L 11 B 355/06 SO ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 42 SO 112/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 355/06 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 23.03.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach §§ 41 ff Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Der 1933 geborene Antragsteller (ASt) bezieht seit dem 01.07.2005 eine Altersrente in Höhe von 533,40 EUR.

Am 30.07.2005 beantragte er bei der Antragsgegnerin (Ag) Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Die Ag forderte ihn zur Vorlage von Unterlagen auf. Dieser Aufforderung kam der ASt mit Antwortschreiben vom 03.10.2005 nur teilweise nach.

Am 31.10.2005 wurde der ASt aus seiner damaligen Wohnung zwangsgeräumt, woraufhin die Ag Zweifel an ihrer örtlichen Zuständigkeit geltend machte.

Unter dem 30.01.2006 gab der ASt bekannt, er wohne nunmehr in der S. Str. in M. und bitte um umgehende Überweisung der Sozialhilfeleistungen. Ein ihm daraufhin mit Schreiben vom 07.03.2006 übersandtes Antragsformular reichte er nicht zurück.

Am 03.03.2006 beantragte er beim Sozialgericht München (SG) die Ag im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur vorläufigen Zahlung eines Betrages in Höhe von 3.196,44 EUR (Hilfeleistungen von Juli 2005 bis März 2006 in Höhe von monatlich 355,16 EUR) zu verpflichten.

Das SG wies mit Beschluss vom 23.03.2006 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Es fehle an dem Nachweis des aktuellen Bedarfes.

Hiergegen hat der ASt Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht erhoben, mit der er sein Antragsbegehren weiter verfolgt. Er habe sich nach der Zwangsräumung mit einer Schlafstelle in drei verschiedenen Orten begnügen müssen. Am 30.01.2006 habe er probeweise bei seinem Bruder in der S. Str., M. , unterkommen können. Am 09.05.2006 sei sein Bruder verstorben. Dessen Mietwohnung habe er - der ASt - nicht übernehmen können, da die Monatsmiete 570,00 EUR betragen habe. Er sei zwischenzeitlich wiederum wohnungslos und habe beim Sozialamt der Ag eine Sozialwohnung beantragt.

Wegen der weitern Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG).

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil es das SG zu Recht abgelehnt hat, die Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach §§ 41 ff SGB XII an den ASt zu verpflichten.

Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtsstreit § 86 b Abs 2 Satz 2 SGG dar.

Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Ast ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74, vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl. RdNr 643).

Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der Ast glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86 b RdNr 41).

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist gegebenenfalls auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Ast zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 aaO und vom 22.11.2002 aaO).

Soweit der ASt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes seinen ursprünglichen Antrag weiter verfolgt, die Ag zu verpflichten, ihm für den Zeitraum von Juli 2005 bis März 2006 Leistungen in Höhe von 3.196,44 EUR nachzuzahlen, steht ihm bereits kein Anordnungsgrund zur Seite. Leistungen der Sozialhilfe - wie der ASt sie hier geltend macht - dienen der Deckung des gegenwärtigen Bedarfes. Hinsichtlich der Leistungen für die Vergangenheit ist er zumutbarerweise auf ein etwa anhängiges Hauptsacheverfahren zu verweisen. Der ASt bedarf dieser Geldmittel nicht, um seinen gegenwärtigen Lebensunterhalt zu decken, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt.

Dasselbe gilt für den Zeitraum vom 01. April 2006 bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts.

Soweit der Antrag des ASt im Beschwerdeverfahren dahin zu verstehen ist, dass er auch künftig im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen gegen die Ag geltend macht, steht ihm kein Anordnungsanspruch zur Seite. Der ASt erhält eine Rente in Höhe von monatlich 533,40 EUR, aus der er seinen gegenwärtigen Lebensunterhalt bestreiten kann. Diese Rentenzahlung übersteigen den Regelbedarf nach dem SGB XII, so dass der ASt gehalten ist, für seinen gegenwärtigen Bedarf selbst aufzukommen.

Kosten für die Unterkunft kann der ASt derzeit schon deshalb nicht geltend machen, weil er seinen eigenen Angaben zufolge keine Unterkunft hat. Ob und inwieweit ihm die Ag eine Unterkunft in Form einer Sozialwohnung zu beschaffen hat oder auf andere Weise seiner Obdachlosigkeit zu begegnen hat, ist eine Frage des Sicherheits- und Ordnungsrechts. Einen solchen Anspruch kann der ASt im folgenden Verfahren schon deshalb nicht weiter verfolgen, weil hierfür der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist. Die "interimistische Postanschrift" in A. erweckt letztlich auch Zweifel an der örtlichen Zuständigkeit der Ag.

Die Beschwerde hat nach alledem insgesamt keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Gegen diese Entscheidung gibt es kein Rechtsmittel (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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