L 9 EG 24/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 29 EG 40/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 EG 24/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 EG 6/06 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts München vom 21.06.2002 sowie des Bescheides vom 22.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2000 verpflichtet, der Klägerin Bundeserziehungsgeld für die ersten 6 Lebenmonate ihres 2000 geborenen Kindes M. unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften zu bewilligen.
II. Der Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Bewilligung von Bundeserziehungsgeld (BErzg) für das erste Lebensjahr des am 16.03. geborenen Kindes M. der Klägerin.

Die Klägerin hat 1998 ihren Sohn M. und 2000 ihren Sohn M. geboren. Sie erhielt vom 30.01.2000 bis 11.05.2000 Mutterschaftsgeld und war nach der Geburt von M. nicht mehr erwerbstätig, sondern in Erziehungsurlaub.

Ihr Ehemann war abhängig beschäftigt und hatte laut Verdienstbescheinigung seines Arbeitgebers vom 04.04.2000 einen monatlich feststehenden Bruttoarbeitslohn von 11.410,70 DM. Für die Monate März 2000 und Dezember 2000 wurde ein Bruttoarbeitslohn von 36.410,70 DM bzw. 36.700,70 DM seitens des Arbeitgebers beziffert. Insgesamt errechnete sich ein Bruttoarbeitslohn für das Jahr 2000 in Höhe von 187.218,40 DM. Laut Arbeitgeber hatte der Bruttoarbeitslohn im Jahr 1999 174.337,48 DM betragen. Der Arbeitgeber wies in der Bestätigung darauf hin, dass es sich für die Zeit ab Monat Mai 2000 um voraussichtliche Daten handle.

Für die Kinder M. und M. wurde Kindergeld bezahlt. Für die beiden Kinder aus erster Ehe leistete der Ehemann der Klägerin jährlichen Unterhalt in Höhe von 15.692,00 DM und für seine frühere Ehefrau in Höhe von 13.048,00 DM (bestätigt durch Kontoauszug der Hypo- und Vereinsbank). Das gesamte Kindergeld für die Kinder aus erster Ehe erhielt die Mutter der Kinder (6.480,00 DM).

Am 04.05.2000 ging beim Beklagten der Antrag der Klägerin vom 03.03.2000 auf Gewährung von BErzg für den ersten bis zwölften Lebensmonat des Kindes M. ein. Mit Bescheid vom 22.05.2000 wurde der Antrag wegen Überschreitens der Einkommensgrenze nach § 5 Abs.2 Satz 1 BErzGG abgelehnt. Grundlage der Entscheidung war ein geschätztes Bruttoeinkommen des Ehemannes aus nicht selbständiger Arbeit in Höhe von 187.218,40 DM abzüglich Werbungskosten von 3.618,00 DM sowie Unterhaltsleistungen an die Kinder aus erster Ehe des Ehemannes in Höhe von 15.692,00 DM und an die geschiedene Ehefrau in Höhe von 13.058,00 DM. Daraus ergab sich unter Abzug der Pauschale in Höhe von 27 % (= 49.572,00 DM) gemäß § 6 Abs.1 Nr.1 BErzGG ein zu berücksichtigendes Jahreseinkommen von 105.288,00 DM. Dies führte wegen Überschreitens der Einkommensgrenze von 104.200,00 DM zum Ausschluss des Erziehungsgeldes für die ersten sechs Lebensmonate. Für die Zeit ab dem siebten Lebensmonat fehlten bei dieser Sachlage nach Ansicht beider Beteiligten die Voraussetzungen für die Bewilligung von BErzg.

Mit dem Widerspruch vom 30.05.2000 trug die Klägerin vor, dass das Kindergeld für die Kinder des Ehemannes aus erster Ehe in voller Höhe an die geschiedene Ehefrau ausgezahlt werde. Zum Ausgleich müsse ihr Ehemann nur um das hälftige Kindergeld gekürzte Unterhaltszahlungen an seine Kinder aus erster Ehe leisten. Diese Kürzung sei als Unterhaltszahlung des Ehemannes zu bewerten, die bei der Einkommensberechnung zusätzlich mitabgezogen werden müsse (= 3.240,00 DM). Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 19.07.2000 zurück und machte geltend, dass nur die tatsächlich erbrachten Leistungen im Rahmen des § 6 Abs.1 Nr.2 BErzGG berücksichtigt werden könnten.

Mit der am 10.08.2000 beim Sozialgericht München erhobenen Klage hielt die Klägerin ihr Vorbringen aufrecht. In der mündlichen Verhandlung vom 08.05.2002 legte sie erstmals den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2000 vor. Daraus ergab sich ein Bruttoeinkommen des Ehemannes aus nicht selbständiger Arbeit von 182.997,00 DM und Werbungskosten in Höhe von insgesamt 3.706,00 DM. Gleichzeitig stellte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung einen Härtefallantrag nach § 6 Abs.7 BErzGG und führte aus, sie habe bisher nichts von der Möglichkeit eines Härtefallantrags gewusst. Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG einverstanden.

Das Sozialgericht wies mit Gerichtsbescheid vom 21.06.2002 die Klage ab. Zur Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen für die Kinder aus erster Ehe führte das Gericht aus, nach § 6 Abs.1 Nr.2 BErzGG seien Unterhaltsleistungen an Kinder, für die die Einkommensgrenze nicht nach § 5 Abs.2 Satz 3 BErzGG erhöht worden sei, bis zu dem durch Unterhaltstitel oder durch Vereinbarung festgelegten Betrag vom Einkommen abzuziehen. Allerdings könnten Unterhaltsleistungen, soweit ihnen kein Zahlungsvorgang zu Grunde liege, keine Berücksichtigung finden. Wenn die Unterhaltsleistung wegen der Zahlung von Kindergeld an die geschiedene Ehefrau reduziert werde, so erspare der Unterhaltspflichtige durch Anrechnung Unterhaltszahlungen in Höhe des halben Kindergeldes. Damit werde insofern Unterhalt jedoch nicht mehr gezahlt. Er sei damit nicht mehr als Abzugsbetrag im Sinn von § 6 Abs.1 Nr.2 BErzGG geeignet. Im Übrigen sei von dem rechtmäßig prognostizierten Einkommen für das Jahr 2000 auszugehen. Entscheidend für die Prognose sei das Geburtsjahr. Ein Abstellen auf die Einkünfte des letzten oder des vorletzten Jahres sei nur zulässig, wenn die für das Jahr bekannten Einkommensdaten eine verlässliche Prognose des Jahreseinkommens nicht zulassen würden (Urteil des BSG vom 10.07.1997, Az.: 14 REg 9/96). Wie bei jeder Prognose müssten Restzweifel in Kauf genommen werden. Systembedingte Ungewissheiten würden daher nicht zur Anwendung der Ausnahmeregelung in § 6 Abs.4 BErzGG berechtigen. Die Verbindlichkeit der von der Verwaltung getroffenen Einkommensprognose könne auch nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass sich im Nachhinein ein anderes Einkommen ergeben habe. Bei der gesetzlichen Vorgabe kann die von der Verwaltung getroffene Einkommensprognose nur mit der Begründung angegriffen werden, dass sie von vorneherein von einer unzutreffenden Tatsachengrundlage ausgegangen sei. Der Verwaltung könne nur die Verpflichtung auferlegt werden, die für die Einkommensschätzung maßgeblichen Faktoren zu ermitteln und in die Abschätzung einzubeziehen. Dabei sei ein gerichtlich nicht mehr zu überprüfender Beurteilungsspielraum (Einschätzungsprärogative) zuzubilligen. Die Prognose sei dann fehlerfrei und verbindlich, wenn sie auf Grund der vorhandenen Umstände und Zahlen nachvollziehbar sei, insbesondere nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoße. Dabei könne nur auf die der Verwaltung bekannten oder zumindest erkennbaren Umstände abgestellt werden, auch soweit sie nicht in Zukunft zu erwarten, sondern bereits eingetreten seien. Im Rahmen eines ordnungsgemäßen Gesetzesvollzugs könne von der Verwaltung nicht mehr verlangt werden, als sie zu leisten vermöge. Nicht erwogene Umstände, die sie auch bei sorgfältiger Ermittlung nicht kennen und berücksichtigen könne, könnten die Rechtmäßigkeit der Entscheidung nicht berühren. Der Antragsteller habe auf Grund seiner Mitwirkungspflicht alle für die Leistung erheblichen Tatsachen anzugeben. Die Behörde sei deshalb grundsätzlich nur dann verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen weiter zu ermitteln, wenn die Angaben unvollständig oder unklar seien (Urteil des BSG vom 02.10.1997, Az.: 14 REg 10/96). Danach seien Prognosefehler des Beklagten nicht zu erkennen.

Auch ein Härtefallantrag nach § 6 Abs.7 BErzGG, die einzige Möglichkeit von der Prognoseentscheidung abzuweichen, führe für die Klägerin nicht zum Erfolg. In der Rechtsprechung des BSG sei seit dem Urteil vom 16.12.1999, B 14 EG 3/98 R (SozR 3-7833 § 6 Nr.20) zwar geklärt, dass für § 6 Abs.7 BErzGG die Halbjahresregelung analog § 4 Abs.2 Satz 3 BErzGG gelte und diesbezüglich sogar Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) gewährt werden könne. Im Falle der Klägerin sei jedoch gemäß § 27 Abs.3 SGB X eine Wiedereinsetzung nicht mehr möglich. Der streitige Zeitraum von sechs Monaten erstrecke sich vom 16.03. bis 15.09.2000. Das bedeute, dass ein Antrag nach § 6 Abs.7, § 4 Abs.2 Satz 3 BErzGG analog noch maximal bis zum Ablauf des 15.03.2001 habe gestellt werden können. Nach diesem Zeitpunkt sei eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur für ein Jahr möglich, also bis zum 15.03.2002. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung sei jedoch erst in der mündlichen Verhandlung vom 08.05.2002 gestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin bekundet, dass ihr die Möglichkeit eines Härtefallsantrags bis zu dem Datum unbekannt gewesen sei, so dass auch nicht von einem früheren Antragszeitpunkt ausgegangen werden könne. Damit sei die Frage, ob die Klägerin ohne Verschulden gehindert gewesen sei, die genannten Fristen des § 4 Abs.2 Satz 3 BErzGG einzuhalten, nicht mehr entscheidungsrelevant. Ein Fall höherer Gewalt im Sinn des § 27 Abs.3 SGB X liege ersichtlich nicht vor. Mit der Berufung vom 19.08.2002 trug die Klägerin vor, dass das tatsächliche Einkommen ihres Ehemannes im Jahr 2000 geringer als das prognostizierte gewesen sei. Dies beruhe darauf, dass das Kind M. nach der Geburt an einem Harnwegsinfekt erkrankt gewesen sei und daher einen Monat im Krankenhaus habe zubringen müssen. Der Ehemann habe deswegen für einen Monat unbezahlten Urlaub nehmen müssen, um den erstgeborenen Sohn M. zu versorgen. Dadurch sei ein Einkommensausfall entstanden, der bei der Schätzung nicht zu erkennen gewesen sei. Die Krankenkasse übernehme nur einen Teil des finanziellen Ausfalls. Die verspätete Stellung des Härtefallsantrags resultiere aus der zögerlichen Behandlung der Klage beim Sozialgericht.

Der Senat richtete eine Anfrage an den Beklagten, inwiefern die Klägerin anlässlich des BErzg-Antrags für den Sohn M. über die Möglichkeit und die Voraussetzungen der Zugrundelegung des Vorjahreseinkommens nach § 6 Abs.4 BErzGG, der Bewilligung unter Vorbehalt nach § 4 Abs.2 Satz 4 BErzGG sowie des Härtefallantrags nach § 6 Abs.7 BErzGG unterrichtet worden sei, ggf. zu welchem Zeitpunkt. Zudem wurde um Vorlage des Merkblatts gebeten, das der Klägerin im Mai 2000 ausgehändigt worden sei. Der Beklagte teilte mit, es könne nicht mehr nachvollzogen werden, ob mündlich auf die Möglichkeit des § 6 Abs.4 BErzGG und § 4 Abs.2 Satz 4 BErzGG hingewiesen worden sei. Das Gleiche gelte für die Möglichkeit eines Neuberechnungsantrags nach § 6 Abs.7 BErzGG. Das Merkblatt zum Antrag, den die Klägerin verwandt habe, enthalte jedoch einen Hinweis auf die Möglichkeit der Neuberechnung. Inwieweit sich rein rechnerisch ein Erziehungsgeldanspruch nach § 6 Abs.7 BErzGG ergeben könnte, könne anhand der vorliegenden Unterlagen nicht beurteilt werden. Hierzu wäre eine Verdienstbescheinigung für das erste Lebensjahr des Sohnes M. erforderlich (16.03.2000 bis 15.03.2001). Die Klägerin übersandte den Einkommenssteuerbescheid vom 24.09.2001 betreffend das Jahr 2000, die Einnahmenüberschussrechnung Büroservice C. M. für 2001 sowie die Gehaltsabrechnungen für den Ehemann der Klägerin betreffend die Monate Januar und Februar, März 2001.

Der Beklagte verwies darauf, dass ein Härtefall nur dann gegeben sei, wenn ein einschneidendes Ereignis eine veränderte Einkommenssituation hervorrufe, wobei eine erhebliche Abweichung des tatsächlichen vom geschätzten Einkommen gegeben sein müsse (Urteil des BSG vom 16.12.1999, B 14 EG 3/98 R). Nach der Berechnung des Beklagten ergab sich nach Auswertung der vorgelegten Unterlagen ein Lebensjahreseinkommen in Höhe von 179.351,00 DM (geschätztes Einkommen im Bescheid vom 22.05.2000: 187.218,00 DM).

Auf weitere Anfrage des Senats wurden seitens der Klägerin Unterlagen über die Krankheit des Kindes M. sowie einen stationären Krankenhausaufenthalt für die Zeit vom 29.03.2000 bis 07.04.2000 und 25.04.2000 vorgelegt. Weiter wurden die Leistungen der Krankenkasse beziffert und belegt (1.354,50 DM). Außerdem ergab sich aus den von der Klägerin vorgelegten Abrechnungen, dass im Mai 2000 eine Nachberechnung wegen unbezahlten Urlaubs im März und April 2000 erfolgt war, bei der insgesamt 3.555,02 DM in Abzug gebracht worden waren (März 2000 1.015,72 DM, April 2000 2.539,30 DM).

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 21.06.2002 sowie den Bescheid vom 22.05.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2000 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, für die ersten sechs Lebensmonate des 2000 geborenen Kindes M. Bundeserziehungsgeld unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften, insbesondere des bezogenen Mutterschaftsgeldes, zu gewähren.

Die Bevollmächtigte des Beklagten beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats einverstanden erklärt.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie des Sozialgerichts München und die Akte des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die mangels einer Beschränkung gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht eingelegte, insgesamt zulässige Berufung der Klägerin (§§ 143, 151 SGG) ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch darauf, dass ihr der Beklagte Bundeserziehungsgeld für die ersten sechs Lebensmonate ihres 2000 geborenen Kindes M. unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften bewilligt.

Anzuwenden ist das BErzGG in der ab 01.01.1997 bis 31.12.2000 geltenden Fassung. Nach § 5 Abs.1 BErzGG betrug das Erzg monatlich 600,00 DM. In den ersten sechs Lebensmonaten des Kindes entfällt das Erziehungsgeld, wenn das Einkommen nach § 6 bei Verheirateten, die von ihrem Ehepartner nicht dauernd getrennt leben, 100.000,00 DM übersteigt. Dieser Betrag erhöht sich um 4.200,00 DM für jedes weitere Kind des Berechtigten oder seines nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten, für das ihm und seinem Ehegatten Kindergeld gewährt wird (§ 5 Abs.2 Satz 3 BErzGG). Als Einkommen gilt nach § 6 Abs.1 BErzGG die nicht um Verluste in einzelnen Einkommensarten zu vermindernde Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs.1 und 2 des Einkommenssteuergesetzes (EstG) abzüglich folgender Beträge: 1. 27 v.H. der Einkünfte, bei Personen im Sinne des § 10c Abs.3 des EstG 22 v.H. der Einkünfte; 2. Unterhaltsleistungen an Kinder, für die die Einkommensgrenze nicht nach § 5 Abs.2 Satz 3 erhöht worden ist, bis zu dem durch Unterhaltstitel oder durch Vereinbarung festgelegten Betrag, und an sonstige Personen, soweit die Leistungen nach § 10 Abs.1 Nr.1 oder § 33a Abs.1 des EStG berücksichtigt werden; 3. ein Betrag entsprechend § 33b Abs.1 bis 3 des EStG für ein Kind, das nach § 5 Abs.2 zu berücksichtigen ist. Für die Minderung im ersten bis zwölften Lebensmonat des Kindes ist das voraussichtliche Einkommen im Kalenderjahr der Geburt (hier 2000) maßgebend. Voraussetzung ist, dass die für das jeweilige Kalenderjahr bekannten Einkommensdaten eine verlässliche Prognose des Jahreseinkommens zulassen (BSG SozR 3-7833 § 6 Nr.22; SozR 3-7833 § 6 Nr.15).

Dies war bei dem Einkommen der Klägerin bzw. dem ihres Ehemannes für das Jahr 2000 der Fall. Wie das BSG feststellt (SozR 3-7833 § 6 Nr.22), ist eine Prognose wie in § 6 BErzGG vorgesehen auf Grund der bei den meisten Arbeitnehmern gleichmäßig verlaufenden Einkommensentwicklung in der Regel hinreichend genau zu erstellen, wobei sie vor allem bei Arbeitnehmern mit Umsatzprovision oder sonst schwankendem Einkommen auch mit erheblichen Unsicherheiten behaftet sein kann. Unter Berücksichtigung der Verdienstbescheinigung des Arbeitgebers des Ehemannes der Klägerin vom 14.04.2000 ist der Beklagte zutreffend von einem Jahreseinkommen für das Jahr 2000 in Höhe von 187.218,00 DM brutto ausgegangen. Der Ehemann der Klägerin bezog einen monatlich grundsätzlich feststehenden Bruttoarbeitslohn, der keinen monatlichen Schwankungen unterlag. Auch bei den Sonderzahlungen im März und Dezember handelte es sich um nicht grundsätzlich schwankende Beträge. Die Annahme, das Einkommen des Ehemanns der Klägerin werde sich für die Zeit ab Mai so gestalten, wie vom Arbeitgeber prognostiziert, ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat, wie nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erforderlich (BSG a.a.O.), die für die Einkommensprognose maßgeblichen Faktoren sorgfältig und vollständig ermittelt und einbezogen; verbleibende Restzweifel und Ungenauigkeiten müssen, weil mit der Natur jeder Prognose verbunden, grundsätzlich hingenommen werden.

Da die für das Kalenderjahr bekannten Einkommensdaten eine verlässliche Prognose des Jahreseinkommens grundsätzlich zugelassen haben, ist für einen Rückgriff auf die Einkünfte in dem vorhergehenden Kalenderjahr kein Raum, da dies nach § 6 Abs.4 BErzGG nur dann in Betracht kommt, soweit ein ausreichender Nachweis der voraussichtlichen Einkünfte nicht möglich ist.

Ausgehend von dem grundsätzlich zutreffend prognostizierten Bruttoarbeitslohn von 187.218,00 DM hat der Beklagte im Bescheid vom 22.05.2000 zutreffend einen Anspruch auf Bundeserziehungsgeld für die ersten sechs Lebensmonate des Kindes M. verneint. Er ging von folgender Berechnung aus: Bruttoarbeitslohn 187.218,00 DM abzüglich 3.618,00 DM Werbungskosten, abzüglich 49.572,00 DM Pauschalabzug nach § 6 Abs.1 Nr.1 BErzGG, abzüglich 28.740,00 DM Unterhaltsleistungen für die geschiedene Ehefrau und die beiden Kinder aus erster Ehe: zu berücksichtigendes Einkommen 105.288,00 DM.

Dieser Betrag lag über der Grenze von 104.200,00 DM, so dass unter Berücksichtigung des prognostizierten Einkommens sich kein Anspruch auf Bundeserziehungsgeld berechnete.

Die Ansicht der Klägerin, bei der Absetzung der Unterhaltsleistungen an die Kinder ihres Ehemannes aus erster Ehe sei zu berücksichtigen, dass seitens ihres Mannes ein niedrigerer Unterhalt geleistet werden müsse, da seine frühere Frau für die beiden Kinder das Kindergeld im vollen Umfang erhalte, ist nicht überzeugend. Der an die frühere Ehefrau ausgezahlte hälftige Kindergeldanteil kann nicht als Unterhaltsleistung im Sinn des § 6 Abs.1 Nr.2 BErzGG berücksichtigt werden. Wie das Bundessozialgericht im Urteil vom 24.04.2003, Az.: B 10 EG 2/02 R, darlegt, spricht der systematische Zusammenhang zwischen dem § 6 Abs.1 Nr.2 BErzGG und § 5 Abs.2 Satz 3 BErzGG gegen die Berücksichtigung des hälftigen Kindergeldanspruchs als abzugsfähige Unterhaltsleistung. Beide Vorschriften betreffen den Unterhaltsaufwand für Kinder. Während § 5 Abs.2 Satz 3 BErzGG voraussetzt, dass der Berechtigte für das Kind selbst Kindergeld bezieht, knüpft § 6 Abs.1 Nr.2 BErzGG gerade an ein Fehlen solcher Zahlungen an. Da diese Regelungen bei vergleichbar hohen Einkommen in gleicher Weise eine Verringerung des anrechenbaren Betrages bewirken, erscheint insoweit (vgl. BSG a.a.O.) auch eine gleichsinnige Behandlung des Kindergeldes geboten. Wenn demnach das dem Berechtigten (oder seinem Ehegatten) tatsächlich gezahlte Kindergeld bei der Einkommensanrechnung gemäß § 5 Abs.2 Satz 3 BErzGG außer Betracht bleibt, muss dies laut BSG a.a.O. ebenso im Falle der Barunterhaltsleistung an ein Kind gelten, für das eine andere Person Kindergeld bezieht. Daraus folgt, dass der in § 1612a Abs.1 BGB geregelte Anrechnungsvorgang es nicht rechtfertigt, die nach § 6 Abs.1 Nr.2 BErzGG berücksichtigungsfähige Unterhaltsleistung um den hälftigen Kindergeldanteil zu erhöhen. Der Beklagte hat demnach zutreffend nur eine Unterhaltsleistung von insgesamt 28.740,00 DM vom Einkommen in Abzug gebracht.

Dass der Klägerin trotz grundsätzlich zutreffender Prognose ein Anspruch auf BErzG für die ersten sechs Lebensmonate ihres Kindes M. zusteht, ist darin begründet, dass der Ehemann der Klägerin im Monat März und April wegen der Erkrankung seines Kindes M. teilweise nicht gearbeitet, sondern unbezahlten Urlaub erhalten hat, was dazu führte, dass sein Einkommen im März um 1.015,72 DM und im April um 2.539,30 DM niederer war als von seinem Arbeitgeber bestätigt. Dass der Ehemann der Klägerin unbezahlten Urlaub hatte, steht fest auf Grund der vorgelegten Nachberechnungen für März und April 2000 sowie der Bescheinigungen über die Erkrankung und den stationären Aufenthalt des Kindes M. im Krankenhaus. Außerdem werden die Angaben dadurch bestätigt, dass die Barmer Ersatzkasse für den Zeitraum vom 30.03.2000 bis 07.04.2000 Verdienstausfall in Höhe von 1.354,50 DM erstattet hat. Der Berücksichtigung der Tatsache, dass der Ehemann der Klägerin im März und April 2000 wegen unbezahlten Urlaubs ein geringeres Einkommen hatte, steht nicht entgegen, dass die Verbindlichkeit der von der Verwaltung getroffenen Einkommensprognose nicht dadurch in Frage gestellt werden kann, dass sich im Nachhinein ein anderes Einkommen ergeben hat. Wie das Bundessozialgericht (Urteil vom 02.10.1997, Az.: 14 REg 10/96) darlegt, hat der Gesetzgeber, um eine baldige Entscheidung über das BErzg zu ermöglichen, der Verwaltung aufgegeben, das Einkommen im laufenden Jahr zu prognostizieren, weil das endgültige Einkommen häufig erst Monate nach Ablauf des betreffenden Jahres feststeht, wenn der Einkommenssteuerbescheid vorliegt. Zur Vermeidung eines doppelten Verwaltungsaufwands hat der Gesetzgeber auch nicht die Lösung gewählt, das BErzg zunächst nur vorläufig und erst nach Vorliegen des Einkommenssteuerbescheids endgültig festzusetzen (BSG a.a.O.). Er hat vielmehr nur für Härtefälle in § 6 Abs.7 BErzGG die Berücksichtigung einer von der Prognose abweichenden Einkommensentwicklung zugelassen. Allerdings kann die Einkommensprognose mit der Begründung angefochten werden, dass die Verwaltung bereits von vornherein von unzutreffenden Tatsachengrundlagen ausgegangen ist (BSG SozR 3-7833 § 6 Nr.22 = Urteil vom 16.12.1999 - B 14 EG 1/99 R m.w.N.).

Diese Fallgestaltung liegt bei der Klägerin vor. Der Beklagte ging im angefochtenen Bescheid vom Mai 2000 davon aus, dass der Ehemann der Klägerin im vollen Umfang erwerbstätig war und volles Entgelt erhalten hat. Wegen der Erkrankung des Kindes M. hatte er aber im Monat März und Anfang April unbezahlten Urlaub mit der Folge einer Verdienstminderung. Diese Tatsache wurde vom Beklagten nicht berücksichtigt. Hätte der Beklagte die Tatsache des unbezahlten Urlaubs sowie die Einkommensminderung in Höhe von mindestens 3.555,02 DM brutto in Abzug gebracht, so hätte er ein Einkommen unter der Grenze von 104.200,00 DM ermittelt. Ausgehend von 187.218,00 DM, minus 3.555,00 DM = 183.663,00 DM, minus 3.618,00 DM Werbungskosten = 180.045,00 DM, minus 48.612,00 DM 27 % Pauschale = 131.433,00 DM, minus 28.740,00 DM Unterhaltsleistung = 102.693,00 DM zuzüglich 1.354,50 DM = 104.047,50 DM. Die Einkommensgrenze von 104.200,00 DM wurde demnach unterschritten und ein Anspruch auf das Bundeserziehungsgeld in den ersten sechs Monaten begründet.

Die Klägerin ist auch mit dem Vorbringen, ihr Ehemann habe im Monat März und April 2000 wegen des unbezahlten Urlaubs weniger verdient, nicht ausgeschlossen, obwohl sie dieses Argument erst im Klageverfahren (Vorlage des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2000) und konkret im Berufungsverfahren und damit lange nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens vorgebracht hat. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (unter anderem Urteil vom 02.10.1997, Az.: 14 REg 10/96 SozR 3-7833 § 6 Nr.15) können Grundlage der Prognose der Verwaltung nur die bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens, also spätestens bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides, erkennbaren Umstände seien. Maßgebend ist danach insoweit der verfahrensfehlerfrei ermittelte Kenntnisstand der Verwaltung, wobei die Behörde von den Angaben des Antragstellers im Leistungsantrag ausgehen muss. Der Antragsteller hat auf Grund seiner Mitwirkungspflicht nach § 60 Abs.1 Nr.1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) alle für die Leistung erheblichen Tatsachen anzugeben. Wie das BSG (a.a.O.) darlegt, kann nur auf die der Verwaltung bekannten oder zumindest erkennbaren Umstände abgestellt werden, auch soweit sie nicht in Zukunft zu erwarten, sondern bereits eingetreten sind. Diese Grundsätze können aber nicht dazu führen, dass eindeutige Tatsachen, die vor der Entscheidung der Verwaltung eingetreten sind, nur bis zum Ende des Verwaltungsverfahrens geltend gemacht werden können. Die Einkommensschätzung und der damit verbundene, gerichtlich nicht mehr zu überprüfende Beurteilungsspielraum umfasst nicht die Tatsachen, die bereits eingetreten sind, sondern betrifft die Würdigung, die aus den Tatsachen geschlossen wird. Bei dieser Würdigung besteht die Einschätzungsprärogative, nicht jedoch bei der Festlegung der Tatsachen, auf der die Schätzung aufbaut. Die Möglichkeit, die zu Grunde gelegte Tatsache zu beanstanden, wird auch durch § 6 Abs.7 BErzGG nicht ausgeschlossen. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 16.12.1999, Az.: B 14 EG 3/98 R) es sich bei der Regelung des § 6 Abs.7 BErzGG um eine Sonderregelung im Verhältnis zu § 44 SGB Zehntes Buch (SGB X) handelt, die grundsätzlich zur Voraussetzung hat, dass das BErzg auf der Grundlage einer Einkommensprognose berechnet worden ist und der Verwaltungsakt schon Bestandskraft erlangt hat. Bei einer solchen Bewilligungsentscheidung scheidet eine Korrektur wegen eines tatsächlich erzielten niedrigeren Jahreseinkommens nach § 44 SGB X aus und es kommt nur die Härtefallregelung des § 7 Abs.7 BErzGG in Betracht. Im Falle der Klägerin ist aber der das Bundeserziehungsgeld ablehnende, angefochtene Bescheid nicht bestandskräftig. Die Frage der Ermittlung des Einkommens war für die Klägerin auch grundsätzlich nicht entscheidend, da ihrer Ansicht nach ihr Anspruch selbst dann begründet war, wenn der vom Beklagten zu Grunde gelegte Betrag von 187.218,00 DM als Bruttoarbeitslohn zu Grunde gelegt würde. Gerade bei einer solchen Fallgestaltung ist eine Überprüfung der Tatsachen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht als zulässig anzusehen.

Die Berufung ist begründet und der Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Bundeserziehungsgeld für die ersten sechs Lebensmonate ihres Sohnes M. dem Grunde nach zu bewilligen.

Bei dieser Rechtslage kann dahingestellt bleiben, ob der Antrag der Klägerin nach § 6 Abs.7 BErzGG tatsächlich verspätet ist oder ob nicht im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 16.12.1999, Az.: B 14 EG 3/98 R, wegen unverschuldeter Versäumung eines rechtzeitigen Antrags auf Berücksichtigung der niedrigeren Einkünfte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Als Anhaltspunkt für die Bewilligung von Wiedereinsetzung kommt der Umstand in Betracht, dass die Klägerin erst in der mündlichen Verhandlung vom 08.05.2002 von der Härtefallregelung Kenntnis erlangt hat, insbesondere aber deswegen, weil in dem vom Beklagten vorgelegten Merkblatt zwar auf einen Antrag auf Neuberechnung des Erziehungsgeldes wegen Verminderung der tatsächlichen Einkünfte auf grund eines Härtefalls hingewiesen ist, aber nicht auf die analog anzuwendende Sechsmonatsfrist des § 4 Abs.2 Satz 3 BErzGG, was nach dem Urteil des BSG vom 16.12.1999, Az.: B 14 EG 3/98 R, erforderlich erscheint. Trotz der vom Beklagten für die Härtefallsregelung ermittelten Einkommensverhältnisse der Klägerin und dem Umstand, dass das Merkblatt des Beklagten unvollständig ist, kommt es auf § 6 Abs.7 BErzGG aber nicht an, da der Anspruch der Klägerin bereits aus anderen Gründen gegeben ist.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird zugelassen (§ 160 Abs.2 SGG).

Die Entscheidung kann gemäß § 155 Abs.3 SGG durch die Berichterstatterin anstelle des Senats ergehen, da die Beteiligten ihr Einverständnis erklärt haben.
Rechtskraft
Aus
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