L 17 U 455/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 U 372/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 455/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27.10.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Verschlimmerung der Folgen des Arbeitsunfalles vom 05.10.1995 sowie die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH streitig.

Der 1945 geborene Kläger erlitt am 05.10.1995 einen Arbeitsunfall. Er rutschte - auf einem ca. 1,1 m hohen Arbeitstisch stehend - aus und stürzte zu Boden auf den linken Arm. Nach seinen Angaben sei er bewusstlos gewesen. Der Durchgangsarzt Dr.S. stellte in seinem Arztbericht vom 09.10.1995 bei ihm Verdacht auf Commotio cerebri, perforierte Unterlippenplatzwunde, Prellung des rechten Kniegelenkes sowie Radiusfraktur links fest. Stationär wurde der Kläger im Krankenhaus E. und in der Klinik für Handchirurgie Bad N. behandelt. Arbeitsunfähig krank war er bis 27.05.1996.

Die Beklagte veranlasste ein Gutachten des Handchirurgen Prof. Dr.L. vom 23.08.1996. Dieser stellte als Unfallfolgen eine endgradige schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Armgelenks, Hypersekretion der linken Hand, Sensibilitätsstörung der linken Hand, Kraftminderung sowie Störung der Grob- und Feinmotorik fest. Die MdE schätzte er ab 29.05.1996 mit 20 vH ein.

Mit Bescheid vom 04.12.1996 gewährte die Beklagte ab 28.05.1996 vorläufige Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH. Als Art der Verletzung gab sie Gehirnerschütterung, Unterlippenplatzwunde, körperferner Speichenbruch links sowie Prellung des rechten Kniegelenkes an. Als Folgen des Unfalles erkannte sie an: Minderung der Muskulatur des linken Unterarmes, Herabsetzung der Kraft des linken Armes, Einschränkung der Unterarmdrehbeweglichkeit links, endgradige Einschränkung der Beweglichkeit des linken Handgelenkes und der Langfinger, übermäßige Schweißbildung sowie Empfindungsstörung im Bereich der linken Hand, Störung der Grob- und Feinmotorik der linken Hand nach operativ versorgtem, knöchern fest verheilten Bruch der linken Speiche im handgelenksnahen Bereich. Die Gehirnerschütterung, die Unterlippenplatzwunde und die Prellung des rechten Kniegelenkes seien folgenlos verheilt.

In einem weiteren Gutachten vom 16.07.1997 gab Prof. Dr.L. als noch bestehende Unfallfolgen einen knöchern vollständig in achsengerechter Stellung verheilten körperfernen Speichenbruch links an. Die vom Kläger gebotene Unfähigkeit zur aktiven Bewegung des linken Handgelenkes und der Finger links könne nicht eingeordnet werden. Ein Unfallzusammenhang bestehe jedoch sicher nicht. Eher sei von einer neurologischen Störung auszugehen. Die MdE des Klägers schätzte er aus handchirurgischer Sicht mit 0 vH ein.

Daraufhin entzog die Beklagte mit Bescheid vom 17.09.1997 die Verletztenrente mit Ablauf des Monats September 1997. Die Gewährung einer Dauerrente lehnte sie ab.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren holte die Beklagte Gutachten des Chirurgen Dr.S. vom 23.10.1997/19.01.1998 sowie des Nervenarztes Prof. Dr.G. vom 05.01.1998 ein. Dr.S. konnte noch folgende unfallbedingte gesundheitliche Veränderungen erkennen: In anatomischer Stellung knöchern fest verheilter körperferner Speichenbruch links ohne Aufbruchsveränderungen der Speichengelenkfläche, noch leichte Kalksalzminderung der linksseitig dargestellten Skelettabschnitte. Die MdE schätzte er auf unfallchirurgischem Gebiet mit unter 10 vH ein. Prof. Dr.G. konnte seitens des neurologisch-psychiatrischen Gebietes keine belangvollen Folgen des Unfalles vom 05.10.1995 feststellen. Die Schonhaltung des linken Armes könne nicht als Unfallfolge eingeordnet werden. Sie sei der Persönlichkeit des Verletzten zuzurechnen. Dr.S. schätzte anschließend die Gesamt-MdE mit unter 10 vH ein.

Nach Zurückweisung des Widerspruchs durch Bescheid vom 20.05.1998 holte das Sozialgericht (SG) Würzburg im anschließenden Klageverfahren (S 5 U 197/98) Gutachten des HNO-Arztes Dr.K. vom 03.08.1999 und des Chirurgen Dr.H. vom 28.08.1999 ein. Dr.K. konnte keine Hinweise für eine Verletzungsfolge im HNO-Bereich feststellen, die die vom Kläger angegebene Schwindelsymptomatik mit Synkopenneigung erklären könnten. Im chirurgischen Bereich konnte Dr.H. aufgrund der Unfallfolgen eine MdE in messbarem Grade nicht mehr feststellen. Die MdE sei mit lediglich 10 vH einzuschätzen. Daraufhin nahm der Kläger am 05.10.1999 die Klage zurück.

Einen Verschlimmerungsantrag stellte der Kläger am 15.03.2002. Hierzu legte er einen Arztbericht der Klinik für Handchirurgie Bad N. vom 22.11.2001/27.02.2002 vor mit der Diagnose eines Ulna-Impaction-Syndroms links sowie einer Tendovaginosis stenosans links vor.

Nach Einholung eines Befundberichts des Orthopäden Dr.N. vom 11.04.2002 erstellte Prof. Dr.L. am 29.08.2002 ein weiteres handchirurgisches Gutachten, in dem er die bestehenden Unfallfolgen mit knöchnern fest in anatomisch- und achsengerechter Stellung verheiltem körperfernen Speichenbruch links, Kraftminderung der linken Hand sowie Schmerzhaftigkeit bei Knorpelschaden des linken Handgelenkes angab. Die MdE bewertete er mit 10 vH.

Mit Bescheid vom 01.10.2002 lehnte die Beklagte die Voraussetzung für die Gewährung einer Verletztenrente ab (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 25.11.2002).

Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum SG Würzburg erhoben und beantragt, Unfallfolgen anzuerkennen und ab 24.02.2002 Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH zu gewähren. Er hat hierzu Arztberichte des Nuklearmediziners Dr.K. , des Dr.D. und der Klinik für Handchirurgie Bad N. vorgelegt.

Anschließend hat Dr.H. am 26.03.2004 ein chirurgisches Gutachten erstellt. Danach stellten sich die Unfallfolgen jetzt gravierender dar als 1999. Eine deutliche Kraftminderung der linken Hand sowie eine Gebrauchsbehinderung bei Grob- und Feinarbeiten seien festzustellen. Auch seien der Faustschluss und die Fingerstreckung am linken Handgelenk unvollständig. Zudem lasse sich eine erhebliche Kraftminderung der linken Hand erkennen. Seit der Verkürzungsosteotomie am 25.02.2002 sei die unfallbedingte MdE mit 20 vH einzuschätzen. Die Beklagte hat dem mit Stellungnahme vom 15.04.2004 widersprochen.

Anschließend hat der Neurologe Dr.K. in seinem Gutachten vom 13.07.2004 ausgeführt, dass eine Verschlimmerung der Unfallfolgen nicht eingetreten sei. Eher sei wahrscheinlich eine deutliche bessere Ausprägung von Kraft und sonstigen motorischen Leistungen beim Kläger festzustellen, wenn er sich unbeobachtet fühle. Dies lege den Verdacht einer Aggravation nahe.

Mit Urteil vom 27.10.2004 hat das SG die Klage abgewiesen und sich im Wesentlichen auf die Ausführungen des Dr.K. gestützt.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und vorgetragen, es sei eine wesentliche Verschlechterung der Unfallfolgen eingetreten.

Der Berichterstatter hat eine Auskunft über Erkrankungen des Klägers von der AOK Bayern vom 01.02.2005 und einen Befundbericht des Nervenarztes Dr.H. vom 31.01.2005 eingeholt sowie die Akte des Amtes für Versorgung und Familienförderung W. beigezogen. Sodann hat der Nervenarzt Prof. Dr.L. am 09.11.2005 ein Gutachten erstellt. Er hat dabei keine durch den Arbeitsunfall verursachten relevanten Gesundheitsstörungen, insbesondere Störungen der peripheren und zentralen Nervenbahnen zum linken Arm feststellen können.

Nach Vorlage eines Arztberichtes der Klinik für Handchirurgie Bad N. vom 08.11.2005 hat dann Prof. Dr.S. am 27.01.2006 ein orthopädisches Gutachten erstellt. Er hat als Unfallfolgen eine offensichtlich erlittene distale Radiusfraktur sowie eine hieraus resultierende diskrete Verkürzung der Speiche mit der Folge einer Überlänge der Elle, was zu einer sogenannten Verkürzungsosteotomie der Elle im Jahr 2002 geführt hat, festgestellt. Funktionsstörungen seien im Bereich des linken Handgelenkes mit Schmerzen verbunden. Der objektivierbare Funktionszustand im Bereich des linken Handgelenkes sowie der linken oberen Extremität bedinge aktuell eine MdE von max. 10 vH.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 20.03.2006 widersprochen und darauf hingewiesen, dass von einer Aggravation bei ihm keine Rede sein könne. Die schmerzhafte Bewegungs- und Belastungseinschränkung am unfallverletzten Handgelenk bedinge, wie Dr.H. im Gutachten vom 26.03.2004 feststellte, eine MdE von 20 vH.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 27.10.2004 sowie des Bescheides vom 01.10.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2002 zu verurteilen, aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalles vom 05.10.1995 Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialge richts Würzburg vom 27.10.2004 zurückzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2006 haben sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt, dass der Berichterstatter in der Sache als Einzelrichter entscheidet.

Wegen weiterer Einzelheiten wird ergänzend auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akte des Amtes für Versorgung und Familienförderung W. Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung weiterer Unfallfolgen sowie Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH, da die Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Die Berufung ist nach § 153 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aus den Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurückzuweisen.

Ergänzend ist auszuführen, dass die vom Berichterstatter vorgenommene weitere Sachaufklärung keine Anhaltspunkte erbracht hat, mit denen das Begehren des Klägers zu begründen wäre. Insbesondere aus den Gutachten des Nervenarztes Prof. Dr.L. und des Orthopäden Prof. Dr.S. lässt sich erkennen, dass die MdE aufgrund der Verletzungsfolgen 20 vH nicht erreicht. Hinzuzufügen ist, dass sich ein Aggravationsverhalten des Klägers nicht ausschließen lässt.

Prof. Dr.L. bestätigt im Wesentlichen die Ausführungen in den Gutachten von Prof. Dr.G. vom 05.01.1998 und Dr.K. vom 13.07.2004. Danach liegen keine durch den Arbeitsunfall verursachten relevanten Gesundheitsstörungen vor, insbesondere lassen sich Störungen der peripheren und zentralen Nervenbahnen zum linken Arm durch elektrophysiologische Untersuchungen mit Sicherheit ausschließen. Die vom Kläger demonstrierte Minderbewegung der linken Hand steht in Diskrepanz zu den objektivierbaren Symptomen. Darauf weisen alle neurologischen Untersucher und Begutachter hin. Auffällig ist vor allem, dass sich bei der Inspektion der Hand keine Athrophien, keine trophischen Veränderungen finden, die für eine gestörte vegetative Innervation ursächlich sind. Bei der Umfangmessung der Unterarm- und Oberarmmuskulatur ergeben sich auch keine relevanten Differenzen, dasselbe gilt bei Durchführung der Magnetstimulation. Das bei den Vorgutachten diskutierte Karpaltunnelsyndrom kann bei normen distalen Latenzen ausgeschlossen werden.

Prof. Dr.S. hat Beschwerden im Bereich des linken Handgelenkes nicht ausgeschlossen, vor allem aufgrund des Längenmissverhältnisses zwischen Elle und Speiche. Dies hat auch bereits Prof. Dr.L. in seinem Gutachten vom 29.08.2002 bestätigt. Bei der geringfügigen Überlänge der Ulna sind daher die Beschwerden im Bereich des Handgelenkes als unfallbedingt anzusehen. Eine rentenberechtigende MdE ist aber nicht gerechtfertigt. Es bestehen erhebliche Diskrepanzen zwischen subjektiv geschilderter Beschwerdesymptomatik und demonstrierter Funktion der linken Hand sowie den objektiven klinischen Untersuchungsbefunden. So zeigt sich für das linke Handgelenk kein Reizzustand. Die passive Beweglichkeit war nur in einem funktionell unbedeutenden Umfang eingeschränkt. Auch ließen sich radiologisch keine eindeutigen Zeichen einer progredienten posttraumatischen Arthrose nachweisen. Beim Schütteln beider Hände bei der Überprüfung des Faustschlusses wurde keine Schmerzhaftigkeit angegeben. Eine MdE lässt sich daher höchstens in Höhe von 10 vH feststellen. Dies steht in Übereinstimmung mit den Gutachten des Prof. Dr.L ... Prof. Dr.S. hat noch ausgeführt, dass er dem Gutachten des Dr.H. vom 26.03.2004 nicht folgen könne. Dieser hatte vor allem die Schmerzhaftigkeit in den Vordergrund gestellt. In dessen Gutachten fanden sich jedoch erhebliche Diskrepanzen zwischen subjektiver Beschwerdeschilderung, aktiv demonstrierter Funktionalität sowie objektiv fassbaren Befunden, die von Dr.H. nur unzureichend berücksichtigt worden sind.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalles vom 05.10.1995 eine höhere MdE als 10 vH nicht vertretbar ist. Die Berufung ist daher als unbegründet zurückzuweisen. Der Berichterstatter konnte im Einverständnis mit den Beteiligten an Stelle des gesamten Senats entscheiden (§ 155 Abs 3, 4 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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