L 7 AS 18/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 AS 62/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 18/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14/7b AS 30/06 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 29. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig.

Der 1943 geborene Kläger beantragte am 07.09.2004 Arbeitslosengeld (Alg) II. Ab 01.01.2005 bewilligte die Beklagte ihm Leistungen in Höhe von 531,47 EUR (Regelleistung von 345,00 EUR, anteilige Grundmiete von 77,90 EUR, anteilige Heizkosten in Höhe von 20,00 EUR und laufende Nebenkosten/sonstige Kosten von 88,57 EUR).

Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, er erhalte 300,00 EUR weniger als er zuvor Arbeitslosenhilfe (Alhi) bezogen habe. Zudem erhalte er zu wenig Leistungen für die Heizung. Die Beklagte hielt daraufhin Rücksprache mit den Stadtwerken. Danach hat der Kläger alle zwei Monate einen Abschlag von 48,00 EUR zu zahlen, der sich aus 28,00 EUR Strom und 20,00 EUR Gasabschlag zusammensetzt.

Mit Änderungsbescheid vom 04.02.2005 reduzierte die Beklagte die Leistungen für die Zeit vom 01.03. bis 31.03.2005 auf 521,47 EUR. Die Stromkosten seien im Regelsatz erhalten und könnten somit nicht zusätzlich bewilligt werden. Für das Gas könne somit ab 01.03.2005 monatlich ein Betrag von 10,00 EUR als Heizkosten berücksichtigt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die erneute Überprüfung habe ergeben, dass dem Kläger mit Bescheid vom 13.12.2004 zu viel Heizkosten als Bedarf anerkannt worden seien, was mit dem Änderungsbescheid vom 04.02.2005 für die Zeit ab 01.03.2005 berücksichtigt worden sei. Sonstige Anhaltspunkte für eine falsche Berechnung seien aus den Unterlagen nicht ersichtlich. Sie sei als Teil der vollziehenden Gewalt an Recht und Gesetz gebunden und müsse deshalb die Bestimmungen des SGB II beachten. Es dürfe daher nicht von den im Gesetz festgelegten Normen zur Sicherung des Lebensunterhaltes abgewichen werden.

Mit dem Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 04.02.2005 machte der Kläger geltend, dass sein Bad mit Strom geheizt werde.

Mit Bescheid vom 16.03.2005 wurden daraufhin Leistungen für die Zeit vom 01.04. bis 30.09.2005 in Höhe von 521,47 EUR bewilligt.

Mit der zum zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger beantragt, ihm Alg II nach der "58er-Regelung" in Höhe von 860,00 EUR zu bewilligen.

Während des Klageverfahrens hat die Beklagte den Änderungsbescheid vom 08.04.2005 erlassen. Vom 01.04. bis 30.09.2005 wurden nunmehr Leistungen in Höhe von 524,27 EUR bewilligt. Am 11.03.2005 sei gegen den Änderungsbescheid vom 04.02.2005 Widerspruch erhoben worden. Zur Begründung sei ausgeführt worden, dass das Bad mit einem elektrischen Heizstrahler beheizt sei und somit die Heizkosten zu erhöhen seien. Am 18.03.2005 sei die Bestätigung vom Vermieter nachgereicht worden, dass das Bad eine Wohnfläche von 3,50 qm habe. Von daher würden ab 01.03.2005 mit 2,80 EUR zusätzliche Heizkosten bewilligt. Pro Quadratmeter könnten 0,80 EUR als Bedarf anerkannt werden.

Mit Urteil vom 29.06.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Höhe der Leistungen bestimme sich ausschließlich nach dem SGB II. Die Höhe des Alg II sei in §§ 20 f. SGB II geregelt. Das SGB III könne nicht angewendet werden. Der Kläger genieße insoweit keinen Vertrauensschutz, dass bis zum Erreichen des Rentenalters seine Bezüge ungekürzt bleiben würden. Das SGB II habe in § 65 Abs.4 und 5 für ältere Arbeitslose privilegierende Vorschriften geschaffen. § 428 SGB III gelte entsprechend. Dies bedeute jedoch nur, dass im Gegensatz zu jüngeren Arbeitslosen diese Gruppe nicht durch Sanktionen gezwungen werden könne, jede zumutbare Arbeit anzunehmen. Auch die vermögensfreien Grenzen seien in § 65 Abs.5 SGB II entsprechend angehoben worden. Vom Kläger seien keine Gründe geltend gemacht worden, die ihn schutzwürdiger erscheinen lassen würden als andere Arbeitslose in seinem Alter, die die gleiche Regelung mit der Arbeitsverwaltung getroffen gehabt hätten. Allein die Tatsache, dass der Kläger nach seinen Angaben kein Schonvermögen habe ansparen können, da er aus der ehemaligen DDR stamme, mache ihn nicht schutzwürdiger als andere ältere Arbeitslose. Trotz der Vereinbarung sei der Kläger nicht gehindert gewesen, sich eine Arbeit zu suchen. Wie er selbst angegeben habe, habe er diverse Nebenjobs ausgeübt. Diese Möglichkeit bleibe ihm auch heute noch unbenommen. Auch nach dem SGB II sei es ihm möglich, Einkommen zu erzielen.

Zur Begründung der Berufung führt der Kläger aus, der Grund für seine Klage und auch die Berufung sei der große finanzielle Abstieg nach Erhalt von Hartz IV. Der Erhalt von 365,00 EUR habe ihn in eine finanzielle Notlage gebracht, die er nicht ohne Widerspruch hinnehmen könne. Die seinerzeit getroffene "58er-Regelung" sei einzuhalten. Die Gewissheit, er bräuchte sich nicht mehr in seinem Job zu entwickeln, habe ihn die Chance gekostet, jetzt als Euro-Schweißfach-Ingenieur einen Job zu finden. Er habe es nach § 428 SGB III nicht mehr nötig gehabt, sich um Arbeit zu bemühen. Auch habe er sich nicht mehr weiterbilden müssen. Der Vertrag gemäß § 428 SGB III habe weiter Gültigkeit.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 29.06.2005 sowie des Bescheides vom 04.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2005 zu verurteilen, ihm höheres Arbeitslosengeld II ab 01.01.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte schließt sich der Auffassung des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils an.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.

Zu Recht hat das SG Augsburg mit Urteil vom 29.06.2005 die Klage abgewiesen, da der Bescheid der Beklagten vom 04.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2005 nicht zu beanstanden ist.

Denn dem Kläger stehen höhere Leistungen nach dem SGB II nicht zu, da eine Leistungsbewilligung in Höhe der zuletzt gezahlten Alhi nach dem SGB III nicht in Betracht kommt.

Der Kläger gehört nach § 7 Abs.1 Nr.1 SGB II zu dem berechtigten Personenkreis für den Bezug von Alg II.

Danach erhalten Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, Leistungen nach dem SGB II.

Die Höhe der Leistungen ist in §§ 20 und 21 SGB II geregelt (Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts und Leistungen für Mehrbedarf beim Lebensunterhalt).

Der Kläger hat auch keinen höheren Anspruch im Rahmen so genannter Übergangsvorschriften. Insoweit enthalten § 65 Abs.4 und 5 SGB II "lediglich" privilegierende Vorschriften, die für Hilfebedürftige gelten, die das 58. Lebensjahr (wie der Kläger) vollendet haben und die Regelleistungen des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts allein deshalb nicht erfüllen, weil sie nicht arbeitsbereit sind und nicht alle Möglichkeiten nutzen wollen, ihre Hilfebedüftigkeit durch Aufnahme einer Arbeit zu beenden. Des Weiteren ist für diesen Personenkreis die Höhe des Freibetrages privilegiert. Darüber hinaus enthält § 65 keine übergangsrechtliche Grundnorm.

Aus der vom Kläger seinerzeit mit der Bundesagentur für Arbeit getroffenen "58er-Regelung" nach § 428 SGB III kann dieser nicht das Recht herleiten, bis zum Rentenbeginn Leistungen in Höhe der zuletzt gezahlten Alhi zu erhalten. Denn die Höhe der Leistungen bestimmt sich seit In-Kraft-Treten des SGB II am 01.01.2005 ausschließlich nach diesem Gesetz. Wie bei der bis 31.12.2004 geltenden "58er-Regelung" ist der Kläger auch nach dem SGB II nicht gehindert, sich eine Arbeit zu suchen. So hat er auch selbst angegeben, dass er diverse Nebenjobs ausgeübt habe. Auch nach dem SGB II ist es ihm also möglich, Einkommen zu erzielen. Einen darüber hinausgehenden Regelungsgehalt enthielt auch die "58er-Vereinbarung" nicht.

Mit der Unterzeichnung des betreffenden Formulars hat der Kläger auch keinen Vertrag mit der Bundesagentur für Arbeit dahingehend geschlossen, dass ihm bis zur Altersberentung die Arbeitslosenhilfe in unveränderter Höhe weitergewährt werde. Dem Formblatt kann auch keine entsprechende Zusicherung der Bundesagentur für Arbeit im Sinne von § 34 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) entnommen werden. Zum einen ist der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages über eine Sozialleistung ohnehin gemäß § 53 Abs.2 SGB X nur zulässig, soweit die Erbringung der Leistungen im Ermessen des Leistungsträgers steht, was bei der Alhi nicht der Fall gewesen ist. Zum anderen ist in dem Formblatt weder eine Aussage zur Höhe der Arbeitslosenunterstützung noch eine Erklärung dahingehend enthalten, dass auch bei einer Änderung der Rechtslage die bisherige Leistungshöhe beibehalten bleibt. Vielmehr wird nach Wortlaut und Inhalt der Erklärung ein von Gesetzes wegen bestehender Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung vorausgesetzt und lediglich erläutert, dass mit der Inanspruchnahme der sog. 58er-Regelung nach § 428 SGB III die sonst mit der Leistungsgewährung verbundenen Verpflichtungen des Arbeitslosen weitestgehend entfallen.

Hinzuweisen ist auch darauf, dass die Regelungen über die Alhi nicht unter den Schutz der Eigentumsgarantie gemäß Art.14 Grundgesetz (GG) fallen. Diese Feststellung hat das BSG in ständiger Rechtsprechung für die zum 01.01.2000 abgeschaffte sog. originäre Alhi getroffen (vgl. BSG, Urteil vom 14.09.2003, Az.: B 11 AL 15/03 R m.w.N.). Auch die sog. Anschluss-Alhi war eine Fürsorgeleistung des Staates und keine durch die Eigentumsgarantie nach Art.14 GG geschützte Rechtsposition.

Dem steht auch nicht das Sozialstaatsprinzip gemäß Art.20 Abs.1 GG entgegen. Denn der Gesetzgeber hat bei der Erfüllung seiner aus dem Sozialstaatsprinzip folgenden Verpflichtung, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen, einen weiten Gestaltungsspielraum. Grundsätzlich fällt es in seine Entscheidungsbefugnis, in welchem Umfang soziale Hilfe unter Berücksichtigung der vorhandenen Mittel und anderer gleichrangiger Staatsaufgaben gewährt werden kann und soll.

Somit war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Augsburg vom 29.06.2005 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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