Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 R 4045/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 B 302/06 R ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.04.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.
Der 1928 geborene Antragsteller (Ast) schuldet der Allgemeinen Ortskrankenkasse Direktion Mittelfranken (AOK) für die Zeit vom 01.09.2003 bis 23.12.2004 Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 69.539,80 EUR sowie Säumniszuschläge (6.564,00 EUR). Die Forderung beruht auf den von der Firma W. R. bzw von der Steuerkanzlei Rechtsanwälte Dr.S. und Kollegen (L.) erstellten Beitragsnachweisen. Mit Schreiben vom 19.07.2005 ermächtigte die AOK die Antragsgegnerin (Ag) zur Verrechnung der Forderung mit Rentenansprüchen des Ast. Nach Anhörung des Ast teilte die Ag diesem mit, dass monatlich 400,00 EUR mit der Rente von 1.350,37 EUR verrechnet würden (Bescheid vom 22.09.2005). Den Widerspruch des Ast wies die Ag durch Widerspruchsbescheid vom 03.01.2006 zurück. Die Verrechnung sei zulässig. Sowohl sie als auch die AOK seien Leistungsträger gemäß §§ 12 ff Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil (SGB I). In Anbetracht der Forderungshöhe sei eine monatliche Verrechnung von 400,00 EUR angemessen.
Gegen die o.a. Bescheide erhob der Ast am 11.01.2006 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) und beantragte deren Aufhebung. Ferner beantragte er am 24.01.2006, die aufschiebende Wirkung der Klage festzustellen. Die Ag beginne trotz der aufschiebenden Wirkung - es greife § 86a Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - durch Verrechnung den Bescheid zu vollstrecken. Ein Fall des § 86a Abs 2 Nr 3 SGG liege nicht vor, da die Rente an sich unangetastet bleibe, lediglich der Zahlungsfluss werde umgeleitet. Hilfsweise beantragte er, die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Die Verrechnung verstoße gegen die Vorschriften des Insolvenzverfahrens, denn die Verrechnung sei erst mit Bescheid vom 22.09.2005, mithin nach dem Eröffnungsbeschluss vom 02.02.2005, erfolgt. Seit 02.02.2005 sei jedoch nicht mehr er, sondern der Insolvenzverwalter passiv legitimiert. Durch Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle sei eine Zwangsvoll- streckung im Wege der Verrechnung ausgeschlossen. Die geltend gemachten Beitragsforderungen seien im Übrigen nicht nachgewiesen. Mit der Verrechnung werde er hilfebedürftig. Er sei herzkrank und habe größere Medikamentenzuzahlungen zu leisten.
Die Ag beantragte, den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzuweisen. In Angelegenheiten der Sozialversicherung entfalle bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzten oder entzögen, gemäß § 86a Abs 2 Nr 3 SGG die aufschiebende Wirkung, sodass sie mit Wirkung ab 01.02.2006 die Verrechnung veranlasst habe. Das Gericht könne jedoch auf Antrag gemäß § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Gründe, die eine Entscheidung im Eilverfahren rechtfertigten, seien allerdings vom Ast nicht dargelegt worden. Ein Interesse des Ast, das das öffentliche Vollziehungsinteresse überwiege, sei nicht festzustellen. Das Insolvenzverfahren habe keine unmittelbaren Auswirkungen auf Verrechnungen soweit diese über § 850c Zivilprozessordnung (ZPO) hinausgehende Rentenbeiträge erfassten. Insoweit sei eine Konkurrenz mit dem Insolvenzbeschlag generell nicht möglich.
Mit Beschluss vom 05.04.2006 hat das SG den Antrag des Ast abgelehnt. Die aufschiebende Wirkung sei nicht anzuordnen, denn es bestünden nach summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides. Die Verrechnungsbefugnis stelle eine Berechtigung zur Aufrechnung iS § 94 Insolvenzordnung (InsO) dar. Bereits vor Insolvenzeröffnung sei die AOK zur Verrechnung befugt gewesen. Auch werde der Ast bei Rentenbezügen in Höhe von 1.350,37 EUR und 663,24 EUR für sich und seine Ehefrau durch den monatlichen Einbehalt von 400,00 EUR nicht hilfebedürftig.
Gegen diesen Beschluss hat der Ast Beschwerde eingelegt. Nach der Rechtsprechung des BSG müsse die Verrechnungserklärung gegenüber dem zuständigen Insolvenzverwalter abgegeben werden. Dies sei vorliegend jedoch nicht geschehen. Die Ag habe ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. § 96 Nr 2 InsO sei einschlägig; die Ag habe die Forderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben.
Der Ast beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.04.2006 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage anzuord nen.
Die Ag beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Ast verkenne, dass in dem vom BSG entschiedenen Fall eine Verechnung lediglich mit dem pfändbaren Anteil der Rente erfolgt sei. Vorliegend werde jedoch in Rentenbestandteile unterhalb der Pfändungsgrenze eingegriffen. Für diesen Bereich sei eine Zuständigkeit des Insolvenzverwalters nicht gegeben.
II.
Die Beschwerde des Ast ist zulässig (§§ 172, 173 SGG). Ihr wurde nicht abgeholfen (§ 174 SGG).
Sie ist jedoch nicht begründet.
Über die Beschwerde konnte der Vorsitzende des Senats wegen Dringlichkeit anstelle des Senats entscheiden (§ 155 Abs 2 S 2 SGG).
Der angefochtene Beschluss ist nicht zu beanstanden, denn das SG hat den Antrag des Ast auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu Recht abgelehnt.
Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass die gegen den Bescheid vom 22.09.2005/Widerspruchsbescheid vom 03.01.2006 am 11.01.2006 erhobene Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hat.
Nach § 86a Abs 2 Nrn 1, 3 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Angaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten (Nr 1), für die Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzen oder entziehen (Nr 3). Das Gericht der Hauptsache kann allerdings auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (§ 86b Abs 1 Nr 2 SGG).
Dem Gesetz ist in den Fällen des § 86a Abs 2 Nrn 1 bis 4 SGG ein Regel-Ausnahmeverhältnis zugunsten des Suspensiveffektes zu entnehmen, da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung grundsätzlich angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist. In den Fällen des § 86a Abs 2 Nr 1 SGG ist § 86a Abs 3 Satz 2 SGG heranzuziehen und zu prüfen, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen. Im Übrigen wird ausgesetzt, wenn der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollziehung nicht mehr erkennbar ist. Sind die Erfolgsaussichten nicht abschätzbar, ist eine allgemeine Interessenabwägung vorzunehmen, wobei die Aussichten des Hauptsacheverfahrens mitberücksichtigt werden können. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten, insbesondere eine unbillige Härte, sind zu beachten. Eine solche liegt vor, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gut gemacht werden können. Der Ast muss insoweit konkrete Angaben machen (zum Ganzen vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl, § 86b Rdnr 12 ff, § 86a Rdnr 27; Krodel NZS 2001, 449 ff).
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass das SG die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu Recht abgelehnt hat, denn der Verrechnungsbescheid vom 22.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2006 ist weder offenbar rechtswidrig noch bestehen an seiner Rechtmäßigkeit ernstliche Zweifel.
Mit Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 18/03 R - hat das BSG entschieden, das eine Verrechnung nach § 52 SGB I auch im Insolvenzverfahren wirksam erfolgen kann. Zwar sehe § 114 Abs 2 InsO nach seinem Wortlaut lediglich eine Aufrechnung eines Verpflichteten mit Bezügen des Schuldners vor. § 114 Abs 2 InsO beziehe sich aber auch auf die Verrechnung nach § 52 SGB I, weil der Gesetzgeber einen weiten Aufrechnungsbegriff zugrunde lege, der auch Drittaufrechnungen (Verrechnungen) umfasse.
Zutreffend hat die Ag darauf hingewiesen, dass in dem vom BSG entschiedenen Fall ein Rentenversicherungsträger nur den pfändbaren Teil der Rente mit dem Anspruch der Krankenkasse auf Sozialversicherungsbeiträge verrechnet hat und dass - wie im Fall des Ast - die Verrechnung jedoch über die Pfändungsgrenze des § 850c ZPO bis zur Hälfte der laufenden Sozialleistungen hinausgehen darf. Denn kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§§ 52, 51 Abs 2 SGB I) ist bei Beitragsforderungen eine Verrechnung bis zur Hälfte der Geldleistung zulässig, es sei denn der Betroffene weist nach, dass er dadurch hilfebedürftig iS der Vorschriften des SGB XII/SGB II wird. Einen derartigen Nachweis hat der Ast jedoch nicht erbracht.
In der Literatur wurde darauf hingewiesen, dass Schuldner von Sozialleistungsträgern im Insolvenzverfahren zu solchen "zweiter Klasse" würden. Schuldnern, bei denen keine Aufrechnungslage gegeben sei, verbliebe im Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren der pfändungsfrei Teil des Einkommens nach der Tabelle zu § 850c ZPO. Der andere Teil der Schuldner, bei denen eine Verrechnungslage nach dem SGB I gegeben sei, müsse damit rechnen, dass der Sozialleistungsträger von der Verrechnung mit der Folge Gebrauch mache, dass ihnen für die Dauer von 2 Jahren nach Insolvenzeröffnung die Sozialleistungen nur noch in Höhe des Sozialhilfesatzes blieben (Fischer, ZVI 2004, 414 bis 416; Windel KTS 2004, 563 bis 567).
Diese Bedenken können angesichts der Entscheidung des BSG vom 10.12.2003 nicht zu erheblichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Verrechnung führen. Es fehlen nämlich hinreichende Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber in der InsO zur Frage der Verrechnung Änderungen gegenüber der Konkursordnung vornehmen wollte. Auch fehlen überzeugende Gründe, Verrechnungen aufgrund des Gesetzes ungünstiger zu behandeln als Verrechnungen aufgrund einer Vereinbarung (Gagel, EWiR 2004, 927 bis 928).
Allerdings hat der BGH in seinem Urteil vom 17.07.2004 - IX ZR 224/03 - Konzernverrechnungsklauseln in rechtsähnlicher Anwendung des § 96 Abs 1 Nrn 1, 2 InsO die Wirksamkeit im Insolvenzverfahren abgesprochen. Trotz eines insoweit vorhandenen Gegensatzes zur Rechtsprechung des BSG ist jedenfalls für das Anordnungsverfahren weiterhin von der Rechtsprechung des BSG auszugehen, die bislang keine Änderung erfahren hat.
Eine unbillige Härte hat der Ast nicht nachvollziehbar vorgetragen.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Nürnberg vom 05.04.2006 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist endgültig (§ 177 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.
Der 1928 geborene Antragsteller (Ast) schuldet der Allgemeinen Ortskrankenkasse Direktion Mittelfranken (AOK) für die Zeit vom 01.09.2003 bis 23.12.2004 Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 69.539,80 EUR sowie Säumniszuschläge (6.564,00 EUR). Die Forderung beruht auf den von der Firma W. R. bzw von der Steuerkanzlei Rechtsanwälte Dr.S. und Kollegen (L.) erstellten Beitragsnachweisen. Mit Schreiben vom 19.07.2005 ermächtigte die AOK die Antragsgegnerin (Ag) zur Verrechnung der Forderung mit Rentenansprüchen des Ast. Nach Anhörung des Ast teilte die Ag diesem mit, dass monatlich 400,00 EUR mit der Rente von 1.350,37 EUR verrechnet würden (Bescheid vom 22.09.2005). Den Widerspruch des Ast wies die Ag durch Widerspruchsbescheid vom 03.01.2006 zurück. Die Verrechnung sei zulässig. Sowohl sie als auch die AOK seien Leistungsträger gemäß §§ 12 ff Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil (SGB I). In Anbetracht der Forderungshöhe sei eine monatliche Verrechnung von 400,00 EUR angemessen.
Gegen die o.a. Bescheide erhob der Ast am 11.01.2006 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) und beantragte deren Aufhebung. Ferner beantragte er am 24.01.2006, die aufschiebende Wirkung der Klage festzustellen. Die Ag beginne trotz der aufschiebenden Wirkung - es greife § 86a Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - durch Verrechnung den Bescheid zu vollstrecken. Ein Fall des § 86a Abs 2 Nr 3 SGG liege nicht vor, da die Rente an sich unangetastet bleibe, lediglich der Zahlungsfluss werde umgeleitet. Hilfsweise beantragte er, die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Die Verrechnung verstoße gegen die Vorschriften des Insolvenzverfahrens, denn die Verrechnung sei erst mit Bescheid vom 22.09.2005, mithin nach dem Eröffnungsbeschluss vom 02.02.2005, erfolgt. Seit 02.02.2005 sei jedoch nicht mehr er, sondern der Insolvenzverwalter passiv legitimiert. Durch Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle sei eine Zwangsvoll- streckung im Wege der Verrechnung ausgeschlossen. Die geltend gemachten Beitragsforderungen seien im Übrigen nicht nachgewiesen. Mit der Verrechnung werde er hilfebedürftig. Er sei herzkrank und habe größere Medikamentenzuzahlungen zu leisten.
Die Ag beantragte, den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzuweisen. In Angelegenheiten der Sozialversicherung entfalle bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzten oder entzögen, gemäß § 86a Abs 2 Nr 3 SGG die aufschiebende Wirkung, sodass sie mit Wirkung ab 01.02.2006 die Verrechnung veranlasst habe. Das Gericht könne jedoch auf Antrag gemäß § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Gründe, die eine Entscheidung im Eilverfahren rechtfertigten, seien allerdings vom Ast nicht dargelegt worden. Ein Interesse des Ast, das das öffentliche Vollziehungsinteresse überwiege, sei nicht festzustellen. Das Insolvenzverfahren habe keine unmittelbaren Auswirkungen auf Verrechnungen soweit diese über § 850c Zivilprozessordnung (ZPO) hinausgehende Rentenbeiträge erfassten. Insoweit sei eine Konkurrenz mit dem Insolvenzbeschlag generell nicht möglich.
Mit Beschluss vom 05.04.2006 hat das SG den Antrag des Ast abgelehnt. Die aufschiebende Wirkung sei nicht anzuordnen, denn es bestünden nach summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides. Die Verrechnungsbefugnis stelle eine Berechtigung zur Aufrechnung iS § 94 Insolvenzordnung (InsO) dar. Bereits vor Insolvenzeröffnung sei die AOK zur Verrechnung befugt gewesen. Auch werde der Ast bei Rentenbezügen in Höhe von 1.350,37 EUR und 663,24 EUR für sich und seine Ehefrau durch den monatlichen Einbehalt von 400,00 EUR nicht hilfebedürftig.
Gegen diesen Beschluss hat der Ast Beschwerde eingelegt. Nach der Rechtsprechung des BSG müsse die Verrechnungserklärung gegenüber dem zuständigen Insolvenzverwalter abgegeben werden. Dies sei vorliegend jedoch nicht geschehen. Die Ag habe ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. § 96 Nr 2 InsO sei einschlägig; die Ag habe die Forderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben.
Der Ast beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.04.2006 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage anzuord nen.
Die Ag beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Ast verkenne, dass in dem vom BSG entschiedenen Fall eine Verechnung lediglich mit dem pfändbaren Anteil der Rente erfolgt sei. Vorliegend werde jedoch in Rentenbestandteile unterhalb der Pfändungsgrenze eingegriffen. Für diesen Bereich sei eine Zuständigkeit des Insolvenzverwalters nicht gegeben.
II.
Die Beschwerde des Ast ist zulässig (§§ 172, 173 SGG). Ihr wurde nicht abgeholfen (§ 174 SGG).
Sie ist jedoch nicht begründet.
Über die Beschwerde konnte der Vorsitzende des Senats wegen Dringlichkeit anstelle des Senats entscheiden (§ 155 Abs 2 S 2 SGG).
Der angefochtene Beschluss ist nicht zu beanstanden, denn das SG hat den Antrag des Ast auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu Recht abgelehnt.
Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass die gegen den Bescheid vom 22.09.2005/Widerspruchsbescheid vom 03.01.2006 am 11.01.2006 erhobene Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hat.
Nach § 86a Abs 2 Nrn 1, 3 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Angaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten (Nr 1), für die Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzen oder entziehen (Nr 3). Das Gericht der Hauptsache kann allerdings auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (§ 86b Abs 1 Nr 2 SGG).
Dem Gesetz ist in den Fällen des § 86a Abs 2 Nrn 1 bis 4 SGG ein Regel-Ausnahmeverhältnis zugunsten des Suspensiveffektes zu entnehmen, da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung grundsätzlich angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist. In den Fällen des § 86a Abs 2 Nr 1 SGG ist § 86a Abs 3 Satz 2 SGG heranzuziehen und zu prüfen, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen. Im Übrigen wird ausgesetzt, wenn der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollziehung nicht mehr erkennbar ist. Sind die Erfolgsaussichten nicht abschätzbar, ist eine allgemeine Interessenabwägung vorzunehmen, wobei die Aussichten des Hauptsacheverfahrens mitberücksichtigt werden können. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten, insbesondere eine unbillige Härte, sind zu beachten. Eine solche liegt vor, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gut gemacht werden können. Der Ast muss insoweit konkrete Angaben machen (zum Ganzen vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl, § 86b Rdnr 12 ff, § 86a Rdnr 27; Krodel NZS 2001, 449 ff).
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass das SG die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu Recht abgelehnt hat, denn der Verrechnungsbescheid vom 22.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2006 ist weder offenbar rechtswidrig noch bestehen an seiner Rechtmäßigkeit ernstliche Zweifel.
Mit Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 18/03 R - hat das BSG entschieden, das eine Verrechnung nach § 52 SGB I auch im Insolvenzverfahren wirksam erfolgen kann. Zwar sehe § 114 Abs 2 InsO nach seinem Wortlaut lediglich eine Aufrechnung eines Verpflichteten mit Bezügen des Schuldners vor. § 114 Abs 2 InsO beziehe sich aber auch auf die Verrechnung nach § 52 SGB I, weil der Gesetzgeber einen weiten Aufrechnungsbegriff zugrunde lege, der auch Drittaufrechnungen (Verrechnungen) umfasse.
Zutreffend hat die Ag darauf hingewiesen, dass in dem vom BSG entschiedenen Fall ein Rentenversicherungsträger nur den pfändbaren Teil der Rente mit dem Anspruch der Krankenkasse auf Sozialversicherungsbeiträge verrechnet hat und dass - wie im Fall des Ast - die Verrechnung jedoch über die Pfändungsgrenze des § 850c ZPO bis zur Hälfte der laufenden Sozialleistungen hinausgehen darf. Denn kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§§ 52, 51 Abs 2 SGB I) ist bei Beitragsforderungen eine Verrechnung bis zur Hälfte der Geldleistung zulässig, es sei denn der Betroffene weist nach, dass er dadurch hilfebedürftig iS der Vorschriften des SGB XII/SGB II wird. Einen derartigen Nachweis hat der Ast jedoch nicht erbracht.
In der Literatur wurde darauf hingewiesen, dass Schuldner von Sozialleistungsträgern im Insolvenzverfahren zu solchen "zweiter Klasse" würden. Schuldnern, bei denen keine Aufrechnungslage gegeben sei, verbliebe im Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren der pfändungsfrei Teil des Einkommens nach der Tabelle zu § 850c ZPO. Der andere Teil der Schuldner, bei denen eine Verrechnungslage nach dem SGB I gegeben sei, müsse damit rechnen, dass der Sozialleistungsträger von der Verrechnung mit der Folge Gebrauch mache, dass ihnen für die Dauer von 2 Jahren nach Insolvenzeröffnung die Sozialleistungen nur noch in Höhe des Sozialhilfesatzes blieben (Fischer, ZVI 2004, 414 bis 416; Windel KTS 2004, 563 bis 567).
Diese Bedenken können angesichts der Entscheidung des BSG vom 10.12.2003 nicht zu erheblichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Verrechnung führen. Es fehlen nämlich hinreichende Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber in der InsO zur Frage der Verrechnung Änderungen gegenüber der Konkursordnung vornehmen wollte. Auch fehlen überzeugende Gründe, Verrechnungen aufgrund des Gesetzes ungünstiger zu behandeln als Verrechnungen aufgrund einer Vereinbarung (Gagel, EWiR 2004, 927 bis 928).
Allerdings hat der BGH in seinem Urteil vom 17.07.2004 - IX ZR 224/03 - Konzernverrechnungsklauseln in rechtsähnlicher Anwendung des § 96 Abs 1 Nrn 1, 2 InsO die Wirksamkeit im Insolvenzverfahren abgesprochen. Trotz eines insoweit vorhandenen Gegensatzes zur Rechtsprechung des BSG ist jedenfalls für das Anordnungsverfahren weiterhin von der Rechtsprechung des BSG auszugehen, die bislang keine Änderung erfahren hat.
Eine unbillige Härte hat der Ast nicht nachvollziehbar vorgetragen.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Nürnberg vom 05.04.2006 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist endgültig (§ 177 SGG).
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