L 14 R 4182/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 8 RA 32/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 4182/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 377/06 B
Datum
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28. Juli 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist eine Rente wegen voller Erwerbsminderung an Stelle einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Der 1947 geborene Kläger, gelernter Gas- und Wasserinstallateurmeister, war als technischer Angestellter (Baukontroll- und Vergabemeister) bei der Landeshauptstadt M. beschäftigt. Ab Oktober 1999 bestand mit kurzen Unterbrechungen Arbeitsunfähigkeit.

Ein erster im November 1992 wegen Wirbelsäulenbeschwerden gestellter Rentenantrag blieb erfolglos (ablehnender Bescheid der Beklagten vom 15.01.1993, zurückweisender Widerspruchsbescheid vom 09.01.1995, klageabweisendes Urteil vom 10.12.1996 nach orthopädischer und nervenärztlicher Begutachtung, Rücknahme der Berufung vor dem BayLSG nach erneuter Beweisaufnahme am 19.11.1998).

In der Zeit vom 25.01.2000 bis 07.03.2000 fand eine stationäre Heilbehandlung statt, aus der der Kläger mit den Diagnosen "anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit Analgetikaabusus, degeneratives Zervikal- und Lumbalsyndrom, Osteopenie" als arbeitsfähig mit der Beurteilung entlassen wurde, er könne seine bisherige Tätigkeit weiterhin vollschichtig verrichten.

Den streitbefangenen Rentenantrag stellte der Kläger am 13.08.2001. Die Beklagte ließ den Kläger durch den Neurologen und Psychiater Dr.S. (Gutachten vom 14.01.2002) und durch den Orthopäden Dr.O. (Gutachten vom 08.04.2002) begutachten. Obwohl beide noch vollschichtige Tätigkeiten ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, ohne Zwangshaltungen, ohne Schicht- und Akkordarbeiten in klimatisierten Räumen für sechs Stunden täglich und mehr möglich hielten, gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 28.06.2002 unbefristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01.09.2001. Mit seinem Widerspruch begehrte der Kläger unter Vorlage eines ärztlichen Attestes des behandelnden Arztes Dr.H. Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der Widerspruch wurde nach Beiziehung einer Vielzahl ärztlicher Unterlagen der behandelnden Ärzte Dr.K. und Dr.E. sowie einer prüfärztlichen Stellungnahme der Dr.M. mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2003 zurückgewiesen. Bei Berücksichtigung aller Befunde sei aus sozialmedizinischer Sicht weiterhin von einem sechs- und mehrstündigen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Das SG zog aktuelle ärztliche Unterlagen der behandelnden Ärzte bei, ferner Aktenunterlagen aus den vorangegangenen Verfahren, und holte Auskünfte der Techniker Krankenkasse sowie der Landeshauptstadt M. ein. Es beauftragte die Sachverständigen Dr.L. und Dr.M. mit der Erstellung von Gutachten auf orthopädischem und nervenärztlichem Gebiet.

Einen vom Kläger gestellten Antrag auf Kostenübernahme bzw. Genehmigung einer Begleitperson für die Fahrt zur Untersuchung nach M. lehnte das SG nach Rückfragen beim beauftragten Gutachter Dr.M. ab. Es wies den Kläger auf seine Mitwirkungspflichten in dem von ihm angestrengten Klageverfahren sowie auf die Folgen im Falle der Verletzung dieser Pflichten hin (Schreiben vom 26.03.2004), dennoch nahm der Kläger den für den 29.03.2004 vorgesehenen Untersuchungstermin bei beiden Gutachtern nicht wahr. Diese erstellten daraufhin auf Veranlassung des SG ihre Gutachten nach Aktenlage (orthopädisches Gutachten vom 10.04.2004, nervenärztliches Gutachten vom 19.04.2004).

Dr.L. erhob nach Aktenlage beim Kläger eine wirbelsäulenbedingte Fehlstatik unter Ausschluss eines Bandscheibenvorfalles der Hals- und Lendenwirbelsäule, initial arthrosetypische Veränderungen der Kniegelenke im Sinne einer Gon- und Retropatellararthrose, ferner eine beginnende Hüftarthrose beidseits sowie ein dem Kläger bescheinigtes chronisches HWS- sowie Schulter-Arm-Syndrom. Unter Bezugnahme auf den aktenkundigen gutachterlichen Verlauf hielt Dr.L. leichte, kurzfristig auch mittelschwere Arbeiten mit gelegentlichem Wechsel der Arbeitsposition ohne Heben und Tragen von Lasten über 12,5 kg sowie ohne häufiges Bücken, in geschlossenen Räumen, kurzfristig auch im Freien, acht Stunden täglich für möglich.

Dr.M. diagnostizierte auf nervenärztlichem Fachgebiet eine Neurasthenie, die jedoch keinerlei Arbeits- oder Erwerbsunfähigkeit auf Dauer begründe.

Das SG wies die Klage nach mündlicher Verhandlung - zu der der Kläger trotz vorangegangener erneuter Ablehnung einer Kostenübernahme für Fahrtkosten einer Begleitperson persönlich erschien - mit Urteil vom 28.07.2004 ab. Es stützte sich auf die Gutachten des Dr.L. und des Dr.M. sowie auf die zahlreichen in den Akten befindlichen medizinischen Unterlagen und stellte fest, die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei ausschließlich auf orthopädischem Gebiet durch die von Dr.L. erhobenen Gesundheitsstörungen beeinträchtigt; daraus resultierten auch qualitative Leistungseinschränkungen, da der Kläger nur mehr leichte und kurzfristig auch mittelschwere Arbeiten mit gelegentlichem Wechsel der Körperhaltung in geschlossenen Räumen, ohne schweres Heben und Tragen und häufiges Bücken verrichten könne; eine zeitliche Leistungseinschränkung sei jedoch noch nicht gegeben. Von darüber hinausgehenden Einschränkungen und Gesundheitsstörungen habe sich das Gericht trotz des Vorbringens des Klägers nicht überzeugen können. Insbesondere hätten sich weder in der Vergangenheit noch nach den aktuellen Befunden Strukturveränderungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule objektivieren lassen, die das vom Kläger aufgezeigte und von den behandelnden Ärzten, insbesondere des Dr.H. , bestätigte Beschwerdebild erklären könnten. So hätten sich weder für eine Spinalkanalverengung L 3/L 5 noch bezüglich der im Bereich L 4/L 5 beschriebenen Bandscheibenvorfälle entsprechende klinische und neurologische Ausfälle objektivieren lassen; vielmehr sei auf Grund des Kernspintomographiebefundes vom 03.09.2002 ein Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule - wie von Dr.L. dargelegt - unmissverständlich ausgeschlossen worden. Auch auf nervenärztlichem Gebiet hätten sich geltend gemachte Leistungseinschränkungen nicht bestätigt. Bereits anlässlich mehrerer früherer nervenärztlicher Begutachtungen, unter anderem am 09.04.1996 im Bezirkskrankenhaus M. , hätten sich keinerlei klinische Anzeichen für eine neurologische Erkrankung auf Grund einer linksbetonten Kleinhirnhypoplasie ergeben, ebenso hätten sich im Rahmen der damaligen testpsychologischen Begutachtung Anhaltspunkte für irgendwelche hirnorganischen Beeinträchtigungen ausschließen lassen. Diesbezügliche Auffälligkeiten seien auch bei der zuletzt im Rahmen des Verwaltungsverfahrens durchgeführten nervenärztlichen Begutachtung des Dr.S. nicht festzustellen gewesen, und hierüber habe auch der behandelnde Arzt Dr.K. in seinen aktuellen Befundbescheinigungen nicht berichtet. Ein am 30.11.1995 erhobener Kernspintomographiebefund, der eine cerebrale Atrophie zeige, sei vor diesem Hintergrund in seiner klinischen Wertigkeit zu relativieren, wie dies Dr.M. in seinem Gutachten dargelegt habe. Auch anlässlich einer gerichtlichen Begutachtung im Verfahren zur Feststellung der Höhe des GdB durch Dr.Z. vom 02.07.2001 hätten sich keine entsprechenden relevanten psychischen und neurologischen Ausfallserscheinungen ergeben. Insgesamt hätten für die Kammer keine Zweifel an einer schon im vorangegangenen sozialgerichtlichen Verfahren festgestellten erheblichen Diskrepanz zwischen der subjektiven Beschwerdeschilderung und den tatsächlich objektivierbaren Gesundheitsstörungen bestanden, welche von den behandelnden Ärzten nachhaltig gefördert werde.

Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen dieses Urteil und bringt ohne nähere Begründung vor, er erkenne die Gutachten des Dr.L. und des Dr.M. nicht an. Er halte seine Klage weiter für begründet.

Der Senat gab nach Durchsicht der umfangreichen Aktenunterlagen mit Schreiben vom 20.01.2006 den Hinweis, dass die Klageabweisung durch das Erstgericht nicht zu beanstanden und eine erneute Beweisaufnahme im Hinblick auf die gründliche Sachaufklärung im vorangegangenen abgeschlossenen Rentenverfahren und die danach erfolgten weiteren sozialrechtlichen Beurteilungen im Heilverfahrensentlassungsbericht, im Renten- sowie im Klageverfahren bei Berücksichtigung des Berufungsvorbringens nicht beabsichtigt sei. Er hörte die Beteiligten zu der beabsichtigen Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß § 153 Abs.4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) an.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 28.07.2004 sowie des Bescheides vom 28.06.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2003 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge, die beigezogenen Beklagtenakten, die Akten S 5 An 91/90 und 92/90, S 11 An 18/95, S 13 Vs 366/94, S 9 SB 32/99 des Sozialgerichts Landshut sowie die Akten L 14 RA 22/97 des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.

II.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 SGG) hält der Senat einstimmig für nicht begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Hierzu wurden die Beteiligten gehört (§ 153 Abs.4 SGG).

Zutreffend hat das Erstgericht nach ausreichender und angemessener Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs.2 SGB VI nicht zu, da er noch täglich sechs Stunden und mehr leichte, kurzfristig auch mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten kann (vgl. § 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI). Dies steht auf Grund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme, der der Senat nach Prüfung der gesamten umfangreichen Aktenunterlagen folgt, fest. Es bestehen zwar auf nervenärztlichem und vor allem auf orthopädischem Fachgebiet Gesundheitsstörungen, wie sie von Dr.L. und Dr.M. im Einzelnen dargelegt wurden. Diese sind jedoch nicht so erheblich, dass sie über die genannten qualitativen Leistungseinschränkungen hinaus auch zu zeitlichen Begrenzungen der Erwerbsfähigkeit führen würden, insbesondere nicht zu einem nur mehr unter dreistündigen Leistungsvermögen. Die begehrte volle Erwerbsminderung lässt sich durch sie keinesfalls begründen.

Die Gutachten des Dr.L. und des Dr.M. sind nach Auffassung des Senats schlüssig und überzeugend begründet. Die Sachverständigen setzten sich ausführlich mit der langen Vorgeschichte, den vorhandenen Gutachten und den aus ihrer Sicht teilweise fragwürdigen Bescheinigungen der behandelnden Ärzte des Klägers auseinander und kommen - nach deutlichen Worten zu manchen, vor allem von hausärztlicher Seite, bescheinigten Diagnosen und Befunden ("Gefälligkeitsattest") - nachvollziehbar zu der jeweils dargelegten Leistungsbeurteilung.

Gegen beide Gutachten spricht auch nicht, dass sie nach Aktenlage erfolgten. Der Kläger hat sich diese Verfahrensfolge durch sein unbegründetes Ausbleiben bei den vorgesehenen Untersuchungsterminen selbst zuzuschreiben, nachdem er vom Erstgericht zuvor ordnungsgemäß auf die Folgen einer solchen mangelnden Mitwirkung hingewiesen worden (Schreiben des SG vom 26.03.2004). Zudem bestehen angesichts der in einem vorausgegangenen langwierigen Rentenverfahren gut aufgeklärten Vorgeschichte und dem durch weitere gutachtliche Untersuchungen (Heilverfahrensentlassungsbericht vom 07.03.2000, Begutachtung im Rentenverfahren durch Dr.S. und Dr.O.) klaren medizinischen Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich in diesem überreichlich medizinisch dokumentierten Fall durch eine weitere persönliche Untersuchung des Klägers wesentlich andere Gesichtspunkte ergeben hätten und es dadurch zu einer anderen sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung auf orthopädischem oder nervenärztlichem Fachgebiet gekommen wäre.

Der Senat sieht aus diesem Grund auch keinerlei Anlass, in der Berufungsinstanz erneut in eine Beweisaufnahme einzutreten.

Bei dieser Sachlage war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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