L 15 VG 26/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 VG 5/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VG 26/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.09.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1940 geborene Kläger begehrt Leistungen nach §§ 1 ff. des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) in Verbindung mit §§ 1 ff. des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Er ist am 17.05.2004 gegen 11.50 Uhr in der Nähe des V.markts in M. in einen Fahrradunfall mit sich anschließenden Auseinandersetzungen verwickelt gewesen.

Der Antrag auf Leistungen nach dem OEG vom 31.07.2004 ist am 03.08.2004 im Amt für Versorgung und Familienförderung M. eingegangen. Von Seiten des Beklagten sind die Unterlagen der Strafverfolgungsbehörden beigezogen worden. Das Polizeipräsidium M. hat mit Verkehrsunfallanzeige vom 17.05.2004 den Sachverhalt wie folgt ermittelt: Der Kläger befuhr mit seinem Fahrrad die Straße R. in nordwestlicher Richtung. Auf Höhe der P.-Straße überholte er die Radfahrerin W. K ... Dabei berührte er diese seitlich, worauf W. K. stürzte und nach links auf die Fahrbahn fiel. Hierbei zog sie sich eine Schürfwunde am linken Ellenbogen sowie Prellungen an der linken Hand und an der Außenseite des linken Unterschenkels zu. An ihrem Fahrrad wurde das vordere Licht beschädigt. Der Kläger kam nicht zu Sturz, hielt kurz an und wollte anschließend, ohne sich um die Gestürzte zu kümmern, weiterfahren. Daran wurde er jedoch von Passanten gehindert. Nachdem er von W. K. nach seinem Namen gefragt wurde, wollte er diesen nicht nennen. Als die Unfallbeteiilgten und die Zeugin die Fahrbahn in Richtung P.-Straße verließen, ergriff der Kläger plötzlich auf der Fahrbahn der P.-Straße mit seinem Fahrrad die Flucht in südwestlicher Richtung, ohne Angaben zu seiner Person gemacht zu haben. Er wurde von der Zeugin M. A. sofort zu Fuß verfolgt. W. K. konnte den Kläger von ihrem Standort aus nicht mehr sehen. Der Kläger kam auf Höhe S.platz ohne Fremdeinwirkung zu Sturz, wobei er sich verletzte und auf der Fahrbahn liegen blieb. W. K. , die nun von Zeugen zum S.platz geholt wurde, erkannte den Gestürzten sofort wieder. Der Kläger wurde anschließend durch das Bayerische Rote Kreuz (BRK) in die S.klinik zur ambulanten Behandlung gebracht.

Im Rahmen des sich anschließenden Ermittlungsverfahrens hat der Kläger gegenüber der Polizeidirektion M. mit Schreiben vom 07.06.2004 den Sachverhalt wie folgt geschildert: Am Anwesen R. (K.-Reisebüro) fuhr eine Dame mit dem Fahrrad, die der Kläger vorschriftsmäßig nach der Straßenverkehrsordnung überholte. Durch das Überholmanöver war die Fahrradfahrerin sichtlich dermaßen erschrocken, dass sie stürzte und wohl auf die linke Körperseite fiel. Der Kläger stoppte ungefähr 2 m von der Sturzstelle und kümmerte sich um die gestürzte und am Boden liegende Dame. Damit kam der Kläger auch seiner Pflicht auf Erste-Hilfe-Leistung nach. Sie zeigte dem Hilfeleistenden den linken Unterarm, wobei Abschürfungen ab dem Ellenbogen festzustellen waren. Die Dame meinte, es sei nicht so schlimm und es gehe schon in Ordnung. Ganz plötzlich stürzten zwei weibliche Passanten vom Fußgängertrottoir und brüllten "Wir holen die Polizei!". Eine Dame mit roter Oberjacke und die weitere mit schwarzem Haar beschimpften den Kläger mit Worten, die unter der Gürtellinie zu qualifizieren sind und die Dame mit der roten Oberjacke hielt sogar das Fahrrad des Klägers fest, obwohl er bereit war, die Angelegenheit auf gütlichem Einvernehmen zu klären. Aufgrund des oben geschilderten Vorganges ist unter objektiver und subjektiver Betrachtung bzw. Beurteilung des Klägers in keinem Fall von einer Unfallbeteiligung auszugehen. Demzufolge scheide auch nach Aktenlage eine fahrlässige Körperverletzung und eine Unfallflucht aus. Nachdem die Sache mit der Dame mit der roten Oberjacke nicht einvernehmlich geklärt werden konnte und nach einer Wartezeit von 50 Minuten sei der Kläger noch auf Höhe der P.-Straße von zwei männlichen Passanten brutal niedergeschlagen worden. Dabei sei er enorm gestürzt und habe sich folgende Verletzungen zugezogen: Kapsel-Band-Distorsion des rechten Sprunggelenks nach Supinationstrauma.

Die Verkehrspolizeiinspektin M. hat mit Schlussvermerk vom 28.07.2004 das Ergebnis ihrer Ermittlungen wie folgt zusammengefasst: In der vorliegenden Unfallsache gibt der Kläger nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung seine Fahreigenschaft zur Tatzeit zu. Er bestreitet jedoch in seiner Stellungnahme den dargelegten Sachverhalt und beschuldigt seinerseits die geschädigte W. K. , die drei Zeuginnen M. A. , E. H. und I. R. sowie noch zwei weitere Passanten, die nicht bekannt sind. Da nach Meinung des Sachbearbeiters die Angaben des Klägers als Schutzbehauptung zu werten sind, erfolgten zunächst keine weiteren Anschuldigungen. Der Vorgang wird zur weiteren Entscheidung der Staatsanwaltschaft M. vorgelegt.

Die Staatsanwaltschaft M. hat mit Verfügung vom 29.09.2004 das Verfahren gegen den Kläger gemäß § 153 Abs.1 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt: Ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung ist nicht gegeben. Die Schuld wäre als gering anzusehen. Der Beschuldigte ist nicht vorbestraft.

Das Ermittlungsverfahren gegen W. K. ist mit Verfügung vom 29.09.2004 eingestellt worden: Das Verfahren war einzustellen, weil der Beschuldigten eine Straftat nicht mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit nachgewiesen werden kann. Angesichts des vorangegangenen Radunfalles und des anschließenden Entfernens des Geschädigten (= des Klägers) ist der Beschuldigten ein vorläufiges Festnahmerecht zuzugestehen, was einen Rechtfertigungsgrund darstellt und damit die Strafbarkeit wegen Nötigung und/oder Körperverletzung entfallen lässt. Selbst für den Fall, dass man das Entfernen des Geschädigten (= des Klägers) für berechtigt bzw. entschuldigt hielte und somit ein Festnahmerecht nicht bestünde, befände sich die Beschuldigte in einem sogenannten Erlaubnistatbestandsirrtum, weil sie sich dann über das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrunds täuschte; dieser Erlaubnistatbestandsirrtum lässt aber den Vorsatz der Beschuldigten entfallen, weshalb ebenfalls eine Strafbarkeit wegen Nötigung und/oder vorsätzlicher Körperverletzung ausscheiden würde. Für die in diesem Fall übrig bleibende eventuelle fahrlässige Körperverletzung wird das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung verneint.

Gegen die weitere Beschuldigte M. A. ist das Ermittlungsverfahren aus den nämlichen Gründen am 29.09.2004 eingestellt worden. Gleiches gilt für die Beschuldigten E. H. und I. R ...

Hierauf gestützt hat der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 03.12.2004 den Antrag des Klägers auf Beschädigtenversorgung abgelehnt. Nur die Folgen eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs könnten gemäß § 1 Abs.1 OEG einen Anspruch begründen. Ein rechtswidriger Angriff sei dann nicht gegeben, wenn der Kläger objektiv unter den Voraussetzungen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes und subjektiv mit Rechtfertigungswillen gehandelt habe. Im Falle des Klägers sei die Rechtswidrigkeit nicht nachgewiesen.

Mit Widerspruch vom 18.02.2004 hat der Kläger nochmals hervorgehoben, dass ihm die beiden Täter (nicht: Täterinnen) mit Wissen und Gewissen durch einen vorsätzlichen Angriff auf seine Person akute Gesundheitsstörungen und -schädigungen beigebracht hätten.

Der Widerspruch vom 18.02.2004 gegen den Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 03.12.2004 ist mit Widerspruchsbescheid des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 31.01.2005 zurückgewiesen worden. Der Kläger selbst habe angegeben, in der P.-Straße von zwei männlichen Passanten brutal zusammengeschlagen worden zu sein. Nach den polizeilichen Unterlagen sei er jedoch ohne Fremdeinwirkung zu Fall gekommen, wobei er sich verletzt habe. Es sei daher nicht nachweisbar, woher die Kapsel-Band-Distorsion stamme, ob sie also das Ergebnis eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs gewesen sei.

Mit Klagebegründung vom 19.02.2005 hat der Kläger hervorgehoben, dass die vier Damen Aussagen gemacht hätten, die in keinster Weise der Wahrheit entsprechen würden. Er sei an der P.-Straße (gegenüber der nun neu erstellten S.halle) ohne Veranlassung von zwei ihm in die Quere stehenden männlichen Passanten (ein Mann in Fahrraddress und der andere Mann in Normalkleidung, ein Rentner dem Alter nach aussehend) vorsätzlich und rechtswidrig in brutalster Art und Weise zusammengeschlagen worden. Das persönliche Fahrrad sei nicht durch den Unfallvorgang beschädigt worden, sondern durch den Tateingriff infolge des Sturzes. - Zur Glaubhaftmachung hat der Kläger eine ärztliche Bescheinigung von Prof.Dr.med.B. vom 09.02.2005 vorgelegt. Danach ist am 17.05.2004 eine Kapsel-Band-Distorsion rechtes Sprunggelenk mit Supinationstrauma diagnostiziert worden.

Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 27.09.2005 - S 30 VG 5/05 - die Klage abgewiesen: Vorliegend hat die Staatsanwaltschaft nach Untersuchung des Sachverhaltes keine Anklagen gegen die Unfallkontrahentin W. K. und die anderen Zeuginnen erhoben, weil sie ihnen für das Festhalten des Klägers eine Notwehrsituation, mindestens aber einen entschuldigenden Verbotsirrtum zugute hielt. Wenn der Kläger nach diesem kurzen Moment des Festhaltens noch in der Lage war, eine Flucht zu Fuß zu versuchen, so kann ihn dieses Festhalten nicht nennenswert verletzt haben. Im Hinblick auf die anzunehmenden Kräfteverhältnisse zwischen dem 64-jährigen Kläger und vier jüngeren Frauen war kein großer Einsatz gewaltsamer Kraft erforderlich, um den Kläger aufzuhalten. Im Übrigen hätte der Kläger sogar eine nicht oder nicht in vollem Umfang durch Notwehr gedeckte Angriffshandlung gegen ihn selbst provoziert mit der Folge, dass ihm deshalb nach § 2 Abs.1 OEG ein Versorgungsanspruch wegen Unbilligkeit zu versagen wäre. Die polizeilichen Ermittlungen hätten ergeben, dass der Kläger erst anschließend ohne Fremdeinwirkung gestürzt sei. Die erlittene Distorsion am rechten Sprunggelenk könne als typische Verletzung infolge eines Fahrradsturzes interpretiert wreden, nicht aber als Folge des behaupteten "brutalen Zusammenschlagens" durch mehrere Personen.

Die hiergegen gerichtete Berufung vom 10.12.2005 ging spätestens am 12.12.2005 im Bayer. Landessozialgericht ein. Von Seiten des Senats wurden die Versorgungs- und Schwerbehindertenakten des Beklagten beigezogen, ebenso die erstinstanzlichen Akten und die Akten der Staatsanwaltschaft M ...

Mit Berufungsbegründung vom 31.12.2005 wiederholte der Kläger seinen Vortrag, W. K. und M. A. hätten den Sachverhalt völlig unwahr geschildert. Diese seien nochmals unter Eid einzuvernehmen. - Infolge des Vorfalles vom 17.05.2004 sei es zur Einleitung eines Führerscheinentzugsverfahrens gekommen. Ihm seien weitere Kosten von rund 1.000,00 EUR für die Einschaltung des MPI in M. erwachsen. - Dem Urteil vom 27.09.2005 könne insofern nicht gefolgt werden, dass es sich um eine Alltagsverletzung handele; er sei am helllichten Tag um 11.50 Uhr auf brutalste Art zusammengeschlagen worden. Hierdurch seien erhöhte Aufwendungen für die Lebensführung zu tragen gewesen (Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Einnahme von Schmerzmitteln, therapeutische Behandlungsmaßnahmen).

Ergänzend wies der Kläger mit Nachricht vom 01.02.2006 nochmals darauf hin, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die männliche Person in der P.-Straße nahe des S.platzes in M. erfolgt sei.

Der Beklagte erwiderte mit Schriftsatz vom 09.02.2006, dass ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff weiterhin nicht nachgewiesen sei. Ob eine nochmalige Zeugeneinvernehmung der entsprechenden Beteiligten erforderlich bzw. sinnvoll sei, werde in das Ermessen des Senats gestellt.

Der Kläger hielt mit Nachricht vom 22.02.2006 an seiner gegenteiligen Auffassung fest. Die Staatsanwaltschaft M. habe bei ihren Ermittlungen das Schwergewicht nicht auf die vorsätzliche Körperverletzung gelegt, sondern vielmehr auf das "unerlaubte Entfernen vom Unfallort".

In der mündlichen Verhandlung vom 01.08.2006 beruft sich der Kläger ergänzend auf das aktuell in Kraft tretende "Antidiskriminierungsgesetz".

Der Kläger stellt den Antrag, den Bescheid vom 03.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2005 sowie das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.09.2005 aufzuheben und Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) zu bewilligen, insbesondere eine einmalige Erstattung von 500,00 EUR sowie eine Kur auf Kosten des Beklagten.

Der Bevollmächtigte des Beklagten stellt den Antrag, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.09.2005 als unbegründet zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Unterlagen des Beklagten, die Akten der Staatsanwaltschaft M. sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, aber unbegründet: Das Sozialgericht München hat die Klage mit Urteil vom 27.09.2005 - S 30 VG 5/05 - zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 03.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 31.01.2005 ist zutreffend ergangen. Dem Kläger steht aufgrund des Vorfalles vom 17.05.2004 keine Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) zu.

Nach § 1 Abs.1 Satz 1 OEG erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes (oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug) infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat.

Aufgrund der beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft M. steht fest, dass die Unfallgegnerin W. K. bzw. die weiteren Zeuginnen I. R. , E. H. und M. A. sich allenfalls einer fahrlässigen Körperverletzung schuldig gemacht haben, wenn sie den Kläger am Entfernen vom Unfallort haben hindern wollen und sich dieser hierbei entsprechend der Bestätigung von Prof.Dr.med.B. vom 09.02.2005 eine Kapsel-Band-Distorsion des rechten Sprunggelenks mit Supinationstrauma zugezogen hat.

Für ein "brutales Zusammenschlagen" durch zwei männliche Personen ergeben die Akten der Strafverfolgungsbehörden keinerlei Hinweis. Insoweit ist die Zeugenaussage von E. H. vom 26.05.2004 vollständig dürftig: Sie kann keine Anmerkungen machen, da sie den Hergang des Unfalles nicht gesehen hat.

M. A. hat als Zeugin am 03.05.2004 vorgetragen: Mann fuhr mit Fahrrad die Dame an. Diese fiel bzw. stürzte. Der Verursacher versuchte sofort weiter zu fahren, wurde aufgehalten. Ich habe ihn aufgefordert, mir seine Personalien zu geben; er versprach, mir diese auf dem Bürgersteig zu geben. Auf dem Weg dort hin begann er den zweiten Fluchtversuch. Diese Flucht zog sich über 50 m hin, bis er von Passanten aufgehalten bzw. festgehalten wurde.

I. R. hat mit ebenfalls schriftlicher (aktenkundiger) Zeugenaussage vom 08.06.2006 folgendes vorgetragen: ... Wir sollten von der Straße gehen, um nicht alle aufzuhalten, er werde seine Daten angeben. Dabei nutzte er erneut die Gelegenheit zu fliehen. Ich lief ca. 10 m nach, konnte ihn aber nicht mehr erwischen; eine andere Frau, die durch mein Rufen aufmerksam wurde, lief auch noch ein Stück nach und rief andere Passanten. Darauf stellten sich zwei Männer in die Quere. Der Radfahrer schob zu diesem Zeitpunkt das Rad und lief schnell; von meiner Sicht ca. 100 m stolperte er dabei und stürzte.

Angesichts der vorstehend auszugsweise zitierten Aussagen von drei Zeuginnen ist es gemäß §§ 103 und 106 SGG nicht mehr erforderlich gewesen, diese nochmals vor dem Bayer. Landessozialgericht einzuvernehmen. Denn aus dem gesamten Akteninhalt ergibt sich entgegen dem Vorbringen des Klägers kein "brutales Zusammenschlagen" durch zwei weitere unbekannte männliche Täter. Vielmehr ist der Kläger im Rahmen des Gesamtgeschehens zu Fall gekommen und hat hierbei eine Kapsel-Band-Distorsion des rechten Sprunggelenkes mit Supinationstrauma erlitten. Insoweit liegt den übrigen Beteiligten jedoch allenfalls ein fahrlässiges Verhalten zur Last.

Auch die ergänzend beigezogenen Schwerbehinderten-Akten des Beklagten enthalten keinen Hinweis auf das vom Kläger vorgetragene "brutale Zusammenschlagen" anläßlich des Vorfalles vom 17.05.2004. - Der Kläger ist schwerbehindert im Sinne von § 2 Abs.2 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX). Mit zuletzt maßgeblichem Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 03.04.2003 ist der Grad der Behinderung (GdB) wie bisher mit 70 bewertet worden. Berücksichtigt worden sind eine seelische Krankheit (Einzel-GdB 50), ein rezidivierendes HWS-Syndrom mit chronischen Kopfschmerzen (Einzel-GdB 20) und eine Funktionsstörung durch Fußfehlform beidseits samt chronischer venöser Insuffizienz (Einzel-GdB 30), vgl. Stellungnahmen des Versorgungsärztlichen Dienstes nach dem Schwerbehindertengesetz (nunmehr: SGB IX) vom 24.04.2002 und 28.03.2003. - Hinsichtlich des Vorfalles vom 17.05.2004 und des sich anschließenden Zeitraums enthalten die Schwerbehinderten-Akten des Beklagten keinerlei medizinische Unterlagen.

Nach alledem ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.09.2005 zurückzuweisen gewesen. Er hat keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung gemäß § 1 Abs.1 OEG.

Unabhängig davon, dass eine Anspruchsgrundlage für Einmalzahlungen (hier: 500,00 EUR) gesetzlich nicht vorgesehen ist, stehen dem Kläger auch Rentenleistungen offensichtlich nicht zu. In der mündlichen Verhandlung vom 01.08.2006 hat der Kläger unter Beweis gestellt, dass er relativ gut gehen kann. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 25 v.H. im Sinne von § 30 Abs.1 BVG ist aufgrund des richterlichen Augenscheines zweifelsfrei nicht gegeben.

Die Bewilligung einer Rehabilitationsmaßnahme (Kur) kann mangels Anspruchs auf Beschädigtenversorgung im Sinne von § 1 Abs.1 OEG nicht erfolgen.

Soweit sich der Kläger auf das am 18.08.2006 in Kraft tretende "Antidiskriminierungsgesetz" (gemeint: Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz vom 14. August 2006, BGBl.I S.1897-1910) beruft, enthält auch dieses keine für den Kläger günstigen Gesichtspunkte, die für den hier anhänigen Rechtsstreit von Bedeutung sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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