L 6 R 586/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 951/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 586/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 29. September 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Rente wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit.

Er ist 1958 geboren und hat in der DDR im September 1977 eine zweijährige Berufsausbildung als Koch abgeschlossen. Zum weiteren beruflichen Werdegang des Klägers stehen nur dessen Angaben zur Verfügung. Sein DDR-Arbeitsbuch existiert nicht mehr. Der letzte Arbeitgeber ist insolvent geworden, zum Beschäftigungsverhältnis sind keine Angaben mehr erhältlich. Zu seiner Tätigkeit als Koch hat der Kläger in verschiedenen Rentenverfahren sowohl angegeben, er habe nach der Lehre nie mehr in diesem Beruf gearbeitet, als auch, dass die Beschäftigungen als Koch zusammen fünf Jahre ausmachen würden. Im Jahre 1981 erlitt er einen Unfall und bezog Rente von 1982 bis 1985. Ende 1988 übersiedelte er in die Bundesrepublik Deutschland. Für eine versicherungspflichtige Beschäftigung sind Pflichtbeitragszeiten von einem Kalendermonat im Jahre 1989, sechs Kalendermonaten im Jahre 1990, fünf Kalendermonaten im Jahre 1991, sechs Kalendermonaten im Jahre 1992 und einem Kalendermonat im Jahre 1993 vorgemerkt. Alle übrigen Zeiten seit 1989 sind Zeiten der Arbeitslosigkeit oder des Sozialleistungsbezugs. Nach seinen Angaben hat der Kläger nach seiner Übersiedlung als Kellner, Fahrer, Schleifer, Gießereiarbeiter und Koch oder Kochhelfer gearbeitet, letzteres für einen Monat im Jahre 1993.

Nach rechtsverbindlich abgelehnten Rentenanträgen aus den Jahren 1995 und 1999 stellte der Kläger am 27.11.2000 einen erneuten Rentenantrag, den die Beklagte mit Bescheid vom 09.04.2001 ablehnte und sich in der rechtlichen Begründung auf die seit 01.01.2001 geltende Rechtslage bezog. Den Widerspruch hiergegen wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 29.08.2001 als unbegründet zurück und legte der rechtlichen Beurteilung die Rechtslage vor dem 01.01.2001 zugrunde. Die Sachverständigen der Beklagten, der Psychiater Dr.S. und der Internist Dr.G. waren zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger noch vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, wenn auch mit gewissen qualitativen Einschränkungen tätig sein könne. Als Koch könne er nicht mehr tätig sein. Letzteres war auch das Ergebnis aller folgenden Begutachtungen.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht Landshut zunächst die Internistin und Lungenfachärztin Dr.L. als Sachverständige gehört, die in ihrem Gutachten vom 06.05.2002 zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Kläger weiterhin vollschichtig einsatzfähig sei.

Der weiter vom Sozialgericht als Sachverständiger gehörte Neurologe und Psychiater Dr.B. ist in seinem Gutachten vom 21.08.2002 zu dem Ergebnis gekommen, der Kläger könne seit Antragstellung nur noch sechs bis unter acht Stunden tätig sein, dies aufgrund neuer Befunde und Bewertungen. Ferner benötige er zusätzliche Arbeitspausen. Der Sozialärztliche Dienst der Beklagten hat hiergegen eingewendet, es habe in diesem Gutachten keine Auseinandersetzung mit dem Vorgutachten stattgefunden und es enthalte keine Begründung für die angenommene zeitliche Leistungseinschränkung. Dr.B. hat in Ergänzung seines Gutachtens hierzu auf seine Diagnosen verwiesen, u.a. auf das Vorliegen eines Rentenbegehrens, dessen Einfluss auf das Leistungsvermögen dem Gutachten aber nicht zu entnehmen ist.

Der daraufhin vom Sozialgericht als Sachverständiger gehörte Neurologe und Psychiater Dr.W. ist in seinem Gutachten vom 12.06.2003 zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger weiterhin vollschichtig einsatzfähig sei. Der Kläger könne noch leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen verrichten. Akkord- und Nachtarbeit, häufiges Bücken und Tragen, häufiges Steigen auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die pulmonale Belastbarkeit und Überkopfarbeiten seien zu meiden.

Das Sozialgericht hat die Klage, mit der der Kläger beantragt hat, ihm Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren, mit Urteil vom 29.09.2003 als unbegründet abgewiesen. Es ist von der zuletzt ausgeübten Tätigkeit eines Kochs ausgegangen und hat den Kläger als angelernten Arbeiter auf ale Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen und darauf abgestellt, dass er noch wenigstens sechs Stunden täglich einsatzfähig sei.

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt.

Der Senat hat Gutachten von dem Internisten Dr.E. vom 04.02.2005 und der Psychiaterin Dr.M. vom 12.04.2005 eingeholt. Beide Sachverständigen kommen zu einem weiterhin vollschichtigen Einsatzvermögen mit den im Wesentlichen gleichen qualitativen Einschränkungen wie die Vorgutachter.

Der Kläger hat vortragen lassen, dass er nach den eingeholten Sachverständigengutachten nicht mehr als Koch arbeiten könne, Berufsschutz als Facharbeiter genieße und deshalb einen Rentenanspruch habe.

Die Beklagte hat auf die unterschiedlichen Angaben des Klägers hingewiesen und ist der Auffassung, dass der berufliche Werdegang des Klägers nicht durch eine Facharbeitertätigkeit als Koch geprägt sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 29.09.2003 sowie des Bescheides vom 09.04.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2001 zu verurteilen, ihm auf Grund des Antrags vom 27.11.2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, weiter hilfsweise wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akten der Beklagten in diesem und den vorangegangenen Rentenverfahren und die Akte des Sozialgerichts Landshut. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) besteht nicht.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Rentenanspruch hat.

Auf den Rentenanspruch des Klägers, der für eine Zeit vor dem 01.01.2001 geltend gemacht wird, sind die §§ 43, 44 Sozialgesetzbuch (SGB) VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung anzuwenden. Nach § 43 Abs.1 SGB VI in dieser Fassung hatten Versicherte Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie u.a. berufsunfähig waren. Nach Abs.2 der Vorschrift waren Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken war. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen war, umfasste alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprachen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden konnten. Berufsunfähig war nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben konnte; dabei war die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Ausgangspunkt der Beurteilung der Berufsunfähigkeit war danach der bisherige Beruf. Das ist die zuletzt und auf Dauer ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung. Eine auf Dauer ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung des Klägers hat sich für die Zeit nach 1985 nicht mehr ermitteln lassen. Insbesondere seit Ende 1988, der Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland, sind auf Dauer ausgeübte Beschäftigungen nicht mehr festzustellen. Es hat sich, ausgehend von den Angaben des Klägers und den dokumentierten Beitragszeiten, immer nur um kurzfristige Beschäftigungen unterschied- lichster Art gehandelt, die mit Ausnahme der des Kochs als ungelernte Tätigkeiten einzustufen sind. Ob der Kläger zuletzt im Jahre 1993 wenigstens für einen Monat als Koch gearbeitet hat, war nicht mehr zu ermitteln. Der Kläger selbst hat diese Tätigkeit unterschiedlich als die eines Kochs bzw. eines Kochhelfers bezeichnet, vom früheren Arbeitgeber sind hierzu keine Auskünfte mehr erhältlich. Als zuletzt und auf Dauer ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung des Klägers kann damit aus Mangel an Nachweisen keine solche angenommen werden, deren Qualität über die eines einfachen angelernten Arbeitnehmers hinausgeht.

Arbeitnehmer, die ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr vollschichtig verrichten konnten, waren allein deshalb noch nicht berufsunfähig. Sie mussten sich stets auf eine Tätigkeit in der nächstniedrigeren Berufsgruppe verweisen lassen. Hierbei wurden die untersten Gruppen von der des ungelernten Arbeiters und der des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) gebildet. Bei einer als zumutbar anzusehenden Verweisung auf die unterste Berufsgruppe, d.h. Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, bedurfte es nicht mehr der Benennung einer konkreten beruflichen Tätigkeit, die ein Versicherter mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen noch konkret ausüben konnte. Es genügte, wenn er noch vollschichtig einsatzfähig war, es sei denn, es hätte eine ungewöhnliche Summierung von Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung bestanden. Letzteres liegt beim Kläger nicht vor.

Der Kläger war und ist zur Überzeugung des Senats nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig einsatzfähig.

Das ergibt sich aus allen eingeholten Sachverständigengutachten mit Ausnahme des Gutachtens des Dr.B ... Auch der Senat hält dieses Gutachten nicht für überzeugend. Dem Gutachten ist, wie auch Dr.L. für die Beklagte eingewendet hat, keine hinreichende Begründung für die angenommene zeitliche Leistungseinschränkung zu entnehmen. Zu den Einwendungen der Beklagten hat der Sachverständige keine substantiellen Erwägungen vorgebracht. Für die Annahme eines neurotischen Rentenbegehrens enthalten die Ausführungen des Sachverständigen keine Anhaltspunkte. Selbst wenn ein solches anzunehmen wäre, fehlt es an einer Darlegung, warum es einer vollschichtigen Einsatzfähigkeit entgegenstehen sollte.

Der Kläger war damit nach § 43 SGB VI alter Fassung nicht berufsunfähig. Er war damit erst recht nicht erwerbsunfähig nach § 44 SGB VI alter Fassung.

Der Kläger hat auch keinen Rentenanspruch nach den §§ 43, 240 SGB VI in der seit 01.01.2001 geltenden Fassung. Die Anspruchsvoraussetzungen dieses § 240 SGB VI haben sich, soweit es im vorliegenden Fall entscheidungserheblich ist, im Verhältnis zu § 43 SGB VI alter Fassung dadurch geändert, dass eine maßgebliche Leistungsminderung erst dann eintritt, wenn die bisherige sowie die zumutbare Tätigkeit nicht mehr wenigstens sechs Stunden täglich ausgeübt werden können und nicht wie bei der bis 31.12.2000 geltenden Rechtslage vollschichtig, d.h. acht Stunden täglich. Die entsprechende zeitliche Leistungseinschränkung gilt darüber hinaus seit 01.01.2001 auch für Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs.1 SGB VI. Auch nach dem seit 01.01.2001 geltenden Recht hat der Kläger damit keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Berufung ist deshalb nicht begründet und musste zurückgewiesen werden.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger in beiden Rechtszügen nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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