L 7 AS 109/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 52 AS 84/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 109/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. November 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) - Alg II - streitig.

Der 1947 geborene Kläger bezog bis 05.02.2003 Arbeitslosengeld (Alg) I und anschließend Arbeitslosenhilfe (Alhi). Am 27.10.2004 beantragte er für sich und seine 1952 geborene Ehefrau die Bewilligung von Alg II. Mit Bescheid vom 09.11.2004 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, nach den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen sei der Kläger nicht hilfebedürftig. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe zwei unterhaltsberechtigte Kinder, die in Kroatien studierten und für die er kein Kindergeld erhalte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Von dem Nettoarbeitsverdienst der Ehefrau von 851,02 EUR seien Fahrtkosten von 3,42 EUR und sonstige Ausgaben von 15,33 EUR, insgesamt 18,75 EUR abzuziehen, so dass ein bereinigtes Einkommen von 832,27 EUR verbleibe. Weiterhin sei der Freibetrag für Erwerbstätigkeit nach § 30 SGB II in Höhe von 180,14 EUR abzuziehen, so dass das zu berücksichtigende Einkommen 652,13 EUR betrage. Von dem Nettoeinkommen aus der Zusatzbeschäftigung von 392,00 EUR sei der 15-prozentige Freibetrag von 58,80 EUR abzuziehen, so dass 333,20 EUR verblieben; somit betrage das gesamte anzurechnende Einkommen 985,33 EUR. Dem gegenüber betrage der Bedarf 806,00 EUR, sich zusammensetzend aus der Regelleistung von 2 x 311,00 EUR und den Kosten der Unterkunft von 184,00 EUR. Da das Einkommen diesen Satz übersteige, bestehe keine Hilfebedürftigkeit. Die Kinder studierten in Kroatien, ein Anspruch auf Leistungen bestehe für sie nicht, weil sie nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hätten (§ 7 Abs.1 Nr.4 SGB II) und zudem als Studenten unter den Ausschlussgrund des § 7 Abs.5 SGB II fielen, selbst wenn sie in Deutschland studieren würden.

Zur Begründung seiner zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage hat der Kläger ärztliche Atteste vorgelegt, wonach bei ihm und seiner Ehefrau regelmäßige ärztliche Kontrollen wegen Asthma bronchiale und einem chronischen Wirbelsäulensyndrom bzw. einem Wirbelsäulensyndrom und depressiven Syndrom notwendig seien. Seine 25 bzw. 21 Jahre alten Kinder studierten in Kroatien und erhielten keine Ausbildungsförderung. Er zahle monatlich mindestens 500,00 EUR Unterhalt an sie und habe hierfür ein Darlehen von 10.000,00 EUR aufgenommen; zur Sicherung der Darlehensrückzahlungen habe er eine Lebensversicherung abschließen müssen, worauf er monatlich 150,00 EUR Beitrag zahle.

Mit Urteil vom 22.11.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach § 11 Abs.1 SGB II seien als Einkommen grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen. Die bedarfsbezogene Verwendungsmöglichkeit würde nur fehlen, wenn das Einkommen der Ehefrau wegen titulierter Unterhaltstitel gepfändet würde. Dies sei jedoch nicht der Fall. § 11 Abs.2 SGB II lege wie im Sozialhilferecht § 76 Abs.2 BSHG fest, welche Aufwendungen vom Einkommen abzusetzen seien. Unterhaltsleistungen des Hilfesuchenden fielen nicht darunter (vgl. BVerwG, Beschluss vom 02.07.1993, 5 B 165/92; VGH Baden-Württember, Urteil vom 12.06.1996, FEVS 47, 364). Damit könnten mangels gesetzlicher Grundlage die tatsächlich geleisteten Unterhaltszahlungen des Klägers und seiner Ehefrau an die Kinder in Kroatien nicht vom Einkommen in Abzug gebracht werden. Auch diesbezügliche Schuldzinsen aus dem Ausstattungsdarlehen seien nicht zu berücksichtigen. Die damit zusammenhängenden Lebenversicherungsbeiträge in Höhe von 150,00 EUR fielen nicht unter § 11 Abs.2 Nr.3b SGB II, weil der Kläger und seine Ehefrau nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit seien. Da die Höhe des Versicherungsbeitrags nach der nicht zu beanstandenden Bedarfsberechnung des Widerspruchsbescheides selbst im Falle seiner Absetzung keinen Leistungsanspruch des Klägers nach sich ziehen würde, sei vom Gericht nicht weiter aufzuklären, ob es sich bei der Lebensversicherung um eine sogenannte Riester-Rente handle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der seine monatlichen Ausgaben auflistet und geltend macht, der Verdienst der Ehefrau reiche nicht einmal für die erforderlichen Lebensmittel aus.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 22.11.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Arbeitslosengeld II zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, da der Kläger keinen Anspruch auf Alg II hat.

Der Kläger ist nicht hilfebedürftig nach § 7 Abs.1 Satz 1 Nr.3 SGB II, da gemäß § 9 Abs.2 Satz 1 SGB II bei der Feststellung der Hilfebedürftigkeit das Einkommen der Ehefrau zu berücksichtigen ist. Die Beklagte hat den Bedarf zutreffend mit monatlich 806,00 EUR festgestellt. Neben den Regelleistungen sind die Kosten der Unterkunft in Höhe von 140,00 EUR und die Pauschale für das Heizen mit Strom von 44,00 EUR anzusetzen. Dem steht das von der Beklagten ebenfalls zutreffend ermittelte zu berücksichtigende Einkommen der Ehefrau in Höhe von 985,33 EUR gegenüber. Die vom Kläger geltend gemachten Kosten für Telefon, Fernsehen können weder bei der Feststellung des Bedarfes zusätzlich berücksichtigt werden noch von dem erzielten Einkommen abgesetzt werden. Vielmehr sind diese Ausgaben aus der Regelleistung, die diesen Bedarf pauschal abgilt und im Einzelfall keine Berücksichtigung höherer Ausgaben zulässt, zu bestreiten. Im Übrigen sind die vom Einkommen abzusetzenden Ausgaben in § 11 Abs.2 SGB II abschließend geregelt. Die vom Kläger genannten Ausgaben fallen ebensowenig darunter wie die von ihm genannten Unterhaltsleistungen an die volljährigen Kinder. Das Gericht folgt insoweit den Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil und sieht gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Unterhaltsleistungen können allenfalls als einkommensmindernd berücksichtigt werden, wenn insoweit, wie das SG zu Recht dargestellt hat, titulierte Unterhaltsansprüche bestehen. Dies ist mittlerweile durch § 11 Abs.2 Satz 1 Nr.7 SGB II, eingefügt durch das Gesetz vom 20.07.2006, BGBl. I S.1706, klargestellt. Danach sind vom Einkommen abzusetzen Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag. Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass etwaige Unterhaltsansprüche der volljährigen, in Kroatien studierenden Kinder dem Anspruch des Klägers vorgehen. Denn gemäß § 1609 Abs.2 Satz 1 BGB steht der Ehegatte den Kindern im Sinne des § 1603 Abs.2 gleich; er geht anderen Kindern und den übrigen Verwandten vor. Nach § 1603 Abs.2 Satz 1 stehen den minderjährigen unverheirateten Kindern volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Die Kinder des Klägers haben sowohl das 21. Lebensjahr vollendet und leben zudem nicht im Haushalt des Klägers und seiner Ehefrau, so dass ein dem Unterhaltsanspruch des Klägers vorgehender Unterhaltsanspruch der Kinder ausscheidet. Unterhaltsleistungen, die trotz nicht bestehenden Unterhaltsverpflichtigungen geleistet werden, scheiden für eine Anrechnung von vornherein aus.

Somit war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 22.11.2005 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründen für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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