L 11 SO 41/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 SO 66/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 SO 41/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9b SO 24/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23.03.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die gesamtschuldnerische Heranziehung des Klägers und dessen Ehefrau zu den nicht gedeckten Kosten der Unterbringung in einer stationären Einrichtung in Höhe von 589,41 EUR ab 01.01.2005.

Der 1943 geborene Kläger befindet sich seit 15.06.2000 in einer Pflegeeinrichtung. Ein GdB von 100 ist anerkannt und die Merkzeichen B, G, H und RF sind zuerkannt. Der Kläger erhält von der Pflegekasse Pflegeleistungen nach Pflegestufe 3 in Höhe von 1.432,00 EUR monatlich. Zudem bezieht er Altersrente in Höhe von 523,58 EUR monatlich. Für eine Sterbeversicherung bringt er monatlich 4,39 EUR auf. Seine am 02.11.1941 geborene Ehefrau ist ebenfalls schwerbehindert und bezieht Altersrente in Höhe von 747,42 EUR. Sie bewohnt ein Haus, für das nach den Berechnungen der Beklagten Unterkunftskosten samt Erhaltungsaufwand in Höhe von 247,92 EUR bzw. ab 01.04.2005 wegen Verringerung der Darlehensrückzahlungen in Höhe von 196,79 EUR zu zahlen sind. Für den Erwerb eines Kraftfahrzeuges hat sie zusätzlich 50,00 EUR im Monat abzuzahlen. Versicherungen hat sie mit monatlich 42,38 EUR zu bedienen.

Seit 15.06.2000 hatte der Kläger samt seiner Ehefrau einen Kostenbeitrag zur Heimunterbringung gemäß § 28 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zu erbringen, zuletzt seit 01.07.2003 in Höhe von 230,00 EUR.

Auf Grund der Gesetzesänderung zum 01.01.2005 berechnete die Beklagte den Kostenbeitrag ab 01.01.2005 neu und hörte mit Schreiben vom 12.01.2005 u.a. den Kläger zur beabsichtigten Erhöhung des Kostenbeitrages auf 589,41 an. Mit Bescheid vom 31.01.2005 bewilligte die Beklagte die Übernahme der Kosten in der Einrichtung sowie eines persönlichen Bar- und Zusatzbetrages in Höhe von 314,84 EUR. Über die Kostenbeteiligung werde gesondert entschieden.

Der Kläger regte die Berücksichtigung von Darlehensrückzahlungen in Höhe von 102,13 EUR und 50,00 EUR sowie des bisher berücksichtigten Erhaltungsaufwandes an. Das Girokonto stehe im Minus.

Mit Bescheid vom 15.02.2003 - gerichtet an die Ehefrau des Klägers, die auch dessen Betreuerin ist - verpflichtete die Beklagte den Kläger und dessen Ehefrau gesamtschuldnerisch einen Kostenbeitrag in Höhe von 589,41 EUR ab 01.01.2005 monatlich zu den von der Beklagten gewährten ungedeckten Heimkosten zu zahlen. Der Grundsicherungsbedarf des Klägers in Höhe von 589,41 EUR übersteige sein bereinigtes Einkommen in Höhe von 519,19 EUR um 70,22 EUR. Dieser Betrag könne durch das den Bedarf übersteigende Einkommen der Ehefrau gedeckt werden (Grundsicherungsbedarf: 588,92 EUR, ab 01.04.2005: 537,79 EUR; Einkommen: 705,04 EUR; übersteigender Bedarf: 116,12 EUR bzw. ab 01.04.2005: 167,25 EUR), so dass insgesamt ein Betrag von 589,41 EUR (519,19 EUR + 70,22 EUR) zu tragen sei.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Es sei beabsichtigt, die Gesetzeslage zu ändern. Den Widerspruch wies die Regierung von Schwaben mit Widerspruchsbescheid vom 17.06.2005 zurück. § 82 Abs 4 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) sei auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII - wie sie hier vorlägen - nicht anwendbar.

Zur Begründung der dagegen zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, die Erhöhung um 359,41 stelle eine unbillige Härte dar, die Ehefrau des Klägers könne zum Auszug aus dem Haus gezwungen sein. Das SG hat mit Urteil vom 23.03.2006 die Klage abgewiesen. Rechtsgrundlage für den von der Beklagten geforderten Kostenbeitrag stelle § 19 Abs 5 SGB XII dar. Der Kläger erhalte Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei voller Erwerbsminderung nach § 41 SGB XII (= Viertes Kapitel). Einkommen und Vermögen sei daher gemäß § 41 Abs 2 iVm §§ 82 bis 84 und § 90 SGB XII anzurechnen. Dabei greife allerdings § 82 Abs 4 SGB XII nicht zugunsten des Klägers ein, denn es gehe gerade nicht um Leistungen nach dem Dritten Kapitel. Auch § 85 SGB XII komme nicht zur Anwendung, denn Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel - hier gegebenenfalls § 61 SGB XII - seien vom Streitgegenstand nicht betroffen. Bezüglich der Hilfe zur Pflege verlange die Beklagte nämlich keinen Aufwendungsersatz. Die Beklagte habe zutreffend das anzurechnende Einkommen des Klägers wie auch seiner Ehefrau berechnet.

Seine zum Bayer. Landessozialgericht eingelegte Berufung hat der Kläger mit einem Schreiben des Bayer. Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 12.04.2006 und der von diesem angestrebten Neuregelung begründet.

Der Kläger beantragt, 1. das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23.03.2006, Az: S 15 SO 66/05, aufzuheben 2. den Bescheid des Beklagten vom 15.02.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Regierung von Schwaben vom 17.06.2005 aufzuheben 3. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger die Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Der Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichtes Augsburg vom 23.03.2006, Az: S 15 SO 66/05, zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 15.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist (gesamtschuldnerisch mit seiner Ehefrau) verpflichtet, einen Kostenbeitrag zu den von der Beklagten erbrachten Leistungen in Höhe von 589,41 EUR ab 01.01.2005 zu erbringen.

Zur Begründung wird auf die vollumfänglichen Ausführungen des SG - insbesondere auch zur Härte - Bezug genommen (§ 153 Abs 2 SGG). Sowohl die Rechtsgrundlagen als auch die Berechnung durch das SG unter Bezugnahme auf die Berechnung in den angegriffenen Bescheiden ist nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte für eine unzutreffende Berechnung fehlen.

§ 82 Abs 4 SGB XII ist auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei voller Erwerbsminderung auf Grund des eindeutigen Wortlautes nicht anzuwenden.

Die hier im Streit stehenden Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sind seit dem 01.01.2005 in den §§ 41 ff SGB XII geregelt. § 42 SGB XII bemisst in seinem Satz 1 den Umfang dieser Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, während § 41 Abs 2 SGB XII die Anrechnung von Einkommen und Vermögen regelt. Einkommen ist nach § 41 Abs 2 SGB XII gemäß §§ 82 bis 84 SGB XII anzurechnen, das heißt, der Leistungsberechtigte hat vorrangig seinen Bedarf aus seinem Einkommen im Sinne des § 82 SGB XII zu decken. Gemäß § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahmen der Leistungen nach dem SGB XII, der Grundrente nach dem BVG und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und der Renten oder Beihilfen nach dem BEntschG für Schaden am Leben sowie an Körper und Gesundheit, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG.

§ 82 Abs 4 SGB XII regelt als Ausnahme dazu, dass von einer Person, lebt sie in einer teilstationären oder stationären Einrichtung, die Aufbringung der Mittel für die Leistungen nach dem Dritten Kapitel - das sind die Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt - aus dem eigenen Einkommen nur verlangt werden kann, soweit Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt erspart werden. Diese Vorschrift trifft, ihrem klaren Wortlaut folgend, nur die Leistungen nach dem Dritten Kapitel und eben nicht die Leistungen nach dem Vierten Kapitel, also Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, um die es hier geht. Dass der Kläger keine Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII, sondern nur Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beanspruchen kann, ergibt sich wiederum aus § 19 Abs 2 Satz 3 SGB XII. Der Senat sieht sich wegen der insoweit klaren Gesetzeslage gehindert, anders zu entscheiden. Weder der Wille des Gesetzgebers noch die systematische Stellung des § 82 Abs 4 SGB XII lassen eine andere Entscheidung zu.

Sollte ein "Wille" des Gesetzgebers nämlich dahin bestanden haben, dass sich bei der Einkommensanrechnung im Falle der stationären Unterbringung gegenüber dem früheren BSHG auch im Falle der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit "nichts ändere", (parlamentarischer Staatssekretär bei dem Bundesministerin für Gesundheit und soziale Sicherung Thönnes; vgl dazu auch das Sitzungsprotokoll über die Bundestagssitzung vom 23.02.2005; Plenarprotokoll 15/159, S 14884 - 14886), ist festzustellen, dass ein solcher "Wille" nicht Eingang in das Gesetz gefunden hat.

Aus der Verweisungsnorm in § 41 Abs 2 SGB XII ergibt sich auch nicht, dass § 82 Abs 4 SGB XII auch für Bezieher von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gelte (Plenarprotokoll 15/159, S.14885, 3. Absatz). Bei dieser Vorschrift handelt es sich eben nicht um eine bloße Rechtsgrundverweisung, und sie erklärt die Bestimmung des § 82 SGB XII nicht entsprechend für anwendbar, sondern bestimmt die Einkommensanrechnung gemäß §82 SGB XII, also unter Beachtung der dortigen Tatbestandsvoraussetzungen. Die am 01.01.2005 in Kraft getretenen übrigen gesetzlichen Regelungen deuten eher auf eine andere Intention des Gesetzgebers hin.

Korrespondierend mit der (wortgenauen) Fassung des § 82 Abs 4 SGB XII bestimmt § 35 Abs 1 Satz 1 SGB XII, dass der notwendige Lebensunterhalt in Einrichtungen den darin erbrachten sowie in stationären Einrichtungen zusätzlich den weiteren notwendigen Lebensunterhalt umfasst. Satz 2 der Vorschrift regelt, dass der notwendige Lebensunterhalt in Einrichtungen dem Umfang der Leistungen der Grundsicherung nach § 42 Satz 1 Nrn 1 bis 3 SGB XII entspricht.

Bereits an dieser Stelle ist festzuhalten, dass § 35 Abs 1 SGB XII den notwendigen Lebensunterhalt (Bedarfsseite) bestimmt, während § 82 Abs 4 SGB XII die Frage der Einkommensanrechnung betrifft, so dass aus § 35 Abs 1 Satz 2 SGB XII nicht im Umkehrschluss auf die Anwendbarkeit des § 82 Abs 4 SGB XII auf Bezieher von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung geschlossen werden kann.

Was die Intention des Gesetzgebers für diese (Neu-)Regelungen betrifft, führt Armborst in LPK-SGB XII, 7.Aufl 2005, § 35 RdNr 1 u.a. aus, die Bedeutung der Regelung in § 35 Abs 1 SGB XII ergebe sich hauptsächlich daraus, dass sie die bisher in § 27 Abs 3 BSHG geregelte Verklammerung von Lebensunerhalt und Hilfe in besonderen Lebenslagen auflöse. Die Hilfe in besonderen Lebenslagen umfasse in den teilstationären und stationären Einrichtungen nicht mehr den dort gewährten Lebensunterhalt, der vielmehr gesondert festgesetzt und geleistet werden müsse. Ziel der Trennung sei die Herauslösung der Bestandteile der Komplexleistung im stationären Bereich, um so einerseits die Leistungen zu denjenigen, die ambulant erbracht werden, vergleichbar zu machen. Andererseits kann auf diese Weise dem Gesichtspunkt Rechnung getragen werden, dass der Nachrang der Sozialhilfe und die Selbsthilfemöglichkeiten im Bereich der Deckung des Lebensunterhaltes sich von denen deutlich unterscheiden, die hinsichtlich der Bedarfe bestehen, die durch Leistungen der Hilfe in besonderen Lebenslagen gedeckt werden. Mit der Auflösung der Klammern zwischen Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Lebenslagen wird der Leistungsberechtigte grundsätzlich in die gleiche Lage versetzt, wie eine Person, die ambulante Leistungen der Hilfe in besonderen Lebenslagen bezieht. Als Resultat soll die leistungsberechtigte Person die Leistungen und deren Kosten im ambulanten sowie im stationären Bereich vergleichen und sich als "Marktkunde" die günstigsten Leistungen auswählen. Für das Verwaltungsverfahren trete insoweit eine Vereinfachung ein, als der Träger der Sozialhilfe nicht insgesamt in Vorleistung trete und dann durch komplizierte Ermittlung der zumutbaren Belastung den Nachrang über einen Kostenbeitragsbescheid wieder herstellen müsse.

In Ergänzung dazu stellt Brühl in LPK-SGB XII, aaO, § 82 RdNr 87 fest, dass der durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Einordnung der Sozialhilfe in das Sozialgesetzbuch vom 09.12.2004 in § 82 SGB XII eingefügte Abs 4 eine Folge davon sei, dass im SGB XII anders als im BSHG beim Aufenthalt in Einrichtungen Unterhalts- und Lebenslagenmaßnahmebedarf getrennt werde. Der in der Einrichtung anfallende Unterhaltsbedarf (Grundpauschale, Investitionskostenanteil, weiterer notwendiger Unterhaltsbedarf wie insbesondere Kleidung und Barbetrag) - der nach der chaotisch-dilettantischen Fassung des § 35 Abs 1 Satz 2 SGB XII dem Grundsicherungsbedarf "entspreche", also in diesem Umfang rechnerisch anzusetzen sei - stelle die Höchstgrenze für den Einkommenseinsatz dar, die allenfalls bei der Soll-Aufbringung des Satzes 2 erreicht werden könne.

Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2005, § 35 RdNr 2 meint, § 35 Abs 1 SGB XII enthalte eine wesentliche Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage nach dem früheren § 27 Abs 3 BSHG. Die in Einrichtungen zu leistende Hilfe zum Lebensunterhalt zähle danach nicht mehr zur Hilfe in besonderen Lebenslagen bzw. heute zu den Leistungen nach § 19 Abs 3 SGB XII, sondern gehöre nunmehr zu den Leistungen nach dem Dritten Kapitel "Hilfe zum Lebensunterhalt". Das habe erhebliche Auswirkungen, weil die Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII nicht greife.

Nach Linhart/Adolph ist die Regelung in § 82 Abs 4 SGB XII wegen des klaren Wortlautes der Norm im Falle von Leistungen nach den §§ 41 ff SGB XII nicht anwendbar. Nachdem der Gesetzgeber mit dem Verwaltungsvereinfachungsgesetz vom 21.03.2005 (BGBl I, S.818) Bezieher von Grundsicherungsleistungen lediglich in den § 82 Abs 3 SGB XII einbezogen hat und eben nicht auch in den Anwendungsbereich des § 82 Abs 4 SGB XII, könne von einer Regelungslücke nicht (mehr) gesprochen werden (Adolph in Linhart/ Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 41 SGB XII RdNr 74b, Std 2/06).

Aus dem Gesagten ergibt sich auch, dass der Kontext, in dem § 82 Abs 4 SGB XII steht, nichts anderes bestimmt. § 82 Abs 1 und 2 SGB XII betreffen alle Hilfearten des SGB XII, während die Absätze 3 und 4 dieser Bestimmung nur auf die dort jeweils genannten Hilfearten anzuwenden sind. § 43 SGB XII enthält daneben hinsichtlich des Einsatzes von Vermögen und der Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen eine Sonderregelung bei Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

Von einem gesetzgeberischen Versehen vermag der Senat infolge dessen nicht auszugehen. Zum Einen sind die entscheidungserheblichen Normen der §§ 41, 42, 35, 82 SGB XII insoweit nicht widersprüchlich, sondern ergänzen sich dahingehend, dass Leistungen in Einrichtungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt gehören und nicht Teil der Hilfe zur Pflege sind. Die durch Art 2 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 09.12.2004 (BGBl I S.3005) angefügte Bestimmung in Abs 4 (vgl. auch den früheren § 82 Abs 3 Satz 1 SGB XII) lässt bei der Einkommensanrechnung Ausnahmen hier nur im Falle der Bewilligung von Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zu. Während der Bundesgesetzgeber mit dem Verwaltungsvereinfachungsgesetz vom 21.03.2005 (BGBl I S.818) mit Wirkung ab dem 30.03.2005 die Vorschrift des § 82 Abs 3 SGB XII geändert hat und den dort vorgesehenen 30 vH-Satz auf die Hilfe für Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit ausdehnte, hat er eine gleichzeitige Änderung der Bestimmung des § 82 Abs 4 SGB XII nicht vorgenommen. Der Senat geht, mangels anderer Anhaltspunkte davon aus, dass der Bundesgesetzgeber bei der "Korrektur" des § 82 Abs 3 SGB XII den direkt darauf folgenden Absatz 4 nicht übersehen hat, sondern eine Gesetzesänderung hier nicht beabsichgtigt hat.

Es besteht zur Überzeugung des Senats mithin kein Raum für die Rechtsprechung, im Wege der verfassungskonformen Auslegung oder gar im Wege der Analogie contra legem zu entscheiden. Der Gesetzgeber handelt hier noch im Rahmen seiner gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit, die die Gerichtsbarkeit auch dann zu respektieren hat, wenn Gesetzesänderungen angesichts langjähriger zweifelsfreier und interessensgerechter gesetzlicher Regelungen aus nur noch schwer nachvollziehbaren Gründen erfolgen. Bejaht man aber einen solchen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum bei der vorliegenden Einkommensanrechnung, sind weitere Fragen nach etwaigen Wertungswidersprüchen nicht mehr entscheidungserheblich.

Jedenfalls seit der Änderung des § 82 Abs 3 SGB XII durch das Verwaltungsvereinfachungsgesetz vom 21.03.2005 (vgl dazu oben) kann der Senat keine planwidrige Regelungslücke (mehr) erkennen (siehe dazu BVerwG vom 29.09.1998 BVerwGE 107, 231 = NVwZ 1999, 196 = DÖV 1999, 341 = Buchholz 402.25 § 26 AsylVfG Nr 5 mwN; ebenso BSG vom 25.06.2002 SozR 3-2500 § 38 Nr 4 = FEVS 54, 249), bei der sich die Anwendung des § 82 Abs 4 SGB XII geradezu aufdrängt (BVerwG vom 22.08.1986 NVwZ 1987, 55 = Buchholz 451.533 AFoG Nr 7).

Hat der Gesetzgeber in der Sache eine andere Rechtsfolge gewollt, etwa die Beibehaltung der bis zum 31.12.2004 ausgeübten Praxis, so ist er gehalten, den verabschiedeten Gesetzestext in Einklang mit seinem tatsächlichen Willen zu bringen.

Nachdem es einen sachlichen Unterschied darstellt, ob der Leistungsberechtigte Hilfe zum Lebensunterhalt oder aber Hilfe der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhält, lässt sich aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Grundgesetz (GG) nicht gegen den Gesetzeswortlaut herleiten, dass beide Personenkreise in der Einkommensanrechnung zwingend gleichzustellen wären. Der Senat meint ein gewisses Äquivalent darin zu erkennen, dass § 43 SGB XII für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung andererseits eine gewisse Erleichterung beim Vermögenseinsatz und bei der Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen mit sich bringt (vgl zum Ganzen ausführlich: BayLSG vom 28.07.2005 FEVS 57, 131).

Nach alledem ist die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen. Es handelt sich um auslaufendes Recht.
Rechtskraft
Aus
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