Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 VG 2/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VG 16/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 31.05.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger ist Rechtsnachfolger nach seiner Mutter Frau K. L. , geboren 1917, verstorben am 29.11.2005.
Zwischen den Beteiligten sind Pflegeleistungen gemäß §§ 1 ff. des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) i.V.m. § 35 Abs.1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) streitig. Frau K. L. ist am 20.04.2000 in G. Opfer eines Raubüberfalles geworden: Der Täter G. D. hat die Geschädigte zu Fall gebracht und ihr dabei die Handtasche mit ca. 300,00 DM Bargeld entrissen. Der Täter ist entsprechend dem Urteil des Landgerichts M. vom 31.10.2000 - 1 KLs 34 Js 15927/00 wegen Schuldunfähigkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden. Die Geschädigte Frau K. L. ist mit einem Oberschenkelhalsbruch stationär im Klinikum G. aufgenommen worden.
Das Amt für Versorgung und Familienförderung M. hat mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25.04.2001 als Folge einer Schädigung nach dem OEG mit Wirkung ab 20.04.2000 anerkannt: "Funktionsbehinderung des linken Hüft- und Kniegelenkes nach operativ versorgtem Oberschenkelhalsbruch, Beckenringfraktur" im Sinne der Entstehung. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ist gemäß § 30 Abs.1 BVG mit 40 v.H. bewertet worden. Die Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit im Sinne von § 30 Abs.2 BVG ist bei der hochbetagten Beschädigten abgelehnt worden. - Darüberhinaus hat der Beklagte eine Pflegezulage nach § 35 Abs.1 BVG ausdrücklich abgelehnt: Wenn auch eine gewisse Hilflosigkeit auf Grund der bereits seit 1998 bestehenden Gehbehinderung vorliege, so könne diese nicht auf die Schädigung vom 20.04.2000 zurückgeführt werden; auch handele es sich hierbei nicht um eine Hilflosigkeit im Sinne des § 35 Abs.1 BVG.
Auf Grund des Antrages vom 07.05.2000 hat der Beklagte mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung vom 22.08.2000 nach dem Schwerbehindertengesetz (nunmehr: SGB IX) den Grad der Behinderung (GdB) von zuvor 80 mit Wirkung ab 10.05.2000 auf 90 angehoben und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "B", "G" und "aG" festgestellt. Hierbei hat der Beklagte (unabhängig von der Ursache) folgende Funktionsstörungen berücksichtigt: 1. Funktionsbehinderung des Hüftgelenkes links, entzündlich-rheumatische Erkrankung der Gelenke, Polyneuropathie (Einzel-GdB 80). 2. Zuckerkrankheit (mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbar) (Einzel-GdB 20). 3. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 20). 4. Gleichgewichtsstörungen (Einzel-GdB 20). 5. Funktionsbehinderung des Handgelenkes links (Einzel-GdB 10).
Mit Änderungs-Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 09.05.2001 ist der GdB von Amts wegen mit Wirkung ab 20.04.2000 auf 100 angehoben worden. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "B", "G" und "aG" sind weiterhin festgestellt worden. Entsprechend der versorgungsärztlichen Begutachtung vom 19.04.2001 sind (wiederum unabhängig von der Ursache) folgende Funktionsstörungen berücksichtigt worden: 1. Entzündlich-rheumatische Erkrankung der Gelenke, Polyneuropathie (Einzel-GdB 70). 2. Funktionsbehinderung des linken Hüft- und Kniegelenks nach versorgtem Oberschenkelhalsbruch, Beckenringfraktur (Einzel-GdB 40). 3. Zuckerkrankheit, mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbar (Einzel-GdB 20). 4. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 20). 5. Funktionsbehinderung des Ellbogengelenks links (Einzel-GdB 20). 6. Gleichgewichtsstörungen (Einzel-GdB 20). 7. Funktionsbehinderung des Handgelenks links (Einzel-GdB 10).
Mit dem vorstehend bezeichneten Änderungs-Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 09.05.2001 ist das Merkzeichen "H" (sowie die Merkzeichen "Bl" und "RF") abgelehnt worden.
Erst auf den Antrag vom 04.03.2003 ist mit dem Änderungs-Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 04.06.2003 das Merkzeichen "H" mit Wirkung ab 06.03.2003 festgestellt worden. Der zugrundeliegenden versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr.med.S. vom 24.05.2003 ist zu entnehmen, dass neu eine Herzleistungsminderung bei Herzrhythmusstörungen mit einem Einzel-GdB von 30 hinzugekommen ist.
Mit weiterem Änderungs-Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 25.11.2003 nach dem SGB IX ist festgestellt worden, dass sich die entzündlich-rheumatische Erkrankung der Gelenke (Polyneuropathie) samt nunmehr vorliegender beidseitiger arterieller Verschlusskrankheit der Beine erheblich verschlechtert hat. Der diesbezügliche Einzel-GdB ist nunmehr mit 100 angenommen worden. Dementsprechend ist das Merkzeichen "RF" mit Wirkung ab 23.10.2003 zuerkannt worden.
In dem hier streitgegenständlichen Verfahren wegen Bewilligung einer Pflegezulage gemäß § 1 OEG i.V.m. § 35 BVG hat der Kläger am 26.05.2001 form- und fristgerecht Widerspruch gegen den Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 25.04.2001 eingelegt und vorgetragen, dass vor dem Überfall seine Mutter kein Pflegefall gewesen sei. Sie sei nunmehr auf morgendliche und abendliche Pflege angewiesen. Regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen zur Sicherung der persönlichen Existenz (An- und Auskleiden, Körperpflege etc.) könne seine Mutter nicht mehr ohne fremde Hilfe bewältigen. Für Gänge außer Haus sei eine Begleitung erforderlich, in der Wohnung müsse seine Mutter einen Rollator benutzen. Auf Anraten des MDK sei eine Notrufanlage installiert worden. Neben dem Pflegedienst müsse eine Haushälterin nunmehr zweimal wöchentlich aushelfen. Die finanzielle Mehrbelastung betrage insgesamt monatlich 1.400,00 DM.
Von Seiten des Beklagten ist das Pflegegutachten des MDK vom 24.07.2001 beigezogen worden. Danach ist die Bewilligung von Pflegeleistungen nach der Pflegestufe I im Sinne von §§ 14 und 15 des Sozialgesetzbuches - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) ab Juni 2000 befürwortet worden: Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege 29 Minuten pro Tag, im Bereich der Ernährung 3 Minuten pro Tag, im Bereich der Mobilität 18 Minuten pro Tag zuzüglich eines pauschalen Hilfebedarfs im Bereich der Hauswirtschaft von mindestens 45 Minuten pro Tag.
Im Folgenden ist der Widerspruch vom 26.05.2001 gegen den Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 25.04.2001 mit Widerspruchsbescheid des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 13.12.2001 zurückgewiesen worden. Sinngemäß: Der weit überwiegende Hilfebedarf resultiere aus schädigungsunabhängigen Funktionsstörungen. Lediglich im Bereich der Mobilität benötige die Versorgungsberechtigte wegen der anerkannten Schädigungsfolgen eine gewisse Unterstützung. Diese gelegentlichen Hilfestellungen würden allerdings nicht die Bewilligung einer Pflegezulage rechtfertigen.
Die hiergegen gerichtete Klageschrift vom 10.01.2002 ist am 14.01.2002 im Sozialgericht München eingegangen. Der gerichtlich bestellte Sachverständige Prof.Dr.med.H.H. (Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik M.) hat mit chirurgischem Gutachten vom 29.09.2003 ausgeführt, dass die MdE weiterhin mit 40 v.H. einzuschätzen sei, wobei diese Einschätzung als großzügig zu bezeichnen sei. Die Beschädigte sei hilflos; diese Hilflosigkeit resultiere aber aus unfallunabhängigen Erkrankungen. Die anerkannten Schädigungsfolgen hätten diese Hilflosigkeit nicht herbeigeführt. Auf Grund der anerkannten Schädigungsfolgen wäre Frau K. L. mit einem Gehstock gehfähig, so wie sie dies vor dem angeschuldigten Ereignis auch gewesen sei. Seit Februar 2002 erhalte die Versorgungsberechtigte von Seiten der Pflegekasse bei der AOK G. Leistungen nach der Pflegestufe II.
Die nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) benannte und beauftragte Gutachterin P. Z. hat mit Gutachten nach Aktenlage vom 28.10.2004 (Eingangsdatum) ausgeführt, dass die anerkannten Schädigungsfolgen "Funktionsbehinderung des linken Hüft- und Kniegelenkes nach operativ versorgtem Oberschenkelbruch sowie Beckenringfraktur" mit einer MdE von 40 v.H. zutreffend bewertet worden seien. Die bestehende Hilflosigkeit sei hierdurch nicht hervorgerufen worden. Die bereits vorhandenen Grunderkrankungen hätten schon zu einer eingeschränkten Gehfähigkeit geführt.
Trotz der Einwände der Bevollmächtigten der Klägerin bzw. des nunmehrigen Klägers vor allem mit ergänzender Klagebegründung vom 28.01.2005 hat das Sozialgericht München mit Urteil vom 31.05.2005 - S 30 VG 2/02 die Klage gegen den Bescheid vom 15.04.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2001 abgewiesen. Sinngemäß: Alle am Verfahren beteiligten Gutachter hätten übereinstimmend bestätigt, dass die Geschädigte hilflos sei; die Hilflosigkeit sei jedoch nicht ursächlich auf die Folgen des Raubüberfalles vom 20.04.2000 zurückzuführen.
Die Berufung vom 14.07.2005 ging am selben Tag im Sozialgericht München ein und wurde von dort aus an das Bayerische Landessozialgericht weitergeleitet. Zur Begründung hoben die Bevollmächtigten der Geschädigten mit Schriftsatz vom 13.11.2005 hervor, dass zum Zeitpunkt der Gewalttat gerade noch keine außergewöhnliche Gehbehinderung vorgelegen habe. Eine außergewöhnliche Gehbehinderung sei durch das Amt für Versorgung und Familienförderung M. erst ab dem Zeitpunkt des Unfalles anerkannt worden. Ebenso verhalte es sich bei der Feststellung der Pflegestufe I. Auch habe die Geschädigte bis zum 20.04.2000 ihren Haushalt selbständig versorgen können. Die vorbestehenden Grunderkrankungen hätten sicherlich auch zu einer Beeinträchtigung der Gehfähigkeit geführt. Dies berechtige jedoch nicht zu dem Schluss, eine Hilflosigkeit im Sinne des BVG habe bereits vor dem vorsätzlich rechtswidrigen Überfall auf die Geschädigte vorgelegen.
Die Geschädigte ist am 29.11.2005 verstorben. Ausweislich der Nachricht des Amtsgerichts G. vom 19.12. 2005 ist der Sohn Herr G. L. Alleinerbe.
Das BayLSG hat die Beteiligten mit Nachricht vom 03.05.2006 informiert, dass der Rechtsstreit entscheidungsreif erscheine. Termin zur mündlichen Verhandlung ist auf den 12.09.2006 bestimmt worden. Für den nunmehrigen Kläger ist niemand erschienen.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben bereits mit Berufungsbegründung vom 13.10.2005 beantragt: 1. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 31.05.2005 - S 30 VG 2/02 wird aufgehoben. 2. Der Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 25.04.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2001 aufzuheben und Versorgungsleistungen nach dem OEG wegen Hilflosigkeit im Sinne von § 35 Abs.1 BVG zuzuerkennen. 3. Der Beklagte wird verurteilt, die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Unterlagen des Beklagten nach dem OEG und dem SGB IX Bezug genommen, ebenso auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht München hat die Klage mit Urteil vom 31.05.2005 - S 30 VG 2/02 - zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 25.04.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 13.12.2001 ist zutreffend ergangen. Dem Kläger steht als Rechtsnachfolger nach seiner am 29.11.2005 verstorbenen Mutter Frau K. L. auf Grund der Gewalttat vom 20.04.2000 keine Pflegezulage im Sinne von § 1 des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) i.V.m. § 35 Abs.1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zu.
Für die Gewährung einer Pflegzulage im sozialen Entschädigungsrecht gemäß § 35 Abs.1 BVG ist Grundvoraussetzung, dass der/die Geschädigte (infolge der Schädigung) "hilflos" ist. Derselbe Begriff findet sich im Schwerbehindertenrecht (§ 145 Abs.1 SGB IX) und im Einkommensteuergesetz (§§ 33a und 33b EStG). Die Grundvoraussetzungen für die Annahme von Hilflosigkeit sind in den genannten Rechtsgebieten identisch. Der Begriff der Hilflosigkeit ist vor allem zu trennen von dem Begriff der Pflegebedürftigkeit nach §§ 14 und 15 SGB XI (vgl. Rz.21 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht - Teil 2 SGB IX - 2005).
Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss gemäß § 15 Abs.3 Nrn.1 und 2 SGB XI wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen. Er muss in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen.
Zur Grundpflege zählen gemäß § 14 Abs.4 Nrn.1 bis 3 SGB XI: 1. Im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung, 2. im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung, 3. im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (zu lebensnotwendigen Verrichtungen).
Im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung wird gemäß § 14 Abs.4 Nr.4 SGB XI das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen berücksichtigt.
Insoweit sind der Geschädigten ab dem 13.06.2000 Leistungen nach der Pflegestufe I und seit Februar 2002 Leistungen nach der Pflegestufe II gemäß §§ 14 und 15 SGB XI bewilligt worden.
Als hilflos im Sinne von § 145 Abs.1 SGB IX und §§ 33a und 33b EStG ist dagegen derjenige anzusehen, der infolge von Gesundheitsstörungen nicht nur vorübergehend für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung seiner persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist. Häufig und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen zur Sicherung der persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages sind insbesondere An- und Auskleiden, Nahrungsaufnahme, Körperpflege, Verrichten der Notdurft. Außerdem sind notwendige körperliche Bewegung, geistige Anregung und Möglichkeiten zur Kommunikation zu berücksichtigen. Hilflosigkeit liegt auch dann vor, wenn ein psychisch oder geistig behinderter Mensch zwar bei zahlreichen Verrichtungen des täglichen Lebens keiner Handreichungen bedarf, er diese Verrichtungen aber infolge einer Antriebschwäche ohne ständige Bewachung nicht vornimmt. Die ständige Bereitschaft ist zum Beispiel dann anzunehmen, wenn Hilfe häufig und plötzlich wegen akuter Lebensgefahr notwendig ist. Der Umfang der notwendigen Hilfe bei den häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen muss erheblich sein. Dies ist dann der Fall, wenn die Hilfe dauernd für zahlreiche Verrichtungen, die häufig und regelmäßig wiederkehren, benötigt wird. Einzelne Verrichtungen, selbst wenn sie lebensnotwendig sind und im täglichen Lebensablauf wiederholt vorgenommen werden, genügen nicht (z.B. Hilfe beim Anziehen einzelner Bekleidungsstücke, notwendige Begleitung bei Reisen und Spaziergängen, Hilfe im Straßenverkehr, einfache Wund- oder Heilbehandlung, Hilfe bei Heimdialyse ohne Notwendigkeit weiterer Hilfeleistung). Verrichtungen, die mit der Pflege der Person nicht unmittelbar zusammenhängen (z.B. im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung) müssen außer Betracht bleiben (Rz.21 Abs.2 bis 4 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht - Teil 2 SGB IX - 2005).
Eine Hilflosigkeit im Sinne von § 145 Abs.1 SGB IX sowie § 33b EStG hat aktenkundig erst ab dem 06.03.2003 vorgelegen.
Für die Gewährung einer Pflegezulage im Sozialen Entschädigungsrecht (hier: § 1 Abs.1 OEG i.V.m. § 35 Abs.1 BVG) ist darüber hinaus Voraussetzung, dass der/die Beschädigte infolge der Schädigung hilflos ist. Die Schädigung (hier: die Gewalttat vom 20.04.2000) muss somit die wesentliche (Mit-)Ursache für den Eintritt der Hilflosigkeit darstellen. Letzteres ist hier ausweislich der erstinstanzlich eingeholten Gutachten von Prof. Dr.med.H. H. vom 29.09.2003 und P. Z. vom 28.10.2004 (Eingangsdatum) nicht der Fall. Beide Gutachter haben im Ergebnis übereinstimmend bestätigt, dass der Beklagte die Folgen der Schädigung nach dem OEG "Funktionsbehinderung des linken Hüft- und Kniegelenkes nach operativ versorgtem Oberschenkelhalsbruch, Beckenringfraktur" mit einer MdE um 40 v.H. wohlwollend bzw. zutreffend bewertet hat. Gegenüber den weiteren Funktionsstörungen, wie sie sich vor allem auch aus der beigezogenen Schwerbehinderten-Akte ergeben, sind die Folgen der Gewalttat von untergeordneter Bedeutung gewesen. Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang, dass zeitlich zusammentreffend ab dem 20.04.2000 das Merkzeichen "aG" festgestellt worden ist bzw. nach Entlassung aus der Krankenhausbehandlung mit Wirkung ab dem 13.06.2000 Leistungen nach der Pflegestufe I und seit Februar 2002 Leistungen nach der Pflegestufe II gemäß §§ 14 und 15 SGB XI eingewiesen worden sind.
Der stetig zunehmende Pflegebedarf korrespondiert vielmehr mit der aktenkundigen Gesamt-Leidensverschlimmerung, wie sie sich aus den Schwerbehinderten-Akten des Beklagten ergibt: - Änderungs-Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 09.05.2000: GdB 100 mit Wirkung ab 20.04.2000 unter gleichzeitiger Zuerkennung der Merkzeichen "B", "G" und "aG". - Änderungs-Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 04.06.2003 unter gleichzeitiger Feststellung des Merkzeichens "H" mit Wirkung ab 06.03.2003. - Änderungs-Bescheid des Amts für Versorgung und Familienförderung M. vom 25.11.2003 unter gleichzeitiger Feststellung des Merkzeichens "RF" mit Wirkung ab 23.10.2003.
Maßgebliche Gründe hierfür sind vor allem das Hinzutreten einer Herzleistungsminderung mit Herzrhythmusstörungen mit einem Einzel-GdB von 30 mit Wirkung ab 06.03.2003 gewesen. Entsprechendes gilt für das Hinzutreten einer arteriellen Verschlusskrankheit beider Beine samt Anhebung des Einzel-GdB für das Hauptleiden "entzündlich-rheumatische Erkrankung der Gelenke" mit einem Einzel-GdB von zuvor 70 auf nunmehr 100.
Zusammenfassend: eine Hilflosigkeit im Sinne von § 1 OEG i.V.m. § 35 Abs.1 BVG ist zu verneinen, weil die Folgen der Gewalttat "Funktionsbehinderung des linken Hüft- und Kniegelenkes nach operativ versorgtem Oberschenkelhalsbruch, Beckenringfraktur" mit einer MdE um 40 v.H. in Berücksichtigung der erheblichen schädigungsfremden Gesundheitsstörungen von untergeordneter Bedeutung gewesen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger ist Rechtsnachfolger nach seiner Mutter Frau K. L. , geboren 1917, verstorben am 29.11.2005.
Zwischen den Beteiligten sind Pflegeleistungen gemäß §§ 1 ff. des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) i.V.m. § 35 Abs.1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) streitig. Frau K. L. ist am 20.04.2000 in G. Opfer eines Raubüberfalles geworden: Der Täter G. D. hat die Geschädigte zu Fall gebracht und ihr dabei die Handtasche mit ca. 300,00 DM Bargeld entrissen. Der Täter ist entsprechend dem Urteil des Landgerichts M. vom 31.10.2000 - 1 KLs 34 Js 15927/00 wegen Schuldunfähigkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden. Die Geschädigte Frau K. L. ist mit einem Oberschenkelhalsbruch stationär im Klinikum G. aufgenommen worden.
Das Amt für Versorgung und Familienförderung M. hat mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25.04.2001 als Folge einer Schädigung nach dem OEG mit Wirkung ab 20.04.2000 anerkannt: "Funktionsbehinderung des linken Hüft- und Kniegelenkes nach operativ versorgtem Oberschenkelhalsbruch, Beckenringfraktur" im Sinne der Entstehung. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ist gemäß § 30 Abs.1 BVG mit 40 v.H. bewertet worden. Die Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit im Sinne von § 30 Abs.2 BVG ist bei der hochbetagten Beschädigten abgelehnt worden. - Darüberhinaus hat der Beklagte eine Pflegezulage nach § 35 Abs.1 BVG ausdrücklich abgelehnt: Wenn auch eine gewisse Hilflosigkeit auf Grund der bereits seit 1998 bestehenden Gehbehinderung vorliege, so könne diese nicht auf die Schädigung vom 20.04.2000 zurückgeführt werden; auch handele es sich hierbei nicht um eine Hilflosigkeit im Sinne des § 35 Abs.1 BVG.
Auf Grund des Antrages vom 07.05.2000 hat der Beklagte mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung vom 22.08.2000 nach dem Schwerbehindertengesetz (nunmehr: SGB IX) den Grad der Behinderung (GdB) von zuvor 80 mit Wirkung ab 10.05.2000 auf 90 angehoben und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "B", "G" und "aG" festgestellt. Hierbei hat der Beklagte (unabhängig von der Ursache) folgende Funktionsstörungen berücksichtigt: 1. Funktionsbehinderung des Hüftgelenkes links, entzündlich-rheumatische Erkrankung der Gelenke, Polyneuropathie (Einzel-GdB 80). 2. Zuckerkrankheit (mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbar) (Einzel-GdB 20). 3. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 20). 4. Gleichgewichtsstörungen (Einzel-GdB 20). 5. Funktionsbehinderung des Handgelenkes links (Einzel-GdB 10).
Mit Änderungs-Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 09.05.2001 ist der GdB von Amts wegen mit Wirkung ab 20.04.2000 auf 100 angehoben worden. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "B", "G" und "aG" sind weiterhin festgestellt worden. Entsprechend der versorgungsärztlichen Begutachtung vom 19.04.2001 sind (wiederum unabhängig von der Ursache) folgende Funktionsstörungen berücksichtigt worden: 1. Entzündlich-rheumatische Erkrankung der Gelenke, Polyneuropathie (Einzel-GdB 70). 2. Funktionsbehinderung des linken Hüft- und Kniegelenks nach versorgtem Oberschenkelhalsbruch, Beckenringfraktur (Einzel-GdB 40). 3. Zuckerkrankheit, mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbar (Einzel-GdB 20). 4. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 20). 5. Funktionsbehinderung des Ellbogengelenks links (Einzel-GdB 20). 6. Gleichgewichtsstörungen (Einzel-GdB 20). 7. Funktionsbehinderung des Handgelenks links (Einzel-GdB 10).
Mit dem vorstehend bezeichneten Änderungs-Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 09.05.2001 ist das Merkzeichen "H" (sowie die Merkzeichen "Bl" und "RF") abgelehnt worden.
Erst auf den Antrag vom 04.03.2003 ist mit dem Änderungs-Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 04.06.2003 das Merkzeichen "H" mit Wirkung ab 06.03.2003 festgestellt worden. Der zugrundeliegenden versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr.med.S. vom 24.05.2003 ist zu entnehmen, dass neu eine Herzleistungsminderung bei Herzrhythmusstörungen mit einem Einzel-GdB von 30 hinzugekommen ist.
Mit weiterem Änderungs-Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 25.11.2003 nach dem SGB IX ist festgestellt worden, dass sich die entzündlich-rheumatische Erkrankung der Gelenke (Polyneuropathie) samt nunmehr vorliegender beidseitiger arterieller Verschlusskrankheit der Beine erheblich verschlechtert hat. Der diesbezügliche Einzel-GdB ist nunmehr mit 100 angenommen worden. Dementsprechend ist das Merkzeichen "RF" mit Wirkung ab 23.10.2003 zuerkannt worden.
In dem hier streitgegenständlichen Verfahren wegen Bewilligung einer Pflegezulage gemäß § 1 OEG i.V.m. § 35 BVG hat der Kläger am 26.05.2001 form- und fristgerecht Widerspruch gegen den Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 25.04.2001 eingelegt und vorgetragen, dass vor dem Überfall seine Mutter kein Pflegefall gewesen sei. Sie sei nunmehr auf morgendliche und abendliche Pflege angewiesen. Regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen zur Sicherung der persönlichen Existenz (An- und Auskleiden, Körperpflege etc.) könne seine Mutter nicht mehr ohne fremde Hilfe bewältigen. Für Gänge außer Haus sei eine Begleitung erforderlich, in der Wohnung müsse seine Mutter einen Rollator benutzen. Auf Anraten des MDK sei eine Notrufanlage installiert worden. Neben dem Pflegedienst müsse eine Haushälterin nunmehr zweimal wöchentlich aushelfen. Die finanzielle Mehrbelastung betrage insgesamt monatlich 1.400,00 DM.
Von Seiten des Beklagten ist das Pflegegutachten des MDK vom 24.07.2001 beigezogen worden. Danach ist die Bewilligung von Pflegeleistungen nach der Pflegestufe I im Sinne von §§ 14 und 15 des Sozialgesetzbuches - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) ab Juni 2000 befürwortet worden: Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege 29 Minuten pro Tag, im Bereich der Ernährung 3 Minuten pro Tag, im Bereich der Mobilität 18 Minuten pro Tag zuzüglich eines pauschalen Hilfebedarfs im Bereich der Hauswirtschaft von mindestens 45 Minuten pro Tag.
Im Folgenden ist der Widerspruch vom 26.05.2001 gegen den Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 25.04.2001 mit Widerspruchsbescheid des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 13.12.2001 zurückgewiesen worden. Sinngemäß: Der weit überwiegende Hilfebedarf resultiere aus schädigungsunabhängigen Funktionsstörungen. Lediglich im Bereich der Mobilität benötige die Versorgungsberechtigte wegen der anerkannten Schädigungsfolgen eine gewisse Unterstützung. Diese gelegentlichen Hilfestellungen würden allerdings nicht die Bewilligung einer Pflegezulage rechtfertigen.
Die hiergegen gerichtete Klageschrift vom 10.01.2002 ist am 14.01.2002 im Sozialgericht München eingegangen. Der gerichtlich bestellte Sachverständige Prof.Dr.med.H.H. (Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik M.) hat mit chirurgischem Gutachten vom 29.09.2003 ausgeführt, dass die MdE weiterhin mit 40 v.H. einzuschätzen sei, wobei diese Einschätzung als großzügig zu bezeichnen sei. Die Beschädigte sei hilflos; diese Hilflosigkeit resultiere aber aus unfallunabhängigen Erkrankungen. Die anerkannten Schädigungsfolgen hätten diese Hilflosigkeit nicht herbeigeführt. Auf Grund der anerkannten Schädigungsfolgen wäre Frau K. L. mit einem Gehstock gehfähig, so wie sie dies vor dem angeschuldigten Ereignis auch gewesen sei. Seit Februar 2002 erhalte die Versorgungsberechtigte von Seiten der Pflegekasse bei der AOK G. Leistungen nach der Pflegestufe II.
Die nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) benannte und beauftragte Gutachterin P. Z. hat mit Gutachten nach Aktenlage vom 28.10.2004 (Eingangsdatum) ausgeführt, dass die anerkannten Schädigungsfolgen "Funktionsbehinderung des linken Hüft- und Kniegelenkes nach operativ versorgtem Oberschenkelbruch sowie Beckenringfraktur" mit einer MdE von 40 v.H. zutreffend bewertet worden seien. Die bestehende Hilflosigkeit sei hierdurch nicht hervorgerufen worden. Die bereits vorhandenen Grunderkrankungen hätten schon zu einer eingeschränkten Gehfähigkeit geführt.
Trotz der Einwände der Bevollmächtigten der Klägerin bzw. des nunmehrigen Klägers vor allem mit ergänzender Klagebegründung vom 28.01.2005 hat das Sozialgericht München mit Urteil vom 31.05.2005 - S 30 VG 2/02 die Klage gegen den Bescheid vom 15.04.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2001 abgewiesen. Sinngemäß: Alle am Verfahren beteiligten Gutachter hätten übereinstimmend bestätigt, dass die Geschädigte hilflos sei; die Hilflosigkeit sei jedoch nicht ursächlich auf die Folgen des Raubüberfalles vom 20.04.2000 zurückzuführen.
Die Berufung vom 14.07.2005 ging am selben Tag im Sozialgericht München ein und wurde von dort aus an das Bayerische Landessozialgericht weitergeleitet. Zur Begründung hoben die Bevollmächtigten der Geschädigten mit Schriftsatz vom 13.11.2005 hervor, dass zum Zeitpunkt der Gewalttat gerade noch keine außergewöhnliche Gehbehinderung vorgelegen habe. Eine außergewöhnliche Gehbehinderung sei durch das Amt für Versorgung und Familienförderung M. erst ab dem Zeitpunkt des Unfalles anerkannt worden. Ebenso verhalte es sich bei der Feststellung der Pflegestufe I. Auch habe die Geschädigte bis zum 20.04.2000 ihren Haushalt selbständig versorgen können. Die vorbestehenden Grunderkrankungen hätten sicherlich auch zu einer Beeinträchtigung der Gehfähigkeit geführt. Dies berechtige jedoch nicht zu dem Schluss, eine Hilflosigkeit im Sinne des BVG habe bereits vor dem vorsätzlich rechtswidrigen Überfall auf die Geschädigte vorgelegen.
Die Geschädigte ist am 29.11.2005 verstorben. Ausweislich der Nachricht des Amtsgerichts G. vom 19.12. 2005 ist der Sohn Herr G. L. Alleinerbe.
Das BayLSG hat die Beteiligten mit Nachricht vom 03.05.2006 informiert, dass der Rechtsstreit entscheidungsreif erscheine. Termin zur mündlichen Verhandlung ist auf den 12.09.2006 bestimmt worden. Für den nunmehrigen Kläger ist niemand erschienen.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben bereits mit Berufungsbegründung vom 13.10.2005 beantragt: 1. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 31.05.2005 - S 30 VG 2/02 wird aufgehoben. 2. Der Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 25.04.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2001 aufzuheben und Versorgungsleistungen nach dem OEG wegen Hilflosigkeit im Sinne von § 35 Abs.1 BVG zuzuerkennen. 3. Der Beklagte wird verurteilt, die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Unterlagen des Beklagten nach dem OEG und dem SGB IX Bezug genommen, ebenso auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht München hat die Klage mit Urteil vom 31.05.2005 - S 30 VG 2/02 - zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 25.04.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 13.12.2001 ist zutreffend ergangen. Dem Kläger steht als Rechtsnachfolger nach seiner am 29.11.2005 verstorbenen Mutter Frau K. L. auf Grund der Gewalttat vom 20.04.2000 keine Pflegezulage im Sinne von § 1 des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) i.V.m. § 35 Abs.1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zu.
Für die Gewährung einer Pflegzulage im sozialen Entschädigungsrecht gemäß § 35 Abs.1 BVG ist Grundvoraussetzung, dass der/die Geschädigte (infolge der Schädigung) "hilflos" ist. Derselbe Begriff findet sich im Schwerbehindertenrecht (§ 145 Abs.1 SGB IX) und im Einkommensteuergesetz (§§ 33a und 33b EStG). Die Grundvoraussetzungen für die Annahme von Hilflosigkeit sind in den genannten Rechtsgebieten identisch. Der Begriff der Hilflosigkeit ist vor allem zu trennen von dem Begriff der Pflegebedürftigkeit nach §§ 14 und 15 SGB XI (vgl. Rz.21 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht - Teil 2 SGB IX - 2005).
Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss gemäß § 15 Abs.3 Nrn.1 und 2 SGB XI wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen. Er muss in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen.
Zur Grundpflege zählen gemäß § 14 Abs.4 Nrn.1 bis 3 SGB XI: 1. Im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung, 2. im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung, 3. im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (zu lebensnotwendigen Verrichtungen).
Im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung wird gemäß § 14 Abs.4 Nr.4 SGB XI das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen berücksichtigt.
Insoweit sind der Geschädigten ab dem 13.06.2000 Leistungen nach der Pflegestufe I und seit Februar 2002 Leistungen nach der Pflegestufe II gemäß §§ 14 und 15 SGB XI bewilligt worden.
Als hilflos im Sinne von § 145 Abs.1 SGB IX und §§ 33a und 33b EStG ist dagegen derjenige anzusehen, der infolge von Gesundheitsstörungen nicht nur vorübergehend für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung seiner persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist. Häufig und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen zur Sicherung der persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages sind insbesondere An- und Auskleiden, Nahrungsaufnahme, Körperpflege, Verrichten der Notdurft. Außerdem sind notwendige körperliche Bewegung, geistige Anregung und Möglichkeiten zur Kommunikation zu berücksichtigen. Hilflosigkeit liegt auch dann vor, wenn ein psychisch oder geistig behinderter Mensch zwar bei zahlreichen Verrichtungen des täglichen Lebens keiner Handreichungen bedarf, er diese Verrichtungen aber infolge einer Antriebschwäche ohne ständige Bewachung nicht vornimmt. Die ständige Bereitschaft ist zum Beispiel dann anzunehmen, wenn Hilfe häufig und plötzlich wegen akuter Lebensgefahr notwendig ist. Der Umfang der notwendigen Hilfe bei den häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen muss erheblich sein. Dies ist dann der Fall, wenn die Hilfe dauernd für zahlreiche Verrichtungen, die häufig und regelmäßig wiederkehren, benötigt wird. Einzelne Verrichtungen, selbst wenn sie lebensnotwendig sind und im täglichen Lebensablauf wiederholt vorgenommen werden, genügen nicht (z.B. Hilfe beim Anziehen einzelner Bekleidungsstücke, notwendige Begleitung bei Reisen und Spaziergängen, Hilfe im Straßenverkehr, einfache Wund- oder Heilbehandlung, Hilfe bei Heimdialyse ohne Notwendigkeit weiterer Hilfeleistung). Verrichtungen, die mit der Pflege der Person nicht unmittelbar zusammenhängen (z.B. im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung) müssen außer Betracht bleiben (Rz.21 Abs.2 bis 4 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht - Teil 2 SGB IX - 2005).
Eine Hilflosigkeit im Sinne von § 145 Abs.1 SGB IX sowie § 33b EStG hat aktenkundig erst ab dem 06.03.2003 vorgelegen.
Für die Gewährung einer Pflegezulage im Sozialen Entschädigungsrecht (hier: § 1 Abs.1 OEG i.V.m. § 35 Abs.1 BVG) ist darüber hinaus Voraussetzung, dass der/die Beschädigte infolge der Schädigung hilflos ist. Die Schädigung (hier: die Gewalttat vom 20.04.2000) muss somit die wesentliche (Mit-)Ursache für den Eintritt der Hilflosigkeit darstellen. Letzteres ist hier ausweislich der erstinstanzlich eingeholten Gutachten von Prof. Dr.med.H. H. vom 29.09.2003 und P. Z. vom 28.10.2004 (Eingangsdatum) nicht der Fall. Beide Gutachter haben im Ergebnis übereinstimmend bestätigt, dass der Beklagte die Folgen der Schädigung nach dem OEG "Funktionsbehinderung des linken Hüft- und Kniegelenkes nach operativ versorgtem Oberschenkelhalsbruch, Beckenringfraktur" mit einer MdE um 40 v.H. wohlwollend bzw. zutreffend bewertet hat. Gegenüber den weiteren Funktionsstörungen, wie sie sich vor allem auch aus der beigezogenen Schwerbehinderten-Akte ergeben, sind die Folgen der Gewalttat von untergeordneter Bedeutung gewesen. Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang, dass zeitlich zusammentreffend ab dem 20.04.2000 das Merkzeichen "aG" festgestellt worden ist bzw. nach Entlassung aus der Krankenhausbehandlung mit Wirkung ab dem 13.06.2000 Leistungen nach der Pflegestufe I und seit Februar 2002 Leistungen nach der Pflegestufe II gemäß §§ 14 und 15 SGB XI eingewiesen worden sind.
Der stetig zunehmende Pflegebedarf korrespondiert vielmehr mit der aktenkundigen Gesamt-Leidensverschlimmerung, wie sie sich aus den Schwerbehinderten-Akten des Beklagten ergibt: - Änderungs-Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 09.05.2000: GdB 100 mit Wirkung ab 20.04.2000 unter gleichzeitiger Zuerkennung der Merkzeichen "B", "G" und "aG". - Änderungs-Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 04.06.2003 unter gleichzeitiger Feststellung des Merkzeichens "H" mit Wirkung ab 06.03.2003. - Änderungs-Bescheid des Amts für Versorgung und Familienförderung M. vom 25.11.2003 unter gleichzeitiger Feststellung des Merkzeichens "RF" mit Wirkung ab 23.10.2003.
Maßgebliche Gründe hierfür sind vor allem das Hinzutreten einer Herzleistungsminderung mit Herzrhythmusstörungen mit einem Einzel-GdB von 30 mit Wirkung ab 06.03.2003 gewesen. Entsprechendes gilt für das Hinzutreten einer arteriellen Verschlusskrankheit beider Beine samt Anhebung des Einzel-GdB für das Hauptleiden "entzündlich-rheumatische Erkrankung der Gelenke" mit einem Einzel-GdB von zuvor 70 auf nunmehr 100.
Zusammenfassend: eine Hilflosigkeit im Sinne von § 1 OEG i.V.m. § 35 Abs.1 BVG ist zu verneinen, weil die Folgen der Gewalttat "Funktionsbehinderung des linken Hüft- und Kniegelenkes nach operativ versorgtem Oberschenkelhalsbruch, Beckenringfraktur" mit einer MdE um 40 v.H. in Berücksichtigung der erheblichen schädigungsfremden Gesundheitsstörungen von untergeordneter Bedeutung gewesen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
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