Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 EG 523/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 EG 124/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 14.04.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Lan- deserziehungsgeld (LErzg) für ihr Kind P. streitig.
Die 1955 geborene Klägerin, türkische Staatsangehörige, welche seit 1971 in Bayern ihren Wohnsitz hat, ist die Mutter des 1993 geborenen Kindes P ... Sie lebte seit Geburt mit dem Kind, für das ihr die Personensorge zustand, in einem gemeinsamen Haushalt, betreute und erzog das Kind und übte daneben keine Erwerbstätigkeit aus. Sie war bei der AOK Bayern krankenversichert. Sie bezog vom 11.06.1993 bis 10.05.1995 für ihre Tochter Bundeserziehungsgeld (BErzg).
Am 08.02.2002 beantragte sie beim Amt für Versorgung und Familienförderung (AVF) Augsburg die Bewilligung von LErzg. Dieser Antrag wurde durch Bescheid vom 08.05.2002 im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, aufgrund der Rechtsprechung des EuGH, Urteil vom 04.05.1999, C-262/96, ("Sürül"-Urteil) könnten Ansprüche auf Leistungen für Zeiträume vor dem Erlass dieses Urteils nicht geltend gemacht werden. Der Leistungszeitraum für das 1993 geborene Kind hätte spätestens am 10.11.1995 geendet, so dass LErzg nicht gewährt werden könne.
Mit dem hiergegen erhobenen Rechtsbehelf wurde zum einen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Erkrankung der Klägerin beantragt und zum anderen in der Sache geltend gemacht, das Urteil des EuGH vom 04.05.1999 stehe dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen, da sich das Urteil nur auf das Kindergeld, nicht aber das LErzg beziehe. Auch sei dem Urteil des BSG vom 29.01.2002 (SozR 4-6940 Art. 3 Nrn. 1, 2) keine zeitliche Begrenzung des Anspruchs zu entnehmen. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 25.11.2002 unter Bezugnahme auf die zeitliche Grenze in der Entscheidung des EuGH vom 04.05.1999 als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klägerin verfolgte mit der beim Sozialgericht (SG) Augsburg erhobenen Klage ihr Begehren weiter und begründete dies damit, dass die ablehnenden Bescheide von der Entscheidung des EuGH nicht gedeckt seien. Bei einer rückwirkenden Gewährung von LErzg würden die sozialen Systeme in finanzieller Hinsicht nicht so erschüttert wie beim Kindergeld. Im Übrigen könne sich der Beklagte nicht auf die Rechtssicherheit und den Vertrauensschutz berufen, da er die Bürger der Türkei in unzulässiger Weise ausgeschlossen habe.
Das angerufene SG Augsburg wies die Klage nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid vom 14.04.2005 im Wesentlichen mit der Begründung ab, zwar könnten nach dem Urteil des EuGH vom 04.05.1999 neben Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union auch türkische Staatsangehörige LErzg erhalten, wenn sie in den persönlichen Anwendungsbereich des Beschlusses Nr. 3/80 des Assoziationsrates vom 19.09.1980 (ARB) fallen. Jedoch könne die Klägerin daraus keine Rechte herleiten. Denn der EuGH habe aus Gründen der Rechtssicherheit Ansprüche auf Leistungen auf die Zeit nach dem Erlass seiner Entscheidung vom 04.05.1999 beschränkt und eine Ausnahme hierfür nur zugelassen, wenn vor diesem Zeitpunkt bereits eine Klage erhoben oder ein gleichwertiger Rechtsbehelf eingelegt worden und auch im Zeitpunkt der Entscheidung noch offen sei. Diese Voraussetzungen lägen bei der Klägerin anders als in dem vom BSG am 29.01.2002 entschiedenen Fall nicht vor. Zur weiteren Begründung bezog sich das SG auf die Urteile des BSG vom 18.02.2004 und 27.05.2004 (Az.: B 10 EG 10/03, 11/03) und verneinte die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in der vorigen Stand nach § 27 Sozialgesetzbuch, 10. Buch (SGB X). Auch auf Grund eines sog. Herstellungsanspruchs konnte nach Ansicht des SG ein Recht der Klägerin auf LErzg für die Zeit vor 04.05.1999 nicht begründet werden, da sie ohne Berufung auf das Diskriminierungsverbot, was ihr durch die Entscheidung des EuGH aber verboten sei, nicht geltend machen könne, dass der Beklagte sie falsch beraten habe.
Mit der am 20.05.2005 beim Landessozialgericht eingelegten Berufung trägt die Klägerin vor, sie habe keinen Antrag gestellt, da sie auf Grund von Mitteilungen der Behörde davon ausgegangen sei, sie habe keinen Anspruch. Auch sei dem Urteil des BSG vom 29.01.2002 keine zeitliche Begrenzung zu entnehmen. Die rückwirkende Bewilligung von LErzg würde zu keiner erheblichen Belastung des Staatshaushalts führen, so dass es auch zu keiner Schütterung der sozialen System kommen könne. Die Verweigerung des LErzg für türkische Staatsangehörige sei rechtswidrig gewesen. Im übrigen habe die Klägerin BErzg erhalten, so dass ihr auch LErzg gewährt werden müsse.
Die Bevollmächtigte der Klägerin stellt den Antrag: 1. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 14.04.2005 wird aufgehoben. 2. Der Bescheid des Beklagten vom 08.05.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2002 wird aufgehoben. 3. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin entsprechend dem Antrag vom 08.02.2002 für das 1993 geboren Kind P. Landeserziehungsgeld in der gesetzlich dafür vorgesehenen Höhe und Dauer zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er nimmt zur näheren Begründung auf den Gerichtsbescheid des SG Augsburg vom 14.04.2005 Bezug.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats erklärt und auf die gesonderte Ladung verzichtet.
Der Senat hat neben der Erziehungsgeldakte des Beklagten die Streitakte des ersten Rechtszuges beigezogen, auf die ebenso wie auf Akte des Bayer. Landessozialgericht verwiesen wird.
Entscheidungsgründe:
Die mangels des Vorliegens einer Beschränkung gemäß § 144 Sozi- algerichtsgesetz (SGG) grundsätzlich statthafte, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte, und insgesamt zulässige Berufung der Klägerin, §§ 143 ff. SGG, erweist sich als in der Sache nicht begründet. Zu Recht hat das Erstgericht die zu- lässig erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ab- gewiesen.
Rechtsgrundlage für die Gewährung bayer. LErzg ist das Gesetz zur Gewährung eines LErzg und zur Ausführung des BErzGG (BayLErzGG) in der Fassung vom 12.06.1989 (GVBl.1989 S. 206), da das Kind vor dem 01.07.1993 geboren ist.
Anspruch auf LErzg hatte gemäß Art. 1 Abs. 1 BayLErzGG, wer seine Hauptwohnung oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit der Geburt des Kindes, mindestens jedoch 15 Monate in Bayern hatte (Nr. 1), mit einem nach dem 30.06.1989 geborenen Kind, für das ihm die Personensorge zustand, in einem Haushalt lebte (Nr. 2), dieses Kind selbst betreute und erzog (Nr. 3), keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübte (Nr. 4) und schließlich die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Uni- on besaß (Nr. 5 ).
In der vorliegenden Streitsache erfüllte die Klägerin im Bewil- ligungszeitraum unstreitig die Anspruchsvoraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 mit 4 BayLErzGG, denn sie wohnte seit 1971 in Bayern, lebte im Anspruchszeitraum mit ihrem Kind, für das ihr die Personensorge zustand, in einem Haushalt, betreute das Kind selbst und übte daneben nach ihren Angaben keine Erwerbstätigkeit aus.
Nicht erfüllt hatte die Klägerin aber die Voraussetzungen der Nr. 5 des Art. 1 LErzGG, worin der Anspruch auf LErzg von der Staatsangehörigkeit zu einem Mitgliedstaat der Europäischen Union abhängig gemacht wurde. Diese Bestimmung verstößt jedoch gegen übergeordnetes europäisches Gemeinschaftsrecht. Nach der Sürül-Entscheidung des EuGH vom 04.05.1999, Az.: C-262/96 (SozR 3-6935 Allg Nr. 4) verbietet es Art. 3 Abs. 1 ARB einem Mitgliedstaat, den Anspruch eines türkischen Staatsangehörigen u.a. auf Familienleistungen nach Art. 4 Abs. 1 des Beschlusses von anderen Voraussetzungen abhängig zu machen als für Staatsangehörige des Mitgliedstaates. Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 10.07.1997 das Bundeserziehungsgeld in Anwendung des Urteils des EuGH vom 10.10.1996 (Az.: C-245/94 und C-312/94) zur Familienleistung erklärt. Dem hat sich das BSG mit Urteil vom 29.01.2002 (Az.: B 10 EG 2/01 R) für das Bayerische Landeserziehungsgeld angeschlossen.
Der Klägerin steht aber das beanspruchte Landeserziehungsgeld dennoch nicht zu, weil sie sich insoweit nicht auf das Diskriminierungsverbot nach Art.3 Abs.1 ARB berufen kann. Nach der Sürül-Entscheidung des EuGH kann die unmittelbare Wirkung des Art.3 Abs.1 ARB nämlich nicht zur Begründung von Ansprüchen auf Leistungen für Zeiten vor Erlass dieses Urteils am 04.05.1999 geltend gemacht werden, soweit die Betroffenen nicht vor diesem Zeitpunkt gerichtlich Klage erhoben oder einen gleichwertigen Rechtsbehelf eingelegt haben. Wie das Bundessozialgericht (u.a. Urteil vom 27.05.2004, Az.: B 10 EG 11/03 R) darlegt, bezieht sich die im Urteil vom EuGH ausgesprochene zeitliche Beschränkung nicht nur auf Verfahren über Kindergeld, sondern auf alle Verfahren, in denen es, wie auch beim Landeserziehungsgeld, um die Geltendmachung von Sozialleistungsansprüchen geht, die auf eine unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 ARB gestützt werden.
Ebenso wie die Hauptaussage des EuGH zur unmittelbaren Anwendbarkeit des assoziationsrechtlichen Diskriminierungsverbots ist auch die von ihm verfügte zeitliche Beschränkung, wie das Bundessozialgericht darlegt, verbindlich. An der Rechtmäßigkeit dieser "Neben"-Entscheidung bestehen laut BSG (a.a.O.) keine Zweifel. Voraussetzung für eine wie vom EuGH angenommene zeitliche Beschränkung ist es laut BSG (a.a.O.), dass Unklarheiten des anzuwendenden Rechts oder das Verhalten der Gemeinschaftsorgane einen Zustand der Rechtsunsicherheit geschaffen haben, der es nicht angemessen erscheinen lässt, in gutem Glauben begründete Rechtsverhältnisse rückwirkend in Frage zu stellen (Vorliegen eines Vertrauenstatbestandes). Darüber hinaus muss die Gefahr unerwarteter und erheblicher finanzieller Auswirkungen bestehen. Es ist nicht ersichtlich laut BSG, dass der EuGH in der Rechtssache Sürül diese Voraussetzungen zu Unrecht bejaht hat. Der EuGH hat dargelegt, dass sich aus seinem Urteil vom 10.09.1996, Az.: C-277/94, Ungewissheit über eine unmittel- bare Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 ARB ergeben konnte. Unter diesen Umständen durften die Mitgliedstaaten davon ausgehen, sie könnten die Anpasssung ihres innerstaatlichen Rechts bis zum Erlass entsprechender Umsetzungsakte zurückstellen. Daraus hat der EuGH den Schluss gezogen, dass abschließend geregelte Rechtsverhältnisse durch sein Urteil vom 04.05.1999 nicht wieder in Frage gestellt werden sollten. Überdies war zu berücksichtigen, dass die Frage, ob Erziehungsgeld eine Familienleistung im Sinne des Europarechts ist, erst durch das Urteil des EuGH vom 10.10.1996 geklärt wurde. Bei der Einschätzung der finanziellen Auswirkungen musste der EuGH schon aus Gründen der Gleichbehandlung alle Sozialleistungen in Betracht ziehen, die europaweit vom ARB erfasst werden.
Die vom EuGH angeordnete zeitliche Beschränkung hindert die Klägerin, ihre Ansprüche auf Landeserziehungsgeld für Zeiten vor dem Erlass des Urteils geltend zu machen. Die vom EuGH vorgesehene Ausnahme für Betroffene, die "vor diesem Zeitpunkt gerichtlich Klage erhoben oder einen gleichwertigen Rechtsbehelf eingelegt haben", kommt ihr nicht zugute. Anders als in dem vom BSG am 29.01.2002 entschiedenen Verfahren war bei der Klägerin ein Rechtsbehelf im Zeitpunkt der Entscheidung des EuGH nicht anhängig.
Nach der Begründung der Entscheidung des EuGH vom 04.05.1999 soll diese Ausnahmeregelung verhindern, dass der Schutz der Rechte, die die Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht herleiten, durch die verfügte zeitliche Beschränkung in nicht gerechtfertigter Weise eingeschränkt wird. Aus der Bezugnahme auf einen effektiven Rechtsschutz ergibt sich, dass mit den vom EuGH an- gesprochenen "Rechtsbehelfen" nur solche gemeint sind, die bei Erlass des Urteils vom 04.05.1999 noch rechtshängig, also offen waren. Denn bei abgeschlossenen Verfahren stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit des Rechtsschutzes von vornherein nicht. Als Rechtsbehelf sind in diesem Zusammenhang auch erstmalige Leistungsanträge zu verstehen, denn auch sie dienen der gel- tend Machung von Rechten und unterbrechen z.B. die Verjährung von Ansprüchen (§ 45 Abs. 3 SGB I). Dabei stellt der EuGH nicht darauf ab, aus welchen Gründen entsprechende Anträge nicht gestellt oder nach abschlägigen Entscheidungen nicht weiterverfolgt worden sind.
Zur Begründung des Anspruchs hätte die Klägerin laut BSG zwei Fristen einhalten müssen: Zum einen könnte sie sich auf das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 1 ARB nur dann berufen, wenn sie bereits vor dem Erlass des Sürül-Urteils vom 04.05.1999 einen auf Landeserziehungsgeld gerichteten Rechtsbe- helf eingelegt hätte. Zum anderen ist zu beachten, dass LErzg gemäß Art. 3 Abs. 2 Bayerisches LErzGG in der Fassung vom 12.06.1989 rückwirkend höchstens für zwei Monate vor der schriftlichen Antragstellung zu gewähren ist (Art. 9a Abs. 1 Buchst.a Landeserziehungsgeldgesetz 1995 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 LErzGG vom 12.06.1989).
Die Klägerin hat erst im Februar 2002 einen Antrag auf LErzG für ihre Tochter gestellt und demnach die beiden genannten Fristen nicht eingehalten. Auch die Regelung des § 27 SGB X hilft der Klägerin nicht weiter. Nach dessen Abs. 1 gilt: War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Eine derartige Wiedereinsetzung ist zwar nicht nach § 27 Abs. 5 SGB X unzulässig, da sich aus Art. 3 Abs. 2 BayLErzGG nicht ergibt, dass sie ausgeschlossen ist. Sie ist jedoch gemäß § 27 Abs. 3 SGB X nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer, wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Da die Klägerin den Antrag erst im Februar 2002 gestellt hat, kommt es darauf an, ob ihr die Antragstellung vor der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
Der Begriff der höheren Gewalt hat eine subjektive Komponente und ist nicht auf von außen kommende nicht beeinflussbare Ereignisse beschränkt (vgl. BSG a.a.O.). Höhere Gewalt ist jedes Geschehen, das auch durch die größtmögliche, von dem Betroffenen unter Berücksichtigung seiner Lage, Bildung und Erfahrung vernünftigerweise zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte. Als unabwendbar in diesem Sinn ist eine Fristversäumnis grundsätzlich auch dann anzusehen, wenn sie durch eine falsche oder irreführende Auskunft oder Belehrung oder sonst durch ein rechts- oder treuwidriges Verhalten der Verwaltungsbehörde verursacht wird (BSG, a.a.O., m.w.N.).
Selbst wenn die Klägerin durch eine irrige Auskunft von der Antragstellung abgehalten worden ist, hilft ihr das nicht weiter. Das Bundessozialgericht hat in der zitierten Entscheidung dazu festgehalten, dass ein Hinweis der Behörde, ein entsprechender Antrag brauche nicht gestellt zu werden, weil kein Anspruch auf LErzg bestehe, die Annahme von höherer Gewalt nicht rechtfertige. Diese Information sei zwar im Licht der Entscheidung des BSG vom 29.01.2002 (BSGE 89, 129) objektiv falsch gewesen, auch wenn sie der damaligen Rechtsprechung entsprochen habe. Denn eine unrichtige Rechtsauskunft liege auch dann vor, wenn der Versicherungsträger ohne Verschulden von der Richtigkeit seiner Rechtsansicht ausgehen durfte. Entscheidend sei insoweit die damalige Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht. Das BSG weist aber ausdrücklich auf Folgendes hin: Zur Begründung der Fehler- haftigkeit der Information bedarf es jedoch der Berufung auf die unmittelbare Wirkung des Art. 3 Abs. 1 ARB für einen Zeitraum vor Erlass der Sürül-Entscheidung des EuGH. Es greift hier somit die in diesem Urteil ausgesprochene zeitliche Beschränkung ein. Da die Klägerin am 04.05.1999 kein offenes Verfahren über die Gewährung des Landeserziehungsgelds hatte, kann sie die objektive Unrichtigkeit der ihr zuteil gewordenen Beratung nicht zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags geltend ma- chen.
Andere Umstände, die unter dem Gesichtspunkt einer höheren Gewalt eine Wiedereinsetzung ohne Rückgriff auf die unmittelbare Anwendung des Art. 3 Abs. 1 ARB begründen würden, liegen bei der Klägerin nicht vor.
Auch aufgund des richterrechtlich entwickelten Rechtsinstituts eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs steht der Klägerin kein Landeserziehungsgeld für ihre Kinder zu. Auch wenn nach dem Urteil des BSG vom 02.02.2006 (Az.: B 10 EG 9/05 ) neben dem Institut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein Herstellungsanspruch zur Anwendung kommen kann, stützt er den Anspruch der Klägerin nicht. Dessen Tatbestand fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Leistungsträger zuzurechnen ist, dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein, schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers ein Zustand hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre.
Wie das Bundessozialgericht darlegt (a.a.O.), kann wegen des Ausspruchs der zeitlichen Beschränkung in der Sürül-Entscheidung der Herstellungsanspruch wie auch der Wiedereinsetzungsantrag auf die objektiv fehlerhafte Beratung durch den Beklagten nicht gestützt werden. Die Berufung hat demnach keinen Erfolg.
Die Entscheidung über die Kosten, § 193 SGG, ist darin begründet, dass die Klägerin mit ihrem Begehren nicht durchdringen konnte.
Die Revision wird nicht zugelassen, da im Hinblick auf die Urteile des BSG vom 18.02.2004 und 27.05.2004 (Az.: B 10 EG 10/03 R und 11/03 R )die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Die Entscheidung konnte nach § 155 Abs. 3 und 4 SGG durch die Berichterstatterin anstelle des Senats ergehen, da die Beteiligten eingewilligt hatten.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Lan- deserziehungsgeld (LErzg) für ihr Kind P. streitig.
Die 1955 geborene Klägerin, türkische Staatsangehörige, welche seit 1971 in Bayern ihren Wohnsitz hat, ist die Mutter des 1993 geborenen Kindes P ... Sie lebte seit Geburt mit dem Kind, für das ihr die Personensorge zustand, in einem gemeinsamen Haushalt, betreute und erzog das Kind und übte daneben keine Erwerbstätigkeit aus. Sie war bei der AOK Bayern krankenversichert. Sie bezog vom 11.06.1993 bis 10.05.1995 für ihre Tochter Bundeserziehungsgeld (BErzg).
Am 08.02.2002 beantragte sie beim Amt für Versorgung und Familienförderung (AVF) Augsburg die Bewilligung von LErzg. Dieser Antrag wurde durch Bescheid vom 08.05.2002 im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, aufgrund der Rechtsprechung des EuGH, Urteil vom 04.05.1999, C-262/96, ("Sürül"-Urteil) könnten Ansprüche auf Leistungen für Zeiträume vor dem Erlass dieses Urteils nicht geltend gemacht werden. Der Leistungszeitraum für das 1993 geborene Kind hätte spätestens am 10.11.1995 geendet, so dass LErzg nicht gewährt werden könne.
Mit dem hiergegen erhobenen Rechtsbehelf wurde zum einen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Erkrankung der Klägerin beantragt und zum anderen in der Sache geltend gemacht, das Urteil des EuGH vom 04.05.1999 stehe dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen, da sich das Urteil nur auf das Kindergeld, nicht aber das LErzg beziehe. Auch sei dem Urteil des BSG vom 29.01.2002 (SozR 4-6940 Art. 3 Nrn. 1, 2) keine zeitliche Begrenzung des Anspruchs zu entnehmen. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 25.11.2002 unter Bezugnahme auf die zeitliche Grenze in der Entscheidung des EuGH vom 04.05.1999 als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klägerin verfolgte mit der beim Sozialgericht (SG) Augsburg erhobenen Klage ihr Begehren weiter und begründete dies damit, dass die ablehnenden Bescheide von der Entscheidung des EuGH nicht gedeckt seien. Bei einer rückwirkenden Gewährung von LErzg würden die sozialen Systeme in finanzieller Hinsicht nicht so erschüttert wie beim Kindergeld. Im Übrigen könne sich der Beklagte nicht auf die Rechtssicherheit und den Vertrauensschutz berufen, da er die Bürger der Türkei in unzulässiger Weise ausgeschlossen habe.
Das angerufene SG Augsburg wies die Klage nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid vom 14.04.2005 im Wesentlichen mit der Begründung ab, zwar könnten nach dem Urteil des EuGH vom 04.05.1999 neben Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union auch türkische Staatsangehörige LErzg erhalten, wenn sie in den persönlichen Anwendungsbereich des Beschlusses Nr. 3/80 des Assoziationsrates vom 19.09.1980 (ARB) fallen. Jedoch könne die Klägerin daraus keine Rechte herleiten. Denn der EuGH habe aus Gründen der Rechtssicherheit Ansprüche auf Leistungen auf die Zeit nach dem Erlass seiner Entscheidung vom 04.05.1999 beschränkt und eine Ausnahme hierfür nur zugelassen, wenn vor diesem Zeitpunkt bereits eine Klage erhoben oder ein gleichwertiger Rechtsbehelf eingelegt worden und auch im Zeitpunkt der Entscheidung noch offen sei. Diese Voraussetzungen lägen bei der Klägerin anders als in dem vom BSG am 29.01.2002 entschiedenen Fall nicht vor. Zur weiteren Begründung bezog sich das SG auf die Urteile des BSG vom 18.02.2004 und 27.05.2004 (Az.: B 10 EG 10/03, 11/03) und verneinte die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in der vorigen Stand nach § 27 Sozialgesetzbuch, 10. Buch (SGB X). Auch auf Grund eines sog. Herstellungsanspruchs konnte nach Ansicht des SG ein Recht der Klägerin auf LErzg für die Zeit vor 04.05.1999 nicht begründet werden, da sie ohne Berufung auf das Diskriminierungsverbot, was ihr durch die Entscheidung des EuGH aber verboten sei, nicht geltend machen könne, dass der Beklagte sie falsch beraten habe.
Mit der am 20.05.2005 beim Landessozialgericht eingelegten Berufung trägt die Klägerin vor, sie habe keinen Antrag gestellt, da sie auf Grund von Mitteilungen der Behörde davon ausgegangen sei, sie habe keinen Anspruch. Auch sei dem Urteil des BSG vom 29.01.2002 keine zeitliche Begrenzung zu entnehmen. Die rückwirkende Bewilligung von LErzg würde zu keiner erheblichen Belastung des Staatshaushalts führen, so dass es auch zu keiner Schütterung der sozialen System kommen könne. Die Verweigerung des LErzg für türkische Staatsangehörige sei rechtswidrig gewesen. Im übrigen habe die Klägerin BErzg erhalten, so dass ihr auch LErzg gewährt werden müsse.
Die Bevollmächtigte der Klägerin stellt den Antrag: 1. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 14.04.2005 wird aufgehoben. 2. Der Bescheid des Beklagten vom 08.05.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2002 wird aufgehoben. 3. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin entsprechend dem Antrag vom 08.02.2002 für das 1993 geboren Kind P. Landeserziehungsgeld in der gesetzlich dafür vorgesehenen Höhe und Dauer zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er nimmt zur näheren Begründung auf den Gerichtsbescheid des SG Augsburg vom 14.04.2005 Bezug.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats erklärt und auf die gesonderte Ladung verzichtet.
Der Senat hat neben der Erziehungsgeldakte des Beklagten die Streitakte des ersten Rechtszuges beigezogen, auf die ebenso wie auf Akte des Bayer. Landessozialgericht verwiesen wird.
Entscheidungsgründe:
Die mangels des Vorliegens einer Beschränkung gemäß § 144 Sozi- algerichtsgesetz (SGG) grundsätzlich statthafte, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte, und insgesamt zulässige Berufung der Klägerin, §§ 143 ff. SGG, erweist sich als in der Sache nicht begründet. Zu Recht hat das Erstgericht die zu- lässig erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ab- gewiesen.
Rechtsgrundlage für die Gewährung bayer. LErzg ist das Gesetz zur Gewährung eines LErzg und zur Ausführung des BErzGG (BayLErzGG) in der Fassung vom 12.06.1989 (GVBl.1989 S. 206), da das Kind vor dem 01.07.1993 geboren ist.
Anspruch auf LErzg hatte gemäß Art. 1 Abs. 1 BayLErzGG, wer seine Hauptwohnung oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit der Geburt des Kindes, mindestens jedoch 15 Monate in Bayern hatte (Nr. 1), mit einem nach dem 30.06.1989 geborenen Kind, für das ihm die Personensorge zustand, in einem Haushalt lebte (Nr. 2), dieses Kind selbst betreute und erzog (Nr. 3), keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübte (Nr. 4) und schließlich die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Uni- on besaß (Nr. 5 ).
In der vorliegenden Streitsache erfüllte die Klägerin im Bewil- ligungszeitraum unstreitig die Anspruchsvoraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 mit 4 BayLErzGG, denn sie wohnte seit 1971 in Bayern, lebte im Anspruchszeitraum mit ihrem Kind, für das ihr die Personensorge zustand, in einem Haushalt, betreute das Kind selbst und übte daneben nach ihren Angaben keine Erwerbstätigkeit aus.
Nicht erfüllt hatte die Klägerin aber die Voraussetzungen der Nr. 5 des Art. 1 LErzGG, worin der Anspruch auf LErzg von der Staatsangehörigkeit zu einem Mitgliedstaat der Europäischen Union abhängig gemacht wurde. Diese Bestimmung verstößt jedoch gegen übergeordnetes europäisches Gemeinschaftsrecht. Nach der Sürül-Entscheidung des EuGH vom 04.05.1999, Az.: C-262/96 (SozR 3-6935 Allg Nr. 4) verbietet es Art. 3 Abs. 1 ARB einem Mitgliedstaat, den Anspruch eines türkischen Staatsangehörigen u.a. auf Familienleistungen nach Art. 4 Abs. 1 des Beschlusses von anderen Voraussetzungen abhängig zu machen als für Staatsangehörige des Mitgliedstaates. Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 10.07.1997 das Bundeserziehungsgeld in Anwendung des Urteils des EuGH vom 10.10.1996 (Az.: C-245/94 und C-312/94) zur Familienleistung erklärt. Dem hat sich das BSG mit Urteil vom 29.01.2002 (Az.: B 10 EG 2/01 R) für das Bayerische Landeserziehungsgeld angeschlossen.
Der Klägerin steht aber das beanspruchte Landeserziehungsgeld dennoch nicht zu, weil sie sich insoweit nicht auf das Diskriminierungsverbot nach Art.3 Abs.1 ARB berufen kann. Nach der Sürül-Entscheidung des EuGH kann die unmittelbare Wirkung des Art.3 Abs.1 ARB nämlich nicht zur Begründung von Ansprüchen auf Leistungen für Zeiten vor Erlass dieses Urteils am 04.05.1999 geltend gemacht werden, soweit die Betroffenen nicht vor diesem Zeitpunkt gerichtlich Klage erhoben oder einen gleichwertigen Rechtsbehelf eingelegt haben. Wie das Bundessozialgericht (u.a. Urteil vom 27.05.2004, Az.: B 10 EG 11/03 R) darlegt, bezieht sich die im Urteil vom EuGH ausgesprochene zeitliche Beschränkung nicht nur auf Verfahren über Kindergeld, sondern auf alle Verfahren, in denen es, wie auch beim Landeserziehungsgeld, um die Geltendmachung von Sozialleistungsansprüchen geht, die auf eine unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 ARB gestützt werden.
Ebenso wie die Hauptaussage des EuGH zur unmittelbaren Anwendbarkeit des assoziationsrechtlichen Diskriminierungsverbots ist auch die von ihm verfügte zeitliche Beschränkung, wie das Bundessozialgericht darlegt, verbindlich. An der Rechtmäßigkeit dieser "Neben"-Entscheidung bestehen laut BSG (a.a.O.) keine Zweifel. Voraussetzung für eine wie vom EuGH angenommene zeitliche Beschränkung ist es laut BSG (a.a.O.), dass Unklarheiten des anzuwendenden Rechts oder das Verhalten der Gemeinschaftsorgane einen Zustand der Rechtsunsicherheit geschaffen haben, der es nicht angemessen erscheinen lässt, in gutem Glauben begründete Rechtsverhältnisse rückwirkend in Frage zu stellen (Vorliegen eines Vertrauenstatbestandes). Darüber hinaus muss die Gefahr unerwarteter und erheblicher finanzieller Auswirkungen bestehen. Es ist nicht ersichtlich laut BSG, dass der EuGH in der Rechtssache Sürül diese Voraussetzungen zu Unrecht bejaht hat. Der EuGH hat dargelegt, dass sich aus seinem Urteil vom 10.09.1996, Az.: C-277/94, Ungewissheit über eine unmittel- bare Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 ARB ergeben konnte. Unter diesen Umständen durften die Mitgliedstaaten davon ausgehen, sie könnten die Anpasssung ihres innerstaatlichen Rechts bis zum Erlass entsprechender Umsetzungsakte zurückstellen. Daraus hat der EuGH den Schluss gezogen, dass abschließend geregelte Rechtsverhältnisse durch sein Urteil vom 04.05.1999 nicht wieder in Frage gestellt werden sollten. Überdies war zu berücksichtigen, dass die Frage, ob Erziehungsgeld eine Familienleistung im Sinne des Europarechts ist, erst durch das Urteil des EuGH vom 10.10.1996 geklärt wurde. Bei der Einschätzung der finanziellen Auswirkungen musste der EuGH schon aus Gründen der Gleichbehandlung alle Sozialleistungen in Betracht ziehen, die europaweit vom ARB erfasst werden.
Die vom EuGH angeordnete zeitliche Beschränkung hindert die Klägerin, ihre Ansprüche auf Landeserziehungsgeld für Zeiten vor dem Erlass des Urteils geltend zu machen. Die vom EuGH vorgesehene Ausnahme für Betroffene, die "vor diesem Zeitpunkt gerichtlich Klage erhoben oder einen gleichwertigen Rechtsbehelf eingelegt haben", kommt ihr nicht zugute. Anders als in dem vom BSG am 29.01.2002 entschiedenen Verfahren war bei der Klägerin ein Rechtsbehelf im Zeitpunkt der Entscheidung des EuGH nicht anhängig.
Nach der Begründung der Entscheidung des EuGH vom 04.05.1999 soll diese Ausnahmeregelung verhindern, dass der Schutz der Rechte, die die Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht herleiten, durch die verfügte zeitliche Beschränkung in nicht gerechtfertigter Weise eingeschränkt wird. Aus der Bezugnahme auf einen effektiven Rechtsschutz ergibt sich, dass mit den vom EuGH an- gesprochenen "Rechtsbehelfen" nur solche gemeint sind, die bei Erlass des Urteils vom 04.05.1999 noch rechtshängig, also offen waren. Denn bei abgeschlossenen Verfahren stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit des Rechtsschutzes von vornherein nicht. Als Rechtsbehelf sind in diesem Zusammenhang auch erstmalige Leistungsanträge zu verstehen, denn auch sie dienen der gel- tend Machung von Rechten und unterbrechen z.B. die Verjährung von Ansprüchen (§ 45 Abs. 3 SGB I). Dabei stellt der EuGH nicht darauf ab, aus welchen Gründen entsprechende Anträge nicht gestellt oder nach abschlägigen Entscheidungen nicht weiterverfolgt worden sind.
Zur Begründung des Anspruchs hätte die Klägerin laut BSG zwei Fristen einhalten müssen: Zum einen könnte sie sich auf das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 1 ARB nur dann berufen, wenn sie bereits vor dem Erlass des Sürül-Urteils vom 04.05.1999 einen auf Landeserziehungsgeld gerichteten Rechtsbe- helf eingelegt hätte. Zum anderen ist zu beachten, dass LErzg gemäß Art. 3 Abs. 2 Bayerisches LErzGG in der Fassung vom 12.06.1989 rückwirkend höchstens für zwei Monate vor der schriftlichen Antragstellung zu gewähren ist (Art. 9a Abs. 1 Buchst.a Landeserziehungsgeldgesetz 1995 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 LErzGG vom 12.06.1989).
Die Klägerin hat erst im Februar 2002 einen Antrag auf LErzG für ihre Tochter gestellt und demnach die beiden genannten Fristen nicht eingehalten. Auch die Regelung des § 27 SGB X hilft der Klägerin nicht weiter. Nach dessen Abs. 1 gilt: War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Eine derartige Wiedereinsetzung ist zwar nicht nach § 27 Abs. 5 SGB X unzulässig, da sich aus Art. 3 Abs. 2 BayLErzGG nicht ergibt, dass sie ausgeschlossen ist. Sie ist jedoch gemäß § 27 Abs. 3 SGB X nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer, wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Da die Klägerin den Antrag erst im Februar 2002 gestellt hat, kommt es darauf an, ob ihr die Antragstellung vor der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
Der Begriff der höheren Gewalt hat eine subjektive Komponente und ist nicht auf von außen kommende nicht beeinflussbare Ereignisse beschränkt (vgl. BSG a.a.O.). Höhere Gewalt ist jedes Geschehen, das auch durch die größtmögliche, von dem Betroffenen unter Berücksichtigung seiner Lage, Bildung und Erfahrung vernünftigerweise zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte. Als unabwendbar in diesem Sinn ist eine Fristversäumnis grundsätzlich auch dann anzusehen, wenn sie durch eine falsche oder irreführende Auskunft oder Belehrung oder sonst durch ein rechts- oder treuwidriges Verhalten der Verwaltungsbehörde verursacht wird (BSG, a.a.O., m.w.N.).
Selbst wenn die Klägerin durch eine irrige Auskunft von der Antragstellung abgehalten worden ist, hilft ihr das nicht weiter. Das Bundessozialgericht hat in der zitierten Entscheidung dazu festgehalten, dass ein Hinweis der Behörde, ein entsprechender Antrag brauche nicht gestellt zu werden, weil kein Anspruch auf LErzg bestehe, die Annahme von höherer Gewalt nicht rechtfertige. Diese Information sei zwar im Licht der Entscheidung des BSG vom 29.01.2002 (BSGE 89, 129) objektiv falsch gewesen, auch wenn sie der damaligen Rechtsprechung entsprochen habe. Denn eine unrichtige Rechtsauskunft liege auch dann vor, wenn der Versicherungsträger ohne Verschulden von der Richtigkeit seiner Rechtsansicht ausgehen durfte. Entscheidend sei insoweit die damalige Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht. Das BSG weist aber ausdrücklich auf Folgendes hin: Zur Begründung der Fehler- haftigkeit der Information bedarf es jedoch der Berufung auf die unmittelbare Wirkung des Art. 3 Abs. 1 ARB für einen Zeitraum vor Erlass der Sürül-Entscheidung des EuGH. Es greift hier somit die in diesem Urteil ausgesprochene zeitliche Beschränkung ein. Da die Klägerin am 04.05.1999 kein offenes Verfahren über die Gewährung des Landeserziehungsgelds hatte, kann sie die objektive Unrichtigkeit der ihr zuteil gewordenen Beratung nicht zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags geltend ma- chen.
Andere Umstände, die unter dem Gesichtspunkt einer höheren Gewalt eine Wiedereinsetzung ohne Rückgriff auf die unmittelbare Anwendung des Art. 3 Abs. 1 ARB begründen würden, liegen bei der Klägerin nicht vor.
Auch aufgund des richterrechtlich entwickelten Rechtsinstituts eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs steht der Klägerin kein Landeserziehungsgeld für ihre Kinder zu. Auch wenn nach dem Urteil des BSG vom 02.02.2006 (Az.: B 10 EG 9/05 ) neben dem Institut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein Herstellungsanspruch zur Anwendung kommen kann, stützt er den Anspruch der Klägerin nicht. Dessen Tatbestand fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Leistungsträger zuzurechnen ist, dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein, schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers ein Zustand hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre.
Wie das Bundessozialgericht darlegt (a.a.O.), kann wegen des Ausspruchs der zeitlichen Beschränkung in der Sürül-Entscheidung der Herstellungsanspruch wie auch der Wiedereinsetzungsantrag auf die objektiv fehlerhafte Beratung durch den Beklagten nicht gestützt werden. Die Berufung hat demnach keinen Erfolg.
Die Entscheidung über die Kosten, § 193 SGG, ist darin begründet, dass die Klägerin mit ihrem Begehren nicht durchdringen konnte.
Die Revision wird nicht zugelassen, da im Hinblick auf die Urteile des BSG vom 18.02.2004 und 27.05.2004 (Az.: B 10 EG 10/03 R und 11/03 R )die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Die Entscheidung konnte nach § 155 Abs. 3 und 4 SGG durch die Berichterstatterin anstelle des Senats ergehen, da die Beteiligten eingewilligt hatten.
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