Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 AS 289/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 141/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 4. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin nach dem 30.06.2005 Leistungen für die Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe zustehen.
Die 1949 geborene Klägerin bewohnt gemeinsam mit ihrer 1987 geborenen Tochter eine Wohnung mit einer Gesamtwohn-fläche von 82,28 qm. Auf ihren Antrag vom 14.09.2004 gewährte die Beklagte diesen mit Bescheid vom 26.10.2004 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2005 in Höhe von 1.033,77 EUR unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 525,77 EUR. Zugrunde gelegt wurden dabei - neben Heizkosten (ohne Warmwasser) in Höhe von 29,82 EUR und Nebenkosten in Höhe von 97,15 EUR - eine monatliche Grundmiete in Höhe von 398,80 EUR. Der Bescheid enthielt dabei folgenden Hinweis: "Ihre monatlichen Mietkosten (Kaltmiete) sind mit 398,80 EUR unangemessen hoch. Angemessen ist ein Wert von 343,20 EUR Kaltmiete. Ich fordere Sie deshalb auf, ihre monatlichen Kosten bis spätestens 30.06.2005 auf den angemessenen Wert zu reduzieren. Andernfalls werden ab 01.07.2005 die Kosten für Unterkunft auf den angemessenen Wert reduziert".
Auf den Weitergewährungsantrag vom 18.05.2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 31.05.2005 für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2005 folgende Leistungen: Unterkunftskosten für den Juli in Höhe von 470,17 EUR (343,20 EUR Grundmiete, 29,82 EUR Heizkosten ohne Warmwasser, 97,15 EUR Nebenkosten), unter Berücksichtigung der Vollendung des 18. Lebensjahres der Tochter am 10.08.2005 und deren Herausfallen aus der Bedarfsgemeinschaft für August 300,39 EUR sowie für September bis Dezember in Höhe von 235,08 EUR.
Mit Schreiben vom 14.07.2005 beantragte die Klägerin die Anerkennung der tatsächlichen Unterkunftskosten. Zur Begründung trug sie vor, sie habe sich bisher erfolglos um günstigeren Wohnraum bemüht. Zum Nachweis legte sie folgende Unterlagen vor: Eine Bescheinigung der Stadtbau-GmbH, wonach sie seit 13.01.2004 wohnungssuchend gemeldet sei, eine Bescheinigung der Wohnbau-GmbH T. vom 11.07.2005, wonach sie sich Ende Juni und am 11.07.2005 wegen einer Wohnung gemeldet habe, eine Bescheinigung der Stadt R. vom 28.07.2005, wonach sie vom 07.01.2004 bis 07.01.2005 als wohnungssuchend vorgemerkt gewesen sei. Eine Bescheinigung des Evangelischen Bildungswerks vom 27.07.2005 wurde nachgereicht. Danach hat sich die Klägerin am 20.06.2005 dort mit einem Wohnungsgesuch gemeldet. Die Beklagte bewertete das Schreiben vom 14.07.2005 als Widerspruch und wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2005 wegen Fristversäumnis als unzulässig zurück.
Weiterhin wertete die Beklagte das Schreiben vom 14.07.2005 als Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 31.05.2005 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Mit Bescheid vom 18.08.2005 wurde die Abänderung des Bescheides vom 31.05.2005 mit der Begründung abgelehnt, dieser sei rechtmäßig erlassen worden.
Mit ihrem Widerspruch vom 25.08.2005 legte die Klägerin weitere Unterlagen vor, und zwar eine Bestätigung der Stadt R. , Amt für Städtebauförderung und Wohnungswesen, vom 11.07.05, wo-nach die Klägerin für eine angemessene Wohnung (50 qm) seit dem 11.07.2005 vorgemerkt sei, eine Bestätigung der Wohnbau R. GmbH T. vom 09.08.2005, wonach die Klägerin seit dem Jahr 2004 wohnungssuchend gemeldet sei, eine Bestätigung der Stadtbau-GmbH vom 09.08.2005, wonach die Klägerin seit 15.01.2004 wohnungssuchend gemeldet sei, eine Bestätigung der Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft Ndb./Opf. GmbH, wonach die Klägerin im Jahr 2004 und am 09.08.2005 vorgesprochen habe. Im Übrigen habe sie versucht, auch auf den sonst üblichen Wegen, Anzeigen, Vormerkungen beim Hausmeister etc., eine günstigere Wohnung zu finden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.2005 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen. Die Entscheidung vom 31.05.2005 sei nicht rechtswidrig, die Voraussetzungen für eine Rücknahme dieses Bescheides lägen nicht vor. Die vorgelegten Bescheinigungen würden nicht ausreichen, um eine ernsthafte Wohnungssuche der Klägerin zu belegen. Sie habe vielmehr trotz des eindeutigen Hinweises im Bescheid vom 26.10.2004 erst im Juni 2005 mit der Suche nach einer günstigeren Wohnung begonnen.
Mit ihrer am 13.09.2005 zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhobenen Klage wiederholte die Klägerin im Wesentlichen ihren bisherigen Sachvortrag. Das SG hat mit Urteil vom 04.05.2006 den Bescheid vom 18.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2005 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Bescheid vom 31.05.2005 zurückzunehmen und der Klägerin Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten über den 30.06.2005 hinaus nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Zur Begründung hat es unter Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 27.02.2006 (L 7 B 451/05 AS ER) im Wesentlichen ausgeführt, unabhängig von der Frage, ob die Klägerin sich ausreichend um einen angemessenen Wohnraum bemüht habe, sei die Sechs-Monatsfrist des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II mangels hinreichender Aufklärung durch die Beklagte nicht wirksam in Lauf gesetzt worden. Der Klägerin sei zwar mit Bescheid vom 26.10.2004 mitgeteilt worden, dass die Miete unangemessen hoch sei und sie die Kosten bis zum 30.06.2005 reduzieren müsse, sie sei aber nicht darüber informiert worden, in welcher Weise und mit welcher Intensität die Wohnungssuche zu erfolgen und welche Nachweise sie dafür zu erbringen habe. Eine zeitliche Beschränkung ergebe sich aus § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 24.05.2006 zugestellte Urteil am 20.06.2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, im Gegensatz zur Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 17.03.2006 - L 7 AS 20/05 sowie Beschluss vom 27.02.2006 - L 7 B 451/05 AS ER) habe das Hessische Landessozialgericht mit Beschlüssen vom 28.03.2006 (L 7 AS 122/05 ER und L 7 AS 121/05 ER) entschieden, dass die Sechs-Monatsfrist des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II mit der Aufforderung beginne, die die Höhe der als angemessen anzusehenden und auf Dauer zu übernehmenden Unterkunftskosten nenne. Es habe den Fristlauf im Gegensatz zum Senat nicht von einem Hinweis über Art und Weise und Intensität der Suche nach einer angemesseneren Unterkunft und über die Art und Weise der hierfür zu erbringenden Nachweise abhängig gemacht.
Es sei für den Fristbeginn der Sechs-Monatsfrist des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II ausreichend, wenn der Leistungsträger dem Hilfebedürftigen mitgeteilt habe, dass die derzeitigen Mietkosten unangemessen hoch seien, er die als angemessen anzusehenden Unterkunftskosten der Höhe nach konkret benannt und den Hilfebedürftigen aufgefordert habe, die Unterkunftskosten bis zu einem genannten Termin auf den angemessenen Wert zu reduzieren, andernfalls ab Fristablauf die Kosten für die Unterkunft auf den angemessenen Wert reduziert würden.
Das SGB II belege den Leistungsträger insoweit nicht mit expliziten Aufklärungspflichten hinsichtlich der vom Hilfebedürftigen konkret zu unternehmenden Schritte hin zu einer Mietsenkung, es stehe dem Hilfebedürftigen vielmehr frei zu entscheiden, welche Schritte er zu einer Mietkostenreduzierung ergreifen möchte. Das SGB II stelle nur fest, dass unangemessene Mieten von der Arge so lange zu tragen seien, wie eine Reduzierung dem Hilfebedürftigen nicht möglich oder zumutbar sei. Dem vom Senat zitierten Urteil des Bundessozialgerichts habe eine Rechtslage zugrundegelegen, die mit der vorliegenden nicht zu vergleichen sei. § 22 Abs. 1 SGB II sehe weder eine Belehrungspflicht des Leistungsträgers noch einen Anknüpfungspunkt für ein Verschuldenselement oder eine verschuldete Kenntnis des Hilfebedürftigen von seiner Obliegenheit vor. Die Klägerin habe sich seit Erhalt des Bescheides vom 26.10.2004 auch nicht ausreichend bemüht, einen angemessenen Wohnraum bis 30.06.2005 zu erlangen. Für die Suche nach einer angemessenen Wohnung müssten alle Möglichkeiten unter Zuhilfenahme aller erreichbaren Hilfen oder Hilfsmittel in Anspruch genommen werden. Entsprechend den zur Sozialhilfe entwickelten Grundsätzen, auf die ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 22 Abs. 1 SGB II zurückgegriffen werden könne, habe die Klägerin substantiiert darlegen müssen, dass eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Unterkunft im Bedarfszeitraum auf dem örtlichen Wohnungsmarkt nicht vorhanden bzw. trotz ernsthafter und intensiver Bemühungen nicht auffindbar oder eine vorhandene Unterkunft nicht zugänglich gewesen sei. Die vorgetragenen Bemühungen der Klägerin hätten diesen Anforderungen an eine ernsthafte und intensive Woh-nungssuche nicht genügt.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 04.05.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil das SG die Berufung im Urteil zugelassen hat.
Das Rechtsmittel ist sachlich aber nicht begründet, weil der Klägerin ein Anspruch auf die tatsächlichen Unterkunftskosten nach dem 30.06.2005 zusteht.
Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Nach dieser Vorschrift haben die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende Hilfebedürftigen im Sinne des § 9 SGB II - die Klägerin (und ihre Tochter bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres) zählt zu diesem Personenkreis - auch die den angemessenen Umfang übersteigenden Unterkunftskosten so lange zu zahlen, wie es dem Hilfebedürftigen bzw. der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Die Unterkunftskosten für die Wohnung waren mit 398,80 EUR unangemessen hoch, was von der Klägerin auch nicht bestritten wird.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Klägerin (und für den Monat Juli 2005 ihrer Tochter) ein Umzug unmöglich oder unzumutbar war; denn sie kann sich für den streitigen Zeitraum auf die Sechs-Monatsfrist berufen. Diese Frist war am 30.06.2005 nicht bereits deshalb abgelaufen; denn die Beklagte kann sich deshalb nicht darauf berufen, die Sechs-Monatsfrist sei bereits abgelaufen, weil diese mangels hinreichender Aufklärung der Klägerin nicht in Lauf gesetzt wurde; denn die Beklagte hat die Klägerin nicht hinreichend darüber aufgeklärt, in welcher Weise und in welcher Intensität sie nach einer billigeren Unterkunft suchen musste und welche Nachweise sie dafür zu erbringen hatte. Zwar müssen für die Suche nach einer angemessenen Wohnung alle Möglichkeiten unter Zuhilfenahme aller erreichbaren Hilfen oder Hilfsmittel in Anspruch genommen werden (so Berlit in LPK-SGB II, § 22, RdNr 47). Entsprechend den zur Sozialhilfe entwickelten Grundsätzen, auf die ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1516, Begründung zu § 22 Abs. 1) zurückgegriffen werden kann, hätte die Klägerin an sich substantiiert darlegen müssen, dass eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Unterkunft im Bedarfszeitraum auf dem örtlichen Wohnungsmarkt nicht vorhanden bzw. trotz ernsthafter und intensiver Bemühungen nicht auffindbar oder eine vorhandene Unterkunft nicht zugänglich war (so Bundesverwaltungsgericht - BVerwG - in BVerwGE 101, 194). Möglicherweise genügen die vorgetragenen Bemühungen der Klägerin zwar nicht diesen Anforderungen an eine ernsthafte und intensive Wohnungssuche. Dies ist aber deshalb unschädlich, weil die Klägerin auf diese Obliegenheit nicht hingewiesen wurde.
Die Ausgestaltung der Obliegenheiten des Sozialrechts zeigen, dass dem Leistungsberechtigten eine Obliegenheitsverletzung mit nachteiligen Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch nur vorgeworfen werden kann, wenn er in Kenntnis der konkreten Verhaltensanforderungen gegen diese verstößt (siehe dazu BSG, Urteil vom 25.05.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R zur unverschuldeten Unkenntnis von der Obliegenheit zur frühzeitigen Meldung nach § 37 b Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -). Die Beklagte hat die Klägerin im Bescheid vom 26.10.2004 nur aufgefordert, die Kosten auf den angemessenen Wert zu reduzieren. Sie wurde nicht darauf hingewiesen, dass sie ihre Bemühungen um eine billigere Wohnung nachzuweisen habe. Die Klägerin wurde auch nicht darüber informiert, in welcher Weise und mit welcher Intensität die Wohnungssuche zu erfolgen hatte. Im Hinblick auf die Folgen hätten die Beklagte z.B. durch ein Merkblatt näher konkretisieren müssen, welche Anforderungen sie an die Wohnungssuche und an die entsprechenden Nachweise stellt. Ein anderes Ergebnis wäre im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wegen der gravierenden Rechtsfolgen verfassungsrechtlich bedenklich.
Der Einwand der Beklagten gegen die Rechtsprechung des Senats, in § 22 Abs. 1 SGB II sei keine entsprechende Belehrungspflicht normiert, überzeugt nicht; denn dass eine Behörde den Bürger über mögliche negative Auswirkungen einer Obliegenheitsverletzung belehren muss, ist eine Verpflichtung, der diese auch ohne gesetzliche Verpflichtung nachkommen muss. So ist nach dem von der Rechtsprechung entwickelten Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs eine Behörde zu einer sog. Spontanberatung verpflichtet, auch wenn eine solche im Gesetz nicht vorgeschrieben ist. Durch die Kürzung der Kosten der Unterkunft auf die nach Ansicht der Beklagten angemessenen Kosten sinken die Mittel, die der Klägerin zur Verfügung standen, unter das vom Gesetzgeber für erforderlich gehaltene "soziokulturelle" Existenzminimum.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde zugelassen, weil dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung zukommt.
II. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin nach dem 30.06.2005 Leistungen für die Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe zustehen.
Die 1949 geborene Klägerin bewohnt gemeinsam mit ihrer 1987 geborenen Tochter eine Wohnung mit einer Gesamtwohn-fläche von 82,28 qm. Auf ihren Antrag vom 14.09.2004 gewährte die Beklagte diesen mit Bescheid vom 26.10.2004 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2005 in Höhe von 1.033,77 EUR unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 525,77 EUR. Zugrunde gelegt wurden dabei - neben Heizkosten (ohne Warmwasser) in Höhe von 29,82 EUR und Nebenkosten in Höhe von 97,15 EUR - eine monatliche Grundmiete in Höhe von 398,80 EUR. Der Bescheid enthielt dabei folgenden Hinweis: "Ihre monatlichen Mietkosten (Kaltmiete) sind mit 398,80 EUR unangemessen hoch. Angemessen ist ein Wert von 343,20 EUR Kaltmiete. Ich fordere Sie deshalb auf, ihre monatlichen Kosten bis spätestens 30.06.2005 auf den angemessenen Wert zu reduzieren. Andernfalls werden ab 01.07.2005 die Kosten für Unterkunft auf den angemessenen Wert reduziert".
Auf den Weitergewährungsantrag vom 18.05.2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 31.05.2005 für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2005 folgende Leistungen: Unterkunftskosten für den Juli in Höhe von 470,17 EUR (343,20 EUR Grundmiete, 29,82 EUR Heizkosten ohne Warmwasser, 97,15 EUR Nebenkosten), unter Berücksichtigung der Vollendung des 18. Lebensjahres der Tochter am 10.08.2005 und deren Herausfallen aus der Bedarfsgemeinschaft für August 300,39 EUR sowie für September bis Dezember in Höhe von 235,08 EUR.
Mit Schreiben vom 14.07.2005 beantragte die Klägerin die Anerkennung der tatsächlichen Unterkunftskosten. Zur Begründung trug sie vor, sie habe sich bisher erfolglos um günstigeren Wohnraum bemüht. Zum Nachweis legte sie folgende Unterlagen vor: Eine Bescheinigung der Stadtbau-GmbH, wonach sie seit 13.01.2004 wohnungssuchend gemeldet sei, eine Bescheinigung der Wohnbau-GmbH T. vom 11.07.2005, wonach sie sich Ende Juni und am 11.07.2005 wegen einer Wohnung gemeldet habe, eine Bescheinigung der Stadt R. vom 28.07.2005, wonach sie vom 07.01.2004 bis 07.01.2005 als wohnungssuchend vorgemerkt gewesen sei. Eine Bescheinigung des Evangelischen Bildungswerks vom 27.07.2005 wurde nachgereicht. Danach hat sich die Klägerin am 20.06.2005 dort mit einem Wohnungsgesuch gemeldet. Die Beklagte bewertete das Schreiben vom 14.07.2005 als Widerspruch und wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2005 wegen Fristversäumnis als unzulässig zurück.
Weiterhin wertete die Beklagte das Schreiben vom 14.07.2005 als Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 31.05.2005 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Mit Bescheid vom 18.08.2005 wurde die Abänderung des Bescheides vom 31.05.2005 mit der Begründung abgelehnt, dieser sei rechtmäßig erlassen worden.
Mit ihrem Widerspruch vom 25.08.2005 legte die Klägerin weitere Unterlagen vor, und zwar eine Bestätigung der Stadt R. , Amt für Städtebauförderung und Wohnungswesen, vom 11.07.05, wo-nach die Klägerin für eine angemessene Wohnung (50 qm) seit dem 11.07.2005 vorgemerkt sei, eine Bestätigung der Wohnbau R. GmbH T. vom 09.08.2005, wonach die Klägerin seit dem Jahr 2004 wohnungssuchend gemeldet sei, eine Bestätigung der Stadtbau-GmbH vom 09.08.2005, wonach die Klägerin seit 15.01.2004 wohnungssuchend gemeldet sei, eine Bestätigung der Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft Ndb./Opf. GmbH, wonach die Klägerin im Jahr 2004 und am 09.08.2005 vorgesprochen habe. Im Übrigen habe sie versucht, auch auf den sonst üblichen Wegen, Anzeigen, Vormerkungen beim Hausmeister etc., eine günstigere Wohnung zu finden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.2005 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen. Die Entscheidung vom 31.05.2005 sei nicht rechtswidrig, die Voraussetzungen für eine Rücknahme dieses Bescheides lägen nicht vor. Die vorgelegten Bescheinigungen würden nicht ausreichen, um eine ernsthafte Wohnungssuche der Klägerin zu belegen. Sie habe vielmehr trotz des eindeutigen Hinweises im Bescheid vom 26.10.2004 erst im Juni 2005 mit der Suche nach einer günstigeren Wohnung begonnen.
Mit ihrer am 13.09.2005 zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhobenen Klage wiederholte die Klägerin im Wesentlichen ihren bisherigen Sachvortrag. Das SG hat mit Urteil vom 04.05.2006 den Bescheid vom 18.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2005 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Bescheid vom 31.05.2005 zurückzunehmen und der Klägerin Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten über den 30.06.2005 hinaus nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Zur Begründung hat es unter Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 27.02.2006 (L 7 B 451/05 AS ER) im Wesentlichen ausgeführt, unabhängig von der Frage, ob die Klägerin sich ausreichend um einen angemessenen Wohnraum bemüht habe, sei die Sechs-Monatsfrist des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II mangels hinreichender Aufklärung durch die Beklagte nicht wirksam in Lauf gesetzt worden. Der Klägerin sei zwar mit Bescheid vom 26.10.2004 mitgeteilt worden, dass die Miete unangemessen hoch sei und sie die Kosten bis zum 30.06.2005 reduzieren müsse, sie sei aber nicht darüber informiert worden, in welcher Weise und mit welcher Intensität die Wohnungssuche zu erfolgen und welche Nachweise sie dafür zu erbringen habe. Eine zeitliche Beschränkung ergebe sich aus § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 24.05.2006 zugestellte Urteil am 20.06.2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, im Gegensatz zur Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 17.03.2006 - L 7 AS 20/05 sowie Beschluss vom 27.02.2006 - L 7 B 451/05 AS ER) habe das Hessische Landessozialgericht mit Beschlüssen vom 28.03.2006 (L 7 AS 122/05 ER und L 7 AS 121/05 ER) entschieden, dass die Sechs-Monatsfrist des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II mit der Aufforderung beginne, die die Höhe der als angemessen anzusehenden und auf Dauer zu übernehmenden Unterkunftskosten nenne. Es habe den Fristlauf im Gegensatz zum Senat nicht von einem Hinweis über Art und Weise und Intensität der Suche nach einer angemesseneren Unterkunft und über die Art und Weise der hierfür zu erbringenden Nachweise abhängig gemacht.
Es sei für den Fristbeginn der Sechs-Monatsfrist des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II ausreichend, wenn der Leistungsträger dem Hilfebedürftigen mitgeteilt habe, dass die derzeitigen Mietkosten unangemessen hoch seien, er die als angemessen anzusehenden Unterkunftskosten der Höhe nach konkret benannt und den Hilfebedürftigen aufgefordert habe, die Unterkunftskosten bis zu einem genannten Termin auf den angemessenen Wert zu reduzieren, andernfalls ab Fristablauf die Kosten für die Unterkunft auf den angemessenen Wert reduziert würden.
Das SGB II belege den Leistungsträger insoweit nicht mit expliziten Aufklärungspflichten hinsichtlich der vom Hilfebedürftigen konkret zu unternehmenden Schritte hin zu einer Mietsenkung, es stehe dem Hilfebedürftigen vielmehr frei zu entscheiden, welche Schritte er zu einer Mietkostenreduzierung ergreifen möchte. Das SGB II stelle nur fest, dass unangemessene Mieten von der Arge so lange zu tragen seien, wie eine Reduzierung dem Hilfebedürftigen nicht möglich oder zumutbar sei. Dem vom Senat zitierten Urteil des Bundessozialgerichts habe eine Rechtslage zugrundegelegen, die mit der vorliegenden nicht zu vergleichen sei. § 22 Abs. 1 SGB II sehe weder eine Belehrungspflicht des Leistungsträgers noch einen Anknüpfungspunkt für ein Verschuldenselement oder eine verschuldete Kenntnis des Hilfebedürftigen von seiner Obliegenheit vor. Die Klägerin habe sich seit Erhalt des Bescheides vom 26.10.2004 auch nicht ausreichend bemüht, einen angemessenen Wohnraum bis 30.06.2005 zu erlangen. Für die Suche nach einer angemessenen Wohnung müssten alle Möglichkeiten unter Zuhilfenahme aller erreichbaren Hilfen oder Hilfsmittel in Anspruch genommen werden. Entsprechend den zur Sozialhilfe entwickelten Grundsätzen, auf die ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 22 Abs. 1 SGB II zurückgegriffen werden könne, habe die Klägerin substantiiert darlegen müssen, dass eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Unterkunft im Bedarfszeitraum auf dem örtlichen Wohnungsmarkt nicht vorhanden bzw. trotz ernsthafter und intensiver Bemühungen nicht auffindbar oder eine vorhandene Unterkunft nicht zugänglich gewesen sei. Die vorgetragenen Bemühungen der Klägerin hätten diesen Anforderungen an eine ernsthafte und intensive Woh-nungssuche nicht genügt.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 04.05.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil das SG die Berufung im Urteil zugelassen hat.
Das Rechtsmittel ist sachlich aber nicht begründet, weil der Klägerin ein Anspruch auf die tatsächlichen Unterkunftskosten nach dem 30.06.2005 zusteht.
Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Nach dieser Vorschrift haben die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende Hilfebedürftigen im Sinne des § 9 SGB II - die Klägerin (und ihre Tochter bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres) zählt zu diesem Personenkreis - auch die den angemessenen Umfang übersteigenden Unterkunftskosten so lange zu zahlen, wie es dem Hilfebedürftigen bzw. der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Die Unterkunftskosten für die Wohnung waren mit 398,80 EUR unangemessen hoch, was von der Klägerin auch nicht bestritten wird.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Klägerin (und für den Monat Juli 2005 ihrer Tochter) ein Umzug unmöglich oder unzumutbar war; denn sie kann sich für den streitigen Zeitraum auf die Sechs-Monatsfrist berufen. Diese Frist war am 30.06.2005 nicht bereits deshalb abgelaufen; denn die Beklagte kann sich deshalb nicht darauf berufen, die Sechs-Monatsfrist sei bereits abgelaufen, weil diese mangels hinreichender Aufklärung der Klägerin nicht in Lauf gesetzt wurde; denn die Beklagte hat die Klägerin nicht hinreichend darüber aufgeklärt, in welcher Weise und in welcher Intensität sie nach einer billigeren Unterkunft suchen musste und welche Nachweise sie dafür zu erbringen hatte. Zwar müssen für die Suche nach einer angemessenen Wohnung alle Möglichkeiten unter Zuhilfenahme aller erreichbaren Hilfen oder Hilfsmittel in Anspruch genommen werden (so Berlit in LPK-SGB II, § 22, RdNr 47). Entsprechend den zur Sozialhilfe entwickelten Grundsätzen, auf die ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1516, Begründung zu § 22 Abs. 1) zurückgegriffen werden kann, hätte die Klägerin an sich substantiiert darlegen müssen, dass eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Unterkunft im Bedarfszeitraum auf dem örtlichen Wohnungsmarkt nicht vorhanden bzw. trotz ernsthafter und intensiver Bemühungen nicht auffindbar oder eine vorhandene Unterkunft nicht zugänglich war (so Bundesverwaltungsgericht - BVerwG - in BVerwGE 101, 194). Möglicherweise genügen die vorgetragenen Bemühungen der Klägerin zwar nicht diesen Anforderungen an eine ernsthafte und intensive Wohnungssuche. Dies ist aber deshalb unschädlich, weil die Klägerin auf diese Obliegenheit nicht hingewiesen wurde.
Die Ausgestaltung der Obliegenheiten des Sozialrechts zeigen, dass dem Leistungsberechtigten eine Obliegenheitsverletzung mit nachteiligen Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch nur vorgeworfen werden kann, wenn er in Kenntnis der konkreten Verhaltensanforderungen gegen diese verstößt (siehe dazu BSG, Urteil vom 25.05.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R zur unverschuldeten Unkenntnis von der Obliegenheit zur frühzeitigen Meldung nach § 37 b Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -). Die Beklagte hat die Klägerin im Bescheid vom 26.10.2004 nur aufgefordert, die Kosten auf den angemessenen Wert zu reduzieren. Sie wurde nicht darauf hingewiesen, dass sie ihre Bemühungen um eine billigere Wohnung nachzuweisen habe. Die Klägerin wurde auch nicht darüber informiert, in welcher Weise und mit welcher Intensität die Wohnungssuche zu erfolgen hatte. Im Hinblick auf die Folgen hätten die Beklagte z.B. durch ein Merkblatt näher konkretisieren müssen, welche Anforderungen sie an die Wohnungssuche und an die entsprechenden Nachweise stellt. Ein anderes Ergebnis wäre im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wegen der gravierenden Rechtsfolgen verfassungsrechtlich bedenklich.
Der Einwand der Beklagten gegen die Rechtsprechung des Senats, in § 22 Abs. 1 SGB II sei keine entsprechende Belehrungspflicht normiert, überzeugt nicht; denn dass eine Behörde den Bürger über mögliche negative Auswirkungen einer Obliegenheitsverletzung belehren muss, ist eine Verpflichtung, der diese auch ohne gesetzliche Verpflichtung nachkommen muss. So ist nach dem von der Rechtsprechung entwickelten Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs eine Behörde zu einer sog. Spontanberatung verpflichtet, auch wenn eine solche im Gesetz nicht vorgeschrieben ist. Durch die Kürzung der Kosten der Unterkunft auf die nach Ansicht der Beklagten angemessenen Kosten sinken die Mittel, die der Klägerin zur Verfügung standen, unter das vom Gesetzgeber für erforderlich gehaltene "soziokulturelle" Existenzminimum.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde zugelassen, weil dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Rechtskraft
Aus
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