L 6 B 327/06 R PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 R 876/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 B 327/06 R PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 12. April 2006 aufgehoben.
II. Dem Kläger wird für das Verfahren beim Sozialgericht Augsburg Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt T. P. , F. , beigeordnet.

Gründe:

I.

In dem beim Sozialgericht Augsburg anhängigen Verfahren streiten die Beteiligten um die Auszahlung einer Witwerrente an den Kläger und Beschwerdeführer nach seiner am 15.04.2002 verstorbenen Ehefrau M. F ... Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau waren am 27.01.1999 als Spätaussiedler aus Russland in die Bundesrepublik Deutschland zugezogen und bezogen jeweils eine Rente nach den Vorschriften des Fremdrentengesetzes (FRG). Auf den Antrag vom 22.04.2002 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 08.06.2002 fest, dass dem Beschwerdeführer die große Witwerrente zustehe, die ab 01.05.2002 jedoch nicht gezahlt werde, weil die Entgeltpunkte für anrechenbare Zeiten nach dem FRG vorrangig in seiner eigenen Rente zu berücksichtigen seien.

Mit Schreiben vom 27.04.2005 beantragt der Beschwerdeführer die Auszahlung einer Rente im Verfahren gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Die Beklagte habe die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 22b Abs.3 FRG nicht beachtet.

Mit Bescheid vom 03.05.2005 lehnte die Beklagte den Antrag auf Neufeststellung der Hinterbliebenenrente ab. Der Gesetzgeber habe durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) vom 21.07.2004 den Wortlaut des § 22b Abs.1 Satz 1 FRG rückwirkend zum 07.05.1996 geändert und damit seine ursprüngliche Regelungsabsicht klar gestellt. Die Neufassung stelle klar, dass auch für einen einzelnen Berechtigten mit Anspruch auf eine eigene Versichertenrente und eine Hinterbliebenenrente der Höchstwert für alle seine Renten insgesamt auf 25 Entgeltpunkte begrenzt werde. Den dagegen eingelegten Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2005 zurückgewiesen.

Dagegen hat der Beschwerdeführer Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt P ... Er trägt unter anderem vor, das zum 01.08.2004 in Kraft getretene RV-Nachhaltigkeitsgesetz beinhalte eine echte Rückwirkung, die gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art.20 Grundgesetz (GG) verstoße. Da sich der 4. und 13. Senat des Bundessozialgerichts noch nicht zu dieser Rechtsfrage geäußert hätten, liege noch keine höchstrichterliche Klärung vor und die Klage habe insoweit hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Mit Beschluss vom 12.04.2006 hat das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Klage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, wobei es für deren Beurteilung auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag ankomme. Über den Antrag des Beschwerdeführers nach § 44 SGB X vom April 2005 sei unter Beachtung des zwischenzeitlich rückwirkend in kraft getretenen Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetzes zu entscheiden. Das Gericht habe keine Bedenken gegen die darin vorgenommene gesetzgeberische Klarstellung des Wortlauts von § 22b FRG. Zwischenzeitlich hätten der 5., 8. und 13. Senat des Bundessozialgerichts in verschiedenen Entscheidungen judiziert, dass die rückwirkende Inkraftsetzung der Neufassung des § 22b FRG mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Die zwischenzeitlich seitens verschiedener Versicherter zum Bundesverfassungsgericht eingelegten Verfassungsbeschwerden bewiesen lediglich, dass einzelne Versicherte die Gesetzeslage und die hierzu ergangene Rechtsprechung subjektiv für nicht rechtens hielten. Einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe könne der Beschwerdeführer hieraus aber nicht ableiten.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, der an seiner Auffassung festhält. Offenbar wolle der 4. Senat des Bundessozialgerichts von der Rechtsprechung des 5. und 8. Senats des Bundessozialgerichts abweichen, so dass entweder eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht oder den Großen Senat des BSG erfolgen werde.

Das Sozialgericht half der Beschwerde nicht ab und legte sie dem Bayer. Landessozialgericht zur Entscheidung vor. Mit Beschluss vom 27.04.2006 hat das Sozialgericht das Ruhen des Klageverfahrens angeordnet.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Klägers ist zulässig (§§ 172, 173, 73a Sozialgerichtsgesetz - SGG -, § 127 Abs.2 Satz 2 Zivilprozessordnung - ZPO -) und auch begründet.

Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73 Abs.1 Satz 1 SGG, §§ 114 ff. ZPO). Ist eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben, wie vorliegend im sozialgerichtlichen Verfahren, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs.2 Satz 1 ZPO).

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers erscheint nicht mutwillig und es erscheint auch die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich. Denn die hinreichende Erfolgsaussicht der anhängigen Klage kann nicht mehr verneint werden. Dies folgt, wie das Sozialgericht zutreffend vermerkt, aus der im Prozesskostenhilfeverfahren alleine veranlassten summarischen Prüfung, wobei eine abschließende Beurteilung der Erfolgsaussichten nicht erforderlich ist. Der Erfolg der Klage braucht für die Bejahung der Erfolgsaussicht nicht gewiss zu sein, es genügt vielmehr, wenn nach den vorhandenen Gegebenheiten eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit besteht. Das Sozialgericht hat zwar - aus seiner damaligen Sicht zutreffend - im Hinblick auf Entscheidungen des 8. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21.06.2005 die hinreichende Erfolgsaussicht verneint. Der 13. Senat des BSG hat nunmehr jedoch mit Beschluss vom 29.08.2006 bei ihm anhängige Verfahren ausgesetzt und gemäß Art.100 Abs.1 des Grundgesetzes dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob Art.15 Abs.3 des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes gegen das Rechtsstaatsprinzip gemäß Art.20 Abs.3 des Grundgesetzes verstößt.

Unter diesen Umständen kann die hinreichende Erfolgsaussicht der anhängigen Klage nicht mehr verneint werden.

Auf die Beschwerde war der Beschluss vom 12.04.2006 entsprechend aufzuheben.

Dieser Beschluss, der ohne mündliche Verhandlung ergehen konnte (§ 124 Abs.1 SGG), ist nicht anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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