L 11 B 536/06 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AS 214/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 536/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 03.07.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Bei einer persönlichen Vorsprache am 09.06.2006 beantragte der Antragsteller (ASt) bei der Antragsgegnerin (Ag), ihm die Umzugskosten für eine Wohnung in B. zu bewilligen. Es handle sich um betreutes Wohnen. Diese Wohnung könne er erst erhalten, wenn er keine Schulden mehr habe und der Eintrag in der Schufa gelöscht sei. Seine Schufa könne er demnächst tilgen, weil er von seinem Vater geerbt habe. Er werde dann voraussichtlich über 3.000,00 EUR verfügen, die er aber benötige, um sich die Wohnung einzurichten. Er bitte ebenso um die Übernahme der Genossenschaftsanteile als Zuschuss, gegebenenfalls als Darlehen.

Mit Bescheid vom 23.05.2006 lehnte die Ag den Antrag ab. Der ASt falle nicht in den Kreis der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen.

Am 26.05.2006 beantragte der ASt beim Sozialgericht Würzburg (SG), die Ag zu verpflichten, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Mietkaution in Höhe von 500,00 EUR zu finanzieren, hilfsweise insoweit ein Darlehen zu gewähren, sowie die Kosten für die Einrichtungsgegenstände für die neue Wohnung zu übernehmen.

Der Ag trat dem Antrag entgegen.

Im Erörterungstermin vor dem SG legte der ASt einen Kontoauszug vom 24.06.2006 mit einem Kontostand in Höhe von 10.523,14 EUR vor und erklärte, er habe die Mietkaution für seine neue Wohnung bereits geleistet.

Ausweislich der Akten des SG teilte er am 29.06.2006 mit, dass die Schulden, über die er eine Aufstellung vorgelegt habe, wohl von der Zusammensetzung her nicht ganz geklärt gewesen seien. Der kleinere Betrag in Höhe von 7.300,00 EUR stehe jetzt fest. Dazu kämen noch Anwaltskosten in Höhe von 4.000,00 EUR, wobei er hoffe, dass diese Kosten jedoch verjährt seien.

Das SG lehnte mit Beschluss vom 03.07.2006 Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ab. Dem ASt stehe kein Anordnungsgrund zur Seite.

Hiergegen hat der ASt Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht erhoben. Sein Vermögen habe sich um 6.868,29 EUR wegen Begleichung von Schulden reduziert. Außerdem benötige er Geld für Möbel und Einrichtungsgegenstände. Als Umzugsdatum sei der 15.07.2006 vorgesehen. Er benötige fernerhin Vorleistungen für Krankheitskosten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig. Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG).

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil es das SG zu Recht abgelehnt hat, die Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zur Bewilligung der geltend gemachten Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen.

Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtsstreit § 86 b Abs 2 Satz 2 SGG dar.

Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Ast ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74, vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl. RdNr 643).

Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der Ast glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86 b RdNr 41).

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist gegebenenfalls auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Ast zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 aaO und vom 22.11.2002 aaO).

Wie das SG bereits festgestellt hat, fehlt es hinsichtlich der Mietkaution bzw. Genossenschaftsanteile an einem Anordnungsgrund, weil der ASt diese Leistungen - den eigenen Ausführungen folgend - an den Vermieter bereits bezahlt hat. Für die Frage, ob er diese Leistungen von der Ag erstattet erhält, kann er deshalb zumutbarerweise auf ein Hauptsacheverfahren verwiesen werden.

Dasselbe gilt hinsichtlich der von ihm (neu) geltend gemachten Kosten für Krankenbehandlung. Der ASt gibt an, er benötige dieses Geld als "Vorleistung für Krankheitskosten (herzkrank, Schrittmacher)", ohne seinen gegenwärtigen tatsächlichen Bedarf insoweit zu substatiieren.

Hinsichtlich der Einrichtungsgegenstände fehlt es an einem Anordnungsanspruch, weil der ASt im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht glaubhaft machen konnte, hilfebedürftig zu sein. Der ASt hat insbesondere keinen Anspruch, aus seinem laufenden Rentenbezug und aus seinem vorhandenen Vermögen zuerst seine Schulden zu begleichen und sich seinen gegenwärtigen Lebensunterhalt vom Sozialleistungsträger bestreiten zu lassen. Das führte dazu, dass faktisch die Schulden des ASt aus steuerfinanzierten Sozialleistungen beglichen würden. Hierauf hat der ASt keinen Rechtsanspruch.

§ 9 Abs 4 SGB II greift nicht, weil dem ASt der Einsatz seiner Einkünfte und seines Vermögens zur Bedarfsdeckung zumutbar ist und keine besondere Härte bedeuten würde.

§ 22 Abs 5 SGB II, der ausnahmsweise die Übernahme von Schulden vorsieht, kommt nicht zur Anwendung, weil die Schuldenbegleichung vorliegend nicht zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist.

Die Beschwerde hat deshalb insgesamt keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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