L 7 B 410/06 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AS 406/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 B 410/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11b AS 55/06 B
Datum
Kategorie
Beschluss
Der Antrag des Beschwerdeführers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt seiner Wahl beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beschwerdegegnerin (Bg) aufgelaufene Stromkosten des Beschwerdeführers (Bf) als Darlehen zu übernehmen hat.

Seit 01.01.2005 beziehen der 1950 geborene Bf, der mit seiner Ehefrau in Bedarfsgemeinschaft lebt, Arbeitslosengeld II (Alg II). Am 10.05.2006 beantragte er bei der Bg telefonisch die Übernahme von Stromkosten bzw. die Gewährung eines entsprechenden Darlehens, weil ihm am Nachmittag der Strom gesperrt worden sei. Der Bf hatte letztmals am 20.04.2005 eine monatliche Abschlagszahlung in Höhe von 230 EUR geleistet. Die Stromversorgung wurde am 21.06.2006 wieder eingeschaltet, nachdem der Bf zugesagt hatte, einen Betrag von 100 EUR an den Stromversorger zu zahlen. Bis zur Stromabschaltung hatten die offenen Kosten 2.254,98 EUR betragen. Am 16.05.2006 teilte der Energieversorger der Bg mit, dass er die Stromlieferung auch bei einer nur siebzigprozentigen Zahlung (d.h. 1.579 EUR) wieder aufgenommen hätte. Eine Sperrung der Stromversorgung wäre vermeidbar gewesen, wenn der Bf im Vorfeld Angebote für Teilzahlungen oder Ratenabwicklung gemacht hätte.

Am 24.05.2006 stellte der Bf beim Sozialgericht Augsburg (SG) den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Bg zu verpflichten, die Kosten für die Stromrückstände zu übernehmen. Er machte geltend, seine Ehefrau sei wegen einer Diabeteserkrankung auf gekühlte Lebensmittel bzw. gekühlte Insulin-Injektionen angewiesen. Da er dies bereits im Verwaltungsverfahren geltend gemacht hatte, ist von der Bg eine Auskunft einer Apotheke eingeholt worden. Danach muss nicht die gesamte Menge des verordneten Insulins abgeholt werden. Es bestehe die Möglichkeit, nur die jeweils benötigte Menge abzuholen. Eine Kühlung sei nur erforderlich, wenn das Insulin für längere Zeit auf Vorrat gelagert werde.

Mit Bescheid vom 18.05.2006 hatte die Bg die Übernahme der rückständigen Stromkosten mit der Begründung abgelehnt, der Bf habe, obwohl er laufend Alg II erhalten habe, die Stromkosten nicht bezahlt. Er habe lediglich am 20.04.2005 230 EUR bezahlt. Es ergebe sich die Prognose, dass auch künftig die Stromkosten nicht gezahlt würden. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 02.06.2006).

Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 30.05.2006 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es liege kein Anordnungsanspruch vor. Nach § 22 Abs. 5 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) könnten zwar Schulden übernommen werden, es müsse aber der Verlust der Unterkunft drohen oder aktuell eine vergleichbare Notlage bestehen. Der Leistungsträger habe dabei eine Ermessensentscheidung zu treffen. Die Entscheidung der Bg enthalte keine Ermessensfehler. Dem Bf drohe keine Wohnungslosigkeit, weil er zum 01.07.2006 eine andere Wohnung angemietet habe. Aus dem Gesamt-ablauf ergebe sich, dass die Stromsperre durch das eigene Ver-halten des Bf provoziert worden sei.

Der Bf hat gegen den Beschluss am 08.06.2006 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, die Ermessenserwägungen seien sehr einseitig. Gleichzeitig beantragt er, ihm für das Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

II.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, weil die Beschwerde des Bf keine hinreichenden Erfolgsaussichten hat.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) u.a. voraus, dass für die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussichten bestehen. Es bestehen aber erhebliche Zweifel, dass dem Bf ein Anspruch auf die Bewilligung eines Darlehens zur Tilgung der aufgelaufenen Stromkosten zusteht. Nach § 23 Abs. 5 SGB II (in der seit 01.04.2006 gültigen Fassung) können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht.

Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass der Bg bei der Entschei-dung, ob sie ein Darlehen bewilligt, ein Ermessen zusteht. Wie sich aus Blatt C 519 der Akte der Bg ergibt, hat sie das Für und Wider einer Darlehensbewilligung eingehend abgewogen. Als Grund für eine Bewilligung sah sie lediglich die Lebenseinschränkung und die Kühlung des Insulins an. Gegen die Darlehensgewährung sprachen nach ihrer Ansicht u.a. folgende Gründe: Monatelang keinen Strom gezahlt, keine Ratenzahlung vereinbart, keine Kleinkinder im Haushalt, Höhe der aufgelaufenen Schulden, Insulinvorrat kann in Apotheke gekühlt werden, Unterkunft ohnehin durch Räumungsklage gefährdet, Stromkosten weit überhöht, da unangemessene Unterkunft.

Die Gerichte sind bezüglich der Überprüfung von Ermessensentscheidungen eines Leistungsträgers gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG darauf beschränkt zu kontrollieren, ob dieser (1.) seiner Pflicht zur Ermessensbetätigung nachgekommen ist (Ermessensnichtgebrauch), er (2.) mit seiner Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat, d.h. eine nach dem Gesetz nicht zugelassene Rechtsfolge gesetzt hat (Ermessensüberschreitung), oder (3.) von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Abwägungsdefizit und Ermessensmissbrauch). - Bei der Überprüfung darf das Gericht nicht eigene Ermessenserwägungen an die Stelle derjenigen des Leistungsträgers setzen. Die Prüfung hat sich auf die Frage zu beschränken, ob die dargelegten Ermessenserwägungen den Rahmen der §§ 39 Abs. 1 SGB I, 54 Abs. 2 Satz 2 SGG überschreiten.

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist bei summarischer Überprü-fung nicht davon auszugehen, dass die Bg im dargestellten Sinne ermessensfehlerhaft gehandelt hat. Der Bf macht zwar geltend, die Ermessenserwägungen der Bg seien sehr einseitig, worin diese Einseitigkeit besteht, hat er jedoch nicht dargestellt. Dass das Insulin nicht gekühlt werden musste, ist nach der von der Bg eingeholten Auskunft einer Apotheke schlüssig und bedarf keiner weiteren Sachaufklärung. Ob der Bf das Darlehen in absehbarer Zeit zurückzahlen kann, ist zumindest fraglich; denn er hat 2004 zwei Autos gekauft, für die er Darlehen aufgenommen hat, die er monatlich bis zum Jahr 2010 mit 326,25 EUR und 290,92 EUR tilgen muss.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit einem weiteren Rechtsmittel anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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