L 7 AS 54/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AS 85/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 54/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 16. September 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Abzweigung eines Betrages von 160,00 Euro aus dem Leistungsbezug des Beigeladenen für die Klägerin für den Monat Februar 2005 streitig.

Mit Bescheid vom 10.01.2005 bewilligte die Beklagte dem Beigeladenen (Vater der Klägerin) für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von monatlich 599,86 EUR. Hierin enthalten war ein befristeter Zuschlag nach dem Bezug von Alg I gem. § 24 SGB II in Höhe von 160,00 EUR.

Am 07.01.2005 (Eingang bei der Beklagten) beantragte die Katholische Jugendfürsorge der Diözese R. im Rahmen der für die am 26.07.1996 geborene Klägerin bestehenden Beistandschaft bei der Beklagten die Auszahlung eines angemessenen Anteils aus der laufenden Geldleistung des Beigeladenen beim Zuschlag gemäß § 24 SGB II. Der Beigeladene käme seiner Unterhaltspflicht gemäß dem Beschluss des Amtsgerichts R. vom 20.06.2001 gegenüber der Klägerin nicht nach.

Am 13.01.2005 erfolgte die Auszahlung von Sonderzahlungen an den Beigeladenen.

Mit Schreiben vom 01.02.2005 hörte die Beklagte den Beigeladenen unter Fristsetzung bis 17.02.2005 zur beabsichtigten Abzweigung an.

Am 10.02.2005 äußerte sich der Beigeladene dahingehend, er habe einen Unterhaltsrückstand gegenüber S. H. in Höhe von 50,00 EUR monatlich und eine PKH-Rückzahlungsverpflichtung (1.000,00 EUR) von monatlichen Raten in Höhe von 50,00 EUR.

Mit Bescheid vom 14.02.2005 entsprach die Beklagte der Abzweigung ab 01.03.2005. Der Auszahlungsentscheidung würden bei pflichtgemäßer Ausübung des Ermessens folgende Überlegungen zugrunde liegen: Der Leistungsberechtigte komme seiner Unterhaltspflicht ganz oder teilweise nicht nach. Die Auszahung der Leistung in Höhe von 160,00 EUR bewirke, dass sich die Situation der Klägerin als Unterhaltsberechtigter verbessere. Die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Lage des Leistungsberechtigten (Beigeladenen) werde hierdurch nicht unzumutbar beeinträchtigt. Trotz Auszahlung des genannten Betrages verbleibe dem Beigeladenen noch eine ausreichende Summe zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhaltes. Daher könne der befristete Zuschlag gemäß § 24 SGB II als Einkommen zur Deckung des Kindesunterhalts herangezogen werden. Gemessen am Zweck der gesetzlichen Regelung sei die Auszahlung der Leistung in Höhe von 160,00 EUR zumutbar. Das Interesse des Beigeladenen an einer ungeschmälerten Auszahlung der laufenden Geldleistung müsse zurücktreten, wenn dem die Dauer und das Ausmaß der unterbliebenen Unterhaltsleistung gegenübergestellt werde. Eine über den genannten Betrag hinausgehende Auszahlung der Leistung wäre bei den vorliegenden maßgeblichen Verhältnissen nicht vertretbar, so dass die Auszahlung auch der Höhe nach angemessen sei.

Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie habe bereits am 13.12.2004 einen Abzweigungsantrag gestellt, welcher der Beklagten am 07.01.2005 zugegangen sei. Es sei absehbar gewesen, dass der Leistungsempfänger möglicherweise mit Wirkung ab 01.01.2005 einen Anspruch auf einen Zuschlag gemäß § 24 SGB II haben würde. Da die Leistungsbescheide an die Alg-II-Empfänger Ende 2004 erstellt worden seien, hätte zum damaligen Zeitpunkt die Anspruchsberechtigung über die Gewährung des Zuschlages geklärt gewesen sein müssen. Infolgedessen werde die Zuerkennung der Abzweigung gemäß § 48 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) aus dem Zuschlag rückwirkend zum 01.02.2005 geltend gemacht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Vor ihrer Entscheidung habe dem Beigeladenen gemäß § 24 Abs.1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden müssen, da bei einer Anwendung des § 48 SGB I in dessen Rechte eingegriffen würde. Während des Laufs der Anhörung sei die laufende Geldleistung noch ungeschmälert an den Beigeladenen auszuzahlen. Nach der Anhörung bzw. nach Ablauf der gesetzten Frist sei die Auszahlung von Beginn des nächsten noch beeinflussbaren Zeitraums an vorzunehmen. Nehme sie die beantragte Abzweigung laufender Geldleistungen erst nach Ablauf einer angemessenen Anhörungsfrist vor, handele sie nicht ermessensfehlerhaft. Eine Anhörungsfrist von 19 Tagen sei grundsätzlich angemessen. Gemäß § 41 Abs.1 Satz 4 SGB II seien die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts monatlich im Voraus zu erbringen. Zur Sicherstellung der monatlich im Voraus zu erbringenden Überweisung für den Monat Februar 2005 habe die Zahlung hierfür letztmals zum 22.01.2005 beeinflusst werden können. Unter Berücksichtigung der üblichen Bearbeitungszeit und einer angemessenen Anhörungsfrist ab dem Tage des Eingangs des Abzweigungsantrags (07.01.2005) sei der nächste zu beeinflussende Zahlungszeitraum der Monat März 2005 gewesen.

Zur Begründung der zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ergänzend ausgeführt, die Anhörung des Leistungsempfängers habe nach ihrer Auffassung im vorliegenden Fall eher einen formalen Charakter. Von daher werde eine Anhörungsfrist von 19 Tagen nicht für angemessen gehalten. Der für die Anweisung der Leistungen für den Monat Februar 2005 maßgebende Stichtag, der 22.01.2005, hätte bei einer Anhörungsfrist von acht bis zehn Tagen eingehalten werden können. Der Anspruch eines Sozialleistungsberechtigten, in dessen Rechte eingegriffen werde, auf rechtliches Gehör, sei unstreitig. Ein Eingriff in Rechte des Betroffenen läge jedoch nicht vor, wenn die Rechtsentziehung auf einer Gesetzesänderung beruhe. Bereits als Alg-I-Empfänger sei der Beigeladene mit einem Abzweigungsbetrag wegen Unterhaltspflichtverletzung belastet gewesen. Er hätte bereits bei der Beantragung von Alg II hinsichtlich der zu erwartenden erneuten Abzweigung Rat einholen und Gründe hiergegen vorbringen können. Angesichts der Einschränkung seiner Rechte wäre entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Anhörung des Beigeladenen per Telefon, ggf. begleitet durch ein Anschreiben, adäquat gewesen. Das Ermessen hinsichtlich der gewährten Anhörung sei fehlerhaft ausgeübt worden. Durch die erfolgte Abzweigung für März 2005 sei eine Selbstbindung der Beklagten hinsichtlich einer Abzweigung für Februar 2005 eingetreten. Die übliche Reihenfolge: Antrag, Abzweigung, Auszahlung sei nicht zwingend vorgeschrieben. Die vom BSG-Urteil vom 29.08.1984 (Az.: 1 RJ 82/83) zugelassene Abzweigung bereits ausgezahlter Sozialleistungen bei vorher eingegangenem Antrag wäre geboten gewesen, da sie an einer früheren Antragstellung gehindert gewesen wäre und der Beigeladene seit Mai 2003 nur zwangsweise zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht habe angehalten werden können. Ihr sei bis zum 31.12.2004 keine Behörde bekannt gewesen, bei der sie den Antrag auf Abzweigung hätte stellen können. Die Beklagte existiere erst ab 01.01.2005. Sie habe auch keine Kenntnis davon gehabt, dass der Beigeladene von den Vorgängern der Beklagten zur Antragstellung aufgefordert worden sei. Mit der Beanspruchung des Zuschlags nach § 24 SGB II werde in die Regelleistungen des Alg II nicht eingegriffen. In sachgerechter Ermessensausübung hätte die Beklagte bei Antragseingang von einer Auszahlung des Zuschlags an den Beigeladenen absehen müssen, wie sie dies in vergleichbaren Fällen getan habe.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.09.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Entscheidung über die Auszahlung eines Teils der laufenden, dem Lebensunterhalt dienenden Geldleistung an einen Unterhaltsberechtigten stehe sowohl hinsichtlich der Abzweigung selbst als auch hinsichtlich des Zeitpunkts der Abzweigung im pflichtgemäßen Ermessen des Sozialleistungsträgers und bedeute, sofern die Abzweigung veranlasst werde, einen Eingriff in den Rechtsanspruch des unterhaltsverpflichteten Leistungsberechtigten. Vor einer derartigen Entscheidung müsse der Leistungsträger dem Leistungsberechtigten gem. § 24 SGB X Gelegenheit zur Stellungnahme zu entscheidungserheblichen Tatsachen innerhalb angemessener Frist geben, es sei denn, die sofortige Entscheidung wäre wegen Gefahr in Verzug notwendig. Über die Form der Anhörung enthalte § 24 SGB X keine Vorschriften. Die Behörde könne nach ihrem Ermessen hierüber entscheiden. Hierbei seien neben den Interessen von einem belastenden Verwaltungsakt (Abzweigung) betroffenen Unterhaltsverpflichteten auch die Interessen des von dieser Abzweigung profitierenden Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen. Die Behörde müsse die Anhörung so gestalten, dass es dem Unterhaltsverpflichteten möglich sei, sich die im Einzelfall erforderlichen Informationen zu beschaffen, Beweismittel vorzulegen und ggf. Rechtsrat einzuholen, ohne jedoch die Interessen des Unterhaltsberechtigten an einer raschen Abzweigung außer Acht zu lassen. Das Vorbringen der Klägerin sei nicht geeignet, einen Ermessensfehlgebrauch der Beklagten zu begründen. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die Argumente der Klägerin, die sich auf den früheren Alg- bzw. Alhi-Bezug des Beigeladenen stütze, nicht greifen würden. Für diese Leistungen sei die Bundesagentur für Arbeit zuständig gewesen. Die Beklagte sei als eigenständige Behörde mit dieser nicht identisch. Es könne somit ein bei der Bundesagentur für Arbeit vorhandenes Wissen über die persönlichen Umstände des Beigeladenen und der unterhaltsberechtigten Klägerin der Beklagten nicht zugerechnet werden. Zudem seien auch die Leistungsarten nicht wesensgleich. Die nicht auszuschließende Möglichkeit weitergehender Einwendungen gegen eine Abzweigung aus den ab 01.01.2005 gewährten Leistungen nach dem SGB II rechtfertige eine erneute Überprüfung des Begehrens der Klägerin sowohl bei der Beklagten als auch beim Beigeladenen. Die im Rahmen der Gewährung von Alg durch die Bundesagentur für Arbeit getroffene Ermessensentscheidung für eine Abzweigung ersetze nicht die beim Bezug von Alg II erforderliche Ermessenbetätigung der Beklagten, die selbst bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen im Einzelfall die Ablehnung eines Abzweigungsbegehrens stützen könne (vgl. BSG, Urteil vom 23.10.1985 in SozR 3-1200 § 48 Nr.10). Der Einwand der Klägerin, bei einer Rechtsentziehung infolge Gesetzesänderung sei rechtliches Gehör nicht geboten, greife nicht. Der geltend gemachten Einschränkung der Stellung der Klägerin hätte die Kath. Jugendfürsorge als deren Beistand durch eine frühere Antragstellung entgegenwirken können. Dass dies nicht möglich gewesen wäre, überzeuge nicht. So sei allgemein bekannt gewesen, dass die Empfänger von Arbeitslosenhilfe ab 01.01.2005 dem SGB II unterfallen würden. Der von der Klägerin geforderte vorsorgliche Einbehalt des von der Abzweigung betroffenen Zuschlags gem. § 24 SGB II bis zur Entscheidung über den Abzweigungsantrag fände im Gesetz keine Stütze. Im Übrigen sei auch zu berücksichtigen, dass bei Eingang des Antrags der Klägerin am 07.01.2005 die Entscheidung über den Leistungsbezug des Beigeladenen und damit über die Höhe des Zuschlags gem. § 24 SGB II noch nicht vorgelegen habe. Bei diesen Gegebenheiten erscheine es unbillig, der Beklagten für den ihr zuzubilligenden Prüfungszeitraum das Risiko einer erneuten Auszahlung des Abzweigungsbetrags an die Klägerin bei ungewissen Rückforderungsansprüchen gegenüber dem Beigeladenen aufzubürden. Dass vom Gesetzgeber mit der beim Bezug von Alg II vorgesehenen Auszahlung der Leistungen zum Monatsanfang (vgl. § 41 Abs.1 Satz 3 SGB II) eine Schlechterstellung von Unterhaltsberechtigten bei Vorliegen eines beachtlichen Abzweigungsbegehrens nicht bezweckt gewesen sei, sei der Klägerin zuzugestehen. Insoweit sei zwar eine Änderung des Auszahlungszeitpunkts hinsichtlich der gem. § 373 Abs.II SGB III gebotenen nachträglichen Auszahlung von Leistungen der Bundesagentur für Arbeit erfolgt; keine Änderung habe sich indes hinsichtlich des Auszahlungszeitpunkts für die früheren Bezieher von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz ergeben. Die bei der Zusammenlegung dieser beiden Leistungssysteme gefundene Regelung zum Auszahlungszeitpunkt möge zwar mittelbar Auswirkungen auf andere Rechtsbereiche haben. Dies könne aber nicht dazu führen, dass das Recht auf rechtliches Gehör deshalb eingeschränkt werde.

Das SG hat gem. § 144 Abs.2 Nr.1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - die Berufung zugelassen, da es der Frage, ab welchem Zeitpunkt eine Abzweigung gem. § 48 SGB I aus dem einem Unterhaltsverpflichteten zustehenden Zuschlag gem. § 24 SGB II erfolgen könne, grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat.

Zur Begründung der Berufung trägt die Klägerin vor, spätestens seit dem 07.01.2005 sei der Beklagten bekannt gewesen, dass ein Abzweigungsantrag zu verbescheiden sei. Es wäre daher möglich gewesen, die Auszahlung ausnahmsweise für Februar 2005 auf das Monatsende zu verschieben, um zuvor den Abzweigungsantrag zu bescheiden. Es lägen auch im Übrigen Ermessensfehler vor. Bei der Bestimmung der Anhörungsfrist sei stets zu beachten, dass Zweck des § 48 Abs.1 SGB I die schnelle Hilfe für den Unterhaltsberechtigten sei. Der Abzweigungsantrag habe der Beklagten immerhin 15 Tage vor ihrem "Kassenschluss" vorgelegen. Am 13.01.2006 sei zudem der Beigeladene persönlich bei der Beklagten erschienen. Dabei wäre es durchaus möglich gewesen, ein ausreichendes Anhörungsverfahren vor dem 22.01.2005 abzuschließen. Dies gelte um so mehr, als die wesentlichen Details des Sachverhalts der Beklagten schon aus der vorangegangenen Abzweigung vom Alg I bis 31.12.2004 bekannt gewesen seien. Weltfremd sei es auch, wenn das SG mangels "Identität der Behörden" das Wissen der Arbeitsagentur der Beklagten nicht zurechnen wolle. Die Beklagte arbeite im Hause der Arbeitsagentur. Rechtlich sei die Arbeitsagentur an der Beklagten beteiligt. Unerträglich sei es, dass sie als minderjähriges Kind, dessen Unterhaltsansprüche rechtswidrig nicht erfüllt werden, wegen interner Umorganisationen im Sozialsystem mehrere Monate ihren Anspruch nicht durchsetzen könne. Angesichts der besonderen Situation sei nach dem Zweck des § 48 SGB I eine möglichst nahtlose Abzweigung angezeigt gewesen. Hätte die Beklagte rechtzeitig reagiert, wäre die Entscheidung über die Abzweigung noch vor der Auszahlung des Alg II für den Monat Februar 2005 möglich gewesen. Die Beklagte habe nicht einmal die Möglichkeit einer rückwirkenden Abzweigung in Betracht gezogen. Diesen Gesichtspunkt habe sie somit auch nicht in ihre Ermessensüberlegungen einbeziehen können. Selbst wenn die Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung auf Null nicht erfüllt sein sollten, läge deshalb jedenfalls ein Ermessensnichtgebrauch vor.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 16.09.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über den Antrag vom 13.12.2004 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, dass im Rahmen der Anhörung eine angemessene Frist gesetzt werden müsse, die es ermögliche, Auskünfte einzuholen und Beweismittel zu sammeln. Hier liege ein Regelfall eines Abzweigungsbegehrens vor. Die Klägerin selbst räume hierfür eine Anhörungsfrist von 19 Tagen als angemessen ein. Bei ihr (der Beklagten) handele es sich um eine Behörde im Sinne von § 1 Abs.2 SGB X. Sie sei nicht legitimiert gewesen, Daten aus der bis 31.12.2004 erfolgten Bewilligung von Alhi nach dem SGB III heranzuziehen. Sie habe von daher ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, weil sie vom SG zugelassen wurde und die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.

Zu Recht hat das SG Regensburg mit Gerichtsbescheid vom 16.09.2005 die Klage abgewiesen, da der Bescheid der Beklagten vom 14.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2005 nicht zu beanstanden ist. Denn die Beklagte hat ihr Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 Abs.1 SGB X für die Abzweigung sind zwar erfüllt, was aber vollinhaltlich der gerichtlichen Prüfung unterliegt (BSGE 57, 127, 128 ff. = SozR 1200 § 48 Nr.9; BSGE 59, 30, 33 = SozR 1200 § 48 Nr.10).

Unstreitig kam der Beigeladene seiner Unterhaltspflicht gegenüber der Klägerin gemäß dem Beschluss des Amtsgerichts R. vom 20.06.2001 nicht nach. Wenn die Beklagte gleichwohl eine Abzweigung für den Monat Februar 2005 verweigert hat, handelte sie nicht rechtswidrig. Denn auch bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 48 Abs.1 SGB X muss die Beklagte nicht oder nicht in der vom Antragsteller gewünschten Weise abzweigen. Dies folgt aus dem ihr eingeräumten Recht, nach pflichtgemäßem Ermessen zu handeln. Der Beklagten steht hier grundsätzlich die Wahl zwischen mehreren rechtlich möglichen Verhaltensweisen zu, d.h. auch das Recht, von der an sich möglichen Abzweigung ganz abzusehen (BSGE 59, 30, 33 = SozR 1200 § 48 Nr.10). Erforderlich ist insoweit lediglich, dass sie sich für ihr Verhalten auf sachgerechte Gründe berufen kann und beruft (§ 39 Abs.1 Satz 3 SGB X). Nur in dieser Beziehung unterliegen Ermessensentscheidungen der Kontrolle des Gerichts; denn insoweit ist Rechtswidrigkeit nur gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wird (§ 54 Abs.2 Satz 2 SGG).

Ausgehend hiervon erweist sich die Entscheidung der Beklagten, hinsichtlich des Monats Februar 2005 keine Abzweigung vorzunehmen, als ermessensfehlerfrei. Die Beklagte hat ihre Entscheidung insbesondere darauf gestützt, dass sie zunächst den davon betroffenen Beigeladenen habe anhören müssen. Die diesbezüglichen Erwägungen der Beklagten sind nicht sachwidrig.

Nach § 24 Abs.1 SGB X ist einem am Verwaltungsverfahren Beteiligten, in dessen Rechte durch einen Verwaltungsakt eingegriffen werden soll, vor der Entscheidung Gelegenheit zu geben, sich zu den dafür erheblichen Tatsachen zu äußern. Die gesetzliche Festlegung des Anspruchs auf rechtliches Gehör besitzt dabei ähnliches Gewicht wie das Grundrecht des rechtlichen Gehörs im gerichtlichen Verfahren (vgl. hierzu BSG SozR 1300 § 24 Nrn.4 und 6).

Die Vornahme einer Abzweigung nach § 48 SGB I greift im Sinne des § 24 Abs.1 SGB X in die Rechte eines Beteiligten, nämlich des Leistungsberechtigten, ein. Dies folgt daraus, dass Teile der ihm zustehenden Leistung nunmehr nicht mehr ihm, sondern an einen Dritten ausgezahlt werden. Zwar entspricht es dem Zweck des § 48 SGB X, eine möglichst rasche Verwirklichung von Unterhaltsansprüchen zu ermöglichen. Daraus folgt, dass der Leistungsträger zu einer entsprechenden zügigen Bearbeitungsweise verpflichtet ist. Er darf aber deshalb nicht geschützte Rechte des Leistungsberechtigten vernachlässigen, insbesondere nicht das Anhörungsrecht nach § 24 Abs.1 SGB X. Die Gründe für das Verhalten der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Denn die Berufung darauf, dass sie vor der Entscheidung über die Abzweigung zunächst den Betroffenen anhören müsse, stellte keine fehlerhafte Ermessensausübung dar. Die von der Beklagten dem Beigeladenen gegenüber eingeräumte Anhörungsfrist von 19 Tagen war auch angemessen, wenn vielleicht auch eine schnellere Bearbeitung möglich und geboten gewesen wäre. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass bei einer Massenverwaltung, wie sie die Beklagte zu bewältigen hat, die vorliegenden Bearbeitungsfristen nicht übertrieben lang sind, und bei der Frist, die die Beklagte dem Beigeladenen eingeräumt hat, zu berücksichtigen ist, dass neben den Postlaufzeiten für Anfrage und Antwort auch das Recht des Betroffenen auf eine angemessene Überlegungs- und Beratungszeit zu berücksichtigen war. Es ist darüber hinaus auch nicht als ermessensfehlerhaft anzusehen, dass die Beklagte die Abzweigung nicht rückwirkend vom Zeitpunkt des Antragseingangs an vorgenommen hat. Eine derartige rückwirkende Abzweigung wird zwar rechtlich nicht für ausgeschlossen gehalten, der Leistungsträger ist jedoch dazu nicht verpflichtet. Denn sein Ermessen erstreckt sich auch auf diese Art der Entscheidung. Wenn die Beklagte den Ablauf einer Anhörungsfrist abwartet, dann stellt die Weigerung, für die zurückliegende Zeit die Abzweigung vorzunehmen, keinen Ermessensfehlgebrauch dar. Es kann insoweit nicht als ermessensfehlerhaft sachwidrig angesehen werden, wenn ein Leistungsträger sich dazu entschließt, dem Leistungsberechtigten während der angemessenen Dauer eines Verfahrens über dessen gesetzlich vorgeschriebene Anhörung die bisher bewilligte Leistung noch in vollem Umfang zu belassen. (vgl. BSG, SozR 1200 § 48 Nr.12). Eine Rechtspflicht, Abzweigungen rückwirkend auszusprechen, besteht gerade nicht.

Somit war die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 16.09.2005 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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