zeit ab 01.01.2006 nur noch die angemessenen Kosten der Unterkunft - ohne Stromkosten -, sodass die Eigenbeteiligung der Antragstellerin sich auf 1.382,24 EUR belief (Bescheid vom 03.01.2006). Zugleich leistete die Antragsgegnerin im Hinblick auf eine Gesetzesinitiative sog. "erweiterte" Sozialhilfe gemäß § 19 Abs 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) mit Bescheid ebenfalls vom 03.01.2006 und vom 09.06.2006. Gegen beide Bescheide legte die Antragstellerin Widerspruch ein.
Mit als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auszulegenden Schreiben vom 18.04.2006 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Nürnberg einstweiligen Rechtsschutz begehrt. Das SG hat diesen Antrag abgelehnt (Beschluss vom 30.05.2006). Es fehle an einem Anordnungsgrund, denn dem Ehemann der Antragstellerin stünde aufgrund der zusätzlich geleisteten "erweiterten" Sozialhilfe selbst unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunfts- und Heizungskosten noch ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung, sodass ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung zumutbar sei.
Hiergegen hat die Antragstellerin Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Berechnung durch das Sozialgericht sei unzutreffend, denn die "erweiterte" Hilfe dürfe nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Dem Ehemann der Antragstellerin verbleibe somit lediglich ein Betrag zum Lebensunterhalt in Höhe von 2,71 EUR monatlich. Das Reihenhaus selbst sei auf 5 Jahre angemietet worden, die Unterkunftskosten könnten daher vorerst nicht gesenkt werden. Die Antragsgegnerin habe die anfallenden Stromkosten nicht berücksichtigt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig. Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Das Rechtsmittel erweist sich jedoch nicht als begründet.
Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtstreit § 86b Abs 2 Satz 2 SGG dar.
Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Ast ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74, vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl. RdNr 643).
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den er sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der Ast glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86b RdNr 41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Ast zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 aaO und vom 22.11.2002 aaO).
Im streitgegenständlichen Verfahren fehlt es bereits am Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Dies hat das Sozialgericht München in seinem Beschluss vom 30.05.2006 zutreffend ausgeführt. Diesbezüglich wird gemäß § 142 Abs 2 Satz 3 SGG auf die Begründung des Sozialgerichts Bezug genommen.
Zu ergänzen ist lediglich, dass die "erweiterte" Hilfe, die die Antragsgegnerin seit 01.01.2006 leistet, bei der Prüfung des Anordnungsgrundes als zur Verfügung stehendes Geldmittel anzusehen ist. Ob die Voraussetzungen des § 83 SGB XII vorliegen, kann offen gelassen werden, denn im Rahmen der Prüfung des Anordnungsgrundes ist - unabhängig von gesetzlichen Regelungen - lediglich zu berücksichtigen, welche finanziellen Mittel den Betroffenen tatsächlich zur Verfügung stehen. Die Frage der materiellen Anspruchsberechtigung (Anordnungsanspruch) ist an dieser Stelle nicht zu klären. Nachdem aber dem Ehemann der Antragstellerin durch die Leistung der "erweiterten" Hilfe selbst unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunfts- und Heizungskosten ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, ist das Vorliegen eines Anordnungsgrundes zu verneinen. Die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel liegen über dem Eckregelsatz. In diesem Eckregelsatz sind auch die Stromkosten und Kosten der Warmwassererwärmung enthalten. Selbst unter Berücksichtigung dieser zusätzlichen Ausgaben verbleibt dem Ehemann der Antragstellerin ein Betrag, der über dem Eckregelsatz liegt. Die Notwendigkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung - eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86b Abs 1 SGG kommt nicht in Betracht - ist daher nicht gegeben. Ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung ist der Antragstellerin zumutbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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