L 7 AS 59/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AS 528/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 59/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung zusätzlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 560,00 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer streitig.

Die 1969 geborene Klägerin beantragte am 17.01.2005 für sich und ihre Tochter Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 11.03.2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihre aktuelle Wohnung nicht angemessen sei und die Kosten der Wohnung nur für sechs Monate übernommen werden könnten. Mit Bescheid vom 14.03.2005 bewilligte sie für Februar 2005 348,80 EUR und für März bis Juli 2005 monatlich 562,40 EUR.

Mit Schreiben vom 24.03.2005 legte die Klägerin über ihren Bevollmächtigten Widerspruch ein und machte geltend, ihr sei zugesagt worden, dass die Miete in tatsächlicher Höhe einschließlich Strom und Nebenkosten sowie die für den Kinderhort zu zahlenden Kosten sowie die Kfz-Haftpflichtversicherung übernommen würden.

Nach Einholung von Unterlagen über die Stromkosten und die Betriebskosten erließ die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 08.06.2005, mit dem sie die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 632,13 EUR für die Zeit vom 01.02. bis 31.05.2005 monatlich anerkannte. Vom Einkommen zog sie den Kfz-Beitrag in Höhe von 22,95 EUR sowie Kinderbetreuungskosten in Höhe von 73,50 EUR ab. Im Übrigen führte sie aus, Betriebskosten würden mit 34,73 EUR monatlich berücksichtigt. Die Aufwendungen für die Haushaltsenergie seien bereits in der Regelleistung enthalten und würden nicht gesondert als Bedarf anerkannt. Im Rahmen der Heizkosten sei lediglich der Nachtstrom zu berücksichtigen. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens würden zu 82 % entsprechend der Erfolgsquote des Widerspruchs übernommen.

Die Widerspruchsstelle erließ einen weiteren Bescheid vom 08.06.2005, mit dem sie den Bescheid vom 11.03.2005 aufhob und ausführte, die Unterkunftskosten seien irrtümlich nur in angemessener Höhe berücksichtigt worden; der Bescheid vom 11.03.2005 sei rechtswidrig und mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens würden übernommen.

Der Bevollmächtigte der Klägerin forderte für die beiden Widerspruchsverfahren je eine Geschäftsgebühr von 240,00 EUR, eine Einigungs- oder Erledigungsgebühr von 280,00 EUR und eine Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen von 20,00 EUR, insgesamt 540,00 EUR, einschließlich der 16 %igen Mehrwertsteuer 626,40 EUR. Bezüglich des Widerspruches gegen den Bescheid vom 14.03.2005 reduzierte er die Kostenrechnung anteilig (82 %) auf 513,63 EUR.

Mit Bescheid vom 28.07.2005 anerkannte die Beklagte eine Geschäftsgebühr von 240,00 EUR, eine Pauschale von 20,00 EUR und erstattete einschließlich der Mehrwertsteuer 301,60 EUR. Für das andere Widerspruchsverfahren erstattete sie mit Bescheid vom 28.07.2005 anteilig (82 %) 247,31 EUR.

Gegen die Bescheide legte der Bevollmächtigte Widerspruch ein und führte aus, nach Ziffer 1002 des Vergütungsverzeichnisses (VV) entstehe eine Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsaktes durch anwaltliche Mitwirkung erledigt habe. Mit Abhilfebescheid vom 08.06.2005 habe man dem Widerspruch voll umfänglich stattgegeben und den Bescheid vom 11.03.2005 aufgehoben. Damit habe sich die Rechtssache ganz nach Aufhebung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsaktes mit anwaltlicher Wirkung erledigt. Die Voraussetzungen der Ziffer 1002 lägen vor. Über die Ziffer 1005 falle die Erledigungsgebühr auch in sozialrechtlichen Angelegenheiten an.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 28.09.2005 wies die Beklagte die Widersprüche als unbegründet zurück. Die Nr.1002 VV entspreche § 24 der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO). Die Erledigungsgebühr trage dem Gedanken Rechnung, dass ein Anwalt, der es erreiche, dass von seinem Auftraggeber ein belastender Verwaltungsakt abgewendet oder für diesen ein begünstigender Verwaltungsakt erlassen werde, seinem Auftraggeber in besonderer Weise genutzt habe. Daraus folge, dass eine Erledigungsgebühr nur entstehen könne, wenn sich die Sache erledigt habe, bevor eine Sachentscheidung über den Rechtsbehelf ergangen sei. Dies gelte auch für die Erledigung während des Widerspruchsverfahrens. Dementsprechend führe der in der Sache streitentscheidende, das Widerspruchsverfahren abschließende Widerspruchsbescheid nicht zu einer Beilegung der Rechtssache auf sonstige Weise.

Hiergegen hat die Klägerin die Klagen S 1 AS 528/05 und S 1 AS 529/05 erhoben. Es bestehe keine Notwendigkeit, einen eingelegten Widerspruch zu begründen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Beklagte den Ausgangsbescheid nicht aufgehoben hätte, wenn der Widerspruch nicht begründet worden wäre. Vielmehr wäre ein entsprechender Widerspruchsbescheid ergangen, gegen den Klage zu erheben gewesen wäre, wodurch weitere Gebühren entstanden wären. Eine solche Vorgehensweise sei mit Sinn und Zweck der Ziffer 1002 VV zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) nicht zu vereinbaren. Die Erledigungsgebühr sei eine Erfolgsgebühr. Die Rechtsprechung zu den früheren Vorschriften der BRAGO könne nicht herangezogen werden.

Mit Urteil vom 16.02.3006 hat das SG die Klage abgewiesen. Ob eine Erledigungsgebühr zusätzlich entstehe, ergebe sich aus der Nr.1002 VV RVG. Dieser Gebührentatbestand entstehe, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit dem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsaktes durch die anwaltliche Mitwirkung erledige. Als Mitwirkungshandlungen reichten weder die Begründung des Rechtsmittels, die Vorlage von Beweismitteln noch bloße Erledigungserklärungen aus. Ein Bevollmächtigter sei gegenüber seiner Mandanten verpflichtet, das Verfahren gewissenhaft, sorgfältig und gründlich zu betreiben. Diese Tätigkeit werde durch die Verfahrensgebühr vollständig abgegolten. Es müsse ein zusätzliches, über das Betreiben des Widerspruchsverfahrens hinausgehendes, für die Erledigung der Rechtsstreites kausales Engagement des Rechtsanwalts vorliegen. Das RVG habe insoweit keine Änderung zum Begriff des Mitwirkens in § 116 Abs.4 BRAGO gebracht.

Zur Begründung ihrer gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verweist die Klägerin auf einen Beschluss des SG Mannheim vom 06.09.2005, S 4 KR 2037/05 KO-A.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 16.02.2006 und unter Abänderung der Bescheide vom 28.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheide vom 28.05.2005 zu verurteilen, weitere Gebühren in Höhe von insgesamt 560,00 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als nicht begründet. Der Klägerin steht die Erstattung höherer Gebühren nicht zu.

Für die Tätigkeit des Bevollmächtigten in den Widerspruchsverfahren ist nach der Ziffer 2500 des als Anlage zu § 2 Abs.2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) vom 05.05.2004 (BGBl.I 718) ergangenen Vergütungsverzeichnisses (VV) eine Geschäftsgebühr entstanden; der Gebührenrahmen hierfür beträgt 40,00 bis 520,00 EUR. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte zu Recht die vom Bevollmächtigten selbst festgesetzte Gebühr von 240,00 EUR als zutreffend anerkannt. Diesbezüglich besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.

Eine weitere Gebühr im Sinne einer Erledigungsgebühr ist nicht angefallen. Nach VV 2002 entsteht diese zusätzliche Gebühr nur, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsaktes erledigt. Nach der VV 1005 fällt in einem solchen Fall eine Gebühr zwischen 40 und 520,00 EUR an. Diese Vorschrift knüpft an § 24 BRAGO an, wonach der Rechtsanwalt, der bei der Erledigung mitgewirkt hat, eine volle Gebühr erhält, wenn sich die Rechtssache ganz oder teilweise durch Zurücknahme oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakt erledigt hat. Eine Erledigung in diesem Sinne liegt aber nicht vor, wenn die Widerspruchsbehörde streitig entscheidet oder der Ausgangsbehörde empfiehlt, den Verwaltungsakt zurückzunehmen (vgl. von Eicken in Geroldt/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, Kommentar, 16. Auflage, Rdnr.2 zu 1002 VV). Eine Erledigungsgebühr nach § 24 BRAGO, auf den § 116 Abs.3 BRAGO verwies, war nicht anzuerkennen, wenn die Rechtssache sich nicht wegen der Mitwirkung des Bevollmächtigten an einer einem Vergleichsabschluss entsprechenden Weise erledigt hat; erforderlich ist ein beiderseitiges Nachgeben als Grundvoraussetzung für den Vergleich, was nicht der Fall ist, wenn das Vorverfahren mit einem vollen Erfolg endet (vgl. BSG, SozR 3-1930 § 16 Nr.7).

Dies gilt hier Fall in jedem Fall für den Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.03.2005. Eine "vergleichsweise" Erledigung könnte allenfalls für das Widerspruchsverfahren bezüglich des Bescheides vom 14.03.2005, das mit einer Teilabhilfe geendet hat, angenommen werden. Jedoch war auch insoweit schon unter Geltung der §§ 24, 116 BRAGO von dem Bevollmächtigten ein besonderes Bemühen um eine außergerichtliche Erledigung dieses Rechtsstreits zu verlangen, wofür weder die Begründung des Rechtsmittels noch die bloße Erledigungserklärung ausreichte (BSG a.a.O.). Diese Grundsätze haben in gleichem Maße für die VV 1002, 1005 zu gelten. Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass der Bevollmächtigte sich über die Einlegung des Widerspruchs und die hierin zusätzlich geltend gemachten Kosten hinaus in besonderer Weise um die Erledigung des Rechtsstreit bemüht hat, weshalb eine zusätzliche Erledigungsgebühr nicht in Betracht kommt.

Somit war die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16.02.2006 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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